Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Wie man die Jugend in guten Sitten und christlicher Zucht erziehen und lehren soll

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Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 5 (Leipzig: Heinsius, 1934) (Corpus Reformatorum 92)


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Wie man die jugendt in guoten sitten und christenlicher
zucht uferziehen unnd leeren sölle, ettliche
kurtze underwysung durch Huldrychen Zuinglin
beschriben.
Getruckt zuo Zürich by Christoffel Froschouer
M.D.XXVI. jar.
Dem erenvesten, züchtigen jüngling Gerolden Meyer
wünsch ich Huldrych Zuinglin gnad und frid von
gott unnd unserem herren Jesu Christo.
So dich mit fröuden yederman (als du yetz nüwlich von Baden
widerkamest) empfangen unnd der mit disem, der ander mit dem dich
geeret hat, beduocht mich, es wurde mir für gar ein grosse grobheyt und
unvernunft geachtet werden, wo ich dich, min Gerold, nit ouch mit
einer gaab und schencke empfienge; besonder so es ein gmeiner sitt ist
under guoten fründen, die, so von Baden widerkommend oder ouch die,
so noch badend, zuo eeren. Dich aber zellen ich in zweyerley wäg under
mine fründ, zum teil das du ernstlich und (als ich hoff) nit on nutz
der leer und kunst obligst, zum teyl das du under unserem Glareano
als under einem gelerten und berichten houptman unnd leerer in der
zal siner jungen helden dich arbeitest. So ich aber vil und lang by
mir selbs gedacht hab, was doch dir aller angenämist sin möchti, find
ich zum letzten, daß die gaab, so dir gefallen wölle, eintweders heilig
oder künstlich oder beyde miteinander sin muesse. Dann wie du von
art zuo gotshuld und tugenden geboren bist, also gibst du ouch yetz
harfür die fruezytigen, doch angenämen frucht einer burgerlichen zucht und
fürträffenlicheyt. Diewyl aber ich (wiewol ich flyß angekert hab) kunstlichs
dir nit leisten mocht, hat mich beduocht nit on nutz sin, so ich
dir mit etlichen nit allein zum lyb, sunder ouch zur seel heilsam und
nutzlichen, ouch zur tugend und frombkeit fürderlichen underwysungen
minen dienst erzeygte. Und als ich dann vorzyten ein buechlein ze machen
mir fürgenommen hatt, was gstalt man die jugend underwysen und anrichten

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solt, und sölich min fürnemmen von vil ynfallenden unruowen
(als dann die sachen yetz stond) verhinderet, ist mir yetz (so ich mich
besinnt, was ich dir schencken wölte) wider yngefallen derselb min
voriger anschlag. Und wiewol ich etlich sich, die vast sorgfeltig sind,
wie sy das volbracht werck einem, der syn wirdig sye, zuoeignen wöllind,
ist doch mir am selbigen ort das widerspyl begegnet. Dann dem ich
sölich min arbeyt zuoschryben wil, der ist vorhanden; mir aber gebrist
muoß und zyt unnd die nün jar, die das werck by dem werckmeyster
verhalten werden sol. So ich nun zwüschen denen beiden als vil als
gespannen ston, namlich zuo einem teil, das ich dir ye etwas schencken
muoß, zum andren das ich nit muoß noch wyl, sölichs als sich zimpt
ze machen, haben mag, hab ich (als ich mein) einen wäg funden, das
ich yetzmals mir und dir gnuog thuegy. Ich hab mir selbs so vil zyt
abgestolen und in einer yl etliche underwysungen und vermanungen
zuosamen gläsen, doch wenig, und dieselben wol erwegen, uff das die
vile nit unlust bringe; dann gmeinlich, wo man wenig ynschenckt, hat
man dest grössere begird ze trincken. Sölche leeren aber solt du nit
nach der zierd, sunder nach dem innhalt und dem hertzen nach, uss
dem sy kommen, achten und schetzen. Dann welcher nit gotloß ist,
mag das gotshüldig wol verheyssen; aber kunstlichs ze verheyssen, muoß
sich ouch der aller geleertest schämen. Dise mine underwysungen aber
sind dryerley:
Der erst teyl gibt bericht, wie eines jünglings zart unnd weych gemuet
in den dingen, die gott anträffend, gebünt und berichtet werden sol.
Der ander teyl bericht den jüngling in denen dingen, die inn selbs
betreffend.
Die dritten, wie gegen andren sich der jüngling halten sölle.
Min fürnemen aber ist nit, das ich hie setzen wölle söliche underwysungen,
die man den kinden von den wiegen an geben sölle, ouch
nit wie man die anfahenden schuoler erstlich berichtet, sunder von
dem alter an, so die jüngling yetz anfahend witzig ze sin und verstand
ze haben und, als man spricht, on rinden schwümmen könnend, under
die ich dann dich ouch zellen. Dise underwysungen aber (als ich verhoff)
wirstu flyssig läsen und dich gantz nach inen gstalten, das ouch
andre jüngling an dir als an einem läbendigen bildner lernen werdend.
Sölichs schaffe gott in dir! Amen.
Geben zuo Zürich im ersten tag des ougstmonats im M.D.XXIII. jar.

