Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Voten Zwinglis an der Berner Disputation

6. bis 25. Januar 1528
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 6.1 (Zürich: Berichthaus, 1961) (Corpus Reformatorum 93.1)


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[S. 1 Titel] Handlung oder Acta gehaltner
Disputation zuo Bernn in Uechtland.
[S. 2-6.] Radtschlag und ußschrybung diser disputation.
[S. 7-8.] Uber dise nachvolgend schlußreden wellend wir,
Franciscus Kolb unnd Berchtoldus Haller, beyd predicanten zuo
Bernn, sampt andren, die das euangelium verjechend, einem yeden
mit gott antwurt und bericht geben uß heyliger byblischer gschrifft
nüws und alts testaments uff angesetztem tag zuo Bern, sonnentag nach
circumcisionis, im jar MDXXVIII. [1528 Januar 5].
I. Die heylig christenlich kilch, deren eynig houpt Christus, ist
uß dem wort gottes geborn, im selben belybt sy und hört nit die
stimm eines frömbden [Joh. 10. 5].
II. Die kilch Christi machet nitt gesatz und bott on Gottes wort.
Deßhalb all menschensatzungen, so man nempt der kilchen bott, uns nit
wyter bindend, dann sy in göttlichem wort gegründt und botten sind.
III. Christus ist unnser eynige wyßheyt, gerechtigkeyt, erlösung
und bezalung für aller wellt sünd [1. Kor. 1. 30]. Deßhalb ein andern
verdienst der säligkeit unnd gnuogthuon für die sünd bekennen, ist Christum
verlöugnen.
IV. Das der lyb und das bluot Christi wäsenlich und liplich in
dem brot der dancksagung empfangen werd, mag mit biblischer geschrifft
nit bybracht werden.
V. Die mäß, yetz im bruch, darinn man Christum gott dem
vatter für die sünd der läbendigen und todten uffopffere, ist der geschrifft
widrig, dem allerheyligosten opffer, lyden und sterben Christi
ein lesterung unnd umb der mißbrüchen willen ein grüwel vor gott.
VI. Wie Christus ist alleyn für uns gestorben, also sol er ein
eyniger mitler und fürspräch zwüschent gott dem vatter und uns glöubigen
angeruefft werden. Deßhalb all ander mittler und fürsprächen usserthalb
disem zyt anzerueffen von uns on grund der gschrifft uffgeworffen.
VII. Das nach disem zyt kein fägfhür in der gschrifft erfunden
wirt. Deßhalb all todten dienst, als vigill, seelmäß, sellgrät, sibend,
tryßgost, jarzyt, amplen, kertzen und derglychen, vergeblich sind.

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VIII. Bilder machen zuo vereerung, ist wider gottes wort nüws und
alts testaments. Deßhalb wo sy in gefar der vererung fürgestellt
abzethuond syend.
IX. Die heylig ee ist keinem stand verbotten in der geschrifft, sunder
huory und unkünschheyt zuo vermyden allen ständen botten [1. Kor. 7.2].
X. Diewyl ein offenlicher huorer nach der gschrift [1. Kor. 5. 1 ff.]
im waren bann, so volget, das unküscheit und huory der ergernuß halb
keinem stand schädlicher, dann priesterlichem.
Alles gott und sinem heyligen wort zuo eren.
[S. 9.] Vorred.
Die vorliegende gedruckte Ausgabe der Disputationsakten wurde
"uß den vier origenalbuechern der notaryen, so die acten in die fäder
empfangen, gezogen". Eine Übersetzung des deutschen Textes in eine
andere Sprache wird verboten.
[S. 10-12.] Ordnung diser Disputation
und was sich mittler zyt zuotragen hat.
Ist des ersten zuo vermercken, als der gesatzt tag dises gesprächs,
namlich mentag, VI. jannarij anno etc. XXVIII erschinen, ist desselbenn
tags die erste berueffung unnd besamlung im barfuosser kloster zuo
Bernn, da dann diß gespräch in der kilchen vor mengklich gehalten,
nach mittag beschehen. Unnd anfangs mengklich, so da zuogegen gewesen,
mit früntlichem gruoß bruederlichen empfangen. Uff sölichs ist

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obberuert mandat offenlich verläsen. Demnach die ordnung diß gesprächs. E
Erstlich der hern presidenten befelch, die haben by guoten
trüwen an eyds statt gelobt der ordnung, die inen anzeigt, gehorsam
ze sin.
Demnach allen muotwilligen zanck und hader ze temmen und ze
stillen, ouch alle uppige geschwätz und was im wort Gottes keinen
grund hat, nit zue ze lassen.
Item die ding, so einest uff der ban gewesen und verantwurt
worden, nit mer one not eräfferen noch fürbringen lassen, muotwillige
verlängerung zuo vermyden.
Doch nützit zuo urteylen, richten noch erkennen, über die schlußreden,
irem innhalt, argument und schrifft, so wider oder für die dargethan
und fürtragen wurden, wonders sich in aller handlung halten
nach vermög deß ußgesandten mandats, mit namen die heylig biblisch
schrifft sich selbs urteylen und die dunckle mit der heyteren
erklären lassen.
Und sind diß die herrn presidenten, die hoch- und wolgelerten,
erwirdigen, geistlichen, herr Joachim von Watt, burgermeyster zuo
Sant Gallen, doctor; herr Probst zuo Inderlappen; Meyster Niclaus
Brieffer, dechan zuo Sant Peter zuo Basel. Und nach etlichen
sessionen, als herr Probst von Inderlappen krankheit halb abtretten,
sind an sin statt zwen ander verordnet, namlich herr Appt von Gottstatt
und Meyster Cuonrad Schmid, Commenthur zuo Küßnacht
in Zürich piet. Die vier haben biß zuo end des gesprächs das presidentenampt
verwäsen.

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Die vier verordnet schryber, namlich beid stattschryber von
Bern und Soloturn, gerichtschryber von Bernn und stattschryber
von Thun, habend ouch by trüwen an eyds statt in herrn schultheissen
vonn Bern hand gelopt, das sy ungeachtet parthy, sect, gunst
findtschafft, liebe etc. alles das, so in die fäder geredt, ouch in geschrifft
yngeleyt wurde, getrüwlich ynzeverzeichnen one gevärde. Ouch
ze verwalten, was inen bevolchen wurd.
Sy haben ouch ein yeden disputanten mitt namen ufzeichnet und
nach yeder session alles, das ye verzeichnet, collationiert, gegen einandern
gehept und verläsen.
Darzuo, was die disputanten beider sitt uß der presidenten nachlaß
in schrifft yngeleyt, das haben die schryber in die acten verfasset ...
und also in die acten allein das, so zuo dem handel dienete vergriffenn.
Was die vier schryber wyter gehandlet, findt man in der herren presidenten
abred, so unverr vom end diser acten beschriben stadt.
Es ist ouch darneben yederman erloubt und vergönt, ufzezeichnen,
was dann disputiert wurde, doch mit gedingen, das all die, so also
für sich selbs schrybend, ir namen den verordnethen notharien angebend,
und daby gelobt, das sy nüt des, so sy ufzwicken, trucken
lassen, vor dem und die acta ußgangen.

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Ouch wider die acta nützit ze schryben. Wo aber in den acten
etwan geirret wäre, aldan das einer oberkeit zuo Bern guetlich anzezeygen.
Item das sy nit gemietet noch underschoben oder einichs wegs bößlich
yngefueret syend, sonder allein zuo guotem der warheit schriben wellent.
[S. 12-16.] Der disputierenden ordnung.
Das die, denen nachgelassen ze disputieren, zam, sittenklich und gsatzlich
reden, damit die vier notharien die wort glychlich verfassen möchtind.
Das ouch keiner reden sölte one erloupnuß der presidenten, oder
so sy in der umfrag harumb fragtind und erloubtind ze reden.
Niemandem wird abgeschlagen zu reden oder einem Redner beizuspringen.
Jedermann ist erlaubt, den Rednern schriftlich und
mündlich Unterstützung zuteil werden zu lassen. Jede Partei kann
einen oder mehrere Redner bestimmen, die in ihrem Namen disputieren
sollen. Zu Beginn jeder Session ergeht die allgemeine Aufforderung,
besonders an diejenigen, welche den Schlußreden widersprechen wollen,
sich als Redner anzumelden. Doch ist niemand gezwungen, sich einer
Partei anzuschließen. Am Schluß jedes Artikels wird ausgerufen, ob
niemand mehr dazu das Wort ergreifen wolle. Die Freunde und
Gegner haben ihre Unterschriften für und wider die Schlußreden abgegeben.
Diese Namen werden in den Akten nicht abgedruckt.
Die Geladenen werden vom "Rufer", Niklaus Manuel, einzeln
aufgerufen (vgl. über die Teilnehmer die Einleitung). Zu Beginn
jeder Session wird ein gemeinsames Gebet gesprochen. Am Schluß
fand eine Disputation unter den Welschen statt. Wilhelm Farel,
Prädikant zu Aigle, verteidigte die zehn Schlußreden.
[S. 17, fol. I] Anfangs diser disputation.
Dienstag, den 7. Januar 1528, vormittags, eröffnet Doktor
von Watt im Namen der Präsidenten die Disputation und ersucht

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die Teilnehmer um strikte Beobachtung der Disputationsordnung.
Meister Franz Kolb, Prädikant zu Bern, hält eine Vorrede:
Gottes Gnade bewegt uns, die Wahrheit zu suchen. Nicht ohne besondere
Wirkung des heiligen Geistes haben die gnädigen Herren,
Rät und Burger, von Bern eine Disputation angesagt. Berchtold
Haller und Franz Kolb sind bereit, über ihren Glauben Rechenschaft
zu geben.
Die Versammlung betet gemeinsam das Sündenbekenntnis, das
Vaterunser, das Ave Maria und den Glauben.
[fol. 2 v] Die erste Schlußred
und derselben gründ hat Berchtoldus Haller, predicant zuo Bernn
eroffnet.
Die heylig christenlich kilch, deren einig houpt Christus, ist uß
dem wort gots geborn, im selben blybt sy und höret nit die stimm
eines frömbden.
Das gemeine Volk versteht den Begriff "Kirche" nicht mehr. Er
wird gebraucht für die allgemeine Kirche, die repräsentiert wird durch
die Kardinäle, Bischöfe und Päpste. In ihr steckt viel Irrtum, Gebote
und Verbote, falscher Gottesdienst. Sie hat sich nicht nur zeitliches
Gut angeeignet, sondern herrscht auch über die Seelen und
Gewissen. Das griechische Wort für "Kirche", ἐκκλησία, heißt Versammlung.
Die ganze Gemeinde Israel wird so genannt, 4. Mos. 20. 4.
Dieselbe Bedeutung hat der Begriff 1. Kor. 1. 2, Matth. 18. 17,
Matth. 13. 24 ff., 13. 47. Ferner ist damit gemeint die allgemeine Versammlung
aller Gläubigen, die auserwählt sind zum ewigen Leben.
Sie ist gegründet auf den Felsen, der Christus ist, Matth. 16. 18. Diese
Kirche nennt die Schrift Taube, Hoheslied 2. 14, Braut, Joh. 3. 29, Leib
Christi, Eph. 4. 3-6, die weder Flecken noch Runzeln hat, Eph. 5. 27.
Im Glaubensbekenntnis heißt sie Gemeinschaft der Heiligen, d. i. der
Gläubigen. Dieser Kirche Haupt ist Christus, er ist ihr Fürst und
ihr Führer. Die Glieder vermögen nichts ohne das Haupt, Joh. 15. 5.
Die Kirche ist aus dem Wort Gottes geboren, wenn auch Gott sie von
Ewigkeit her erwählt hat, aus dem innerlichen Wort Gottes, dem Wort

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des Glaubens, Rö. 10. 8. Dieses Wort ist kein anderes als das äußerlich
geschriebene und gepredigte. Diese Berufung der Herzen ist die
Geburt der Kirche, 1. Petr. 1, 22, 23. Wie die Kirche aus dem Wort
Gottes erleuchtet, erneuert und wiedergeboren wird, so bleibt sie in
ihm, folgt ihm allein und hört nicht die Stimme eines Fremden,
Joh. 10. 4, 5, sie ist versichert durch den heiligen Geist, 2. Kor. 1. 22
und 5. 5. Daraus folgt die Ablehnung der katholischen Lehre von
der Kirche. Die Kirche ist nicht die Versammlung der Kardinäle und
Bischöfe und des geistlichen Hofgesindes, sondern die Versammlung
derer, die Gott vertrauen und glauben durch Christus. Weder der
Papst noch irgendeine Kreatur ist ihr Haupt, sondern allein Christus.
Johannes Oekolampad verteidigt die Reformation gegen den
Vorwurf des Abfalls von der Kirche. Diejenigen, welche im Glauben
an Christus beharren, dürfen nicht zu den Abtrünnigen von der
Gemeinde Christi gezählt werden. Glaube ist aber nicht Kenntnis
aller besondern Teile der Schrift, sondern Vertrauen zu Gott und
seinem Gesandten Jesus Christus. So kann uns keine Verdammung
der Menschen aus der Gemeinschaft Christi ausschließen.
Alexius Grat, prediger ordens, bychtvatter in der isel zuo Bern
[fol. 6] bestreitet nicht, daß Christus das Haupt der Kirche sei, wenn
man darunter den innern Einfluß der Gnade in die Kirche versteht.
Das bezeugen Eph. 1. 22, 4. 15, 16, 5. 23. Von dem Einfluß des Hauptes
in den Leib der Kirche spricht Joh. 1. 16 und Eph. 4. 7. Es ist klar,
das Christus ist das houpt der kirchen und von im einem yegklichen
glid ynflüßt das gnadrych läben; so aber das wörtli unicum, eynig,
weder in denen noch derglichen sprüchen niendert statt, [f. 6v] so
zwyffeltt der einfaltig nit unbillich, das villicht nit ein untrüw da
verborgen sye. Zuo dem ersten umb den anderen eygenschafftlichen
uebungen willen, die das houpt hatt über die glider des lybs, das es

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die andren glider wyset und regiert in den ussern wercken. Zuo dem
andren, das die göttlich gschrifft anzeigt, das Christus ouch hat gesetzet
einen statthalter den gemeinen kirchen hie uff erdenn, des gewalt
ouch in dem himmel krafft hat. Von dem hand wir Johannis am
ersten capitel [Joh. 1. 41, 42], das Andreas sinen bruoder Simonem zuo
dem Herren Jesu fuert und sprach: "Wir hand Messiam funden."
Do der Herr Jesus Symonem ansach, do sprach er: Du bist Symon,
ein sun Johannis, du wirst hinfür heyssen Cephas, das wirt ußgeleyt
Petrus. Cephas ist griechisch und bedüt ein houpt. Item
Matthei am 16. capit. [Matth. 16. 18]: "Du bist Petrus und uff den
velsen wird ich buwen min kirch, und die porten der helle werdend
dir nit mogen widerston, und dir wird ich geben die schlüssel des
rychs der himmlen, und alles, das du wirst binden uff erden, das wirt
gebunden sin in den himmlen, und was du entbindest uff erden, das
wirt entbunden sin in den himmlen."
Haller dankt Grat, daß er anerkennt, daß Christus das Haupt
der Kirche ist. Wenn nun aber auch an keiner Stelle gesagt wird
[fol. 7], daß er das einzige Haupt sei, so ist das doch der Sinn der
Schrift. Nach Eph. 5. 23 ist er der Heiland seines Leibes. Das
kann von keiner Kreatur gesagt werden.

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Bychtvatter:
Herr Berchtold hat mir ein antwurt gen, die er im selbs zuovor
gen, so vil zuo guot, das er dancket. Ich bin gentzlich nit darwider,
das Christus der ynfluß und das gnadrych läben der kilchen sye,
von dem alle gnad ynflüßet. Das houpt stadt nit alleyn uff den menschlichen
lyb, das im das läben allein ynfliessen sölle. Es hat ouch die
eygenschafft, den lyb ze regieren in sinen usseren wercken und uebungen.
So nun Christus sin sichtbarlich, lyblich gegenwürtigkeit wolt uffnemmen
in den himmel, beducht in guot, hat's ouch than, das er
sinem eynigen lyb, das ist der heyligen christenlichen kilchen, hie uff
erden satzte einen, durch den er als durch sin verordnet, gesetzt houpt
und statthalter regieren welte [fol. 7 v] und wysen in ein tugenrich
christenlich läben. Das er das gethon habe, zeyget zum ersten an die
verheyssung oder vorverkündung, die geschriben stadt Joannis am
ersten capitel, da Christus sprach zuo Petro: "Du bist Simon Joannis,
du wirst fürhin heissen Cephas" [Joh. 1. 42].
In den folgenden Voten (fol. 8-18) zieht Grat zur Begründung
seiner Auffassung folgende Stellen heran: Daß Petrus durch Christus
die "Gewalt", die Vollmacht zur Leitung der Kirche übergeben worden
sei, beweisen Lk. 5. 4, Lk. 22. 32, Matth. 16. 18-19 und Joh. 21. 15.
Das "Weide meine Schafe" schließt gebieten und verbieten in sich.
Der Begriff Haupt wird in der Schrift noch andern zuerkannt, die
nicht so große Vollmachten wie Petrus empfangen haben, so Saul,
1. Sam. 15. 17 und den Herren des Hauses Israel, Am. 6. 1. Wenn
also Saul als weltlicher Regent Haupt genannt wird, dann mit um so
größerem Recht Petrus als geistlicher Regent. Der Beichtvater gibt
zu, daß, was das innerliche Regiment der Kirche anbetreffe, Christus
ihr einziges Haupt sei. Das äußerliche Regiment aber sei Petrus

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übertragen. Doch nach Matth. 16. 18, Joh. 21. 15 und 20. 22-23 habe
der Statthalter Christi nicht bloß die Gewalt der äußern Regierung,
sondern auch der innern; denn Sünde vergeben oder nicht vergeben
betreffe die conscientz oder die Seele.
Am 8. Januar 1528, dem dritten Tage der Disputation, führt
der Beichtvater zur Insel weiter aus: Die Tatsache, daß Petrus
der Kirche diene, schließe nicht aus, daß er ihr Haupt sei . . .
[fol. 15v] Gester han ich das erst, das herr Berchtold ietz
gemeldt hatt, der dienstbarkeyt halb oder diener, wie sy sich diener
nemmen, gnuogsam verantwurt. Das thuot ein künig ouch, ist dennocht
ein künig. Ist nüt unzimlich noch unmöglichs da harbracht, ob
schon einer ist und genent wirt ein oberer und underthon zuoverglichen
nit gegen eim. Ein hertzog in eim künigrich mag genempt werden
ein underthon. Er ist ouch ein oberer; zuoverglichet dem künig, so ist
er ein underthon, zuoverglichet gegen sinen underthonen lüten, so ist
er ein oberer und wirt genempt ein houpt . . .
[fol. 16] Das der heylig sant Peter möge geheissen werden ein
houpt, ist gnuog klar; gester hatt mir Marti Butzer das nachgeben,
das Saul mög recht genempt werden ein houpt in der geschrifft von
regierung und gewalt wägen sines künigrichs. Das nun sant Peter den
gewalt empfangen hab, sölliche regierung über die schaaf Christi zuo
ueben, dasselbig mag bewert werden uß claren texten, namlich Matth.
10. capitel: Hatt Christus sinen jüngeren gewalt geben über die bösen
unreinen geist, das sy die ußtriben, und über die kranckheyten,
das sy dieselbigen alle gsund machen [Matth. 10. 1]. Petrus hat dises

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fürnemlicher geuebt, wenn wir von unserm heyland selbs läsen,
Actorum 5. cap. . . . [Apg. 5. 15]. Act. 1. cap. [Apg. 1. 15] ist Petrus
uffgestanden under den andern und hat fürgeleit den mangel der
[fol. 16v] zal der apostel und durch geschrifft bewärt, das es not
wäre, ein an Judas statt ze erwellen. Item in dem ersten concilio,
Actorum 15. capit. [15. 5ff.], do gefragt ward, ob man die gebott und
beschwärdung des alten gesatz sölte ufflegen denen, die bekert wurdend
uß der heydenschafft, da ist er gewesen, der den ersten sententz geben hat.
Ananias und Saphira hat er durch den plötzlichen Tod bestraft,
Apg. 5. 1ff. Petrus könnte betreff der innern Regierung mit den
andern Aposteln und mit Paulus sagen: denn in Christus Jesus
habe ich euch durch das Evangelium gezeugt, 1. Kor. 4. 15. Dasselbe
Amt verwaltet er Apg. 2. 38.
Berchtold Haller und Martin Bucer vertreten den gegenteiligen
Standpunkt. Kephas heißt nicht κεφαλή, Haupt, sondern
ist ein "syrisches" Wort und heißt Fels. Christus regiert selber die
Kirche, auch äußerlich. Sein Statthalter ist der Geist Gottes, Joh. 16. 7.
Bucer hebt hervor, daß das Wirken und Predigen des Petrus und
der Apostel nicht mehr als äußere Predigt des Evangeliums sei, die
nur wirkungsvoll sei, wenn Christus die Herzen lebendig und kräftig
mache. Petrus ist ein Diener der Kirche. Ein Schriftbeweis, daß
er ihr Haupt sei, fehlt. Haller führt aus: Die Gewalt zu binden
und zu lösen, ist allen Aposteln verliehen, Matth. 18. 18. Binden und
Lösen ist aber nichts anderes als die Predigt des Wortes Gottes, des
Evangeliums. Das ist die Schlüsselgewalt. Das Verzeihen der Sünde
ist ein Teil des Lehramtes, es geschieht durch die Verkündigung des
Wortes, wodurch Glaube an die Sündenvergebung, die allein Gott
schenkt, geweckt wird. Vgl. Joh. 20. 22 mit Lk. 24. 45 u. 47, Joh. 20. 21
und Mk. 16. 15-16. Daß Christus das einzige Haupt ist, zeigen
Eph. 4. 5 und 1. Tim. 2. 5.
Haller nimmt ein Argument Zwinglis auf, das sich dieser zuvor
notiert hatte, und sagt: [fol. 14] "Der ander spruch uß Matthei am
XVII. cap. [V. 24ff.] von didrachma gibt Petro nicht zuo, das er ein
houpt sye, sonder mit diser that hat Christus sich unnd die kirchen
in Petro anzeigt in usserlichen dingen, so lyb und guot antrifft, der
weltlichen oberkeit underwürffig . . ."

--254--

[fol. 17v] Bichtvatter:
Ich han begärt ein text, der da anzeygte das wort "eintzig". Sind
nur text bracht, die da sagen "ein". Ein yetlicher tütscher weyßt,
das ein grosser underscheyd ist under "ein" und "eintzig". "Eintzig"
schlüßt all ander uß, "ein" laßt ein anderen by im belyben, und wirt
warlich gseyt, wenn zwen sind "einer ist"; es wirt aber nit war
gseyt "ein eyntziger ist".
Die handschriftlichen Protokolle verzeichnen hier ein Votum
Zwinglis, das nicht in die gedruckten Akten aufgenommen wurde:
B. Uolrich Zwingli von Zurich hatt das wörttli "Ein" erlüttrott
uß dem Griegschen mitt dem accent unnd ane accent, spricht, das in
dem Griegschen "Einer" fur "einiger" zuo verstan sye.
C. Zwinglj ein lutrung gethon.
D. Zwinglj: Hatt ein anziechen than von wegen das man solang
ob dem worttlj "Ein" und "Einig" sitzte mitt ettwas anzöigen,
was differenntz zwüschen "Ein" mitt einem kurtzen und "Ein" [mit]
einem langen accent sye, das das lang accent als vil als "Einig" bedüte.
E. gestrichen:
Zwinglius gab darzwischett ein underscheid der wörtli ain und
ein, das εἷς wer einig etc. Dann so ein gott wer anzöig zwüschett
vil andern göttern.
[fol. 19] Mittwoch, den 8. Januar 1528, nachmittags:
Theobaldus Huoter, pfarrer zuo Appenzell, gibt zu, daß
Christus ein einig Haupt der christlichen [fol. 19v] Kirche sei.

--255--

Das aber er uns christglöubigen menschen nit hab verordnet ein gewalt
hie in diser zyt, sprich ich, das er uns ein gewalt verordnet hab, zuo
binden und zuo entbinden, und das uß gnaden siner göttlichen barmhertzikeyt.
Das aber dem also sig, bewer ich das durch das göttlich
wort Christi, Matthei 16. capitel ]Matth. 16. 19]. Diese Worte zeigen
klar, daß Christus Petrus zu einem Gewalthaber des göttlichen
Wortes eingesetzt hat.
[fol.20] Haller wendet dagegen ein, Jesus habe die Schlüsselgewalt
allen Jüngern gegeben, Joh. 20.21 (vgl. Joh. 21.22).
Huter fährt fort: Als herr Berchtold, predicant miner gnedigen
herren von Bernn, mich anzücht, ich hab äben vil nachgelassen in
dem, so ich bekenn Christum ein einig houpt, in welchem ich nit
übel thon hab, sonders wol gehandlet nach der geschrifft; denn in dem
gewalt ist ze mercken zwey ding: Zum ersten von sinem grossen gwalt
siner almechtigkeit, fry ungedingten gewalt; dann er allein der ist,
der da gibt gnad und glori, und das wirt er niemands anderm geben.
Zum andern ist zuo mercken sin nachgelaßner gewalt siner göttlichen
verordnung, und wie herr Berchtold gseit hatt, er hab inen sin göttich
wort empfolhen [fol. 20v] durch syn nachgelaßnen gewalt, so
hand sy ouch zuo binden und entbinden gehan nach form sins göttlichen
worts.
In den folgenden Voten [fol. 20v-22v] argumentiert Huter:
Aus 1.Tim. 1.19-20 geht hervor, daß die Apostel die Schlüsselgewalt
gehabt haben. Da Haller zugibt, daß der Kirche die Gewalt des
Bannes gegeben ist, daß Christus diese Gewalt auch dem Paulus
gegeben hat, ist also der Kirche überhaupt Gewalt gegeben; denn die
Kirche kann nur bannen, wenn sie auch die Gewalt zur vollstreckung
des Bannes hat.
Haller erklärt 1. Tim. 1.20. Damit ist der Bann gemeint, der
jeder Kirchgemeinde zur Ausschließung der offenkundigen Sünder
gegeben ist, bei Matth. 18. 15ff. kann nicht die allgemeine Kirche gemeint

--256--

sein. Diese tritt in dieser Zeit nie zusammen. Es sind auch
nicht die Päpste und bischöfe gemeint, sondern die Kirche, die
Christus bezeugt und sein Wort hört, d. h. jede Gemeinde. So müßte
die römische Kirche, nämlich die Versammlung der Gläubigen in
Rom, den Papst bannen, wenn er sündigte. Das Recht des Bannes
hat so gut die Kirche von Bern wie die Kirche von Appenzell.
[fol. 23] Meister Ulrich Zwingly, predicant
zuo Zürich.
Getrüwen lieben heren unnd brueder in Christo Iesu! Sidtenmaal
der pfarrer von Appentzell die sach uff den gewalt des bannes
gefuert hatt, wil ich zum kürtzesten etwas von dem ban sagen: Erstlich
[fol. 23v] ist hie not, das glich wie man in allen sachen, die
zwyfelhafft sind, zuo den gesatzten und rechten louffe, wir hie ouch zuo
dem gesatzt des bannes louffend; das hatt Christus Matthei 18. capitel
[Matth. 18. 15-17] in sollicher gestalt geben: "Ob aber din bruoder
wider dich sündet, so gang und straff in zwischen dir und im allein.
Hört er dich, so hastu dinen bruoder gewunnen, hört er dich aber nit,
so nim eynen oder zween zuo dir, damit ein yede sach mit zweyenn
oder dryen möge bestät werden, unnd so er die überhört, so sag's der
kilchen. Überhört er aber die kilchen, so halt inn als einen heyden
oder publicanen." Hie erleernend wir erstlich, keinem eynigen zimpt
ze bannen, sonder allein ze warnen. Deßhalb die bäpst unnd bischoff
den ban mißbrucht haben, so sy offentlich vor der gantzen gemeind
gewarnet; dann die warnung in geheim unnd früntlich beschechen soll.
Zum andren, das ouch nit zwen oder dry bannen söllend, sonder allein

--257--

warnen unnd bereit sin, kundschafft ze geben, so es die sach ervordert.
Zum dritten volget erst die warnung der kilchen.
So guetig unnd barmhertzig ist gott; unnd so der unverschampt
sich der lastern nit wägret, dann sol er erst gehalten werden als ein
heyd und publican; daran man sicht, das niemand bannen soll noch
mag dann die gantz kilchhöry oder pfarr sampt dem pfarrer oder
bischoff.
Uff das alles ist unns nit anderst ze gedencken, weder das Paulus
den bann nach disem ynsatz gebrucht hab, als wir eygentlich sechent
1. zun Corinthern 5. capitel [1. Cor. 5.4-5], da er also spricht: "So
ir zuosamen kommend, ouch min geyst (das ist min sinn, min meynung
unnd urtheil, das ich in der erlüchtrung des göttlichen geystes als
üwer kilchenn [fol. 24] apostel sprich), so gebend mit der krafft
unnsers herrn Jesu Christi den, der ein sölches laster uff im hatt,
dem thüffel zuo verderbnus des fleyschs, damit die seel gefristet werde
an dem tag des herrn Jesu."
Hie hörend wir eygentlich, das Paulus nitt alleyn gebannet
hatt, sonders die kilch unnd er mitt der kilchenn. Ich wil ouch üch
hie anzeygenn, lieber herr pfarrer vonn Appenzell, warumb der apostel
Paulus den ban die verderbnus des fleyschs nemme. Er nempt
fleysch, das wir usserlich nennenn, als zun Hebreern am nündten
capitel [Hebr. 9.1], da er spricht: mitt rechtmachung des fleyschs, für
das wir sprechen: usserliche rechtmachungen oder usserliche dienst;

--258--

byspil: Da ein kindtbeterin nach dem gesatz Moysi [3. Mos. 12. 6.8]
die zwo turter oder sunst thuben nach irem ußgang uffopffert, macht
sy das opffer inwendig nitt gerecht noch rein. Daruß dann volget, das
söllich opffer allein ein usserlich rechtmachung ist gewesen unnd so
vil gethon, das es die frouwen widerumb in die gmeind ze kommen
geschickt hatt; daran wir wol merckenn, das Paulus fleyschlich rechtmachungen
nempt für usserlich rechtmachungen. Also tuot er im hie
ouch, da er spricht: "Gebend inn dem thüffel zuo verderbnus des
fleyschs" für "usserlich verderbnus" [1. Kor. 5. 5]. Dann der bann ist
nützit anders weder ein ußsatz unnd ußschliessen des bösen glids,
das vorhin vor gott schon verworffen ist unnd mit sünden verwürckt.
Deßhalb der pfarrer die red unnsers lieben bruoders Ecolampadij nitt
billich verwürfft, in dero er gesagt hatt uß dem prophetenn Osea
[Hos. 13.9]: "Dyn verderbnus oder umbkommenn ist uß dir selber,
[fol. 24v] o Ißrahel!" Dann glich wie die priester im alten testament
den ußsetzigen nit machtend, sonder allein erkantend und beschouwten
den, der vorhin ußsetzig was [3. Mos. 13 u. 14], also verdampt
oder ußschlüßt die kilchen keynen weder den, der sich mitt
fräffnem, ungötlichem läben vorhin dargegeben hatt, das man woll
sicht, das er ein fründ gottes [Luk. 12.4; Joh. 15.14] nit ist; denselben
hatt man aber by der gmeynd oder kilchen gelassen biß zuo dem
ußsatz. Deßhalb er nach dem ussern ansehen glich alls wol ein
glid der kirchen gerechnet ward als der aller frömmest. Aber by
gott was er nit fromm, er truege dann rechten waren rüwen unnd
glouben im hertzen. Welches nit woll sin mag näbend so fräffnem
unverschambtem wäsen. Wiewol der zuo Corintho von stund an nach

--259--

dem ban sich treffenlich gebessert und gerüwet hatt [cf. 2.Kor.2.5-8],
ist ein zeichen, das die göttliche gnad, die in hat lassen vallen, widerumb
uffgericht hatt. Deßhalb das widerumb uffnemen ee von gott beschehen
ist weder von der kilchen. Daruß aber volget, das die ußgesetzt werden,
die vor von gott verschupffet sind, unnd die widerumb ingenommen,
die vorhin von gott begnadet sind. Hierumb nennet nun Paulus das
ußsetzen von der gantzen gmeind ein usserliche verderbnus [1.Kor.5.5],
darumb das der vormals by der kilchen was, von allen bruederen erkent
wirt ein ungehorsam kind und glid des volcks gottes.
Und ist also der ban ein eroffnung des bösen, der die gantzen
kilchen verergern mag, damit die kilch vergoume und der böß gezüchtiget
werde. Das aber der pfarrer vom Appentzell für und für
daruff tringt, der ban sye ein gewalt, den gott den menschen habe
geben, und vermeint damit (als ich wol merck) ein ander houpt des
gewalts inzefueren, ist ein irrung; dann der gewalt ze bannen ist der
gewalt Christi, als Paulus [fol. 25] klar anzeygt, so er spricht
[1.Kor.5.4]: "Mitt der krafft unsers herren Iesu Christi." Deßhalb
alle, so bannen, nach dem geist Christi bannen werden, oder
aber es ist ein gewalt unnd fräffen.
Setze der pfarrer, das ein kilchhöry gantz unnd gar gotloß sye
und den herren Jesum Christum nit erkenne, und gange zuo derselben
kilchen unnd sage: "Ir habend götzen und abgöttery, ir sind
abgötter", oder derglychen, so wirt, der die warheit geredt hatt, verbannet.
Warumb? Darumb das dieselbe kilch den geyst Christi nitt
hatt und durch in nit geregiert wirt. Daruß lichtlich ermessen wirt,
das der gewalt ze bannen kein gewalt des menschen ist, sonder die
würckung des einigen gottes. Dann wo got den ban nit waltet mit
sinem geist, so ist es ein thyrany und ein geböch und nit ein besserung
oder zucht. Das er aber demnach ouch ynzücht den spruch

--260--

Pauli 1. ad Thimotheum 1. cap. [1. Tim. 1.20]: "Welichen Himeneum
und Alexandrum ich dem tüffel geben hab, damit sy gezüchtiget
werdent nit ze lesteren", und vermeint damit ze bewären, Paulus
habe allein an die kilchen gebannet, ist aber ein irrung unnd ein unwüssenheit
des bruchs der geschrifft, die allenthalben vil synechdochen
brucht, das ist ein art, da man eintweders glider für die menge oder
harwiderumb die menge für die glider nennet. Als do man einen
rhatzbotten der ersamen von Bernn die von Bernn nempt und harwiderumb
spricht, die von Bernn redtend oder gabend antwurt unnd
redtent aber nit all von Bernn, sonder der einig bot. Also spricht
ouch hie Paulus: "Ich hab sy dem tüffel gegeben", nitt das er
sy allein gebannet hab, sonder das er wil sagen, sy sind umb irs
abfals willen gebannet von der kilchen, dero ich iren abfal fürgetragen
hab.
So vil hab ich, lieben brueder, vom ban zuo erlüterung [fol. 25v]
wellen sagen, damit der pfarrer seche sampt andern, das sy uß disem
ort 1. Thimotheum 1. cap. [1. Tim. 1.20] keinen besonderen oder
anderen gewalt oder houpt bewären mögen etc.
[fol. 25v] Vierter Tag, Donnerstag, den 9. Januar 1528.
Da am Tische der Prädikanten viele gelehrte Leute sitzen, bei
den andern aber niemand, eröffnen die Präsidenten im Auftrag des
Schultheißen und Rates zu Bern, daß sich die Parteien besprech,
Ratschläge erteilen, Zettel zuschicken und einen Redner bestimmen
dürfen. Diejenigen, welche disputieren, sollen das Notwendige in die
Feder reden, das Übrige weglassen.

--261--

Hierauf wird Herr Doctor Cuonradus Treiger von Fryburg
Uechtland, provincial Augustiner ordens auf Veranlassung der
Prädikanten von Straßburg zur Disputation aufgerufen. Er protestiert
in langer Rede und erklärt, weder im Auftrage der Stadt
Freiburg noch des bischofs von Lausanne, sondern nur persönlich
zu sprechen. Was er disputiere, unterwerfe er der Obrigkeit der
christlichen Kirche und einem allgemeinen Konzil.
[fol. 26] Und ich sag also der ersten der zweyen schlußreden
halben, so da belangend unnd betreffend die heylig christenlich kilch
etc., das dieselben nach lut und form unnd dem buochstaben nach
nitt unchristenlich sind, aber ir verstand, der da durch sy wirt fürgenommen,
derselbig ist irrisch unnd unworhafftig; darumb ich denn
zuo erlütrung benämpter schlußred dise zwo schlußred dargegen setzen
wil. Und ist das nemlich die erst:
Die heylig christenlich kilch, die durch den geyst irs gemachels
und spons ewengklich erhalten und regiert wirt, als sy die stimm

--262--

des frömbden nit hört [Joh. 10. 5]; also ist ir und irem spons und
gemachel Christo frömbd, welcher ir stimm nit gehört.
Die ander: darumb sy dann von der christenlichen härd als zertrenner
christenlicher eynigkeit unnd kätzer absündert unnd by iren,
die ein sul unnd grundvesti ist der warheyt [1. Tim. 3. 15], der höchst
gewalt in sachen des gloubens ze handlenn funden wirdt.
[fol. 26 v] Da die beiden Schlußreden der Prädikanten das verneinen
und allein das göttliche Wort Richter in Glaubenssachen sein
lassen, will Treger seine Thesen näher begründen. Die Spaltungen
in der Christenheit erfordern einen Richter. Dieser Richter ist die
Kirche, Matth. 18. 17.
Doctor Wolffgang Fabricius Capito, predicant zuo Straßburg:
Der Provinzial erklärt, die zwiespältige Kirche müsse einen Richter haben.
Uff das nun zum handel am fürderlichsten griffen werde, wellen wir
das erst, die heylig christenlich kilch, dero einig houpt Christus ist,
harfürnemmen unnd erklären, namlich also, das dieselbig ist die versamlung
im geyst aller glöubigen, als glider eines lybs [cf. 1. Kor. 12. 12 ff.],
weliche von irem houpt Christo, unserm herren, läbendig gemacht
und allein geregiert wirt [cf. Rö. 8. 10. 11]. Darumb dann Paulus
spricht: "Der geystlich mentsch wirt von nyemants gerichtet, er richtet
aber alle ding" [1. Kor. 2. 15]. Da die Schrift [fol. 27] aus dem
Geiste Gottes ist, kann kein besseres äußeres Mittel zur Ausschaltung
von Irrtümern gefunden werden, als die Schrift.
Treger entgegnet: 1. Kor. 2. 15 spreche nicht gegen seine Auffassung.
In den folgenden Voten [fol. 28-36] führt er aus: Der
geistliche Mensch richtet alles, also richtet auch die Versammlung der
Geistlichen alles, auch die Schrift. Die sichtbare Kirche, im wahren
Glauben und im Namen des Herrn versammelt, kann in Glaubenssachen
richten. Auch die Gegenpartei stellt sich ja nicht unter die
Schrift. Sie urteilt darüber, welche Teile der Schrift vom Geiste
Gottes getragen seien oder nicht. So schätzt sie den Römerbrief oder
das Johannesevangelium besonders hoch und lehnt den Jakobusbrief
und die Apokalypse ab. Wie nötig ein Richter ist, zeigt die Uneinigkeit
der Neuerer. Einer muß doch unrecht haben.

--263--

[fol. 33] Nun sagt Luter, er sye der sachen gewüß und wüsse,
das sin widerparthy verfuerer [fol. 33v] syend und zertrenner christenlicher
einigkeit, und wüsse, das by inen dhein geist des herren sye.
Und was geysts er inen zuolegt, namlich meyster Ulrichen Zwingly
sampt den anderen, underlaß ich zuo melden von wegen der christenlichen
versamlung hie, denen ye der handel nit unwüssend ist.
Hinwiderumb so sagt meister Ulrich Zwingly, er sye der sachen
gewüß und hab den rechten waren verstand des rechten waren gloubens
in sölichen articklen. Nun betrachtend, frommen lieben Christen,
diewyl sölich hochgelert so hefftig sich im glouben zweyen, der da
erst in zähen jaren erwachsen ist, und einer sagt, namlich der Luter,
wellicher im nit glouben geb, möge nit sälig werden: meister Ulrich

--264--

Zwingly sagt nüt minders, namlich in dem stuck des hochwirdigen
sacraments. Wo ist dann der geyst, des sy sich beruomen, dadurch
sy die geschrifft vermeynend zuo verstan?
Wie soll sich bei diesem Zwiespalt ein einfältiger Christ zurechtfinden?
Also muß man bei der Einheit der christlichen Kirche bleiben.
In dieser gibt es gewiß verschiedene Stände, Geistliche und Weltliche,
verschiedene Orden. Das trennt sie aber nicht von der Einheit
des Herrn.
[fol. 34v] Ich erman üch aber, frommen Christen, ir wellend ein
hoch uffsechen haben uff die rechten seckten, und uff die rechten zertrenner
christenlicher eynigkeit und die, so sich in den höchsten stucken
des gloubens anfachen zertrennen: ir haben ye gehört in zähen jaren
har, das einer Lutersch, der ander Zwinglisch, der dritt Carolostadisch,
der vierd Ecolampadisch, der fünfft Widertöufferisch
und derglychen seltzamer namen sich nennen oder zum wenigosten
genannt werden, die nit allein underscheyd haben in kleydern -
dann derselb underscheyd niemand nachteil oder schaden bringen mag
-, sonder sich trennen in treffenlichen stucken unsers unbeflecktenn
gloubens, unnd da ist der gröst schaden und das höchst uffsechen
ze haben.