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Der erst teyl der leren.
Vor allen dingen, wiewol es menschliches vermögens gar nit ist,
des menschen hertz zuo dem glouben eines eynigen gottes ze ziehen
[cf. Joh. 6. 44], ob schon eyner den hochberuempten und wol beredten
Periclem in reden überträfe, sunder allein der himmelisch vatter, der
uns zuo im zücht, sölichs vermag, ye doch so ist der gloub (nach dem
Wort Pauli) uss dem ghörd, so verr sölich ghörd das wort gottes ist
[Röm. 10. 17]. Diß verstand aber nit, daß die predig deß mundtlichen
worts für sich selbs allein so vil vermöge, es sye dann, daß der geyst
innwendig rede und ziehe. Deßhalb muoß man der jugend den glouben
mit reinen luteren und dem mund gottes gebrüchlichen worten yngiessenn,
damit ouch dän bitten, der allein glöubig macht, das er mit sinem
geyst den erlüchte, den wir mit dem wort underwysend und lerend.
Es bedunckt mich ouch der leer Christi nit ungemäß sin, so wir
die jugend ouch durch sichtbare ding in erkantnuß gottes fuertind: als
so man inen das schön gebüw der gantzen welt für ougen stelt, ein
yetlichs in sunderheit als mit dem finger dütende, das die ding alle
wandelbar und zerstörlich sygind, unnd aber der, der söliche ding alle
(deren doch mancherley) so styff, so eins, wunderbarlich zuosamen gesetzt
und vereinbaret habe, unwandelbar und unbeweglich sin muesse.
Zuodem, das der, der alle ding so kluoglich, so artlich geordnet hat,
nyemarmer darfür verargwonet werden sol, das er sölichs sines wercks
vergessen oder nit achten werde, so doch under den menschen dem
hußvatter für ein laster geachtet wurde, wo er sines huses und hußgesinds
flyssig sorg und acht nit haben wurde.
Dannenhar wirt der jüngling erlernen, das die fürsichtikeit gottes
alle ding versorgt, alle ding ordnet, alle ding uffenthalt; dann von den
zweyen sparen, die umb einen haller erkoufft sind, falt der ein nit uff
die erden on den radtschlag götlicher fürsichtigkeyt (weliche ouch die
haar unsers houpts gezelt hat), wirt doch durch söliche acht und sorg,
so sy über die schnöden ding hat, sy nüt dest schnöder oder ringer
[Matth. 10. 29f.].
Uß dem dann offenbar ist, das die götlich fürsichtigkeit nit allein
die ding, so der seelen, sunder ouch die ding, so dem lyb notwendig
sind, fürsicht, fürordnet und bescheert. So wir sehend die rappen

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so rychlich von ir gespyßt und die gilgen so schön bekleydet und gezierdt
werdend [cf. Luc. 12. 24. 27]. Wo das menschlich gemuet sölcher
gstalt von der götlichen fürsichtigkeit recht underwisen ist, mag es nit
sin, das es yemermee angsthafft oder schantlich gytig sye. Und wo
wir dise anfächtung deß gyts und sorgfaltiger angst, glych so sy anfacht
gruonen, abhouwen und ußrüten, werdend wir unsere gemuet vor
einem schädlichen gifft verhueten.
Dann unser gmuet wirt denn wüssen, daß gott nit allein ein herr,
sunder ouch ein vatter ist aller deren, die in inn vertruwend: das ouch
er wil, das man zuo im umb hilff nit minder louffe, dann zuo dem
vatter, der uns geboren hat, und das er mit sinen selbs worten hilff
verheissen hat, ja das er wil gebätten sin [cf. Matth. 7. 7, Joh. 16. 24].
Deßhalb, so uns kranckheit, es sye der seelen oder deß lybs, anfallt,
werdend wir bericht sin, allein von im artzny ze bitten; so der fyend
uns trengt, nyd und hass beschwärt und truckt, zuo im allein ze fliehen;
so wir wyßheyt, so wir kunst und underricht begärend, von im allein
sölichs ze höuschen, ja ouch wyb und kind von im ze begären; und ob
guot und eer uns rychlicher zuoflusse, von im ze bitten, das unsere hertzen
nit so weych wurdind und zerflussind und von im abgefuert wurdind.
Was bedarffs vil worten? Wo unser gemuet sölicher maß, wie obgesagt,
bericht ist, wirdt es wüssen, das alle ding von got ze begären
sind, wirt ouch ein grosse schmach achten, etwas von im ze bitten, das
im ze geben unzimlich sye, ja wirt sich schämen, etwas ze begären oder
ze haben, das es mit gott zimlich nit haben mag noch sol, wirt allein
noch denen dingen stellen, allein die ding hinder sich legen, die warlich
sälig machend.
Der jüngling, den wir ze underwysen vorhanden habend, wirt die
heimlikeit des euangelii in sölichen wäg verston und begryffen: Erstlich
muoß er den stand des ersten menschen wüssen, wie derselb, nachdem
er das gebott gottes übertretten hat, des tods gestorben sye; wie er mit
siner sünd sine nachkommen, das gantz menschlich gschlächt, vergifftet
und verderbt habe; dann die todten mögend ye keine läbendige gebären,
als wir dann by den Britanniern nye kein Moren geborn sin gesehen
habend; uß welichem allen ouch unser jüngling sinen eygnen prästen
und kranckheit erlernen und erkennen wirt. Sinen prästen wirt ouch
er erkennen, wenn er wüssen wirt, das wir uß onmacht, uß angefochtny,
uß begirden und anfechtungen alle ding thuond und das gott von sölichen