--265--

In einzelnen Satzungen haben die Konzilien manchmal verschiedenes
beschlossen, in Glaubenssachen sind sie aber immer einhellig
gewesen. So sind nach Mat. 18. 17 nicht nur die einzelnen Gemeinden
mit dem Bann ausgerüstet, vielmehr gehören Glaubenssachen vor das
Konzil, um Spaltungen zu verhüten, wie sie jetzt eingetreten sind.
[fol. 35] Es hat yetz Marti Luter sin Wittenbergesche kilchen
beredt, er habe den rechten waren glouben und verstand der gschrifft.
Deßglychen alle sine anhenger im krefftigklich statt und glouben gebend.
Es hat meister Ulrich Zwyngli unser getrüwen lieben Eydgnossen von
Zürich beredt, by im sye der recht verstand der gschrifft, und
haben doch gar dheins wegs dhein verstand der geschrifft. Weil nun diese
beiden Kirchen schon getrennt sind im Glauben [f. 35 v] und wir Gefahr
laufen, vier oder fünf Glauben in der Christenheit zu haben, wie das
in dem unseligen Böhmen geschehen ist, so ermahnen wir die Gemeinde
Bern, sich nicht von der Einheit der ganzen christlichen Gemeinde abzusondern;
dann ye nit gnuog ist, wie Marti Butzer zuoletst anzeygt
hat: das, welcher allein gloubt, das Christus unser herr uns sälig
gemacht und erlößt hat, ob er glich in andern irrgieng, das derselbig
sälig wurd; dann nit gnuog ist, das da einer eim puncten oder eim
artickel des gloubens stat und glouben geb, sonders ist von nötten, das
er die andern ouch gloub, bißhär von gantzer christenlicher kilchen
gloubt; dann welcher in einem stuck dem herrn nit glouben geb,
der eracht den herrn nit in allen stucken warhafft. Es werind ouch
vil zertrenner unnd kätzer der christenlichen einigkeit, die ouch nach
urteyl der widerparthy verdampt sind, die doch sälig wären worden;
dann sy ouch disen artickel gloubt haben. Ich wil aber harumb

--266--

nit sagen, das da ein yegklicher frommer Christ [fol. 36], ouch keiner,
wie hochgelert er sye, schuldig und pflichtig sye, alle artickel und alle
stuck und alle gschrifft ze verston und ze glouben ußtrucklich. Es ist
aber gnuog dem einfältigen, das er gloubt mitt gemeyner christenlicher
kilchen, dero der herr zuogeseyt hat sinen geist biß zuo end der welt.
Capito führt in den Voten fol. 27v-29 aus: Der geistliche
richtet alles; 1. Kor. 2. 15 heißt nicht, er richtet auch die Schrift;
denn diese ist geistlich und braucht keinen Richter. Einen Widerspruch
zwischen dem geistlichen Menschen und der aus dem Geiste
verstandenen Schrift kann es nicht geben. Die Gemeinde urteilt über
den offenkundigen Sünder, über den Glauben dagegen kann sie nicht
urteilen. Sie kann nur anzeigen, was nach der Schrift irrig ist oder
nicht, und dies nach dem Maßtab des Glaubens.
Martin Bucer zeigt [fol. 30-32 v], wie jeder Gerechte seines
Glaubens leben muß. So muß er die Schrift selber beurteilen und
anerkennen, sonst wäre er nicht gläubig. Schon vor mehr als tausend
Jahren haben die Väter, welche den Geist Gottes allein zu haben beanspruchten,
verschiedene Auffassungen über den Kanon des Neuen
Testamentes vertreten. Päpste, Konzilien und Orden haben Spaltungen
in die Kirche gebracht. Sie schieden zwischen Geistlichen und Laien.
Alle müssen eingedenk sein, daß unsere Erkenntnis Stückwerk ist,
1. Kor. 13.9. Das Hauptstück des Glaubens ist: Der allmächtige
Gott hat uns durch Jesus Christus kundgetan, daß er unser gnädiger
Vater sein will. In andern Stücken sind wohl Meinungsverschiedenheiten
unvermeidlich. Wer glaubt, daß Jesus Christus sein einziger
Heiland ist, der hat nach dem Worte des Herrn, Joh. 3. 36, das
ewige Leben.
Freitag, den 10. Januar 1528.
Martin Bucer gibt ein langes Votum ab [fol. 36-44]. Gegenüber
der These Tregers, daß die Christen auch anerkennen müssen,
was die Kirche und die Konzilien angenommen haben, erklärt er, daß
allein die Schrift, deren richtiges Verständnis dem Gläubigen durch
den Geist Gottes geschenkt wird, maßgebend ist. Auf die Frage
Tregers, warum denn die Neuerer noch predigen, wenn doch der
Geist alle Christen lehre, antwortet Bucer: Gewiß ist alles Predigen

--267--

unnütz, wenn Gott nicht durch den Geist lehrt. Trotzdem hat er
verordnet, daß um der Liebe und Einigkeit unter den Christen willen
ohne Unterlaß gelehrt und unterwiesen werden soll. Unser Glaube
ist nicht erst eine seit zehn Jahren neu aufgestellte Lehre, sondern
der alte ursprüngliche Glaube, nämlich, daß sich der Mensch auf die
Güte Gottes durch Jesum Christum verlassen und gewiß sein kann,
daß ihn Gott ewig fromm und selig machen will. Daraus wird er
willig und geneigt, aller Welt Liebes und Gutes zu tun. Das ist der
Glaube, in dem alle Gerechten gelebt haben, ein unerschöpflicher Brunn
aller wahren guten Werke. Auf den Einwand des Provinzials, daß
ja dieser Geist doch zu Uneinigkeit unter den Neuerern führe, antwortet
Bucer noch einmal mit dem Hinweis darauf, daß unsere Erkenntnis
Stückwerk bleibt, daß die Christen in diesem Leben Irrtum
erleiden müssen. Aber weil ihnen Gottes Geist Zeugnis gibt, daß sie
Kinder Gottes sind und Gott als ihrem Vater vertrauen dürfen, haben
sie das ewige Leben. So können verschiedene Auffassungen über einzelne
Stellen der Schrift dieses Vertrauen nicht erschüttern. Da
Luther predigt, daß Jesus Christus unser alleiniger Heiland ist,
wollen wir ihn als unsern Bruder anerkennen und seinen Irrtum
ertragen. Keiner von uns will, daß sich Parteien nach seinem Namen
bilden, wir weisen alle auf Christus. Dagegen haben die Gegner
ein besonderes Haupt neben Christus angenommen, den Papst,
haben den besondern Stand der Priesterschaft geschaffen, und die
Orden verehren ihre Stifter.
[fol. 44] Meister Ulrich Zwingly
predicant zuo Zürich.
[fol. 3334b.] So mine herren von Zürich, der so alten, erlichen,
herlichen statt, die sich so frommklich, wyslich und getrüwlich ye
und ye gehalten, es sye zuo frids oder kriegs zyten, besunder anzogen
sind, sam sy durch mich verfuert, wie wol sölchs billich erspart wär,
zimt sich doch nit, ein so loblich ort und das vordrist eynr Eydgnoschaft
unverantwurt ze lassen. Uf das sag ich, das die genannten

--268--

mine herren durch mich gentzlich nit verfuert, ouch mir nit ggloubt,
sunder, nachdem sy min leer, die nit min, sunder gottes ist, glych
wie die Israëler in Beroea, actorum 17. [Apg. 17.11], gegen dem götlichen
wort gehebt und die warhaft und götlich erfunden, habend sy
nit min, sunder gottes wort und meinung angenomen, dem ernstlich
angehangt, gott hab lob, und sich, so vil gott geben, nach der anfencklichen
kilchen sitten und ordnung reformiert und gestaltet, unangesehen
alle menschliche ler. Das aber ich von im angezogen, sam
ich mich des geists der gschrift beruembt, beschicht mir warlich
unguetlich, und bezúg das uff alle mine schriften und die, so mine
predginen gehört habend. Bitt hiemit herren provincial, von fräfnen,
unwaren reden sich goumen und allein des götlichen wortz ze halten,
damit die zyt nit unnützlich verzert werd. Oecolampadius und miner
leer rechnung wirt mencklichem ggeben, ob got wil, mit ernst und
zucht in fürfarender disputation, so ferr man die mit liebe gottes und
der warheit vollstrecken wirt.
Da der Provinzial in seiner Antwort gegen Bucer die persönlichen
Streitigkeiten und die zwischen ihnen vor der Berner Disputation
geführten Kontroversen zur Sprache bringen will, entziehen
ihm die Präsidenten das Wort, sofern er nicht auf Grund der Schrift
über die Schlußreden disputiert. Darauf protestiert der Provinzial.

--269--

Wenn er nicht frei vorbringen dürfe, was er für notwendig erachte,
verzichte er auf die weitere Mitwirkung an der Disputation. Im
Namen der Präsidenten erklärt Komthur Konrad Schmid, der
Handel zwischen Dr. Wolfgang Capito und Martin Bucer gehöre
nicht auf die Disputation, da diese von unsern Herren von Bern
zur Behandlung der vorgelegten Schlußreden einberufen worden sei.
Dagegen sei es dem Provinzial gestattet, frei gegen diese Schlußreden
zu disputieren. Dieselbe Erklärung gibt Meister Niklaus Briefer
ab. Capito und Bucer erklären, sie hätten die Einladung Tregers
erbeten, um mit ihm über die beiden Schlußreden zu disputieren.
Zuinglis Protestation
nach doctor Cunraden Traeyers
Protestation beschehen.
So protestier ich mich vor mencklich, das herr provincial die
anred gehebt, da aber mencklich weysst, das allweg dem beklagten
zimpt ze antwurten.
Da er sich protestiert, imm zimme nit fry ze reden, protestier
oder bezüg ich mich vor der gantzen gmeind, das imm wol zimpt ze
reden, doch us gottes wort, underlassen schmütz- und schmachred,
wie dann miner herren pręsidenten verkündung ietz uss ersamen rats
empfelch gehört ist.
Da er sagt, imm zimme besunder nit gegen mir ze reden, bezüg
ich mich aber uff die acta, da Oecolampadius und ich grad erst
im's embotten habend, us gottes wort rechnung ünser ler ze geben,
doch mit züchten und gotzforcht gehandlet werd.
Das er aber bezúgt, er wölte gernn ünsere aller gröste verfuernus
und mangel dem einvaltigen christenlichen volck anzeigen, so verstrick
man imm's. Bezúg ich, das wir sölchs gernn wellend hören mit gottes
wort beschehen, das ouch wol sin mag one alle lestrung und schmach,
wie denn gester von imm gebrucht ist.

--270--

Theobald Huoter, Pfarrer von Appenzell [fol. 46v-49], begründet
die Lehre, daß der Heilige Geist Bischöfe als Regenten der
Kirche eingesetzt habe, mit Apg. 20.28 und Eph. 4.11. Niemand
behauptet, diese Regenten der Kirche hätten die göttliche Gewalt. Sie
haben aber eine ihnen von Gott verordnete Gewalt, Joh. 20.21. Regenten
der Kirche kann man aber als Haupt der Kirche bezeichnen. Doch
will sich Huoter nicht auf das Wort versteifen. Obschon der Herr
Jesus selber das Licht der Welt ist, Joh. 8. 12, so hat er doch auch
zu seinen Jüngern gesagt: Ihr seid das Licht der Welt, Matth. 5. 14.
Haller [fol. 47-49v]: Die genannten Stellen begründen keine
Herrschaft in der Kirche, sondern nur Ämter zum Dienst der Kirche,
Eph. 4. 12, 1. Petr. 5.2. Christus ist allein wesentlich das Licht der
Welt, die Apostel nur per participationem.
Huoter [fol. 49]: Wenn die Jünger am Licht des Herrn partizipieren,
dann haben sie auch Anteil an seiner Gewalt und können
als Häupter der Kirche bezeichnet werden.
[fol. 49v] Meister Ulrich Zwingly:
Ich begär ein wenig zuo erklärung, wie Christus das liecht syge
unnd wie die apostel das liecht syend, ze reden. Christus ist das
waar wäsenlich liecht, Johannis im ersten capitel [Joh. 1.4,5]. Und
alles liecht, das die apostel habend, gibt er inen. Nemmend, lieber
herr pfarrer, ein byspil: die sonn gibt den tag durch das fenster haryn
unnd ist aber der tag oder liecht nützid [fol. 50] für sich selbs,
sonders sobald die sonn nit lüchtet, so ist der tag nümmen. Also
ouch die apostel habend so vil liechtes, so vil inen die sonn der
gerechtigkeit [vgl. Mal. 4. 2], Christus, gibt. Unnd wo die sonn nit
lüchtet, da ist kein liecht und ist Christus also allein das liecht, das
läben und die krafft, die alle menschen erlüchtet, läbendig macht und
behaltet [vgl. Joh. 1. 4; 8. 12]. Und sind die apostel erlüchte, läbendig
gemacht glider der kilchen und nit höupter, sag ich, lieber herr pfarrer,
zuo üwer underrichtung und der einfaltigen.

--271--

[fol. 50] Huoter läßt den Vergleich Zwinglis gelten. Die Sonne
ist das wesentliche Licht. Aber der schyn, der durchtringt das fennster,
hoff ich, er laß mir's ouch ein liecht sin. Also ouch zuo ynfuerung
miner beschlußred, erkenn ich ouch gott den herrenn Jesum Christum
min behalter unnd aller welt ein houpt ze sin. Aber das nit sye ein
verordnet houpt, nachgelassen von sinem göttlichenn wort, werde nyemand
wider mich bewären, . . .
[fol. 50v] Zwingly:
Ich hab das byspil nitt anzogen, das ich daruff das göttlich wort
gründen wölt, sonders dem einfaltigen durch wol erkanndte ding, wie
ouch dem heyligen Paulo gefalt zun Römeren am ersten capitel
[Röm. 1. 20], ynleytung geben, das göttlich wort dester häller ze verstan.
Demnach so erkennet der pfarrer, gott den herrenn Jesum Christum
sinen behalter unnd aller wellt ouch ein houpt sin. Diß sind alle
wort des pfarrers, als sy hievor stond. Hieby lob ich den gott, der
da verheyssenn hat, wenn man inn bitte, so welle er erhören [Mat. 7. 7],
das er uff den hüttigen tag erhört hat die frommen Christen zuo Bernn,
die inn yetz der tagen so offt ängstlich gebätten haben, die finsteren
hertzen ze erlüchten, das der unser lieber pfarrer unnd bruoder von
Apentzell erkennt, das Christus, der herr, sin behalter sye, ouch
aller wellt behalter sye. Dann so verr unnd sölichs uß rechtem warem
glouben geredt, so wirt der pfarrer keinem houpt, keinem behalter,
keinem liecht, keinem anderen vatter noch vertröster niemermer nachfragenn.
Dann welcher zuo dem brunnen kumpt, den dürstet niemermer,
Iohannis am 4. capitel [Joh. 4. 14] nach keinem anderen heyl,
nach keinem anderen liecht, nach keinem anderen trost. Darby ich
wol vermerckenn mag, das by im aller creaturen trost schnöd sind,
ja in summa darumb sag ich gott lob und danck.
8 B M. Uolrich Zwingli, D M. U. Zwingli - 9 byspil ] AC bispell - göttlich ]
B gottes - 10 wölt ] B wölle, CD welle - 13 so ] E do - 14 Diß ]
B Das - alle ] DE alles - 15 lob ] B loben - 16 bitte ] B bittett - welle ]
AC well - 20 Apentzell ] AC Apenzell, B Appazell, D Appenzel, E Appenzell -
Christus ] BCDE Cristus der herr sin gott sye, sin behalter sye - 21 warem
fehlt D - 24 kumpt ] BE kompt - 27 creaturen trost ] BCDE trost der
creaturen

--272--

Samstag, den 11. Januar 1528.
[fol. 51] Pfarrer Huoter hält an seiner Auffassung fest, daß
auf Grund der Schrift eine geistliche Gewalt in der Kirche eingesetzt
sei. Er protestiert gegen die Meinung Zwinglis, er stimme mit
dessen Lehre überein.
[fol. 51] Zwingly:
Frommen Christen! Das sich der pfarrer bezügt, wie er nit mins
gloubens sye und hat aber daby gester offentlich verjechen, er erkenne
gott, den herren, Jesum Christum synen behalter unnd der gantzen
welt, bezüg ich mich, das ich den glouben ouch hab. Und [fol. 51v]
laß daby ein yeden Christen das urteyl, wie sich des pfarrers red
der warheyt unnd dem gestrigen verjechen vergliche unnd veranlaß
mich uff sine wort, die von den schriberen in die acta verfasset
sind etc.
Meyster Niclaus Christen, senger von Zoffingen:
. . . wiewol ist, das ich mich nit understand, entscheid und
lütrung zuo geben umb dise schwäre spenn hie zuogegen; dann es
miner kunst, die klein ist, überlegen sin wil, und es mir schwer fällt,
vom Glauben der Vorfahren abzustehen, will ich doch gemäß 1. Petr. 3.15
und Gal. 6.1 von meinem Glauben Rechenschaft geben.
6 B Meister Uolrich Zwingli - 10 welt ] B gewallt - 12 verjechen ] B
verjächung - veranlaß ] A voran/laß, B laß - 13 mich ] ABCDE mich ouch
- uff ] B an - wort, die ] B wort, so gestern durch die schriber - ver
fasset ] C gevasset

--273--

[fol. 52] Es hatt sich begeben in etlichen antwurten, deren, die
disputiert hand, von dem spruch Matt. am 16. cap. [V. 19], da
Christus zuo Petro gesprochen hatt: "Ich würd dir geben die schlüssel,
was du bindst uff ertrich, das wirt bunden syn im himmel etc." Da
han ich zwen punctenn in der antwurt verstandenn, die ich noch nitt
annemmen kan. Des ersten, so syend da Petro die schlüssel unnd
gewalt verheyssen, aber nit sonderlich gebenn, sonders mit anderen
allen geben, Johannis am 20. capitel [Joh. 20. 21]. Mein, nach der
leer des heiligen Petri in der anderen epistel am 3. capitel [V. 9]
"Gott ist trüw, er verzücht syn verheyssung nitt", wie er Petro
sonderlich hab verheissen den gewalt der schlüssel, also hab er im
den ouch sonderlich geben, eintweders von stund an oder Joannis am
21. capitel [V. 15ff.], da Christus inn hatt erkennt [fol. 52v] für
einen hirten und söll spisen sine schäffly; dann Matt. 18. cap. [V. 18],
da hatt Christus ouch allein sinen jüngern vor sinem lyden den
gewalt geben zebinden und entbinden, "was ir binden uff dem ertrich,
wirt bunden in dem himel", aber Matth. 16 [V. 19], da hatt er Petro
verheyssen binden in vil himlen.
Haller: Petrus hat Matth. 16. 16 im Namen aller Jünger geantwortet
und auch im Namen aller die Verheißung der Schlüssel empfangen.
Joh. 21. 15 erhält er das Amt, die Schafe zu weiden. Das
Binden und Lösen, Matth. 18. 18, bezieht sich auf die Kirche.

--274--

Sennger: Ich mein, diser text [Mat. 16. 18 ff.] möge die ußlegung
nit erlyden, darumb das Christus sy all gefragt heyge und Petrus
allein für sy all geantwurt, darumb er inen allen die schlüssel heyg
geben; dann wenn das die meynung Christi were gesin, so hette er
wol gesprochen: "Ich gib üch die schlüssel allen", wie Petrus für alle
geantwurt hatt. Der text ist aber offenbar, das er nach aller frag het
gesprochen zuo Petro: "Ich wird dir geben die schlüssel." Nun ist
"dir zegeben" und "allen zegeben" unglich. Der text ist heiter [fol. 53]
und klar. Er bittet um eine Schriftstelle, die beweist, daß Jesus die
Schlüssel allen Jüngern gegeben habe.
Haller: Daß Petrus im Namen aller geantwortet hat, beweist
Joh. 6. 67-69. Joh. 20. 22 hat der Herr die Schlüssel allen verliehen
[fol. 52 v]. Auch Matth. 4. 19 ist Petrus und Andreas verheißen, was
allen Jüngern gilt.
Senger: Anzezeigen ist min fürnemen gsin, das Petro sonderlich
gewalt sye geben der schlüsseln, ze binden unnd entbinden.
Wenn ich das beweisen kann, ist es gegen die Schlußrede. Matth. 16. 19
und Joh. 20. 22 gehören nicht zusammen. Dort gibt Jesus die Schlüssel,
hier den heiligen Geist. [fol. 54] Unnd blyb noch hütt by tag darby:
obschon Petrus für all uff die frag Christi geantwurt hab, so hat nach
dem allem Christus im sonderlich den gwallt der schlüßlen verheyssen.
Daß Christus, Matth. 4. 19, zwei Jüngern andere Dinge verheißen hat,
beweist nicht, daß er Matth. 16. 19 die Schlüssel allen gegeben habe.
Haller: Joh. 20. 22 erhalten alle den Geist. Also bezieht sich
auch die Verheißung Matth. 16. 19 auf alle Jünger.
[fol. 54v] Christen bestreitet nicht, daß Christus allen Zwölf
die Schlüsselgewalt gegeben habe. Trotzdem hat er Petrus etwas
besonderes verheißen. Dafür spricht auch Joh. 21. 15 ff., der dreimalige
Befehl: "Weide meine Schafe."
Haller: Matth. 16. 19 steht nicht; Tibi soli dabo. Das Weiden der
Schafe ist allen Jüngern anbefohlen worden.

--275--

Zuingli.
Ich beger, lieben brueder, zuo erlütrung des worts Jo. XXI [Joh. 21. 15ff.]
"Weid mine schäflin", gar wenig ze reden. Und bezüg mich zum
ersten, das ich der lerer sprúch nit darumb wil anzúhen, das ich
damit der gschrift krafft oder gwalt bewären wolle, sunder, das ouch
die widerpart des bapstes in irer lerer, die sy dem euangelio verglychend,
verstand findend, wider den sy hie fechtend, anzezeigen.
Ir wüssend, min lieber herr Meister Niclaus, das der helig Augustinus
über dise drümal beschehnen frag und empfelch Petri also in einer
summa redt: Darumb, das Petrus iij mal Christum verlöignet hatt,
darumb hatt inn gott harwiderumb zum dritten mal gefragt, ob er inn
lieb hab und zum iij mal die schäflin ze weiden empfolhen. Us
welchen worten wir vermerckend, das Christus Petro hatt wellen vor
den jungeren den bösen lümden und namen, das er gott verlöignet
hette, bessren und abnemen, das nit Petrus von den jungeren veracht
wurde drumb, das er inn zum iij mal verlöignet hette, als ob er
nit wirdig wäre des predigampts drumb, das er müntlich und uss
forcht gelöignet hett, nit von hertzen; dann er da nit presthaft
was nach dem wort Christi [Matth. 16. 17?]. Darus nun erlernet wirt,

--276--

lieber Meister Niclaus, das hie Petrus nun widerbracht wirt zuo den
eren und ruom des apostolatz und nit zuo eim hopt gemacht. Welchs
apostolat oder weiden aller jungeren ist, als gnuog gehort.
Et post sermonem domini Nicolai, quem subiunxit, addidi: Der
hirt sol gottes schaff weiden, nit herschen; er spricht nit "weid dine
schaff" sunder "mine". Die schaff und der hirt sind gottes etc.
[fol. 55v] Meyster Iacob Edlebach: . . . wie da anzeygt
ist, bin ich noch nit bericht, das die schlüssel allen jüngern, sonders
allein Petro verheyssen syen, und die antwurt, ouch inzug der
gschrifften, so dann herr Berchtold hat wellen bewären, Petro allein nit
verheissen sin, sonders allen, zücht harin Joann. 6. capi. [V. 67-69]; die
Stelle beweist doch nicht, daß Jesus allen Jüngern die Schlüssel gegeben
habe; denn Matth. 16. 19 spricht er nur zu Petrus. Auch Matth. 4. 19
dient nicht zur Sache. Ebensowenig Joh. 20. 22. [fol. 56] Gewiß hat
hier Christus den Jüngern den Geist verliehen und die Macht,
Sünden zu vergeben. Von der Übergabe der Schlüssel ist hier aber
nicht die Rede. Vielmehr erfolgte diese Joh. 21. 15 ff. allein an Petrus.
Haller: Petrus erhielt die Schlüssel, weil er glaubte und bekannte,
daß Jesus der Christus sei. Diesen Glauben hatten auch die
andern Jünger, folglich erhielten auch sie die Schlüssel. Joh. 21. 15 ff.
bedeutet keine besondere Auszeichnung des Petrus. Alle Prediger
haben das Hirtenamt.
[fol. 56v] Edlibach bezweifelt, daß alle Jünger den Glauben
hatten. Judas jedenfalls nicht.

--277--

[fol. 57] Durch die Schrift wurde erwiesen, daß die Kirche einen
obersten Hirten haben muß, wie das seit 1500 Jahren in der Nachfolge
Petri der Fall war.
[fol. 57v] Haller: Seit 1500 Jahren gibt es ein einziges und
vollkommenes Haupt der Kirche, Jesus Christus. Der Papst
ist es nicht.
Edlebach: Ich sprich, herr Berchtold erkennt sich mit mir
eins sin, so erkennen ich ein obersten hirten der kilchen und Christum
als ein war ingelybet houpt der kilchen.
Senger: ... als min herren die predicanten in iren schlußreden
fürgenommen hand, ein einig houpt ze sin christenlicher kilchen, lan
ich nach, fürnemlich Christum Iesum als das oberest houpt yngelibet
der kilchen, das ist allen christglöubigen menschen. Ich meyn
aber, die geschrifft geb zuo, das durch sin ordnung und geheyß sins
gottswort und siner zwölffbotten andre oberer, prelaten, regenten und
höupter in der kilchen ouch söllen syn. Die Kirche Christi soll nicht
weniger sein als die Synagoge der Juden. Diese hatte aber auch
Häupter, Obere und Richter. [fol. 58 v] Nach Eph. 5. 23 sind die Männer
die Häupter der Frauen. Es gibt also außer Christus noch Häupter
in der Kirche. Nach 1. Kor. 12. 28 gibt es in der Kirche "gubernationes".
Ihnen sind die Christen Gehorsam schuldig, Hebr. 13. 17.
[fol. 58] Haller: Christus ist nicht der Kirche, sondern die
Kirche ist Christus yngelybet. Die Kirche hat keine geistlichen
Häupter. Trotzdem fehlen ihr die Ordnungen nach 1. Kor. 12 und
Eph. 4 nicht.
[fol. 59] Eph. 5. 23 sagt ja gerade, daß Christus das Haupt
der Kirche sei. An der Stelle 1. Kor. 12. 28 sind die weltlichen Obrigkeiten
gemeint. Aus Hebr. 13. 7 geht hervor, daß unter den Vorstehern
in der Gemeinde diejenigen zu verstehen sind, die das Wort
Gottes verkünden.

--278--

[fol. 59v] Senger: Herr Berchtold hat mich zum aller ersten
da anzogen, sprechende: Frommen lieben Christen, luogend, welcher
die eer gottes suoche, uß der ursach, das ich Iesum Christum bekenn
für ein houpt und doch nit well erkennen, das er sye unser läben
und säligkeit, des ich mich zum aller ersten entschuldigen vor allen
biderben Christen hie; dann [fol. 60] ich kein säligmacher, kein erlöser
weyß dann Christum Iesum min herrn und behalter.
[fol. 60] Oekolampad: Ein Haupt muß allen Gliedern dienen.
Da sich aber das Reich Christi von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
erstreckt, ist es keinem Menschen möglich, die ganze Kirche
zu regieren. Deshalb hat Christus viele Apostel eingesetzt.
Christen: Der zweite Artikel der ersten Schlußrede lautet: Die
Kirche ist aus dem Wort Gottes geboren. Unter Wort Gottes versteht
man aber Verschiedenes: 1. das ewige Wort, Joh. 1. 1, 2. das geschriebene
Wort, das in der Bibel steht, Rö. 15. 4, [fol. 60 v] 3. das
gesprochene Wort der Predigt und Lehre, als die apostel und predicanten
zuo dickermal reden von underwisung und leer willen, so nit
geschriben stat. [4] Wyter findt man in der gschrifft ein heimlich
verkündt wort gottes, von gott ingesprochen und gelert, Psal. am
85. [9] . . . Apoc. 3. [20] . . . 2. Kor. 13. [3]. Nun frag ich min herren
die predicanten, was ir meynung sye in iren gemelten articklen, ob
die kilch geboren werde uß denen gottes worten alle sampt oder uß
einem besonder.
Berchtoldus: Meyster Niclaus hat ingefuert ein lange red. Daruff
ein kurtze antwurt: Die kilch gottes ist geboren uß dem wort gottes,
das gott läbendig macht, ja er redt in unsere hertzen, welches in der

--279--

warheit kein anders ist dann das usserlich geprediget oder die gschrifft
in ir begrifft, [Jak. 1. 18, 1. Petr. 1. 12.]
Senger: Witer wird ich bewegt uß der geschrifft, das eim Christenmenschen
etwas mer ze halten und zuo glouben sig, denn in der
biblischen gschrifft heyter [fol. 61] ußtruckt ist, als dann die zwölffbotten
anzeigent in der andern epistel zum Timotheo 2. cap. und zum
Thito am ersten capitel [cf. 2. Tim. 2. 2 und Tit. 1. 3]. Sy hand etwan
gelert und prediget durch red, durch brüch, andern verkündt, wie sy
es ouch von anderen gehört hand, und hand nit allwegen schrifft darumb
anzeigt. Ich mein ouch, die heylig kilch sye gsin vor dem
euangelio und der zwölffbotten gschrifft und werd ouch in ewigkeit
belyben, so dhein gschrifft mer sye. Item in der andern epist. zum
Thimotheo am 3. cap. [V. 16] spricht Paulus: "Ein yegkliche geschrifft,
die von gott yngesprochen ist, ist nützlich zuo leren unnd zuo
underwysen." Nun ist vil geschriben nach der biblischen geschrifft
durch die lieben heiligen zuo lütrung und erkantnuß biblischer geschrifft,
mein ich ouch, gott der heilig geyst möge inen die yngesprochen han,
sonderlich die gschrifft, die von gemeyner christenlichen kilchen angenommen
ist. Es stadt ouch geschriben in den geschichten der Apostlen
am 15. und 16. capitel [Apg. 15. 23ff., 16. 4]: "Ir söllend halten die pott
der zwölffbotten und die brüch der elteren." Spricht ouch Paulus
in der ersten epistel zun Corinthern am 11. ca. [1. Kor. 11. 2,34]: "Ich
lob üch, mine brueder, das ir in allen dingen min yngedenck sind, als

--280--

ich üch mine pott gebenn hab." Verheysset inen daby: "Die andern
ding wil ich üch ouch ordnen, wenn ich zuo üch komm." Man findt
aber nienan geschriben, wo er das geordnet habe. Hat aber inen on
zwyffel gehalten, das er inen verheyssen hat. Spricht ouch im selben
cap. [1. Kor. 7. 12]: "Das sag ich üch und nit der Herr", seyt da von
eesachen etc. Von sölichen brüchen findt man ouch geschriben zun
Thessalonicheren in der anderen epistel am anderen cap. [V. 15], die
nit all geschriben stand, als ich mein.
[fol. 61v] Zwingly:
Meyster Niclaus, was wellend ir mit denen worten allen
ynfueren?
Senger:
Das ist min meinung der anzügen halb: Diewyl üwer schlußreden
tringent uff das wort gottes geschriben und yngesprochen, und
aber min gnädigen herren ir disputation halb verschlossen habend,
nüt hie ynzefueren in diser disputation, dann so in biblischer gschrifft
begriffen ist, meynt ich, man möchte ouch probieren und bezügen
etwas uß den brüchen in der heiligen christenlichen kilchen und
uebungen, so nit geschriben und an uns kommen sind.
Zwingly:
Diß wort in der 2. epistel zum Thimotheo 3. capitel [2. Tim. 3. 16]
"Ein yegklich gschrifft", wie es dann meyster Niclaus gemeldet hat,
ist nit recht vertütschet. Er hats also vertütschet: "Ein yegkliche

--281--

gschrifft ist nutzbar zuo leren", welches aber der sinn Pauli gentzlich
nit ist; dann mit dem verstand möcht man ynfueren, das ein
yede geschrifft nutzbar wäre zuo lerenn, welches doch keinen wäg mag
erlitten werden. Sonders der sinn Pauli ist der: "Ein yede gschrifft,
die von gott yngeblassen ist." Also vermag ouch der text "die ist
ouch nutzbar zuo der leer".
Hieby frommen Christen, merckt üwer lieb, das der verstand
unser brueder der predicanten noch immerdar uffrecht [fol. 62] stadt;
das, das sy geredt haben, ist uß der göttlich yngeblaßnen gschrifft.
Und harwiderumb alles, das von gott yngeblasen ist, das hand sy für
götlich gschrifft, doch mit dem ynschluß, das in dem herren Christo
Jesu alle prophetyen gehört habend, ja ouch biß uff Iohansen, Luce
am 16. capitel [Lk. 16. 16]. Deßhalb sy keine nüwe ruemer der offenbarungen
annemmen, die da ützid bringend, das da widrig sye dem,
das vor Christo geschriben ist, biß uff in, ouch dem, das die handlung
Christi begryfft. Dann nützid mag mer herfürbracht werden,
das im herren Christo Jesu als in dem liecht des gsatz und des geists
nit eroffnet sye.

--282--

Sonntag, den 12. Januar 1528.
[fol. 62-66] Am Vormittag disputieren nur Haller und Christen
über die bisherigen Fragen: Ob Christus allein das Haupt der Kirche
sei, oder ob neben ihm noch andere Häupter anerkannt werden müssen.
Christen anerkennt Christus als das Haupt der Kirche, daneben
sind aber noch andere Häupter; [fol. 62v] dann üwere parthy als
Zwingly uff gester offentlich bekennt und verjechen hat, das meister
Frantz und Berchtoldus Haller wol mögen hie zuo Bern für zween
bischoff genempt werden. Diewyl nun Christus ouch ein houpt
genempt, wirt darumb sin eer nit gemindert, ob schon meister Frantz
und Berchtoldus bischoff heyssen. Also mein ich ouch der höuptern
halb nach minem verstand sye es ouch also.
Christen gibt zu, daß Christus seiner Göttlichkeit nach vor der
Kirche ist, seiner Menschlichkeit nach ist er aber der Kirche yngelibet.
Haller erklärt den Begriff Bischof. Er bedeutet nicht Haupt,
sondern Wächter, Hirt, Apg. 20. 28 steht ποιμαίνειν. Christus ist vor
der Kirche da. Die allgemeine, heilige, christliche Kirche bilden allein
die Rechtgläubigen Gottes, die aus dem Wort Gottes geboren sind, bei
dem sie bleiben.
Nachmittag.
[fol. 66v] Herr Daniel Schatt, lütpriester
zuo Gundißwil.
So nun dry ding vermerckt oder begriffen werdend in Christo,
das ist: die gottheit allein und die menscheyt allein unnd die gottheit
unnd menschheit miteinandern vereynt in Christo. Nun yetz frag ich,
ob Christus nach der gottheit allein angenommen syge ein houpt der
christenlichen kilch oder nach der menschheit allein oder als die gottheyt
und menschheit vereynt in einer person etc.
Zwingly:
Christus Jesus, warer gott und mensch, darumb er ouch Christus
Jesus
heyßt, ist nach beyden naturen ein houpt der christenlichen
kilchen, mit der erlüterung, das er nach der gottheit fürnemlich und

--283--

eygentlich das wäsen aller dingen ist, und nach der menscheit das
bezalet, getödt opfer, das die götlich gerechtigkeit mit uns versünet
hat, bedarff nit geschrifft; berueff darüber zuo kundtschafft das gantz
euangelion Johannis unnd die epistel zun Hebreern fürnemlich für
andre gschrifft.
Daniel Schatt:
Das Christus ein warer gott unnd mensch sye, ein houpt der
christenlichen kilchen, ist recht; aber das wörtly einig mag die red
nit erlyden; dann nach der gottheit, so ist er einig mit gott dem
vatter [fol. 67] unnd heyligen geyst. Das sind nun dry personen, das
ist gott der vatter, gott der sun, gott der heylig geyst. Die dry sind
das recht wäsenlich houpt der chrustenlichen kilchen, die dasselbig
regierend, läbendig machen, im läben behalten und das heyl geben.
Darumb mag nitt geseyt werden, das Christus sye das eynig houpt,
aber wol das houpt der christenlichen kilchen mit gott dem vatter und
heyligen geyst.
Zwingly:
Der guott herr erkennt noch nit, das, obglich dry personen in der
gottheyt sind, die dry personen nütdesterminder ein einiger gott sye,
und das, so von dem vatter geredt wirt oder vom sun oder vom heyligen
geyst, nütdesterminder under yegklichs sin person der eynig gott
verstanden wirt. Da nitt not ist lenger von ze sagen; dann es gar
spötlich wär, das man in der loblichen disputation liesse söllich argwänige
argument machen, die da understuenden, die einigen einigkeyt
des einigen gottes ze vylen oder vil machen, darumb das dry personen
sind etc.
Uff söllichs ist syn argument unkrefftig, all diewyl er uns nit anzeygt
einen, der warer got und mensch sig. So blibt für und für

--284--

der eynig Christus das einig houpt der kilchen, ob wir glich diß wort
eynig uß der gschrifft nie bewert hettend, das doch volkomenlich in
den acta beschehen ist.
Daniel Schatt.
Der wolgelert meyster Ulrich Zwingly hatt geseyt am anfang
diser yetzigen red, das ich noch nit [fol. 67v] erken die eynigkeit der
göttlichen dryvaltigkeyt. So sag ich, das ich darfür han, das er mir
daran unrecht thuot; dann ich so lang den glouben gebättet han, das
ich's woll weyß. So er aber nun seyt unnd vor geseyt hatt, das der
sun gottes sye das houpt der christenlichen kilchen, der da ist in ewigkeyt
geboren, uß gott sym himelschen vatter, das gib ich ouch nach.
Das aber darumb Christus sig das einig houpt, das gib ich noch
nit nach. Und das ursach, das das wort (Christus) ist ein zytlichs
wort, und ist Christus geboren worden in der zyt, als Lucas züget
[Lk. 1. 31], desglichen Esaie [Jes. 7. 14]: Ecce virgo concipiet etc. Unnd
von demselbigen sag ich, das Christus nach der menscheyt nit mag
genempt werden eyn eynig houpt der christenlichen kilchen.
Zwingly:
Diß argument darff keiner antwurt, ist in unser vordrigen red
klärlich verantwurt, das Christus uns hie genommen wirt für den,
der warer gott von ewigkeyt har ist unnd ouch in der zyt mensch
worden etc.
Daniel Schatt:
Meyster Ulrich Zwingly, der begert von mir, das ich anzeyg ein
anders houpt dann Christum. Dasselbig ander houpt, das find ich
in der ersten epistel zum Corinthern am 11. capitel, da er seyt
also [1. Kor. 11. 3]: "Das houpt der frowen ist der mann, aber das
houpt Christi, das ist gott." Da habend ir ein ander houpt über
Christum und darumb ist Christus nitt eyn eynig houpt der
kilchenn.

--285--

[fol. 68] Zwingly:
Uß dem wort Christi: "Der vatter ist min grösserer" oder "grösser
weder ich" [Joh. 14. 28] weißt man wol, wie gott ein houpt Christi
ist; dann wie der vatter ein merer Christi alleyn der menscheyt
Christi halb genempt wirt, also wirt er ouch allein der menscheyt
halb sin houpt genempt. Nisi velit hic inducere prioritatem originis,
de qua apud theologos. Das aber hiehar nit dienet, darzuo dienent
die wort, die ich zum ersten zum Thimotheo 1. epistel 6. capitel
[1. Tim. 6. 15, 16] erst hab angezogen, das Christus allein der heylig,
allein der gewaltig oder fürst (für welches wir hie das wort houpt
bruchen) genempt wirt.
Daniel:
Nun alle ding underwegen glon, so dunckt mich, ich hab verstanden
uß yetzigen worten meyster Ulrich Zwinglis, das die fürsten
werden gehalten für höupter unnd damit abgestanden.
[fol. 68-71v] Herr Gilg Murer, pfarrer zuo Rapfenschwil:
Geistliche Obere in der Kirche sind notwendig auf Grund von
Rö. 13 und 2. Kor. 10. 8. Auch das Vorbild der christlichen Kirche,
die Synagoge, hat zwei geistliche Häupter, Moses und Aaron. Sie
sind die Vorbilder für Christus und Petrus.
Haller erklärt, daß sich Rö. 13 auf die weltliche Obrigkeit beziehe.
Eine Gewalt in der Kirche ist nicht abzulehnen, nämlich die
Gewalt des Dienstes, der im Predigen und Verkünden des Wortes
besteht. Moses und Aaron sind Sinnbilder für den einzigen Christus,
Hebr. 3. 1ff., 5. 4 und 6. 20.
[fol. 70] Meister Jacob Edlibach begründet noch einmal den
Satz, daß Christus ein yngelybet houpt der kilchen sei. Den

--286--

Papst bezeichnet er als ein fürgesetzt houpt der kilchen. Bucers
Berufung auf das Wort: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt
sind, da sei die Kirche, ist nicht stichhaltig; denn sonst
wären Paulus und Barnabas nicht von Antiochia nach Jerusalem
geschickt worden.
[fol. 71] Martin Bucer entgegnet, wenn sich die Gemeinde
von Antiochia unter das Wort und den einfältigen Glauben gestellt
hätte, dann hätte sie die Apostel nicht nach Jerusalem schicken
müssen. So hätte die Kirche von Bern besser getan, das Wort Gottes
von den Prädikanten anzunehmen. Da sie aber Widerstand erhob,
mußte die Disputation einberufen werden.
[fol. 72] Die ander Schlußred
und derselben gründ hat meyster Frantz Kolb, predicant zuo Bernn
eroffnet.
Die kilch Christi machet nitt gesatz und bot ane gottes wort;
deßhalb all menschen satzungen, so man nempt der kilchen bott, uns
nit witer bindend, dann sy in göttlichem wort gegründt und botten sind.
Meister Franz Kolb: Aus der ersten Schlußrede folgt die zweite:
Die Kirche erläßt keine Satzungen und Gebote ohne Gottes Wort. Man
kann dreierlei Satzungen unterscheiden: 1. solche, die sich auf das
Seelenheil beziehen. 2. Stadtsatzungen, Landrechte und Verordnungen,
die Leib und Gut betreffen; von ihnen ist hier nicht die Rede, sofern
sie nicht wider Gott sind. 3. Satzungen, die uns Gottes Willen
offenbaren, den der natürliche Mensch nicht erkennen kann. Menschliche
Satzungen der Kirche binden uns nur, wenn sie durch das göttliche
Wort geboten sind. Diejenigen, die ihre menschlichen Satzungen
höher achten als das Wort Gottes, sind vor Gott ein Greuel. Aus
ihrer Herrschaft entstanden die furchtbaren Mißbräuche.

--287--

als an die Bibel halten soll, Joh. 20. 30 und 21. 25. Nicht alle Worte
Jesu sind aufgezeichnet, Matth. 4. 23, Mk. 4. 2, 6. 2, Lk. 2. 46, 4. 31, 5. 3,
13. 10, 19. 47, Joh. 4. 41, Apg. 1. 3. Auch Paulus hat Vieles gelehrt,
das nicht niedergeschrieben wurde, Rö. 5. 5, Gal. 1. 9, Apg. 11. 15, 13. 2, 4,
Eph. 6. 21, Kol. 4. 7, 2. Tim. 2. 2.
Bucer: Die nicht aufgezeichneten Worte und Reden Jesu enthalten
nichts anderes als die aufgezeichneten, 2. Tim. 3. 15, 16. Gesetz
und Propheten sind zusammengefaßt im Doppelgebot der Gottesliebe
und Nächstenliebe. Was wir brauchen, ist in den biblischen Schriften
aufgeschrieben.
Buchstab erhebt die Frage, ob bestimmte, in der Kirche anerkannte
Lehren, biblisch begründet werden können, nämlich: "Er ist
hinabgestiegen in die Hölle", "ich glaube an die heilige christliche
Kirche", "ich glaube die Gemeinschaft der Heiligen", dann die Ausdrücke
"Pater ingenitus", "patri coaequalis", "Spiritus sanctus ab
utroque procedens", "Beata virgo Maria dei genetrix, intelligendo
de virginitate ipsius", das Feiern des Sonntages, der Apostel- und
Heiligentage.
Bucer gibt die biblische Begründung nicht biblischer Ausdrücke
und erklärt sie als dem Sinne der Bibel entsprechend.

--288--

[fol. 77] Zwingly:
Hie begär ich, lieben brueder, etwas wytter vonn der ewigen reinigkeyt
Marie zuo reden, uß der ursach, das uns die bäpstler ußgeben,
sam wir die eer Marie verkleinärindt, so doch sy die aller grösten
schmach unnd argwan ir junckfrowschafft uff ban bringen und sprechen,
es werde in der geschrifft nit erfunden, das sy entlich ein junckfrow
bliben sye, und ermessen nitt, das Esaie am 7. capitel also stat
[Jes. 7. 14]: "Darumb wirt üch gott ein wunderzeychen geben. Nämend
war, es wirdt ein tochter empfahen und gebären und sin nam wirt
sin Emanuel." Was wäre es für ein wunderzeychen, das ein tochter

--289--

empfienge und gebäre, so doch alle, die empfahen und gebären, ouch
junckfrowen sind gewesen. Aber das ist ein wunder, das ein junckfrow
empfahe und ein junckfrow blibe, das sy gebäre und junckfrow
blibe. So im nun also, so volget, das sy vor und nach der geburt ein
junckfrow gewesen; dann das ist ein wunder. So wir nun nit darwider
haben in der geschrifft, warumb sol man sagen, das ir ewige
junckfrouwschafft nit bewärt möge werden in der geschrifft, so doch
das bewärt wirt, das sy empfangen unnd geboren hatt unverserter
junckfrowschafft und nüt das sy geschwecht sye. Hierzuo dienet ouch,
das Luce am ersten [Lk. 1. 34] sy selber redt: "Wie wirt das zuogan, so
ich dhein man erken?" und Ezechielis am 44. capitel [Ez. 44. 1ff.].
[fol. 77v] Buchstab: Sofern Bucer zugibt, daß die Sonntage
und Aposteltage von der Kirche mit Recht eingerichtet worden sind,
sind auch alle andern Gebräuche, die von der Kirche eingeführt wurden,
berechtigt, ja sie haben als von Gott der Kirche offenbarte Einrichtungen
zu gelten.
Bucer lehnt die Fasttage, besondere Feiertage, den Gesang, die
Kreuzgänge, besondere Gebete usw. ab. Wenn diese Gebräuche von
der Kirche bei Todsünde geboten werden, sind sie vom Teufel.
[fol. 78-80] Montag, den 13. Januar 1528.
Buchstab sucht weiterhin zu erweisen, daß die Satzungen der
Kirche durch die Bibel vorausgesetzt und geboten seien.
Bucer erklärt, daß keine Einrichtungen und Satzungen aufgerichtet
werden dürfen, welche die Gewissen binden.