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anfechtungen wyt wyt sye; dann in im kein anfechtung noch onmacht
ist [cf. Jac. 1. 13f.]. Uß welichem on zwyfel volget, das ouch wir
(so wir by gott begärend ze wonen [cf. Ps. 15. 1ff.]), von allen anfechtungen
fry sin muessend und ledig. Dann glych als der fromb mit dem
schalck kein gselschafft noch gmeinsame haben und der schalck den
frommen ouch nit lyden mag, also wirt ouch by gott nyeman wonen
dann der allein, der on maasen und befleckung läbt [cf. Ps. 15. 1f.]
und der heylig (wie ouch gott) ist [3. Mose 19.2] und der ein reyn luter
hertz hat; dann selig sind, die eines reynen hertzens, dann sy werdend
gott sehen [Matth. 5. 8].
Ein söliche unschuld, ein söliche frombkeit aber mögend wir (die
allenthalben mit unreinen anfechtungen umbgeben sind) nit überkommen;
hie ligend wir nun zwüschen tür und angel; hie sind wir genötet, so
gott von uns ein söliche unschuld, so grosse reinigkeit und frombkeit
erforderet, und aber wir (als die vergiften und aller lastren vol) im nüt
dann laster (wir wöllind oder nit) leisten mögend; hie werdend wir gezwungen,
uns an gott ze ergeben und uns an sin gnad ze lassen; hie
gadt uf das liecht des euangelii, das ist der frölichen bottschafft, so man
uns verkündt, das uss sölicher angst und not, uss sölichem ellend,
darinnen wir alle gefangen ligend, Christus uns erlößt, der ein sölicher
erlöser, behalter, säligmacher und gsundmacher ist, das im kein
Juppiter verglycht mag werden. Diser Jesus richtet unsere gewüssen,
die yetz als vil als verzwyflet warend, wider uf, ja er verknüpft sy mit
im in gewüsser hoffnung und macht sy sälig. Dann diewyl er aller
sündtlichen anfechtungen und prästen gantz ledig ist (dann er ist von
dem heiligen geyst empfangen und uss einer unbefleckten, unvermaßgeten
jungfrouwen geboren), hat er zum ersten söliche sine unschuld unnd
frombkeyt für uns dargestreckt (dann er hat unser arbeyt, kranckheyt
und schmertzen getragen) [Jes. 53.4] und nachmals alle die, die sölichs
vest und styff gloubend, sälig gmacht [cf. Matth. 10. 22]. Dann welcher
söliche frymilte schencke, die dem armen menschlichen geschlecht von

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gott durch Christum ggeben ist, gloubt, der wirt sälig und ist yetz
ein miterb Christi worden [cf. Röm. 8. 17]; deßhalb er dann by dem
vatter eewige fröud haben wirt; dann er wil, wo er sye, das ouch daselbs
sin diener sye [cf. Joh. 12. 26].
Die unschuld, frombkeyt und reynigkeyt Christi, die er für uns
schuldigen, ja für uns verdampten dargestreckt hat, macht uns von
sünden, schuld und pin ledig und machet uns gottes wirdig, uss der
ursach, das Christus die maß der götlichen gerechtigkeit erfüllen mag;
dann er aller zerstörten anfächtungen fry ledig was. Und wiewol er
ein sölicher und so hoher ist, namlich gott, ist er doch unser worden
[cf. Phil. 2. 6f.], uss dem dann volgt, daß sin frombkeit und unschuld
(deren wir mangleten) ouch unser worden ist; dann er ist uns von gott
gemachet wyßheyt, frombkeyt, heiligung und erlösung [1. Cor. 1. 30].
So habend wir nun ein zuogang durch inn zuo gott [cf. Röm. 5. 2, Eph.
2. 18]; dann er ist unser, er ist ein pfand der gnaden gottes [cf. Eph.
1. 14], unser fürsprech [1. Joh. 2. 1], pfand, bürg [cf. Hebr. 7. 22], fürbitter,
mitler [cf. 1. Tim. 2. 5], ja er ist uns alles.
Die das euangelium sölicher maß gefasset habend unnd daryn vertruwent,
die sind uss gott geboren; dann der verstand menschlicher
blödigkeit mag ein so tieffen und hohen radtschlag der göttlichen
gnaden nit erlangen noch verston.
Dannenhar kumpt nun, daß die, die durch das euangelium widergeboren
sind, nit sündend; dann welcher uss gott geboren ist, der sündet
nit [1. Joh. 5. 18], welcher dem euangelio gloubt, ist uss gott geboren.
So volgt ye, daß die nit sündend, die durch das euangelium widergeboren
sind. Ist so vil geredt: Die sünd werdend inen zum tod und
zuo verdamnus nit gerechnet, deßhalb daß sy Christus mit dem wärden
schatz sines tods bezallt und abgewäschen hat [cf. Gal. 3. 13].
Dann wiewol wir, diewyl wir hie im tödtlichen lychnam läbend
und in bilgerwyß in disem ellend von dem herren noch sind, one anfechtungen
unnd deßhalb ouch one sünd nit sin mögend, so ersetzt doch
Christus (deßhalb das er unser ist) all unser onmacht und unvermöglikeyt;
dann er ein eewiger gott und ein eewiger geist, deßhalb er dann
thür, kostlich unnd wärd gnuog ist, aller menschen sünd hinzuonemmen
und ze bezalen, ja vil mee, dann wir mit schulden verdienen mögind.
Sölich vertruwen aber in Christum macht nit ful, macht nit träg
noch farlässig, sunder tringt, trybt und ufrüstet uns, guots ze thuon und