--290--

[fol. 80] Theobaldus Huoter, pfarrer zuo Appentzell
begründet noch einmal die Lehre, daß bei der Kirche der Geist
Gottes ist, der ihr die Satzungen offenbart.
Bucer verweist auf die bisherigen Verhandlungen über die Lehre
von der Kirche.
[fol. 81] Theobaldus Huoter:
Ist mir wolgemachet unnd gib das zuo einem milten leser, ob das
die satzungen der kilchen nit uß dem geyst gsin syend. Damit will
ich beschliessen von kürtze und bitt wägen miner herren der presidenten.
Aber gestern in der lenge anzogenn ein exempel von der
unvermaßgeten junckfrowen Maria, als ob man ir hette uneer zuo-gelegt.
Nachdem und ich verstan, so sag ich also darzuo, das ich sampt
minen disputanten erkenn, Mariam die muoter gottes, das sy sye ein
junckfrow vor der geburt, nach der geburt und in der geburt, reyn
und unbefleckt.
Zuingli:
Lieber her pfarrer, damit die sach kürtzret werd, so verstond uns
also: Die ander schlussred hatt 2 puncten und erklert der nachgeend
den vordren. Und ligend aber ir allein uff dem ersten. Merckend
also, man ist nit darwider, das ein yede kilchöre sich möge in ynvallenden
sachen nach gelegenheit vereimbaren ze betten, vasten, almuosen
geben und andren götlichen wercken. Byspil: wo hunger, tod,
krieg, davon uns gott behuet, ynvallet, so mag die kilch zuo Bälp
und Bollingen und ein iede zemenkumen, sich vereimbaren: wir
wellend uff den tag gottes wort hören, miteinander in der gemein
betten, almuosen geben, vasten etc. Das aber damit ein andre kilch
mit dem gebott oder ansehen gebunden werd, oder ein andre kilch

--291--

dise binde, das ist nit, sunder dise kilch bindt ghein conscientz me
weder so verr sy uss liebe und geist sicht, uff ein zyt sölichs ze
tuon; dann sust darff ghein kilch dise ding gebieten; dann sy von
gott gebotten sind. Aber zyt und statt werdend von gott nit gebotten,
sunder sind fry. So volgit, das sölch gebott allein usserlich
ist, und so die kilch das usser nachlasst oder die liebe nümmen erfordret,
so bindt das gebott die conscientz nümmen. Das wirt offembar
erstlich mit vastagen im alten testament, die ouch allein zuo etwas
zyten gebotten und widrumb nachgelassen wurdend [Sach. 8. 19]. Zum
andren sehend wir [das] hievor act. 15 [Apg. 15. 28, 29] in dem gebott der
kilchen und apostlen. Darinn sind zwey verbott ewig und unabgenglich,
zwey aber allein uff ein zyt, us liebe umb der schwachen willen
ze dulden. Die ersten zwey sind gründt in gottes wort: Du solt nit
frömbd gött haben [2. Mos. 20. 3] und: Du solt nit unkünschen
[2. Mos. 20. 14]. Die andren zwey, das man nit bluot noch ersticktes
esse, sind also nit wesenlich gebotten, das man die nye gehalten hatt,
ouch der bapst selbs nit; dann man zuo allen zyten bluot und ersticktes
isset one beschwerd der conscientz noch hütbitag. Daran man sicht,
das sidmal die apostel nie darmit die conscientzen beschwert, sy sölchs
allein von der schwachen wegen uff ein zyt nachgelassen habend oder
gebotten. Hierumb, lieber herr pfarrer, ich úch bitt, ir wellind üns
und die beschwärten nit beladen mit unnötigem arguieren; dann ir
nützid erfechten mögend.
[fol. 82] Ordnung miner herren:
Schultheiß und Räte von Bern wiederholen die Verordnung, daß
alle Prädikanten und alle andern Teilnehmer an der Disputation sich
in das Chor verfügen und sich dort einer Partei einschreiben sollen.
Da auf der Seite der Prädikanten viele Gelehrte sind, möge die Gegenpartei
zwei oder mehr Männer bestimmen, die im Namen aller gegen

--292--

die Schlußreden disputieren. Jeder darf sich schriftlich oder mündlich
beraten lassen und Ratschläge erteilen. Alle Priester, Prädikanten,
Pfarrer und Seelsorger zu Stadt und Land haben bis zum Schluß
der Disputation daran teilzunehmen.
Demnach hat Niclaus Manuel, vogt zuo Erlach, nachvolgende
red gethan: Erwürdigen gelerten, es sol niemant erachten, das unsere
gnädigen herren allein begirig syen, das die fürgetragnen artickel
durch ire predicanten sampt der leer, so darus flüßt, erhalten werden,
sunder allein ist ir fürnämen, die warheit von göttlichem wort zuo
erforschen, ob die artickel in göttlicher geschrifft [fol. 82v] bestanden
oder ir widersprächend. Ir sechend ouch, wie sich die, so die artickel
für guot bekennen, so trüwlich zuosamen halten. Darumb bitt und erman
ich üch abermals umb gots willen, ir, die widersprächer, wellend üch
ouch zuosamen thuon, einandern trostlich sin mit hilff, radt, schryben
und reden. Das werden unser gnädig herren zum höchsten wol verguot
und als ein gnädig wolgefallen mit grosser danckbarkeit annemmen;
doch das das allweg bescheche nach ordnung, innhalt und anwysen des
christenlichen darumb angesächnen mandats.
Alexius Grad, bychtvatter in der Insel, prediger ordens:
[fol. 82v-84] Die Schlußrede hat zwei Teile: 1. die Kirche
Christi erläßt keine Gebote ohne Gottes Wort. Das ist richtig. 2. die
menschlichen Satzungen, die wir Gebote der Kirche nennen, sollen
unsere Gewissen nur insofern binden, als sie im Wort Gottes begründet
sind. Auch das ist zuzugeben, sofern es richtig, d. h. schriftgemäß
verstanden wird. Nach Joh. 16. 12-13 und Joh. 14. 16 ist der Geist
Gottes in Ewigkeit bei der Kirche und lehrt sie, was Jesus noch
nicht gesagt hat. So sind die Satzungen der Kirche offenbart durch den
heiligen Geist und nicht Menschenwort. Vgl. 1. Tim.3.14ff., 1. Thess.2.13.
Haller: Der heilige Geist, der bei der Kirche ist, lehrt nichts
anderes, als was geschrieben steht. Die Schrift enthält alles, was
zum Heile notwendig ist, 2. Tim. 3. 16.
[fol. 84v] Bichtvatter:
Der Berchtold uff innred miner antwurt oder unser antwurt
sagt und gibt nach, das der heylig geyst als ein regierer der kilchen
etwas habe verkündt oder geredt durch die heyligen christenlichen

--293--

kilchen, sagt aber, das er nüt habe gesagt oder geleert, dann das
in der biblischen geschrifft gegründt sye. Das gib ich gern nach.
Das aber das von der heyligen christenlichen kilchen den Christenmenschen
gesetzt oder geordnet ist, das das nit kommen uß dem
heiligen geyst oder in der geschrifft nit sye gegründt, das stat im noch
zuo bewären. Hoff ouch, das die auctoritet oder der spruch am 2. zuo
Timotheum am 3. capi. durch in ingelegt, im das nit werde helffen
bewären.
[fol. 84v-85] Haller verlangt den Schriftbeweis, daß die Kirche
Satzungen aufrichten darf, die nicht im Wort Gottes begründet sind.
Der Beichtvater verlangt den Gegenbeweis, daß die Satzungen
der Kirche nicht im Wort Gottes begründet sind.
[fol. 85v] Bucer bittet den Beichtvater um seine Definition
der Kirche
.
Bichtvatter:
So herr Marti Butzer mich fragt, das ich sage, was ich durch
die kilchen verstande, meynt, mir sye gnuogsamklich vor erklärt, das
die widerparthy die recht geschaffnen Christen oder glöubigen für
die kilchen halt, daruff gib ich antwurt, das ich unnd min parthy alle
die, die in der heyligen christenlichen kilchen durch den heyligen geist
und durch das wasser und durch das wort des läbens in gott geboren
sind, für die Kirche halte [vgl. Eph. 5. 26-27].
[fol. 86] Der Beichtvater sucht dann geltend zu machen, daß
die Worte Joh. 16. 12 immer gelten, gleichgültig wie man die Kirche
definiere. Daraus ergibt sich die Vollmacht der Kirche, Fastenzeiten
und andere Gebräuche anzuordnen
.

--294--

[fol. 87] Martinus Butzer:
. . . Nun deren satzungen halb aber, die er haryn bringt, als
kilchensatzung, von underscheyd der tagen und spysen, sagen wir,
das sölche des tüffels satzung sind lut des hällen spruchs 1. zum Thimo.
am 4. cap. [V. 1-3] . . .
Bichtvatter:
Das der spruch Ioannis am 16. cap. [V. 12-13]: "Ich hab üch
noch vil zesagen etc." gnuogsamklich verantwurt sye, das gstan ich
nit. Und so man sagt, das die underscheyd der tagen und spysen
syend des tüfels satzung gesin und bringt harzuo den spruch Pauli
zum Thimotheo am 4., uff den antwurt ich, das derselbig spruch nit
sagt von der christenlichen kilchenn, als da klar der text anzeigt, der
da spricht: "Der geyst sagt aber offenlich etc." Das sye wyt von der
heyligen christenlichen kilchen; dann sy wirt von dem heiligen geist
geregiert.
[fol. 87v] Butzer:
Darumb so volget, das dises die christenlich kilch nit sin mag,
die sölichs gebotten hat und wil üch ein klaren silogismum uß den
worten Pauli setzenn. Welich die ee unnd spyß verbieten, sind vom
glouben abgetretten und bringend tüfels ler [1. Tim. 4. 1-3]. Die
concilia und prelaten, so ir für christlich kilch zellen, habend spyß
und ee verbotten, darumb sy vom glouben abgetretten und dhein christlich
kilch gewäsen.
Der Beichtvater sucht die Gebote der Kirche als schriftgemäß
zu begründen, das Verbot des Fleischessens durch Rö. 14.21, das
Fasten durch 2. Kor. 6. 5 und Joel 2. 12, die Keuschheit durch 1. Kor. 7
.
Bucer: Fasten, Keuschheit, kein Fleisch essen, keinen Wein trinken'.
sollen die Christen freiwillig auf sich nehmen aus Liebe zum Nächsten
Sofern daraus Gebote gemacht werden, sind sie des Teufels.

--295--

[fol. 88v] Buochstab:
Diewyl ich hütt ouch von uffsatzung der fasten gesagt und herr
Butzer spricht, die verbietung der spyß syen nach den worten Pauli
des tüfels satzungen und gebott, sprich ich: nein; dann uß dem, das
Moyses, Exodi 24, und Helias 3. Regum 19, unnd Christus Jesus
Matthei am 4. yeder viertzig tag gefastet [2. Mos. 34. 28; 1. Kö. 19. 8;
Mat. 4. 2], hat die heylig kilch sömlichs hieruß angenommen. Wann
werden wir Christen gemäß Phil. 1. 29, 30, 1. Petr. 2. 21 und 1. Joh. 2. 6
in der Nachfolge Christi Leiden und Kampf auf uns nehmen, wenn
wir um seinetwillen nicht vierzig Tage fasten können?
[fol. 89] Bucer: Diese Überlegungen beweisen nicht, daß die
Kirche Satzungen aufrichten darf, welche die Gewissen binden. Wir
sollen leiden, was uns Gott zuschickt, nicht was wir uns selber auflegen.
[fol. 90v] Dienstag, den 14. Januar 1528.
Der Beichtvater erklärt, wie die Satzungen der Kirche richtig
zu verstehen sind. Die von Bucer wiederholt gegen ihn geltend
gemachte Stelle, 1. Tim. 4. 1-3, wendet sich gegen das falsche Verständnis
der an sich berechtigten Satzungen der Kirche.
[fol. 91v] Der ee halb sag ich das darzuo, das die christlich kilch
gestracklich dieselb nüt verbüt; es möchte aber etwas darfür gehalten
werden, so sy, die da gewicht werden söllen, nit annimpt, wann sy
willen haben, eelich zuo werden, und die, so das gelobt hand, darzuo
tringt, das sy das halten etc.
[fol. 92] Der Beichtvater erklärt zum Schluß, er unterwerfe
alles, was er gesagt habe, der allgemeinen christlichen Kirche, wo diese
ordnungsgemäß versammelt werde, nämlich dem allgemeinen Konzil.

--296--

[fol. 92v] Die dritt Schlußred.
Berchtoldus Haller:
Der allmechtig ewig gott, der uns durch sin gnad eroffnet hat
die warheit der erstenn zweyen schlußreden, der welle unns fueren
durch sinen geyst zuo warem verstand und liecht der dritten, weliche
also lutet:
Christus ist unser einige wyßheit, gerechtigkeit, erlösung unnd
bezalung für aller welt sünd. Deßhalb ein andern verdienst der
seligkeit und gnueg thuon für die sünd bekennen, ist Christum
verleugnen.
[fol. 92v-94] Die Schlußrede ist begründet durch 1. Kor. 1. 30-31.
Christus ist unser Erlöser. Gott ist es, der uns durch ihn rechtfertigt.
Wer könnte da noch verdammen? Ein anderes Verdienst zur
Tilgung der Sünden anzunehmen, wäre Verleugnung Christi. Das
will nie heißen, daß wir nicht zum Gehorsam des Glaubens, Rö. 1. 5,
verpflichtet sind. Die Schrift ermahnt uns beständig zu den Werken
und Früchten des Geistes. Die Werke dienen zur Ehre Gottes und
zur Liebe unseres Nächsten. Wenn auch die Schrift an manchen
Stellen Lohn verheißt, so entsprechen unsere Werke dem Lohne niemals.
Gott verheißt den Lohn aus Gnade.
[fol. 94v-98] Buchstab verteidigt die Verdienstlichkeit der Werke.
Er verweist u. a. auf folgende Stellen: Matth. 12. 36-37, 1. Petr. 4. 18,
1. Kor. 6.9. Bucer hält dem entgegen: Gute Werke muß man ohne
Unterlaß tun. Aber wenn auch einer alles getan hätte, was ihm
geboten ist, so wäre er doch ein unnützer Knecht gewesen. Die guten
Werke sind nicht unser, sondern des Geistes Gottes in uns.
[fol. 98] Buochstab:
Die geschrifft durch mich bißhar yngefueret, by derselbigen laß
ich es yetzunder blyben, verleugnen Christum nit ein volkomne gnuogthuegung
für aller welt sünd, doch mit dem geding, das wir uns derselben
gnuogthuogung Christi ouch teylhafftig machen, wie ich zum
teyl anzeigt hab.

--297--

[fol. 98v] Pelagius am Stein, Walther Klarer, Mathias
Keßler, alle dry von Appentzell fordern Rechenschaft von Theobald
Huoter über seine Lehre, Christus habe nur für die Erbsünde gelitten.
Theobaldus Huoter, pfarrer zuo Appentzell:
. . . [fol. 99] Ich hab gelert unnd geprediget, Christus hab
allein für die erbsünd gelitten und muessen wir sonst umb unser sünd
ouch etwas thuon. Weiß ich nieman, der für uns ye gelitten hab für
die erbsünd dann Jesum Christum allein; wüssen sy aber etwan
ein andern, der für die erbsünd gelitten habe, den zeygen mir an; damit
nit abgeschlagen, das er für die erbsünd und all ander sünd
gelitten hab und uns erlöst; das wir aber ouch muessen etwas tuon,
damit wir nit lär erschinen, ermant er uns, synen gebotten gehorsam
zuo sin, guots zuo würcken und zuo tuon als Psalmo 37 [V. 27]: "Declina
a malo et fac bonum: Neyg' dich vonn dem bösen und thuo guots",
wiewol ich weiß und erkenn uß Paulo, all unser hoffnung haben
wir durch Christum zuo gott, nit das wir gnuogsam syen zuo trachten
etwas vonn uns als uß uns, sonder unser gnuogsamkeyt ist uß gott,
2. Kor. 3. 5. Nach 2. Petr. 1. 5 sollen wir aber unsere Berufung durch
unsere Werke bewähren.
[fol. 99v-101] Im Namen der Priester von Appenzell lehnt
herr Poley verdienstliche Werke ab; gute Werke will er damit nicht
verwerfen. Huoter tritt weiter für die Verdienstlichkeit der Werke ein.
[fol. 101] Herr Josephus Forrer, pfarrer zuo Herißouw
will, wie die andern Appenzeller, seine Stellung bekannt geben:

--298--

"Ich bekenn wol", wie sant Paulus redt zuo den Römern [Rö. 8. 18]
"das da nit sind gnuog- [fol. 101v] same lidung diser zit zuo der zuokünfftigen
glori, die da uns offenbar wirt." Darumb wir nit werden
erlangen von unsern wercken gnuogsame der säligkeyt, wie min herr
Berchtold hüt in der schlußred ouch anzogen hatt; dann wann
uß den wercken des gesatzes wär ein gerechtigkeit, so hette gott umbsunst
gelitten. Darumb der gnuogsame halb unser werck uns nit widerdienstlich
sind zur säligkeyt; dann Christus, unser herr, hatt die
gnuogsame unser sünd uff sym rucken tragen, an dem crütz für unns
gnuog gethon. Das schließt aber nicht aus, daß Gott die Werke, die
wir aus seiner Gnade tun, belohnen wird.
Haller schließt die Diskussion über die dritte Schlußrede.
[fol. 102v] Die vierdt Schlußred.
Hat meister Frantz Kolb die vierdt schlußred und gründ derselbigen
eroffnet, als hernach volget: Ich bitten üch, liebenn gotsfründ,
ernstlich umb gottes willen, das ir üch ab nachgender schlußred nit
wellend ergeren oder ein schüchen empfachen oder uns darfür achten,
das wir ein lust habind, etwas ungehördts harfür ze bringen, sonder
die grossen, ungeschickten mißbrüch, so in die christenlich gemeynd
gewachsenn sind wider den rechten waaren verstand des göttlichen
worts, uns zwingend und tringend, dise schlußred also zuo bekennen,
wie sy dann lutet, namlich:
Das der lyb und bluot Christi wäsenlich unnd lyblich in dem
brot der dancksagung empfangen werdind, mag mit biblischer geschrifft
nit bybracht werden.
Kolb begründet die Schlußrede in erster Linie durch Joh. 6. 63:
"Das fleysch ist gar nüt nütz", nämlich, wenn es gegessen wird.
Christus hat nicht gewollt, daß wir im Sakrament [fol. 103] Fleisch
und Blut wesentlich genießen; denn das würde auch dem Artikel des

--299--

Glaubens widersprechen: Christus ist aufgefahren gen Himmel und
sitzt zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird zu richten die
Lebendigen und die Toten, Apg. 1. 11, Matth. 24. 31 und 25. 31. Daraus
geht hervor, daß die Einsetzungsworte einen andern Sinn haben
müssen, als wir ihnen bisher gegeben haben, nämlich, daß mit ihnen
nichts anderes gemeint ist als Lob und Danksagung für Tod und
Erlösung Christi im Sinne von 1. Kor. 10. 16-20 und 11. 23-29.
Benedictus Burgouwer, pfarrer zuo Sant Gallen:
Gott erbarme sich unser und gesägne uns, zünde ouch an in unns
sin göttlich liecht, uff das wir erkennind sinen wäg, Amen. So nun
die [fol. 103v] vierdt schlußred lutet, das der lyb und das bluot Christi
wesenlich unnd lyblich in dem brot der dancksagung empfangen werde,
mög mit biblischer geschrifft nit bybracht werden, dargegen ich nun
und min mithafften sölichs der geschrifft nit entgegen, sonders mit
gesundem verstand der gschrifft wol möge bybracht werden. Diewyl
und unser heyland Christus die ding, so er uff dem erdtrich hatt
gelert und than, wellchem der himmelisch vatter zügnuß gebenn hat,
Matthei am 17. capitel [V. 5]: "Das ist min geliebter sun, in dem ich
mir hab wolgefallen, den hörend"; als er hat wellen uffheben das alt
Testament unnd anheben ein nüws, hat er ußgeschickt sine apostel zuo
predigen die ding, so sy gehört haben und gesechen, Iohannis in der
ersten epistel am ersten capitel [V. 3], keyne andern predigern anzenemmen,
dann so Christus hat verordnet; dann niemand anderst den
vatter erkennet dann der sun und wäm er's hat eroffnet [cf.Joh.17.25, 26],
hat's ouch niemand dann sinen apostlen, die er hat ußgesandt zuo

--300--

predigen, das er inen durch den geyst hat eroffnet. Das er aber
inen eroffnet hat, ist in der gschrifft verfasset, namlich Christum
Jesum den crützigeten, den Juden ein ergernuß, den Heyden ein
torheyt, den beruefften aber die krafft gottes [1. Kor. 1. 23, 24]. So wir
nun aber von Christo Jesu zwey ding gloubend, namlich allmechtigkeit
und warheyt; dann die wort des herren warheit sind, Ioannis am
17. capitel [V. 17], diewyl dann er uns verheyssen hat, damit und
gschrifft die andre gschrifft erkläre, so hat er gesagt: "Das brot, das
ich üch wird gebenn, ist min fleysch, welches ich geben wird für das
läben der welt" [Joh. 6. 51]. Sölichs alles hat er erstattet im nachtmal,
namlich da er hat das [fol. 104] brot genommen in die hend,
hat danck gesagt, ouch brochen unnd das geben sinen jüngern, daby
gesagt: "Nemmend, ässend, das ist min lyb." Derglychen genommen
den kelch, danck gesagt unnd inen geben, sagende: "Trinckend all
daruß, das ist min bluot des nüwen testaments, welches für vil vergossenn
gossenn wirt zuo verzychung der sünd" [Matth. 26. 26-28]. Das halt
inn unser gloub ongezwyffelt, so nun Christus befolchen hat, sölichs
gethon werden in siner gedächtnuß. Nun ist gewüß alles das, so unmöglich
dem menschen, by gott vermöglich, Matthei am 19. capit.
[V. 26] und Paulus zun Römeren am 4. capitel [V. 21] unnd Lucas
am ersten capitel [V. 37].

--301--

[fol. 104] Meister Ulrich Zwingly, predicant zuo Zürich:
Der erst spruch: "Das brot, das ich üch geben wird, ist min
fleysch, welches ich umb das läbenn der welt hingeben wird", Johannis
am sechßten capitel [Joh. 6. 51], treyt sinen eygentlichen verstand
uff dem rucken. Namlich das er uns hie mit dem wort "brot" und
mit dem wort "min fleysch" nit zuo verstan gibt, das er uns im brot
sin fleisch lyplich welle ze essenn geben, sonders er verstadt durch das
brot den trost unnd sicherheyt, die uns gott in im gibt, versichert
werden mit sinem tod. Das vermerckt man, so er spricht: "welches
fleysch ich geben wird umb das läben der welt". Sin fleisch, in tod
geben, hat die welt läbendig gemacht, lyblichenn geessen hat gott
nienen geredt, das es läbenndig macht.
Deß andren puncten halb erkennen wir, das gott halt, das er verheyssen
hatt. Das er aber uns das fleysch sins [fol. 104v] suns verheyssen
hab lyblich ze essen ze geben, das mag mit geschrifft nit
bybracht werden. Deßhalb das argument uffhört.
Wir erkennen in ouch den almechtigen syn. Aber daruß volget
nit: gott vermag das, so ist es ouch; dann er möchte die steyne sul
zuo Heliasen [vgl. Matth. 3. 9] und predigendem Johannsen keren.
Sy sind aber darumb nit die predigenden Helias und Johannes.
Darzuo thuot gott wider sin eygen wort nit. Es wirt ouch wider sin
eygen wort thuon nitt für ein macht benampset, sonder für eyn onmacht.
Daby wir ouch mercken söllen, das wie wir gott die allmechtigkeit
unnd warheyt zuogeben, das er ouch by der warheit belybt,
die dann darwider ist, das hie fleysch und bluot gessen werd.

--302--

Pfarrer von sant Gallen:
Als nach langem min lieber herr meyster Ulrich Zwingli das
6. cap. Johann. (sines verstands inhalt) anzeygt hatt, namlich das er
das wort oder die verheyssung, das das cap. Johannis von der usserlichen
lyblichen niessung nit sölle verstanden werden, gestand ich
im des nit; dann so essen an diserm ort für glouben sölte verstanden
werden, wurde gar ein unvolkomne verstand fürtragen. Der spruch:
"Der da wirt essen von disem brot" [Joh. 6. 51] mag allda essen für
glouben nit verstanden werden. Das aber da die verheyssung uff die
insatzung des nachtmalß Christi nitt begriffen oder verheyssen sye,
sind die wort häll und klar, das das, so er am nachtmal hatt wellen
insetzen und erstatten, hatt er verheyssen, indem so er sagt: "Das
brot, so ich üch geben wird, das ist myn fleisch" [Joh. 6. 51]. In
disem spruch "das brot, das ich wird geben", das wirt verstanden:
namlich des ersten verheyssung uff das nachtmal Christi, das ander
wort "dabo [fol. 105] pro mundi vita", verfacht und schlüßt in im
sinen lyb für uns gegeben werden zuo erlösung. Darumb der euangelist
das wort "dabo" zwüret in dem spruch anzücht; dann er ye lut

--303--

des ersten syn fleysch lyblich geessen verheyßt; zum andern bekent
er die almechtigkeit. Darumb aber nit volge: gott vermag das, darumb
ist es, gestand ich im nit ab; dann der prophet sagt [Ps. 135.6]:
"Alle ding, die er hatt wellenn (und stat nit: mögen), hatt er than im
himmel und uff erden." Diewyl und aber sin wort häll lut und (ob
gott wil) allweg der christlich verstand also gewäsen, wirt er niemand
von den ußtruckten worten anderst zuo verstan inleiten. Er hat ouch
verheissen und das er verheyssen hat, hat er im nachtmal erstattet;
darmit und ein gschrifft die andre ußlege.
Zwingly:
Diser spruch Johannis am 6. capitel [Joh. 6.51] "Das brot etc."
soll dheins wegs geteylt werden. Es hat ouch der pfarrer in synem
teylen der worten diß wörtli "welches" ußgelassen, das doch den gantzen
verstand bringt. Die wort lutend also: "Das brot, das ich üch geben
wird, ist min fleisch, welches fleisch ich hingeben wird umb das läben
der welt." Hie sicht man, das in dem andern puncten äben von dem
fleysch geredt wirt, von dem ouch in dem ersten geredt ist. So nun
der nachgend punct ouch vom pfarrer erkent wirt, das er lute von
dem fleisch Christi in tod hingeben und diß wörtli "welches fleysch",
darzwüschen stande, anzeygt das fleysch, das im vordern teyl statt,

--304--

so volgt, das, wie der ander punct von dem getödten lichnam Christi
lutet, das ouch der erst den verstand hab, das die spyß, die er uns
geben werde, sye sin fleysch getödt [fol. 105 v]. Es ist ouch nit
gründtlich, sonders wider den pfarrer, das hie zwurend stat "dabo",
das ist "Ich wirt's geben"; dann es ein natürliche Epanaphora ist.
Am 15. tag Jenners.
Pfarrer von sant Gallen:
Min herr unnd mitbruder meyster Ulrich, nach nechtigem fürtrag
wil in die allmechtigkeit nit geredt haben; denn gott gwüß nit
alles das thuot, so er vermag. Warumb aber sin wort lutet unnd was
es verfacht, volstreckt er als die verheissung hie, Joan. am 6. cap.
Ob wir aber glich söllichs mit unser vernunfft nitt vernämend, wie
wir nitt wüssen, welches da ist der wäg des geysts, ouch in was gestalt
die bein in dem lyb der muoter zuosamen gefuegt werden, derglichen
wüssen wir nitt die werck gottes, Ecclesiastes am 11. cap. [Pred. 11. 5].
Sagt min herr daby, Christus belibe by der gschrifft, als synem
wort, ist warhafft. So wir es aber nit begryffen, söllend wir allen
unsern verstand in die dienstbarkeit Christi undergeben, zun Corinthern
in der 2. epist. am 10. cap. [V. 5]; dann vil, so wir nitt glouben
wurdent, werden wir nit verston, Esaie am 7. cap. [V. 9]; dann als
himel und erden sind underscheiden, also ouch unsere gedancken und
die wäg des herrn, Esaie am 55. cap. [V. 8-9]. Nun ist nechtig
angezogen der spruch Johan am 6. cap.: "Das brot, welches ich geben
wird, ist min fleisch, welches ich geben wird für das läben der welt"
[Joh. 6. 51], sölle nitt geteylt werden, vermein aber ich, söllichs recht

--305--

beschehen, diewil das wörtli "dabo", das ist "ich wird geben" zweymal
da stand; wil ich also, das das brott, so er für uns hat geben in tod
für das läben der welt, äben dasselbig hab er uns zuo essen ingesetzt
und bevolhen, lut des worts Luc. [fol. 106] am 22. [V. 19]: "Das ist
min lyb, welcher für üch geben wirt", und nitt wie der ander punct
in disem spruch lutet von dem ertödten lyb, so für das läben der welt
geben werden sol; dann min verstand ist, das das brot "welches ich
geben wird", luter zuoverstan, das er uns zuo essen bevolhen und insetzen
werde, sye sin fleysch; dann er ye sunst nienen brot hatt
geben, uß welchem er sinen lyb gemacht, dann in dem nachtmal, da
er das brot in die hend nam unnd sagt: "Nemend und essend, das ist
min lyb"; dann er nit sagt: "das brot, welches ich geben wird, ist ein
bedüttung mines fleyschs", sonders "das brot, so ich geben wird, ist
min fleisch". Und hernach das ander, so er verheißt für uns geben
werden, verfacht den trost, so er sin leben für uns durch den tod
geben wurd, als die gschrifft reichlich bezüget zun Römern am 5. cap., zun
Corinthern in der ersten epist. am 15. capitel [Rö. 5. 12; 1. Kor. 15. 21];
dann er ye uß dem brot sinen lyb gemacht und den sinen jüngern
am letsten nachtmal gebotten, welcher darnach für uns geben solt werden.
Zwingly:
Damit der worten kampff vermitten werde, sol er also mercken,
das glich vor den worten also stat [Joh. 6. 51]: "Ich bin das brot, das
läbendig, das da von himel herabkommen ist. Welcher von dem brot
essen wirt, der wirt ewenklich läben." Das nun hie verstanden werde,
was Christus mit dem wort brott gewelt habe, so erklärt er sich selbs
mit den nachgenden worten: "καὶ ὁ ἄρτος δὲ, ὃν ἐγὼ δώσω" "und

--306--

das brot aber, das ich üch geben wird etc.", in welchen wörtlinen man
häll vermerkt, das er per Epanaphoram, das ist: ein widerholen, hat
wellen ze verston geben, was er meinen welle [fol. 106v] mit dem wörtly
"brot"; dann so er spricht "und das brot aber", sicht man wol, das er
widerumb hinuff gadt zuo dem brot, von dem er vor geredt hatt unnd
hatt den sinn, samm Christus spreche: "Das ir aber wüssend, was
das brot sye, von dem ich üch sag, so ist es, das ich meyn fleisch
umb das läben der welt wird in tod geben." Es mag ouch hie nit
ein asyntethon sin "ἣν ἐγὼ δώσω", sonders dise gantze pericopa oder
sinn ist nit ein verheyssung, sonder ein ußlegung, was Christus verstande
durch das, das er sich selbs das läbendig brot genempt habe.
Pfarrer von sanct Gallen:
Es will min herr meyster Ulrich, das dise wort "das brot etc.",
söllend verstanden werden lut der vorgenden worten "Ich bin das
läbendig brot etc." Daruff aber min verstand ist, das an disem ort
mit dem wort brot verheissen sye, welchs er darnach in dem nachtmal
ußtrucklich volfuert und ingesetzt hatt, welches erklärend der mißgloub
der zanckenden Juden, als sy sagten: "Wie mag diser sin
fleysch uns geben ze essen?", hatt es der herr selbs erklärt mit ernstlichern
worten, sagende: "Warlich, warlich sag ich üch, es sye dann

--307--

sach, das ir werdent essen das fleysch des suns des menschen unnd
werdent trincken sin bluot, so werdent ir nit haben das läben in üch",
und hernach: "Min fleysch ist warlich ein spyß und min bluot ist warlich
ein tranck", [Joh. 6. 51-55]. Und wie min herr meynt, dise pericopa
sie allein ein ußlegung, was Christus verstande, vermein ich, die
nachvolgenden wort geben's dem christlichen läser unnd zuohörer gnuogsam
ze verston; dann ye das wort "dabo" begryffe die verheyssung, das
ist: "das ich geben wird".
[fol. 107] Zwingly:
Das min lieber bruoder meynt, es syge hie das fleysch im brot ze
essen im nachtmal verheissen, und erklärt's mitt den worten oder
murren der Juden, dienet unns mer weder siner meynung; dann vor
denselben worten, da die Juden murreten, hat Christus sich mit vil
worten dargeben, das er das läbendig brot wäre, das vom himmel
herab kommen wäre [cf. Joh. 6. 51], welches vil ein ander brot weder
das, das Moyses geben hette [cf. Joh. 6. 32]. Da nun die Juden nit
verstuondend, wie er das meynte, das ist: wie ein brot oder spyß wäre,
so thuot er sich mit den worten uff und spricht [Joh. 6. 39]: "Das ist
aber der will des vatters, der mich gesandt hat, das alles, das er mir
gibt, ich darvon nützid verliere, sonders das by dem läben behalte in
der letsten zyt." Jetz thuot sich Christus aber klärer uff, was er
meine mit dem geben, was im der vatter gebe etc., unnd spricht also
[Joh. 6. 40]: "Das ist der will des, der mich gesandt hat, das ein yeder,
der den sun erkennt und uff inn trüwt, ewigs läben habe unnd das
ich den bym läben behalte zur letsten zyt."
Als nun Christus in vorgenden worten im selbs so vil zuogeben
hat, das er sich ein thürer brot macht, weder Moyses geben hette,
ouch so thür macht, das, wär sich an inn liesse, der hette ewigs
läben, [da] habend die Juden gemurret, nit allein, das er sich ein brot
macht, sonders ouch, das er sich ein trost machet. Das erfindt sich
an den nachgenden worten, da also stat [Joh. 6. 41, 42]: "Da murmelten

--308--

die Juden umb sinetwillen, das er geredt hatt: ,Ich bin das brot,
das vom himmel kommen ist', unnd sprachend: ,Ist nit das Jesus,
der sun Josephs, des vatter und muoter wir erkennen?'", in welchen
worten wir ver- [fol. 107v] stand, das die Juden ein schüchen hand
gehept ab dem, das sy soltend uff inn vertruwen, so sy allein sin
menschheyt harfür züchend; dann man sicht daran, das sy inn nitt
erkannten ein gott sin. Uß welchem volget, das ouch die Juden
verstanden habend bas weder wir, das Christus mit dem wort brot
hat wellen glouben oder vertruwenn meinen. Unnd darumb sprachend
sy, als hernach volget [Joh. 6. 42-44]: "Wie redt dann der, das er
vom himmel herab kommen sye? Antwurt inen Jesus und sprach zuo
inen: Zanckend nit miteinanderen. Es mag niemand zuo mir kommen,
es hab inn dann der vatter, der mich gesendt hat, zogen." In welchen
worten wir aber merckend, das Christus mit dem wort der spyß oder
brots allein das vertruwen verstat, so er hie des worts brot gar nüt
gedenckt, unnd gedenckt aber des vertruwens uff sich in einer erlüterden
red; dann zuo im kommen ist nützit anders weder uff inn hingelassen
sin und vertruwen, als aber gemerckt wirt das in nachgendem
sinem wort, da er spricht [Joh. 6. 44ff.]: "Unnd ich wil inn bym
läben behalten (den, der zuo im kommen sye) zur letsten zyt. Es stadt
geschriben (spricht er) in den Prophetenn: Sy werdend all von gott
gelert sin. Ein yeder nun, der es vom vatter gehört und gelernet hat,
der komm zuo mir", das ist: ein yeder, dem mich der vatter ze verston
hat geben, der vertruwt uff mich, "nit, spricht er, das den vatter
yemands gesechen habe, ußgenommen den, der von gott ist, der hat
den vatter gesechen". Das nun mencklich mercken mög, das der
vordrig verstand der worten Christi eelich sye, so erlernen wir das
an den nachkomenden hällen worten sin, da er spricht [Joh. 6. 47]:

--309--

"Warlich, warlich, sag ich üch, welicher [fol. 108] in mich vertruwt,
der hat ewigs läben." Hie sicht ein yeder, das Christus die gantzen
summ der vordrigen red uffthuot und spricht wyter [Joh. 6. 48]:
"Ich bin das brot des läbens", in welchem wir wol hörend, das er nit
redt von einem usseren oder sacramentlichen brot; dann dasselb ist
nit ein brot des läbens.
Unnd damit er komlich entlöse den gegenwurff, den sy im
gethaan hatten des brots halb, das inen in der wueste geben was, so
erklärt er sich noch offenbarlicher und spricht [Joh. 6. 49, 50]: "Es
ist war, üwere vätter habend das mann oder himmelbrot in der wueste
geessen, sy sind aber gestorben. Diß ist ein brot, das vom himmel
kommen ist, das, welcher von dem esse, nümmermer sterbe." Hie
erfindt sich offenlich, das Christus sich selbs alleyn deßhalb eyn
brot oder spyß genennet hat, das er die eynig narung, vertröstung
und sicherheit der seel ist; dann das brot des sacraments essen, das
behalt nit ewigklich bym läben. "Ich bin das brott des läbenns, das
vom himmel herab kommen ist" [Joh. 6. 51]. Hie wüssend wir wol,
das Christus vom himmel herab uß krafft des heyligen geysts in
dem junckfröwlichen lyb Marie empfangenn unnd erboren ist. Er
ist aber des lychnams halb allein nitt der eynig trost der seel.
So nun Christus gott unnd mentsch beyde, doch fürnemlich nach
der gottheit der trost der seelen ist, so vermerckend wir eygenlich,
ob wir glych keyne nachgende wort hettind, das hie brot und essen allein
genommen werden für das glouben und vertruwen in gott durch
Christum Jhesum, unseren bruoder, welliches doch alles alleyn eyn

--310--

geystlich essenn ist. Das aber Christus unns sölichs mit sinen eygnen
worten klar machte, so spricht er obenn daruff [Joh. 6. 51]: "Unnd
das brot aber, das ich [fol. 108v] üch geben wirt, das ist min fleysch,
das fleisch, das ich geben wird umb das läben der welt." Hie vermercken
wir (dann der pfarrer die nachgenden wort hatt zuo kundtschafft
pottenn), das die Juden mit dem wort sines fleysches und
hingeben werden noch inn grösseren zwyffel gefuert werden, dann sy
vor verstanden hatten, was er durch brot meinte. So er aber yetzundan
dasselb brot sin fleisch nempt, werdend sy undultiger weder vor und
murren also [Joh. 6. 52, 53]: "Wie mag unns der sin fleisch ze essenn
geben?" Also spricht nun Jesus zuo inen: "Warlich, warlich, sag ich
üch, es sye dann, das ir essind das fleysch des suns des menschen
und trinckend sin bluot, so werdend ir das läben in üch nit haben."
Hie verwunderet mich, das gedachter unser bruoder die wort verstadt
vonn dem fleysch unnd bluot im sacrament essen, so doch so häll
hernach gadt [Joh. 6. 54]: "Welcher min fleysch isset und min bluot
trincket, der hat das ewig läben, den wird ich im läben behalten zur
letsten zyt." Dann wir eygenlichen wüssend, das Christus nit
lyblich geessen ewigs läbenn gibt, sonders uff inn den waren gottes
sun sin und für uns den tod gelitten haben glouben gibt das ewig
läben. Oder aber es wurde das heyl der menschen widerumb an usserlichen
lyblichen dingen stan und nit allein an der luteren gnad
gottes. Es wurdent ouch zwen wäg zur säligkeit sin, einer durch den
tod Christi, der ander durch das lyblich essen sins fleischs und bluots
im sacrament. Zum dritten, so hetten die apostel sampt der kilchen,
die mit im das nachtmal begangen, in dem sacramentlichen essen die
erwärbung des ewigen läbens schon erlanget. Unnd wäre der tod
Christi an inen überflüssig gewäsenn.

--311--

Das aber wyter volgt in den worten Christi: "Min fleisch ist warlich
ein spyß unnd min bluot [fol. 109] warlich ein tranck" soll glich
als wenig uff das sacramentlich essen gezogen werden als ouch die
vordrigen wort; dann von stund an hernach volget: "welcher myn
fleysch isset und min bluot trinckt, der blipt in mir und ich in im."
Hie sehend wir eygentlich, das er durch sin fleysch essen nüt anders
ze verstan gibt weder uff in vertruwet sin und versichert, der aber
den tod im fleysch für uns gelitten hatt. Es macht ouch nüt uns in
gott sin und gott in uns sin weder der einig geyst gottes, von
dem der heylig Joannes also redt [1. Joh. 4. 16]: "Gott ist die lieby
(verstand hie lieby für den volkomnen stand und verrichtung des
menschlichen gemuets in gott); welcher nun in der liebe blipt, der blipt
in gott und gott in im." Hie sehend wir, das die gantze summ der
verrichtung des menschlichen gmuets gegen gott nüt anders ist weder
ein vereinigung des göttlichen geists mit unserm durch den vesten
glouben, den wir zuo gott haben, und denn so bliben wir in gott unnd
gott in uns. Es volgt ouch wyter [Joh. 6. 57]: "Glich wie min läbendiger
vatter mich gesendt hatt, also läb ouch ich umb des vatters
willen." Hie ist wissenbar, das Christus sinen lichnam selbs nitt
gessen hat. So er aber unser essen und gehorsamen sinem essen und
gehorsamen verglicht, so verstond wir offentlich, das er uns hie
dhein liplich essen fürgibt, durch das wir in im unnd er in uns belibe,
sonder er redt hie allein von der vereinigung des göttlichen
geysts mitt unsern gemueten, grad wie ouch sin menscheit mit got vereinbaret
ist. Et hoc per comparationem, non equiparationem.
Jetzundan volgt wyter: "so wirt ouch [der], der mich isset, umb
minetwillen läben." Hie sehend wir aber offentlich, das erst anzeygt

--312--

zeygt ist, namlichen, das das geistlich essen das macht uns in gott
wandlen und das lyplich essen nit; uß welchem aber bewert ist,
das [fol. 109v] brot unnd essen in disem 6. capitel gentzlich nitt
genommen wirt für ein usser oder sacramentlich brot noch für das
lyplich essen des lichnam unnd bluots Christi.
Demnach als herr pfarrer anzeygt, es stande hie diß wörtli
"dabo", das ist "ich wirtt geben", das sye ein verheyssend wort,
gestan wir gern. Es verheißt aber nüt anders, weder das Christus
syn menscheyt (die er per alleosim ab inferiore parte carnem, das
ist fleysch, nempt) umb das läben der welt werde in tod gebenn; unnd
inn summa so hoffen wir jetzmal eygentlich bewert sin, das hie in
dem anzeygten spruch "unnd das brot aber, das ich geben wird etc."
dhein sacramentlich brot verheyssen wirt, ouch das fleysch Christi
nit lyplich ze essen, sonder wesenlich und lyplichen zuo unserem läben
getödt werden, verheissen wirt etc.
Pfarrer von sant Gallen:
Ein lange erklärung von meyster Ulrich Zwingli ingefuert, so ich
zum teyl christenlich und gern gehört hab, namlich damit unser
hertzen uff das hertzlich vertruwen in Christum ingeleitet werdind,
ist lieplich und mins verstands christenlich erzellet. Das aber min
herr meyster Ulrich wil in disem 6. capitel kein verheissung lassen
beschehen sin des liplichen essens, so im nachtmal vollendet, verlaß
ich mich uff die vil fürgebrachten sprüch und sin erklärung. Das er
daby anzogen hatt von murrung der Juden, mag kein christenlich

--313--

verstendiger den ußgetruckten text verleugnen. Da er sich das
läbendig brot vom himel anzeyget, was es den Juden gantz verdrießlich
[Joh. 6. 41]; dann sy nitt anders vonn im [fol. 110] hieltend
dann als von einem andern puren menschen. Darumb sy ouch inn
Josephs sun nampten. Das aber durch das gantz capitel hinuß, wo
da stat "essen", sölle "glouben unnd vertruwen in Christum" verstanden
werden, bevil ich abermals der geschrifft. Aber betreffend das
ander murren, da er vonn essung sines fleyschs melldet [Joh. 6. 51, 52],
ist offenlich, das die Juden vermeint haben, sy söllend inn essen uff
die groben wyß, als so eyner sunst fleysch essen wurde. Habend
darby vermeint, so sin fleysch werde geessen (diewyl und er inen
das heyl und säligkeyt daran gebunden) wäre inen schwär; dann sin
fleysch nach irem fleyschlichen verstand ze essen, wäre bald beschehen.
Wyter so min herr meyster Ulrich vermeint, mit dem wort brot habe
er glouben und vertruwen vermeynt in in, laß ich's by den worten
belyben, die da luter und häll anzeygend: "Das ist das war brot,
das vom himel herabgestigen, und gibt läben der welt" [Joh. 6. 33].
Das sölliche wort mitt sampt andern nachfolgenden christenlich durch
in ußgeleyt (als dann er ouch anzücht den spruch: "Der da gloubt
in mich, habe ewigs läben" [Joh. 6. 40]), kan ich keinen wäg verneinen.
Doch in sölchem verstand, das allem dem, so sin wort vermag, im
vertruwen, ouch in trüwungen und haltungen sines willens, sie also
mit dem wort glouben ein ergebung unsers hertzens zuo allen sinen