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recht ze läben, dann sölich vertruwen kumpt von keinem menschen.
Dann wie möcht es sin, daß das menschlich gemuet, das den mererteyl
an den usserlichen befintlikeiten oder sinnen hanget, gantz unnd gar
mit hoffnung, zuoversicht unnd trost sich uff ein ding länete und vertröstete,
das es nit sehe oder mit den usseren sinnen keins wegs begryffen
möchte? Deßhalb wol zuo verston ist, das diser gloub unnd
zuoversicht in Christum alleyn von gott kommen muoß. Nun, wo gott
würckt, bedarffst du nit angsthafftig sin, das die sach nit recht gange
oder das nit guote werck geschehind.
Dann diewyl gott ein volkummne yemerwärende bewegnus oder
bewegende krafft ist, die alle ding bewegt, und aber sy unbewegt blybt,
so wirt er ye den, des hertz er zuo im gezogen hat, nit unbewegt, nit
muessig lassen. Dise meynung bedarff keins bewärens, sunder des gebruchs
und der uebung. Allein aber die glöubigen erfarend und befindend,
wie Christus die sinen nit laßt muessig gon und wie frölich unnd muotig
sy in sinem werck sygind.
Welicher nun die heymligkeyt des euangelii recht erlernet hat unnd
recht verstadt, der flyßt und understadt sich recht und warlich zuo läben.
Deßhalb man das euangelium, so vil es sin mag, rein und mit hohem
flyß leren sol. Ouch sol man by zyten leren, mit was diensten wir
gott allermeyst erwärben mögind, zwar mit denen, die ouch er on underlaß
gegen uns brucht, als da ist gerechtigkeyt, frombkeyt, warheyt,
trüw, barmhertzigkeit. Dann so gott ein geyst ist, mag er mit keinem
opffer, dann mit einem ergebnen gemuet recht geeret werden [cf. Joh.
4. 24]. Deßhalb sol ein jüngling daruf sehen unnd sich deß flyssenn,
das er zytlich nachhin trachte, wie er ein fromber man werde, das er
unschuldigklich und gott, so vil müglich, glych läbe. Got, der thuot
allen menschen guots, ist yederman nütz, schadet nyeman, es sye einer
dann im selber vor schad. Also ouch, welicher sich flysset yederman
nütz und allen menschen alles ze sin [cf. 1. Cor. 9. 22], der sich vor
allem unbill verhuetet, der ist gott zum glychesten. Hoch unnd hart
sind dise ding, so wir unsere krefft ansehend, dem glöubigen aber sind
alle ding müglich [cf. Marc. 9. 23].
Der ander teyl der leren.
Nachdem nun das gemuet des jünglings zuo styffer tugend verordnet
durch den glouben recht bericht ist, volgt dann, das er sich in im selbs

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schön und hüpsch zyere unnd ordne; dann wo er by im selbs recht
unnd wol geordnet ist, wirdt er anderen lychtlich mögen helffenn unnd
radten.
Sin gmuet aber mag er baß nit ordnen, dann so er sich tag unnd
nacht in dem wort gottes uebet [Ps. 1. 2]. Das mag aber dann kommlich
unnd geschicklich geschehen, wann er die spraachen als Ebreisch
und Griechisch erberlich kan; dann on die eine mag das alt testament,
on die ander das nüw gar kümmerlich reyn und luter verstanden
werden.
Diewyl aber wir die underwysend, die yetz in den ersten anfengen
wol bericht sind, und die Latinische spraach yetzund by allen überhand
genommen hat, mein ich nit komlich sin dieselb gantz zuo underlassen;
dann ob sy glych zuo verstand der heyligen gschrifft minder thuot
dann die Griechisch oder Ebreisch, ist sy doch zuo anderem bruch
des läbens nit wenig nutzbar. Es begipt sich ouch offt, das wir in dem
gschäfft Christi ouch by den Latinern handlen muessend. Spraachen
aber zuo gwün und genyeß mißbruchen, sol von einem Christenmann
vast wyt sin; dann die spraachen sind gaben des heyligen geysts [cf.
1. Cor. 12. 10].
Die ander nach der Latinischen, deren wir obligen söllend, ist
Griechisch und das (als oben gsagt ist) umb des nüwen testaments
willen; dann mit urloub red ich das, als vil ich verston, bedunckt mich,
das die leer Christi von anfang har von den Latineren nit so flyssig,
nit so rein gehandlet sye als von den Griechen. Deßhalb sol man den
jüngling zuo den brunnen wysen.
Doch sol man in der Latinischen und Griechischen spraach
diß wol mercken, das man das hertz mit glouben und unschuld wol
beware; dann vil darinn ist, das nit on schaden erlernet wurde, als
muotwil, begird zuo regieren, begird zuo kriegen, geschwinde, unnütze und
ytele wyßheit [cf. Col. 2. 8] und derglychen. Dise ding alle mag das
gemuet, so vor gewarnet, glych als Ulisses unberuert und unverletzt fürgon
und überspringen. So es glych zuo der ersten stimm sich selbs
warnet, also sprechende: Diß hörstu, das du es fliehist, das du dich
darvor huetist, nit das du es annemmist.
Die Ebreische spraach setz ich darumb zum letsten, das die
Latinisch yetz allenthalben im bruch ist, deren die Griechisch
gar geschicklich nachgadt; dann sunst hett ich der Ebreischen billich
den fürling ggeben, und das uß der ursach, das welicher die arten

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und eygenschafften diser spraach nit weyßt, an vil orten, ouch by den
Griechen, groß arbeit haben muoß, wil er acht den rechten natürlichen
verstand der gschrifft harfür bringen. Doch ist min fürnemen yetz nit
gnuogsam von den spraachen ze reden.
Mit sölichem züg sol gerüstet sin, der zuo diser himmelischen wyßheit
(deren keine verglycht, ich gschwyg glych gewägen werden mag) ynbrechen
wil, doch das er mit niderträchtigem unnd turstigem gemuet
hinzuotrette.
So er aber dahin ynkommen, wirt er allerley bildner, recht zuo
läben, finden, namlich Christum, der aller tugenden volkomner und
ußgemachter bildner ist; so er denselben uß sinen worten und wercken
gentzlich erkennen, wirt er inn dermoß annemmen, das er in allen sinen
wercken, radtschlegen und hendlen ein teyl siner tugenden (so vil
menschlicher blödikeit müglich) underston wirt zuo bewysen.
Er wirt von im reden und schwygen lernen, eyn yetliches zuo siner
zyt [cf. Pred. 3. 7]. Er wirt sich schämen, frue in der jugend von denen
dingen ze reden, die erwachßnen lüten zuostond, so er sehen wirt, das
Christus erst im tryssigosten jar wider geredt hat [cf. Luc. 3. 23], wiewol
er sich ouch im zwölfften jar von den gschriffglerten mercken hat
lassen [cf. Luc. 2. 41-52]. In welchem wir nit allein bald harfürzebrechen,
sunder ouch von jugend uf grosse ding, doch die gott gemäß
sind, zuo underston underwisen werdend.
Dann glych als der wyber höchste zierd stillschwigen ist, also
stadt einem jüngling nüts baß an, dann ein bestimpte zyt sich flyssen
ze schwigen, biß das nit allein der verstand, sunder ouch die zung ein
yedes in sunders und sy beyde miteinander bericht werdind unnd wol
zuosamen stimmind. Nit ist min meinung, daß sy fünff jar lang schwigen
muessind, als Pythagoras sinen schuoleren gebot, sunder begird unnd
schnelly ze reden weer ich inen. Unnd es sye dann, das er nutzlichs
und notwendigs reden wölle, verbüt ich dem jüngling gar ze reden.
So der jüngling das ußsprechen von sinem leermeyster lernet unnd
aber derselb etwas lastren oder prästen in der red an im hat, sol der
jüngling söliche ungestalte und ungeschöpffte red sinem leermeyster nit
ablernen. Dise leer ist ouch nit kleyn ze achten; dann ouch die alten
schrybend, das etlich irer leermeisteren, die sy gehört, nit allein der
zungen, sunder ouch des lybs ungestalte gebärd an sich genommen
habind.

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Mangel der zungen mag man lychtlich erkennen, in dem ußsprechen
aber unnd luten der red (über das sy nit ardtlich gestellt und dem hie
nit statt ist ze sagen) wirdt gescholten, so sy ze vil schnell oder zuo vil
gemach haryn gadt, so der thon ze vil nider und schwach oder ze vil
hoch und starck ist, so die red in einer yetlichen sach, was gestallt sy
sye, glych lutet und tönet und das usserlich gepärd und wyß allweg
glych ist unnd nit der red gemäß. Man hat wargenommen, daß die
helffand etwan, so sy allein sind gwesen, sich ernstlich geuebt habend
ze lernen die ding, umb deren willen sy geschlagen wurdend. Also sol
der jüngling offt unnd zum dickeren mal sich ueben unnd trachten, wie
er das antlitz und den mund züchtigklich gestalten, wie er die hend
fueren wölle, das er damit züchtigklich (wie es gehört) anzeygen wölle
und nitt ruoderen.
Und dise ding alle sol er dergestalt mässigen, daß sy der waarheyt
dienind, nit anderen schmöuchlind. Dann wie mögend etlicher huerische
sitten von einem christenen hertzen gelitten werden? Deßhalb ich mit
sölicher uebung, die ich von dem jüngling haben wil, anders nüt fürnimm,
dann das ein yetlicher by im selbs den usseren ungestalten
lasteren lerne herschen und absterben; dann sy eines ungestallten und
ungeschickten gemuets nit ungewüsse zeychen sind.
Das gemuet aber muoß vor allen dingen styff unnd unzerstört sin.
Wo das ist, mag es gar lycht die ungestümmy der usseren glideren
mässigen, das wir das antlitz und stirnen nit runtzlind oder das mul
krümmind oder das houpt schütlind unnd die hend hin und har werffind,
sunder das wir das alles mit unangenomner schlechten und einfaltigen
moß und zucht mässigind. Diß sye nun gnuog von dem reden unnd
schwygen gesagt.
Uberfluß deß wyns sol der jüngling als ein gifft fliehen, dann über
das, das er den jungen lyb, der von im selbs zuo gähy geneiget ist,
wuetend machet, bringt er ouch dem alter ee zyt und verderbt aber denselben
im anfang; uss welchem dann volgt, so wir villicht ins alter
kommend und vermeinend rüw ze finden, anders nüt findend dann
kranckheyt. Dann es mag ye nit sin, daß der, der sich mit wyn ze überschütten
gewonet hat, nit in ein langwirige kranckheit zum letsten falle,
als da sind der vallend siechtag, lämmy, wassersucht, malatzy und
derglychen. Und darumm, wilt du lang alt sin, so wird byziten alt.

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Die andere spyß sol schlecht und nochgültig sin; dann was wil
der jüngling (deß magen von der natur hitzig und zuo der töuwung
fertig ist) der räbhueneren, reckholtervöglen, ficedlen, kappunen, reech
und derglychen schläcken? Vil mee spare er dises biß in's alter, so im
die zän yetz und der rachen verschlissen sind, so die käl durch langen
gebruch yetz erhartet, der magen erkaltet und der lib halber tod ist;
dann so bruche er dises alles. Dann wie wil man das alter ufenthalten
unnd hinbringen, wenn die muotwillige jugend mit unmaß deren dingen
yetz urdrutz und unwillen hat, die aber das alter begärt und mit denen
das alter ergetzt wirdt?
Den hunger sol man mit essen überwinden, nit gar vertryben; dann
man schrybt, daß Galenus zwentzig und hundert jar geläbt habe,
deßhalb das er von tisch nie satt ufgestanden wäre. Hie ist aber min
meinung nit, daß du dich selbs hungers tödist, sunder daß du dem
unersettigen fraaß (über das, so not des läbens vorderet) nit dienen
wöllist; dann mir ist wol wüssend, daß hie uff beyden teylen gsündet
wirt, so man eintweders mit der frässery den wölffen glych wirdt oder
durch hunger sich selbs unnütz machet.
Mich beduncket nüt torechters syn, dann so man mit kostlichen
kleyderen eer und rhuom suochen wil; dann der gestalt möchtend ouch
des bapsts mulesel erlich und hoch geachtet sin; dann so sy starck
sind, möchtend sy mer golds, silbers und edelgesteins tragen, dann der
sterckist man. Welcher wil sich aber sölicher kostlicher und brachtischer
kleydung nit beschämen, so er hört den sun gottes und der
jungfrouwen in der krypffen weynen und nit mer windlen haben, in die
er gewicklet sye, dann sovil die jungfrouw Maria (die zuo sölicher geburt
noch nit gerüstet) mit ir getragen hat [Luc. 2. 7]?
Die frömbde und nüwe kleydung täglich harfür bringend, zeygend
gewüßlich damit ir unstandhafft oder (ist das zuovil) ir wybisch und
babisch gemuet an; dieselben sind nit Christi. Dann darzwüschen sy
sich also seltzam kleydend, lassend sy die dürfftigen erfrieren und hunger
lyden. Deßhalb sol ein Christ sich vor überfluß und muotwil der
kleyder nit minder hueten dann von eines yetlichen bösens gestalt.
So der jüngling anfacht lieb haben und hold werden, sol er
zeigen, wie ein ritterlich starck gemuet er habe. Unnd so die andren
muotwilligen ire arm im krieg mit stercke und waafen uebend und erfarend,
sol der christenlich jüngling alle sine stercke daran wenden,