--314--

worten ervordert; dann Petrus Matth. 16. capit. [V. 16] wol von
Christo hielt, da er sagt: "Du bist Christus, der sun des lebendigen
gottes", uff söllichs inn der herr hoch lobte und in sälig hieß.
Da Christus aber meldet von sinen künfftigen liden, das er wurde
für uns erstatten, den herren abwysen wolt, hieß er in ein sathan,
[cf. Mat. 16. 21-23][fol. 110v] welcher that glouben in Christum
verfacht glouben dem euangelio. Glouben aber dem euangelio beschlüßt
in im bevelchnus des gloubens, zum andern frucht oder
werck des gloubens, ouch zum dritten mit anhangenden zeychen.
Diser dingen zuo einer bestetigung haben wir in den geschichten der
zwölffbotten am 16. cap. [V. 30-33], da der hueter Paulum und
Barnabam fraget: "Ir herren, was ist not, das ich thue, uff das ich
sälig werd?", haben sy im geantwurt: "Gloub in den herrn Jesum, so
wirst du sälig und din hußgesind." Über söllichs ist er getoufft
worden. Derglichen Marci am letsten cap. [Mk. 16. 16]: "Der da gloubt
unnd toufft wirt, der wirt sälig." Uß welchen ich schlüssen will, das
glouben in inn, Johannis am 6. capitel [V. 40], verfacht, wie ob anzeygt,
inn der erteylung der leer des euangelii. Demnach wundert min
herr und bruoder, das ich die wort verstand vom lyblichen essen

--315--

ursachet mich zuo söllichem die angezeygten ußgetruckten wort, mitt
verstand und erklärung der geleerten in der gab der wyßsagung [cf.
1. Kor. 12. 8] der orientischen und occidentischen kilchen, mit welchen
ich nit sonders lut miner herren mandat ze probieren fürnim.
Derglichen lyblich Christum geessen gebe nit das ewig läben,
mit gesundem verstand weyß ich ietzmal nit darwider ze fechten.
Das aber meyster Ulrich ingefuert hatt ein argument, das heil wurde
an usserlichen dingen stan und nit an der gnad gottes, weyßt alle
welt, das elementa element sind. So aber sy habend göttliche wort
und versprechung, so sind sy unns tröstlich nitt vonn ir selbs natur
oder eygenschafft, sonders vonn wegen des worts unnd der verheyssung
gottes. Als er denn auch meldet, die apostel im sacramentlichen essen
wurden das ewig läben schon erholt haben, verstan ich also:
Wann [fol. 111] das der herr anzeygt inn der darreychung, so er
synen lyb hatt geheyssen, hatt er darzuo than: "Welcher für üch geben
wirt" [Lk. 22. 19]. Derglychen ouch wie min lieber herr und bruoder
den spruch anzücht: "Der da isset min fleysch etc." [Joh. 6. 54], gebe
er ze verstan uff inn vertrüwt werden. Verstan ich also: Die niessung

--316--

dises fleyschs bezüget ein sonderlich begird, das wir in Christo und
Christus in uns sye, unnd das so die natürlich spyß unnd tranck
ist unserm fleisch glych, dasselbig sye sin lib und bluot durch den
glouben und geist unser seel. Das aber der eynig geyst mache uns
in im sin, sol keines wägs verlöugnet werden; dann alles, das der
usserlich mensch thuot, ist vergebenlich, er thuee dann sölichs mit lust
unnd willen des geysts in im würckend; dann niemand ist der, so
ye etwas in der schrifft geuebt ist, der da die lyblich oder usserlich
niessung guott gebe, so der geist den menschen darzuo nit ynleyte.
Von dem wort aber "dabo" bevilch ich's der gschrifft.
Zwingly:
Ich erforderen für und für an unserem lieben bruoder, das er
bekenne, das die wort "und das brot aber das ich geben wird etc."
[Joh. 6. 51] unns nitt ein lyblich brot oder lyblich fleysch Christi ze
essen verheissen. So wirt für und für anders haryn zogen, welches
doch alles zuo siner zyt uff ban kommen wirt, und verman in yetz
kürtzlich, das er mit ußtruckten worten erkenne, ob die genanten wort
uns den tod Christi allein verheyssind oder das sacramentlich essen
und den tod, und so verr, das er sölichs mit offner geschrifft bybringe;
dann wir mit eygnem gottes wort bybracht habend, das er
allein von [fol. 111 v] dem tod in den worten verheißt unnd von dem
essenn für vertruwen in sich etc.

--317--

Burgauer antwortet auf die Frage Zwinglis: Das brot, so da
anzogenn wirt, ist die verheyssung deß, so Christus, durch die
anderen dry euangelisten unnd den heyligen Paulum das nachtmal
beschrybend [Mt. 26. 26 ff., Mk. 14. 22 ff., Lk. 22. 14 ff., 1. Kor. 11. 23 ff.],
in die hennd genommen hat unnd sinen lyb gemacht, das wir für
ein probation des ersten setzend. Darnach der ander punct: "Welches
ich geben wird für das läben der welt" [Joh. 6. 51] wirt erklärt in den
Worten Luce [22. 19]: "Welcher für üch gegeben wirt"; dann Johannes
sich beflissen, so die anderen euangelisten haben underlassen, sölichs
in sinem schryben ze erfüllen.
Meister Ulrich Zwingly:
Unsers bruoders antwurt befrömbdet uns, das er mitt den dryen
euangelisten bewärenn wil, das an disem ort verheyssen werde das
sacra [fol. 112] mentlich brot und das an den orten, da sy das nachtmal
beschryben; dann diß nützit anders ist weder bewären ein yedes
durch sich selbs (idem per se ipsum probare). Unser span ist, ob die
wort "das ist min lychnam" muessend wäsenlich unnd substantzlich
verstanden werden. Unnd so unser widerparth by denselben worten
(als ich wol denck) nit bestaan mag, so suochet sy ein wort der verheyssung.
Da aber kein verheyssung ist des sacraments, von dem der
span ist, und so sy dasselb ort bewären söllend ein verheyssung sin,
so wellend sy es bewären mit den wortenn, denen sy dise ze hilff genommen
hattend. Unnd ist glych ein red, alls so man spricht: Warumb
lütet man? und man antwurt: Darumb das man zuo predig gang.
Unnd so man spricht: Warum gadt man zuo predig? spricht man
widerumb: Darumb, das man gelütet hat. Und hebt man die frag
widerumb an und spricht: Warumb hat man gelütet? So volgt
yemerdar die vordrig antwurt unnd nimpt kein end. Also ouch hie,

--318--

so man von der wortenn Christi wägen im nachtmal geredt, haryn
zücht wort der verheyssung, so zücht man wort heryn, die man
dannethin bestäten wil mit denen, darumb der span ist.
Demnach so hat unser lieber bruoder hütt allso geredt, das das
waar brot, das vom himmel herab kommen, das sye das, so das läben
der welt gebe, das söliche wort sampt anderen christenlich ußgeleyt
sygend, so doch wir das brot daselbs verstanden habend Christum
Jhesum im geyst unnd glouben genossenn. Wir habennd ouch alles
capitel mit allen besonderenn stuckenn anzeyget, dahär dienend, das
dise wort nützit verheyssend vom lyblichen oder sacramentlichen essen
[fol. 112v], sunder verheyssend uns den tod Christi, die sicherheit
unsers läbens. Und solt unser lieber bruoder dieselben gründ unser
bewärnuß umbkeren mit grund der gschrifft voruß an dem ort; dann
ouch der offen buochstab: "und das brot aber, das ich üch geben wirt"
unns dienet; dann ein yeder merckt an den beiden wörtlin "und"
und "aber", das es ein ußlegende red ist und nit ein verheyssende deß
lyblichen essens. Wil aber unser lieber bruoder diß wort blyben lassen,
das es nit ein verheyssend wort sye des lyblichenn essens, werdend
wir wol zuofriden sin, wo das nit, wirt es im nit nachgelassen, das er
reden welle, es sye des lyplichen essens ein verheissends ort und aber
das mit gschrifft nit bewäre. Für den andren punckten, das sich
Johannes geflissen hab ze ersetzen, das ander euangelisten ußgelassen
habind, sagend wir, daß dasselb in vil treffenlichenn stuckenn beschechen
sye. So aber Johannes hie von dem sacramentlichen essen nützit
handlet, wie wir dann gruntlichen uß dem text harfürbracht habend,
so bedarff es keiner red, das man hie sage, Johannes hab desselben hie
erklärung than; dann Johannes an dem ort die predig Jesu Christi
unsers behalters beschrybt, die das euangelium ist, und beschrybt
nit das sacrament der dancksagung Christi, wie gnuogsam gehört ist.

--319--

Burgauer will nicht auf die Beispiele Zwinglis eintreten. Das,
so ich im hütt zuo bestätigung siner erklärung geredt, ist häll [fol. 113]
verfasset und andere bewärung usserthalb des yngebrachten acht ich
yetzmal unnötig unnd laß es by miner fürtragner erklärung derhalben
yetz blyben mit angedingter vordriger bevelchnuß, damit und wir
zuo den rechten worten des ynsatz des herren nachtmal kommen mögend,
bevilch's und undergib's wie vormals.
Zwingly:
Der verzug unsers bruoders erfröwt unns seer, das er sich nit
wyter ynlaßt, die offt gedachten wort für verheyßliche wort des
lyblichenn essens ze bewären, wellend im ouch sölichen züchtigen
abzug gern zuolassen.
[fol. 113-114] Johannes Buchstab unterscheidet dreierlei Brot:
das Himmelsbrot in der Wüste, das Brot als Wort Gottes und das
Brot, welches das wahre Fleisch Gottes ist.
Oekolampad entgegnet, daß es sich Joh. 6 nur um das Brot
handeln kann, das uns speist, wenn wir glauben, daß Christus seinen
Leib für uns in den Tod gegeben hat.
[fol. 114v] Pfarrer von Appentzell:
Frommen Christen, es hat min herr pfarrer von Sant Gallen die
klaren unnd hällen gschrifft Joannis am 6. cap. anzogen, lutend also:
"Das brot, welchs ich üch geben wird etc." [Joh. 6. 51], hargegen mit
vil umbschweyffenden redenn hat meyster Ulrich zuo sölichem text
etwas harzuo than, nachdem und wir in haben transferiert vom Jheronimo
har, namlich das wörtly "autem", vertütschet "aber". Als ich

--320--

verstand ietzund in latin by uns vom Jheronymo nit interpretiert
sye, nimm dasselb nit an, sonders empfilch's denen, die geuebt sind in
griechischer spraach. Und aber under den andren auch geredt ward
so von dem bluot unnd fleysch Christi, welches ich dann wäsenlich
bekenn under der gstalt wyns und brots nach lut des texts vorgenempt.
Zwingly:
Ich laß min "autem" uff alle Exemplaria Graeca des euangelisten
Johannis etc.
Pfarrer von Appentzell:
Und ich mich uff die translation Jheronymi.
Burgauer zieht nun zum Beweis für die leibliche Gegenwart
Christi im Nachtmahl Mt. 26. 26ff. und 1. Kor. 11. 23ff. heran.
[fol. 115v] Oekolampad führt den Begriff Sakrament ein. Im
Nachtmahl handelt es sich um ein Sakrament, d. h. um ein äußeres
Zeichen, wodurch etwas Verborgenes zum Ausdruck gebracht wird.
[fol. 117v] Burgauer: Das Wort Sakrament macht die Worte
des Nachtmahls weder heller noch dunkler. Den rechten namen aber,
wie es der Paulus nempt [1. Kor. 10. 16] sol es heissen communio, das
ist: gemeinschafft wie es ouch etwan die alten geheissen haben. Ein
Schriftbeweis, daß die Einsetzungsworte figürlich verstanden werden
müssen, ist nicht erbracht worden.
[fol. 118v] Oekolampad fordert die Auslegung des Wortes "ist"
secundum analogiam fidei. Darnach kann die göttliche Natur nicht
die Natur des Brotes annehmen.

--321--

[fol. 119] Burgauer will nicht sagen, daß das Brot mit der
göttlichen Substanz vereinigt werde, sondern daß in dem Brot uns der
Leib Christi und unter dem Wein das Blut Christi mitgeteilt werde.
Oekolampad fordert für diese Erklärung den Schriftbeweis.
[fol. 119v] Am 16. tag jenners.
Pfarrer von sant Gallen:
Uf die nächtigen frag mins herr doctors Ecolampadii . . .
ursachet mich zue diser antwurt im gegeben der spruch Pauli 1. Corinth.
am 10. cap. [V. 16]: "Und das brot, welches wir brechen, ist das nit
die ußteylung des lybs Christi?"; dann die wysse mit den andern
accidentijs oder accidentibus uns darzuo ursachet, daruff wir sagen:
Vermögen die ob angezognen wort, das im brot uns der lyb Christi
mitgeteylt werde, und das mitt söllichem verstand als da ist Johannis
am 20. capitel [V. 22], hatt der herr angeblasen sin jünger und gesagt:
"Nemend hin den heyligen geyst etc.", nit das der blaast der heylig
geyst wäre, sonder das er mit sölchem mittel inen gegeben ward ...
[fol. 120] Oekolampad: Sofern Burgauer sagen will, "In dem
Brot ist der Leib Christi", muß er einen tropus zulassen; dann ist
aber unsere Deutung der Abendmahlsworte die richtige. 1. Kor. 10. 16
steht nicht "Austeilung", sondern "Das Brot, das wir brechen, ist das
nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?"
[fol. 121] Burgauer: Wenn die Gegner den Anspruch erheben,
die Ehre Gottes und das natürliche Verständnis zu suchen, dann
würde das wohl am besten in der Weise geschehen, daß man sich

--322--

an die Worte der Evangelisten und des Paulus hielte. Die oberst
eer gottes ist, so er sich lut sines worts uns mitteylt; und ist im nit
(unsers verstands) unerlich, so sin lyb im brot genomen und sin
bluot im wyn getruncken, so er doch sine gebott uns täglich uß guotigkeit
übertretten lasset. Von der art ze reden hat min herr doctor
nochmals kein sölich glychnus der red uß der gschrifft fürbracht, als
wir von dem blaast und von der vereynten gottheyt zuo der menscheyt.
Im mögend ouch dargegen zuo wyterer erklärung fürgeworffen werden
die fürenen zungen, Apg. 2. 3. Burgauer verweist ferner auf die
Taube, Matth. 3. 16, auf die Heilung der blutflüssigen Frau, Lk. 8. 43ff.
Diese Geschichte zeigt, daß es auf den Glauben ankommt und der
bloß äußere, fleischliche Genuß nichts nützt.
[fol. 121v] Vom blaast Johannis am 20. capitel [V. 22] sagen
wir derglychen wie vor, nit das der blaast der heylig geyst sye gsin,
sunder mit sölichem mittel sye er den jungeren mitgeteylt . . . Obschon
der Geist überall ist, so wird er doch durch das Wort ausgeteilt,
Apg. 10. 34-44, Gal. 3. 3.
Andreas Althamer von Nuerenberg:
Es wirt uns unbillich zuotrochen von minem herr doctor Ecolampadio,
wir ziechen die wort Pauli, 1. Kor. 10. 16, nit formklich
an, wie sy lutend. Sag ich, ob wir sunst kein [fol. 122]
gschrifft hetten dann disen einigen spruch, so wär er doch gewaltig

--323--

gnuog zuo bewären die ußteylung des lybs und bluots Christi im abentmal,
bin ouch gewüß, das alle welt den spruch nit vellen wirt; er stadt für
uns und lut also: "Der kelch oder das tranck der benedyung, den wir
benedyen, ist er nit die gemeinschafft des bluots Christi? Und das brot,
das wir brechen, ist das nit die gemeinschafft des lybs Christi?"
Es wüssend alle, so ein kleinen verstand haben des griechischen, was
κοινωνία heißt, namlich ein gemeinschafft, ein ußteilung, als Rom. 15
[V. 26] Paulus in glicher form das wort gebrucht, so er spricht: "Es
hat die von Macedonia und Achaia für guot angesechen, ein gemeinschafft
ze thuen in die armen heiligen, die da sind zuo Jerusalem."
Was ist gemeinschafft da anders dann ein ußteilung, das sy den armen
hilfflich wolten sin. Und in der 2. epi. zun Corinthern am 8. cap.
[V. 4] wirt widerumb κοινωνία für ein ußteylung genommen. Also
ouch hie der kelch der dancksagung oder benedyung ist ein gemeinschafft,
das ist: ein ußteilung des bluots, unnd das brot, das wir brechen,
ist ein ußteilung des lybs Christi. Kan mir min herr doctor mit
gschriften erzwingen ein anderen verstand, so wellend wir inn hören.
[fol. 122-123v] Auf die Frage Oekolampads, ob eine Synekdoche
nicht ein Tropus sei, gibt Burgauer zu, daß seine Deutung
der Abendmahlsworte eine Synekdoche sei, bestreitet aber, daß ein
Tropus vorliege, d. h. daß die Abendmahlsworte symbolisch verstanden
werden dürfen.

--324--

[fol. 124] Zwingly:
Von unserm verstand haben wir offt gnuog verheyssen, wellend's
ouch (ob gott will) leysten. Die sach ist aber noch nit da, sonder an
dem end, das sy ir synecdochen bewärend; dann das ort Pauli in der
ersten epistel zun Corinthern am 10. capitel [1. Cor. 10. 16] tringt nit,
das es muoß ein synecdoche sin, ob man glich gemeind oder gemeinsame
durch ußteylen thütschte, noch volgt es nit, das es muoß ein
synecdoche sin; dann wenn das brot glich wäsenlich und substantzlich
der lychnam Christi wär, wie die bäpstisch meynung halt, so
wär doch aber der lychnam Christi ußgeteylt und wär darumb kein
synecdoche; dann äben das brot, das ouch der lychnam Christi wär,
das wurde ußgeteilt. Und mag deshalb der sinn "under dem brot"
hie nit erzwungen werden. Unnd darumb so suochent ander geschrifft.
Pfarrer von sant Gallen:
Wie vil mal angezogen und verantwurt, belyb ich by dem
spruch Pauli und wil mich in keynen anderen wortkampff [vgl.
1. Tim. 6. 4] geben, alleyn das der lyb und das bluot Christi uns (lut
siner worten) wärde ußgeteylt in dem nachtmal des herrn.
Zwingly:
Mitt den worten ist immerdar ir synecdoche nit bewärt, des verlaß
ich mich ouch uff die acta. Und haben unns ein tropum fürgeben,
den sy mitt geschrifft nit mögen erhalten, sy bringend dann
ander geschrifften.
[fol. 124v] Oekolampad: Mit Joh. 20. 22 kann Burgauer die
Abendmahlsworte nicht erklären.

--325--

Pfarrer von Sant Gallen:
Ich antwurt kurtz: Christus hat mermals die göttlichen geystlichen
ding mit usserlichem anzeyget, als do er hat das euangelium lut
syner göttlichen verheyssung eroffnet, ist Christus ein mittel sins
göttlichen vatters darzuo gewäsen, derglichen [fol. 125] ouch die apostel.
Vom spruch Johan. am 20. cap. [V. 22]: Wil ich damit in glycher
wirde zuo den worten des nachtmals des herren disere wort nit glych
machen, sonder damit den verstand der worten des nachtmals desterbaß
in glychnuß vergriffenlich machen und erklären und damit die wort
Johannis nitt glyches wäsens näbend diß wort des nachtmals ynsetzenn.
Wellen wir also, das in den worten "Nemmend und essend, das ist min
lyb, und trinckend all daruß, das ist min bluot", wurde uns mitteylt.
Zwingly:
So unser bruoder bekennt, das die wort Joannis am 20. capitel
[Joh. 20. 22]: "Jesus hatt sy ankuchet" etc. nit glych sin denen
worten: "das ist min lychnam", und wil aber damit bewärt haben, das
die wort söllen verstanden werden: "under dem brot ist min lychnam",
so wurde im bas dienen, daß das wasser in die kruog gefasset ist und
zuo wyn gemacht weder diß ort (Joannis am anderen Capitel [cf.
Joh. 2. 7ff.]). Wellen hieby von dem anblaasen und geyst Christi nit
besonder red halten; dann es nit zuo der sach dienet.
Pfarrer von Sant Gallen:
Uff hütt vergangen vilfaltigen fürträgen miner lieben herrn und
mitbruedern befelchen wir sölichs alles den actis. Ist hieruff unser begären
nit ze disputieren, ob das brot oder im brot, oder derglychen
zanckreden (wie die vernunfft sölchs harfür bringen möcht) der lyb

--326--

Christi sye. Burgauer will sich allein an die Einsetzungsworte halten,
die besagen, daß uns der Leib Christi mitgeteilt wird. Wir können auch
nicht erklären, wie die Jungfrau Maria empfangen und geboren hat.
[fol. 125v-126] Oekolampad entgegnet Althamer: κοινωνία,
1. Kor. 10. 16, kann nicht Austeilung heißen, sondern nur Gemeinschaft.
[fol. 126v] Althamer gibt zu, daß κοινωνία auch Gemeinschaft
heißen kann. Aber daruß wirt nit volgen, das es ouch hie muoß haben;
dann in 2. Kor. 13. 13 . . . stat ouch das wörtly κοινωνία unnd wirt
genommen für die ußteylung des heiligen geysts. Ebenso Gal. 6. 6 und
1. Kor. 10. 16.
[fol. 127] 1. Kor. 10. 17 verunmöglicht nicht dieses Verständnis.
Wir bekennen denselben text ze verstanden werden vonn dem geystlichen
lyb, welches ist die gemein gottes. Paulus spricht aber nit,
wir syen das brot, das brochen wirt oder das wir brechen, sunst brech
und eß die kilch sich selbs; darumb der erst spruch vom lyb Christi
ußgeteylt im brot, der ander vom geystlichen verstanden muoß werden.
[fol. 128] Zwingly:
Alß myner herren mandat lutet, das niemands die warheyt soll
lassen underligen, wil ich uß krafft derselbigen punctenn ouch [fol. 128v]
zuo der sach reden wider den mißverstand unser widersächer, unnd sag
also erstlich: So veer sy mit dem ort des krancken wybs, Luce am
8. capitel [cf. Luc. 8. 43-48] und mit dem ort der sendung des heyligen
geysts, da fürin zungen gewesenn sind in den geschichten der apostel
am 2. capitel [cf. Acta 2. 3] nitt vermeinend ir synecdochen bewert
haben, denn wil ich wyter zuo irem fürtrag reden.