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das er sich der unsinnigen liebe und buolschafft erweren möge. Und so
er doch ye lieb haben wil, huete er sich, das er nit in unsinniger liebe
und torechter buolschafft wuetend werde, sunder erwelle im eine zuo
lieben, deren sitten er ouch in der ee allweg lyden möge; zuo derselbigen
gange er, doch sol sin bywonung unnd zuogang zuo diser eynigen (zur ee)
so unbefleckt und styff behuetet werden, das er (one dise) uß allen
frowen und junkfrowen keine kenne.
Was ist's von nöten, den gyt des gelts unnd der üppigen eer einem
christenlichen jüngling ze verbieten, so doch dises laster ouch by den
Heyden gescholtenn wirt? Und der wirdt kein Christ sin, der dem
gyt dienen wirdt, welcher gytz nit einen, zween, dry, sonder kostliche
rych und gwaltige stett umbbracht hat. Und wo der gytz ye in ein
regiment kommen ist, hat er dasselb im grund ußgerütet. Wo diß laster
das gemuet yngenommen hat, laßt es nüts rechts mee handlen. Ein
schädlich gifft ist gyt, aber leider es hat überhand genommen und ist
träffenlich gwaltig in uns. Allein durch Christum mögend wir diß
laster töden, so wir mit hohem flyß für und für Christo nachvolgen
werdend; dann was hat er anders gethon, dann disem laster
weeren?
Die kunst des ußmässens, rächnens und der zal (under die man
ouch die musick zellet) acht ich dem jüngling nit ze verachten sin, doch
nitt zuo lang darinnen ze ligen; dann glych als sy (so man sy kan) grossen
nutz unnd(so man sy nit kan) hindernuß bringend, also ouch, wo man
darinnen veraltet, bringt man nit mee frucht darvon, dann so einer
(damit er nit muessig gange) hin und her wandlet.
Lernen fächten schilt ich nit so gar, doch wo ich nit sähe, das
etliche rychen so gar die arbeyt unnd uebung fluhind, durch die aber
gemeinem läben grosser nutz z#;owuechse, wurde ich anders urteylen. Es
gehört aber einem christenen mann zuo (so vil es im gemeynes nutzes
unnd fridens halb zimpt) sich der waaffen ze entziehen. Dann där gott,
der den David (der in waffen unbericht und wider den Goliath mit
der schlingen ging) sighafft macht [cf. 1. Sam. 17. 31-51] und die
ungewaapneten Israeliter von dem überfallenden fygend beschirmt,
wirdt ouch uns (one zwyfel) helffen und beschirmen; oder (so es inn
anders guot dunckt) unsere hend waapnen; dann er leert und berichtet
unsere hend zum stryt. Wil aber ein jüngling ye sich in fächten ueben,

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sol syn meinung allein dahin reichen, das er das vatterland und die,
so gott heyßt, beschirmen wölle.
Also wolt ich, das alle menschen (doch fürnemlich die, die das
wort gottes ze verkünden verordnet werdend) nit anders meyntind, dann
daß sy nienen, dann in der alten Massilier statt wonen mueßtind, die
nieman in irer statt ze burger, der keyn handwerck kond, damit er sich
neeret, ufnamend. Wo das wäre, wurde der muessigang, ein wurtzel und
somen alles muotwils, vertriben und wurdind unsere lyb gar vil gsünder,
langwiriger und stercker werden.
Der dritt teyl der leeren.
Erstlich sol ein adelich fry gemuet also in im selbs gedencken:
Christus hat sich selbs für uns in tod ggeben [Tit. 2. 14], und ist
unser worden, also muost ouch du dich selbs allen menschen zuo nutz
und guotem erbieten und darstrecken, muost nit meynen, daß du din,
sunder anderer menschen sygist. Dann wir sind nitt darumb geboren,
das wir uns selber läbind, sunder das wir allen menschen alle ding
werdind [1. Cor. 9. 22].
Deßhalb sol der jüngling von jugend uf allein nach frombkeyt,
gerechtigkeit, trüw, glouben, warheit und standhaftigkeyt trachten und
stellen, darinnen sich ueben; dann mit sölichen tugenden mag er gmeiner
Christenheyt, gmeinem nutz, sinem vatterland, ouch allen und yedem
insunders nütz sin unnd frucht schaffen. Das sind gar schwache gemuet,
die allein daruf sehend, das inen ein ruewig leben begegne; sind gott
nit glych als die, die sich allen menschen ouch mit irem eignen schaden
flyssend nütz ze sin.
Hie muoß man aber gar flyssig ufsehen, daß sölichs, so allein zuo
gottes eer, des vatterlands und gmeinem nutz fürgenommen, vom tüfel
und sins selbs wolgefallen nit gefelschet werde, damit wir nit das, so wir
umb anderer willen angenommen haben geachtet sin wöllind, zuoletst uff
uns und unsren nutz ziehind und wendind. Dann vil sind, die erstlich
wol und recht anfahend und den rechten wäg häryn farend, glych bald
werdend sy von der üppigen eer (die aller guoten radtschlegen gifft und
verderben ist) gantz verkeert und von allem guotem abgefuert.
Ein christen gmuet wirt sich in glück und unglück anderer nit
anders halten, dann ob es im selber geschehen wäre. Falt einem andren
glück zuo, achtet er, es sye im begegnet, also ouch in unfal und unglück.

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Dann er wirt ein gmeind nit anders achten, dann ein huß oder ein
hußgesind, ja einen lyb, in welchem alle glyder miteinander dermaß
fröud und leyd haben und einanderen helffend, das, was einem zuofalt,
inen allen zuogefallen sye [cf. 1. Cor. 12. 26].
Also wirt er mit den frölichen sich fröwen, mit den weinenden
weynen [cf. Röm. 12. 15]; dann aller menschen zuofal wirt er sin eigen
schetzen. Dann als Seneca spricht: Das einem begegnet, mag ouch
einem yeden begegnen.
Doch sol ein christener jüngling fröud und trurigkeyt nit dermassen
bruchen, als man gemeinlich gewon ist, so man sich in glück
erhept und in unglück verzwyflet und ungedultig wirt; sunder also,
diewyl wir ye on die und ander anfechtungen nit sin mögend, so söllend
wir doch (sind wir witzig) dieselben dermaß mässigen und bescheydenlich
faren, das wir niemermee und nienen von dem, das wol stadt,
abwychind. Also werdend wir uns, so es den anderen wolgadt, fröuwen,
als wäre es uns begegnet; anders werdend wir ouch nit trurig werden,
das ist, wir werdend alle ding glychmuetigklich tragen.
Nit bin ich daran, das man dem jüngling verbüte zimliche fröud,
als da ein volck, wyb und man, gemeynlich gewon ist, zuosamen ze
kummen: als da sind hochzyt der verwandten, järliche spil, kurtzwyl
und fäst; dann ich sich, das ouch Christus die hochzyt nit verachtet
hat [cf. Joh. 2. 1-10]. Dann es mir baß gefalt, so man die ding ye
haben wil oder muoß, das man es offenlich, dann in wincklen oder in
verdachten hüseren habe. Dann ettlich sind also gesittet, daß sy vil
mee schühend die vile der menschen, vil ee erschreckend, so es yemants
sicht, der darumb zügnuß geben möchte, dann sy von inen selbs der
conscientz halben erschräckind. Dann gantz ein verzwyfleter schalck,
an dem nüt guots ze verhoffen ist, muoß der sin, der sich nit schäme, vor
einer gmeynd offenlich etwas uneerlichs ze handlen.
Wo man aber so gemeinlich zuosamen kumpt, sol der jüngling sich
flyssen, allweg etwas guottes mit im von dannen zebringen, damit er nit
(wie Sokrates beklagt) allweg erger heim komme. Deßhalb sol er warnemmen
und flyssig acht haben, wo einer under einer gemeind sich
eerlich unnd züchtig gehalten hat, das er demselbigen nachfolge, wo
einer schantlich und uneerlich gehandlet, sich darvor huete.

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Sölichs aber mögend kum die thuon, die yetz erwachsen und dapffer
sind. Deßhalb ist min radt, das man die jüngling zuo sölichen offenlichen
gemeinen zuosamenkommungen dester seltzamer gon lasse. Unnd
ob man ye torecht mit andren sin muoß, sol man doch bald sich von
der torheyt entziehen und wider versamlen. Sölichs ze thuon mag man
wol ursachen fürwenden, daß die zefriden werdend, die da wüssend, das
wir in den besseren dingen allweg mee flyssig und ufgesehen sind.
Wo es aber unserem nächsten übel gadt, da sol man ungehinderet
zuolouffen, da stadt es wol, den ersten und letsten sin. Da sol man sich
strecken und arbeyten, den schaden ermessen mit umbgon, hinwegthuon,
radten und helffen.
Nach gott sol man die elteren in hohen eeren und wärd halten,
welches ouch by den Heyden unnd unglöubigen gebrucht ist. Denen
sol man allenthalben wychen. Und ob sy zuo zyten sich nit nach der
meynung Christi (deren wir dann ouch sind) halten wurdend, sol man
inen nit ungestümm widerfächten, sunder inen, das man reden und
thuon sol, mit vil sänfftmuetigkeyt fürlegen. Unnd ob sy sölichs nit annemmen
wöllend, sol man sy ee verlassen, ee man sy mit schmaach
beleydigen wölle.
Zorn (als die artzet sagend) kumpt uss heisser ursach; diewyl dann
die jugend vast hitzig ist, sol sich der jüngling vor zorn flyssig hueten
und bewaren, das er nüt weder rede noch handle uß angeben und tryben
des zorns. Unnd alldiewyl der zorn noch wäret, sol uns argwenig sin
alles, das uns ynfalt.
Mögend wir ye die schmaach und unbill, so uns geschicht, nit
vertrucken und verkiesen, das es ja uns zuo bitter dunckt, sol man die
sach für den richter oder oberkeyt bringen. Dann schältwort umb
schältwort widergelten und schmähen den, der dich geschmächt hat, ist
anders nüt, dann dem glych werden, den aber du schiltest [Röm. 2. 1].
Kurtzwyl mit dines glychen zuo siner zyt lassend wir nach, doch
kunstliche kurtzwylen und die zuo uebung des lybs dienend. Künstlich
sind die spil, so mit der zal (von der die arithmetik leert) geschähend,
oder mit der stellung, als da sind schaachspil, da man lernet ußlouffen,
hindersich halten, huot und halt stellen, ouch hinderhuot und hinderhalt;
dann für andre spil leert dises nüt fräfenlich fürnemen. Doch sol hierinn
maaß gehalten werden; dann es sind etlich funden worden, die
ernstliche und nutzliche gschäfft hinderschlagen habend und disem allein
obgelägen sind. Allein zuo zyten und als an einem fürgon, laß ich söliche
kurtzwyl nach. Mit würfel und kartenspil an ryffen hinuß.

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Die kurtzwyl aber und spil, so den lyb uebend, sind: louffen,
springen, steynstossen, fechten, ringen, weliche alle gar nach by allen
völckeren gewon sind, doch by unseren vordren den Eydgnossen vast
brüchlich und gewon unnd zuo mancherley zuofälen vast nütz. Doch sol
man das ringenn mässiger bruchen; dann es gar dick ein ernst wirdt.
Schwümmen hab ich wenigen nutz sin gesehen, wiewol es zuo zytenn
lustig ist, die glider im wasser ze erstrecken unnd eynen fisch werdenn.
Schwümmen ist wol etwan in etlichen fälen nütz gewäsen, als do der
ussz dem Capitolio schwam, der dem Camillo den erbärmbklichen
staadt der gytigen statt Rom verkundt. Chloelia ist ouch zu den iren
geschwummen.
Aller wandel unnd red sol dermaß sin, das sy denen, by denen
wir wonend, nützlich unnd fürderlich sygind. So wir ye einen schälten
muessend oder strafen, sol sölichs so vernünfftig, so geschickt, so frölich,
unnd besinntlich geschähen, das wir das laster vertrybind, den
menschen aber gewünnind und genöwer zuo uns ziehind.
So styff und eynig sol man sich der warheyt flyssen, das wir allweg
nit allein unsere, sunder ouch anderer menschen red dermoß erwägind,
das darinn kein betrug, kein lugy vermischt sye. Es sol ein
redlich gemuet im selbs keins wägs mee mißfallen, dann so es innen
wirdt, das im joch etwan mit unwillen ein luge entwütscht ist; ich
gschwyg, das es nit übel erschräcken sölte und sich schämen, wann es
marckte, das es sich lychter und lugenhaffter red flisse, es wäre, das es
selber erdächte oder andren nachseyte. Einem christenman ist gebotten,
warheit mit sinem nechsten ze reden; Christus aber ist die warheit
[Joh. 14. 6]. Deßhalb ein christenman der warheit styff anhangen
sol. Ein man, der zwyfalts gemuets ist, der ist unstandhafft in allen
sinen wägen [Jac. 1. 8]. Wär unstäter red ist, dem ist nüt zuo vertruwen.
Die red ist ein anzeyg des hertzens [Jes. Sir. 27. 6]. Ist nun
die red ytel unnd lugenhafft, so ist es ein gewüß zeychenn, das es innwendig
vil übler stadt. Zuodem mag luge (ob sy schon ein zyt lang)
nit allweg verborgen ligen. Was thorechten ding ist aber das, so einer
in im selbs weißt, das er lügt, wil aber meynen, er sye dest besser, so
es nyeman wüsse?
Der warheyt aber sol man sich nit allein im reden, sunder in allen
hendlen flyssen, das wir nüt angenomner wyß, nüt valschlich handlind

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noch thuegind. Wie das hertz (der brunn aller wercken) ist, also söllend
ouch angsicht, ougen und alles usserlich sin.
Ein angenommner gang zeygt wol an, was einer für ein mann sye,
der anders, dann sin art forderet, ynhar tritt, namlich das er eines lychtvertigen
und unzüchtigen gemuets ist. Was sol man aber vil sagen?
Der jüngling sol allen flyß ankeren, das er den herren Christum reyn
und luter in sich trincke; wo das geschicht, wirt inn Christus wol
wysen ze läben, ze reden, ze handlen. Im recht thuon aber und frommkeit
wirt er sich nyemarmer erheben, nyemarmer verzagen. Täglich
wirt er zuonemmen, doch darby mercken, das im noch allweg prist;
dann so wirt er fürfaren unnd sich doch under allen den minsten
schetzen. Gegen yederman wirt er guots thuon, doch nyeman nüts verwyssen;
dann also hat ouch Christus gethon. Deßhalb der volkommen
sin wirt, der Christo allein understadt nachzefolgen.
Diß hab ich, min Gerolt, vermeynt nutz sin zuo erziehung und
underwysung frommer und eerlicher jugend, wiewol es so vermischt und
one ordnung gstelt ist, das es on not ist anzezeygen; dann es sicht's
yederman wol. Du aber bedenck es dick by dir selbs, unnd das hie
geruchwercket und entworffen ist, das erfüll du mit den sitten.
Thuostu das, so wirstu mit der that, das hie unordenlich zerströwt ist,
in ein schöne ordnung stellen und wirst also du ein läbendiger bildner
des leysts, den ich dir fürgeschriben hab. Ja das darff ich sagen, so
du dich hierinn uebest, mag es nit sin, du werdist vil volkummner und
ußgebutzter, dann ich hie mit worten habe mögen anzeygen. Doch
muostu hefftig anheben und alle adren strecken, das dir dann vast nutz
sin wirt den muessiggang (aller lastren muoter) zuo vertryben, dem vil so
unverschampt uß schantlicher gwonheyt in der jugend anhangend, fulend
und gond muessig, glych als hettind sy ein lust muessiggenger und
verzerer ander lüten guot, ouch aller lastren ein pfützen ze sin. Du aber
bruch zuo nutz unnd guotem din jugend; dann die zyt loufft schnäll hin
und kumpt selten bessers harnach. Kein zyt ist gschickter guots ze thuon
dann die jugend. Der ist nit ein christenman, der vil von gott allein

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reden und sagen kan, sunder der sich mit gott flyßt, hohe ding ze thuon.
Und darumb, min schöner jüngling, far für, din geschlächt, schöne
des lybs und vätterlich erb, an denen dir nüt manglet, mit disenn waren
zierden zuo ufnen und zierlicher ze machen. Minder sag ich, dann
ich solt.
Halt nüt für ware zierden, dann tugenden, frommkeit und eer.
Adel, schöne, rychtag sind nit ware gueter, sunder dem glückfal underworffen.
Durch weliche ding dich got also unverletzt fuere, das du
nyemar von im gescheyden werdist. Amen.