--327--

Pfarrer von sant Gallen:
Uff den fürtrag mines lieben herren bruoders habe ich hüt mermals
geantwurt und ist darumb in die fäder verfasset, darby laß ich's beliben.
Den spruch vonn dem glouben des fröuwlins, Luce am 8. cap.
[V. 43-48] verston ich ein ergebung unsers hertzens mit hertzlichem
vertruwen in Christum und aller siner worten.
Meister Ulrich Zwingly:
So veer er das vertruwen aller worten Christi also verstat, das
alle wort Christi Jesu vonn den glöubigen waar sin gloubt werden
nach warem verstand, der uß sinen waren worten gezwungen wirt, laß
ich das nach. So veer er aber mit den worten vermeinte, das man
glouben mueßte, das hie das fleysch und bluot Christi wäsenlich lyblich
im sacrament muoßte geessen werden, so ervordern ich inn, das
er wort Christi anzeyge, die uns heyssen oder anmuoten, das wir
glouben söllen oder muessen, das hie syn fleysch unnd bluot lyblich unnd
wäsenlich geessen werd.
[fol. 129] Pfarrer von Sant Gallen:
Uff ervorderung meyster Ulrichs laß ich nach, das allen worten
gottes gegloubt werden sölle und das mit rechter ußlegung und verglichung
der gschrifft; dann menig wort in der geschrifft dergestalt
lutet, wo es mit einem andern wort nit erklärt wirt, trueg es mit im
ein ungeschickten sinne. Das aber ich sölle schrifft bringen, in welchem
uns bevolhen werd und von uns gegloubt, das der lyb Christi wäsenlich
und lyplich geessen werde, unnd söllichs gegloubt, bring ich dhein
andre dann die vilmals angezognen. "Er hatt das brot in die händ
genommen etc." [cf. Mt. 26. 26 ff.].
Zwingly:
Sidtmal unser bruoder dhein häll wort harfür bringt, das unns
wyse zuo glouben, das fleysch und bluot Christi lyplich im sacrament
muessend geessen werden, als wir aber sunst wol ußgetruckt wort
haben, das wir sy geistlich, das ist: im glouben essen muessent, Johannis

--328--

am 6. capitel [cf. Joh. 6. 63], so hoff ich, wir syend der red entladen,
da wir mit dem glouben eim yeden wort gottes beschwerdt werdend,
sam wir disen worten nit gloubend. Unnd griff jetzund die drit
gschrifft an, die in den geschichten der zwölff botten am 2. capitel anzogen
ist worden [cf. Acta 2. 3,4], der heylig geyst sige nit die fürin
zungen gewesen, sonder in der fürinen zungen oder mit den fürinen
zungen. Welcher red mich der ein teyl: "in den fürinen zungen", hüt
ye beschwert hatt; dann sölche red sich dem verglicht, sam wir
den geyst gottes inn sichtbare ding in- [fol. 129v] schliessend. Darnach
stat daselbs nienen, die fürinen zungen "sind" der heilig geyst,
ab welcher form man ein bispel möcht nemen, die wort Christi
"das ist min lyb" ze verglosieren: "under dem brot ist min lyb".
Pfarrer von sant Gallen:
Uf die ableynung der hütigen inzognen sprüchen und yetziger
erklärung des gloubens bringe ich dkein geschrifft, die da wyse zuo
glouben, das fleysch und bluot lyblich geessen werde, behilff ich mich der
inleytung der niessung des lämlins, Exodi am 12. capitel [V. 3ff.],
und der euangelisten anzeygungen, so unns heissen: "Nemend und
essend, das ist min lyb", in welchen worten der lyb Christi geessen
oder genossen, mines verstands, bevolhen wirt. Von den orten der
geystlichen nießung bekennen ich, das alles, so ußwendig beschicht,
unfruchtbar etc. So wir die wort: "Welcher lyb für üch geben wirt",
und: "Welches bluot für üch vergossen wirt" [Lk. 22. 19 u. 20] nit mer
niessend im glouben, dann, so unns dargereicht, wäre wenig trostlich.

--329--

Uff das, so er vermeint entladen sin des gloubens halb eins yeden
worts, habe ich vor bekent, das mit verglichung der geschrifft
und christenlichem verstand. Uff den spruch actorum am 2. cap.
[V. 3]: Ist gewüß, das die fürinen zungen nitt der geyst gottes selbs
wäsenlich gewäsen, und hab söllichs in glichnussen zuo inleitung eins
klaren verstands ingefuert; dann die glichnussen nit allwegen gestracks
glich sind dem, so man darby verglichet, und laß söllichs alles fallen
und sag wie hüt mermals, das in den worten des nachtmals ich mich
in den kampf nit geben wird, mit was form und gestalt der lyb
unns werde mitteylt, uff die sichtbarlich oder grobe wyß, wie [fol. 130]
ein hand inn dem hendschuoch sin mag; alleyn das die wort bliben:
"Nemend und essend, das ist min lyb", das er uns lut der worten
mitgeteylt werde.
Zwingly:
So unser bruoder anzeygt, wenn wir nit mer gloubend weder uns
fürgelegt wirt im nachtmal, so sye es nitt gnuog, lassen wir nach,
so veer er meint, das man rechten waren glouben zuo dem nachtmal
muesse bringen, welcher gloub vertröst sye uff Christum Jesum. So
veer er aber mit der duncklen red verston welte, man muesse ouch
glouben, das das fleysch unnd bluot Christi wäsenlich da wäre oder
wäsenlich lyblich geessen wurd, liessend's wir nit nach; dann es wurd
uns mit der verborgnen red ein oug verkleybt. Das er aber söllichs
ze bewären für und für harin zücht die wort "das ist myn lichnam",
von denen aber der span ist, so thuot er nüt anders, quam quod petit
principium. Ist so vil, das er bewären sollt, das bewärt er mitt dem,

--330--

das im span stat. Alls do eyner spricht: "warumb hastu den
götzen uß der kilchen thon?" und er gäb kein andern antwurt
denn: "darumb das ich's thon han".
Zuo dem andern ort, actorum am 2. capitel [cf. Acta 2. 3 ff.], das
er redt, er hab's umb glichnus willen harin zogen, zuo einer inleytung,
benuogen wir unns. Wir ervorderten aber dozemall nit inleytungen,
sonder hälle wort der geschrifft, daruß wir erlärnen möchtend, das die
wort soltend verstanden werden: "in dem brot ist min lichnam".
Das übrig von der hand im hendschuoch laß ich stan, yedoch so
haben sy sich yetzund begeben erstlichen, das das brot nit wäsenlich
lyblich sye der lychnam Christi. Demnach [fol. 130 v] so haben
sy mit irem eygnen mund geredt, die wort sollend also verstanden
werden: "in oder under dem brot ist der lichnam Christi". Und redent
yetz zum drytten, sy wellend sich inn den kampff nitt lassen, wie der
lichnam Christi in oder under dem brot sye. Wie standthafft unnd
gründtlich das sye uß dem grund der geschrifft geredt, empfilch ich's
allenn hörenden und läsenden.
Jetz komm ich wider uff die ban der worten Pauli zun Corinthern
in der ersten epistel am 10. capitel [cf. 1. Cor. 10. 16], die myn bruoder
Ecolampadius christenlich und wol erklärt hatt. Damit aber unsern

--331--

widersächern und gemeiner kilchen dest häller gnuog beschehe, wil
ich dieselben ouch handlen nit alß vor gehandlete, sonder als baß
erklärte. Und ist für das erst das fürnemen Pauli, die so in den
götzen diensten mitmassen oder gesellen waren, das ist, das sy mit
den götzendiener, die die opffer irer götzen miteinanderen assen, ouch
assen, hat wellen von der gemein, das ist: kilchen, geselschafft und vereinbarung
ziechen. Uff söllich irrige meynung, da die fürwitzigen
meyntend, sy möchtend an verletzung der conscientz unnd des
nechsten von götzenopffer essen, nimpt Paulus die gemeind für sich
und spricht, sam er also sprech: "Wie kan eyner ein glid sin an
zweyen widerwertigen gemeinden? Ist einer ein glid Christi und
siner kilchen, wie kan er eyn glyd der kilchen des tüffels syn?" Das
ist nun die summa. Uff das volgend nun die wort [1. Cor. 10. 14 - 16]:
"Darumb (spricht Paulus), ir mine geliebten, flüchend von dem götzendienst.
Ich wil mit üch reden alß mit verstendigen, und ermessend ir,
das ich mit üch red. Das tranck der dancksagung, damit wir dancksagen,
ist das nit die gemeind des bluots Christi?" Hie sol κοινωνία,
das ist: gemeind [fol. 131], communio, vertütschet werden und nit communicatio,
ußteylung. Diß bewär ich mitt dem artickel des gloubens,
sanctorum communionem, das ist: gemeind der hellgen, da wirdt communio
den latinen, den griechischen κοινωνία. Aber diß wirt hernach
noch klärer. Es volgt wyter in worten [1. Cor. 10.16]: "Das
brot, das wir brechend, ist das nit die gmeynd des lychnams Christi?"
Hie sechend wir, das Paulus spilet uff die bedütnuß der zeychen,
1 beschehe ] E gescheche - 2 Pauli ] A Pauly - 7 fürwitzigen ] Text fürwützigen
- 15 alß mit ] B alls den - 17/21 κοινωνία ] B kononia - 21 griechischen ]
A grieischen, B griegschen, CE griechen, D kriechen - 23 lychnams ] B lybs

--332--

das die, die einerley sacrament miteinandern bruchend, ein kilch miteinanderen
sygind, und nempt also die, so das sacrament des lychnams
und bluots Christi miteinandern niessend, die gemeynd oder
gemeynsame des lychnams und bluots Christi. Das dem also sye,
so volgt hernach ein προςαπόδοσις, das ist causae redditio, das ist:
ein ursach, warumb er die Christen, die eynerley sacrament bruchen,
die gemeind deß lychnams und bluots Christi genempt hat, und spricht
also [1. Cor. 10. 17]: "dann ein brot", (hie hand wir dis wörtly "dann")
ein offen zeychen, das er erzellen will ursach, warumb er die Christen
die gmeind des lybs und bluots Christi genempt hat. Ja spricht er:
"ein brot und ein lychnam sind wir die menge". Merckt man hie
erstlich, das er hie die menge, τοὺς πολλούς, id est: multos, nempt,
die er vormals genempt hat die gmeynd, und spricht, das die menge
sye ein brot und ein lychnam, nit das sy einen lychnam Christi
geessen habind, sonders, wie hernach volgt, das sy von einem brot
(unnd nitt lychnam) miteinandern teylhafft sind. Hie hand wir ein
besonder wort der teylsame oder ußteylung, μετέχομεν, und habend
nümmen das wort κοινωνία.
Uß welcher erklärung ich eim yeden Christen hoff offenbar sin,
das Paulus nit sagen well, das wir mit essen eines lychnams (lyblich)
ein lyb Christi werdind; dann sö- [fol. 131v] lichs dem glouben
unnd der warheyt wider ist, ursach, wir werdend allein in einem geyst
eynig unnd in einem glouben, der von dem geyst kumpt. Aber das

--333--

lyblich essen des lychnams Christi die einigkeit der kilchen mache,
das mag mit keiner gschrifft bybracht werden. Daruß grundtlich
ermessen wirt, das der heilig Paulus uß sinen eygnen worten ouch uß
der krafft der warheit des geysts bewärt wirt hie ze reden, das die,
die einerley zeychen miteinanderen bruchend, ein kilchen syend etc.,
wie obstat. Unnd deßhalb söllend sy sich zuo der gmeind und kilchen
der götzendieneren nienan fuogen noch gsellen, unnd wirt hie das ußteylen
des lyblichen lybs Christi under die kilchen nienan benamset.
Andreas Althamer von Nuerenberg:
Paulus in disen anzognen sprüchen in der ersten epistel zun
Corinthern am 10. capit. [V. 16 und 17] redt von zweyerley brot, von
einem geistlichen brot, das ist die christenlich gemeind in Christo,
dem läbendigen wort erbuwen, die da läbt in frid und einigkeit und
teylhafftig ist aller gueter Christi, und von dem brot des nachtmals
des herren; dasselbig brechen wir und teilend's uß den bruedern, dasselb
ist nit die kilch oder gmeind. Von sölchen spricht er: "Das brot,
das wir brechend, ist das nit die gemeinschafft oder ußteylung des lybs
Christi?" Das ander brot, das die christenheit ist, brechen und essend
wir nit, heißt darumb ein brot, das sy vonn einem brot des abentmals
und testaments Christi niessend, wie [fol. 132] Paulus spricht:
"Darumb sind wir ein brot, das wir eins brots teylhafftig sind oder
von einem brot essend etc."

--334--

Zwingly:
Das unser lieber bruoder zwey brot hie anzeygt, ist vor gnuog erfochten,
das es nun eins ist; dann an dem ersten ort, da er spricht
[1. Cor. 10. 16]: "Das brot, das wir brechend, sye die gmeind des lychnams
Christi", zeigt uns gnuog an durch die ursachlichen red, die
von stund an hernach volget, das er von dem brot redt, das wir
brechend; das er aber dannethin spricht, das wir, so dasselbig brot
miteinander brechend, syen die gemeynd des lychnams Christi, das
ist ein liebliche der tropen, das er darnach spricht: "ein brot und ein
lychnam sind wir die menge" [1. Cor. 10. 17]. In den wortenn erkennen
ich wol, das er die kilchen das brot nempt, er spillt aber daruff,
das sy des usseren sacramentlichen brot halb, das die kilch
miteinandern teylt, ein brot und ein lychnam sye, so er von stund
an spricht und ursach gibt, warumb er ouch die kilchen ein brot
und ein lychnam genempt habe; dann wir all miteinander teylhafftig
sind von einem brot. Hie ist aber ein ander prosapodosis, das ist:
ein ursach in dem wörtly, da er spricht "dann", welches ein ursach
gibt, warumb ers genempt habe "ein brot und einen lychnam". Yedoch
so wirt hie des lychnams Christi nit lyblich gedacht. Aber des wirdt
gedacht in einer summ, das wir die menge, das ist: die christenlich
gemeynd, ein gemeind des lychnams unnd bluots Christi sygend, ein
brot unnd ein lychnam sygend.
[fol. 132v] Althamer:
Ich bevilch abermals sin unnd min erklärung dem christenlichen läser.
Zwingly:
Und wir ouch etc.

--335--

Freitag, den 17. Januar 1528.
Burgauer: Paulus erklärt durch 1. Kor. 5. 7 die Stelle 2. Mos. 12.
Wie die Juden das Osterlamm genießen zum Gedächtnis der Wohltat
Gottes, der sie aus Ägypten geführt hat, so sollen wir das Lamm
Christus genießen, gemäß den Einsetzungsworten.
[fol. 133] Oekolampad entgegnet: Aus 1. Kor. 5. 7 und 2. Mos. 12
kann nicht der leibliche Genuß bewiesen werden; dann es nit dütet
uff das sacramentlich brot. Vielmehr dient dieser Vergleich der gegenteiligen
Auffassung. Die Juden aßen das Lamm zum Zeichen der
Danksagung für ihre Befreiung aus Ägypten. So genießen wir das
Nachtmahl als Zeichen der Danksagung für unsere Erlösung.
[fol. 133v] Burgauer bittet um den Beweis, daß Essen Glauben
heißen soll. Der leibliche Genuß Christi ist doch eine stärkere Erinnerung
als der figürliche Genuß.
Oekolampad: Daß mit geistlichem Essen Glauben gemeint ist,
wurde oben gezeigt. Da der Leib Christi uns nicht mehr sichtbar
ist, kann er nicht als äußeres Erinnerungszeichen dienen, vielmehr
weckt Christus durch seinen Geist in uns die Erinnerung.
[fol. 134] Burgauer kann die wesentliche Erinnerung von der
äußern Gestalt nicht trennen. Die Erinnerung an Christus, die
Oekolampad betont, sollen wir ununterbrochen pflegen: "Möget ihr
nun essen oder trinken oder etwas tun, so tut alles zur Ehre Gottes",
1. Kor. 10. 31 und Kol. 3. 17.
[fol. 134v] Zwingly:
Damit wir kurtz ab der sach möchten kommen, wil ich uß
Paulo und den selbsworten Christi unsers heylands von der figur
anzeigen und von der erinnerung oder nutzbarkeit des fleischs Christi

--336--

lyblichen ze essen. Der figur oder bedütnuß halb zeig ich an, das
Paulus schrybt zun Hebreern am 10. capitel [Hebr. 10. 1]: "Das gsatz
hat den schatten gehept der künfftigen gueteren und nit ein eygentliche
bildtnuß der dingen." In den worten Pauli vermercken wir, das die
ding, die im alten testament bedütet haben, nitt sölche ding bedütet
haben, als sy gewäsen sind; dann sy sind im schatten gewäsen. Deßhalb,
was dört lyblich gewäsen ist, muoß hie geistlich sin, so doch
Christus das liecht, das läben unnd die warheyt ist [cf. Joh. 8. 12; 14. 6].
Das nun das lamb getödt und lyblich geessen ist [cf. Exod. 12. 6ff],
zeygt uns an, das der herr Christus Jesus getödt von uns geystlichen
geessen muoß werden, das ist: uff inn vertruwt; dann so verr dem lyblichen
mueßte lyblichen geantwurt werden, wurden gar vil ungeschickter
dingen muessen nachgelassen werden in Christo Jesu, davon hie nit
ze sagen ist. Der worten Christi halb zeyg ich erstlich an, wie er
seyt Johannis am 6. capitel [Joh. 6. 35]: "Ich bin das brot des läbens,
welcher zuo mir kumpt, den wirt nimmermer hungeren." Hie ist offenbar,
das Christus durch das wort "zuo mir kommen" verstadt "in mich
vertruwenn und glouben".
Uß dem, das von stund an harnach volgt, so er spricht: "Welcher
in mich vertruwt, den wirt nimmermer dürsten." Ist hie κοινώτις, id
est: comixtio. In den worten vermercken wir, das alle, die zuo Christo
Jesu kommen, das ist: in in vertruwen (als die wort selbs offenlich
lutend) keinen hunger me haben noch durst nach ander trostungen oder
spysungen; deßhalb [fol. 135] hinfalt das trösten des lyblichen essens
des lybs Christi. Derglichen spricht er am selben capitel [Joh. 6. 63]:
"Der geyst ist, der da läbendig macht. Das fleysch ist gar nüt nütz."
Hie hörend wir offentlichen, das es allein geyst sin muoß, der da
läbendig macht und sin fleisch (dann er daselbs von synem fleisch
redt) gar nüt nutz ist, so veer man's essen wöllte; dann wir hie reden
von der fruchtbarkeyt syns tods, den er im fleysch erlitten hatt, die
seel läbendig ze machen. Darzuo bedarff es gschrifft, das der lychnam

--337--

Christi lyblich gessen die seel tröste; dann aller trost in der geschrifft
allein dem göttlichen geyst zuogeben wirt, als von Joanne des 14. capitel
biß uff das 18. capitel vilfaltigklichen anzeygt wirt.
Das aber anzogen ist der danckbarkeyt halb in allen spysen, dient
nit zuo der sach. Wir sagen on zwyffel, das man nit allein danckbar
soll sin umb narung unnd alle guotthät, die uns gott bewyßt, unnd das
zuo aller zyt, sonder ouch, das wir im danckbar söllen sin, so er
uns widerwertigkeit zuofuegt, und uns im selben hochschetzen, das
ist: erkennen, das wir die edlen kinder gottes syend, zun Römern am
5. capitel [Röm. 5. 3]. Die dancksagung aber, von dero man hie redt,
ist nit allein die, da ein yegklicher Christ zuo aller zyt by im selbs
gott lobt unnd danck seyt umb den tod synes suns, sonders das die
Christen in der gemeind zuosamenkommend und, das sy heymlich im
hertzen tragen, offenlich gegen den andern glidern in dem nachtmal
bezügen.
Pfarrer von sant Gallen:
[fol. 135v] Das wir aber ein wort habend, das in usserlicher
niessung unns versichere, wie dann Johannis am 6. capitel stat, vor
angezogen, geben wir sölliche antwurt, so in den worten des nachtmals
stat: "Welcher für üch geben wirt", und: "Welches bluot für üch
vergossen wirt" [Lk. 22. 19, 20]. In sollichen sinen worten verstan wir
die verheissung sin; also mit den worten Christi und mit dem usserlichen
erwachst und wirt (so es im rechten geyst und glouben genossen
wirt), der trost der seelen. Von der inleytung Joannis am 6. capitel
[V. 63] "Fleysch ist nit nütz", wellen wir biß uff sin zyt unverantwurt
lassen beliben; dann sölte in ußteylung des lybs Christi uns trost

--338--

nit erwachssen oder zuokomen, was trost hetten wir dann in dem sacramentlichen
brot (wie sy es nemen). Das ander aber, so anzogen wirt,
umb kürtze willen bevelhen wir dem christenlichen läser.
Zwingly:
Die angezeygten wort "welcher für üch geben wirt" und "welches
für üch vergossen wirt" [Lk. 22. 19, 20] bewärend gentzlich also nit,
das hie verheissen werde dem liplichen essen vertröstung oder vermanung.
Das sy ouch darwider sind; dann sy zeygend an, daß der
lichnam Christi und sin bluot für unser sünd in tod geben werden.
Nun nimpt sin tod niemand die sünd ab, denn so in inn vertruwt
wirt. Nun ist vertruwen ein geystlich würckung, die ouch allein von
dem geyst kompt. Deßhalb sy aber hie principium petunt; das er
aber seyt, sy verstandint's also, das mag uns nit trösten. Das, das
wir inen fürgeben, das der gloub also versichere, das man keiner
andern liplichen versichrung nachfrage [fol. 136], das zeygen wir inen
mit gschrifft an. Das aber das lyplich essen die seel tröste, zeygend sy
mit irem verstand an. Das wort "das fleysch ist nit nütz" [Joh. 6. 63]
haben wir nit allein inzogen zuo einer inleytung, sonders zuo einer
bewernus; das demnach geredt ist: "sölte in ußteylung des lychnams
Christi nitt vertröstung sin, was trosts hetten wir dann im sacramentlichen
brot?" Geben wir die antwurt, das sy aber principium
petunt, das ist: das sy aber, das wir inen nit nachgelassen haben,
und nit erobern mögen, mit gschrifft für darbracht rechnen. Wir haben
gester offentlich anzeygt, das der lychnam Christi nit ußgeteylt werde
im nachtmal, und haben sy ir meynung darwider der gschrifft und
dem läser bevolhen unnd wellen aber hüt widerumb uff dieselbe lipliche
ußteylung tringen, die so offentlich widerfochten ist. Aber nütdesterminder
sagen wir also, das wir kein wort gottes haben, das uns
besonderen trost verheysse geben werden, es sye in dem lyplichen
essen oder in dem sacramentlichen.

--339--

Pfarrer von Sant Gallen:
Wir verlassen uns uff die vor angezeygte erklärung von uns beschehen;
dann Christus im abendmal beyde ding zuosamen gesetzt,
wort und lyb, geystlich mit dem hertzen und lyplich durch den mund
genossen söllen werden. Wer solches empfängt, soll Gott und seinem
Wort vertrauen und glauben, Hebr. 11. 1ff. Das der lyb nit werde
ußgeteylt, wie Meister Ulrich soll erzeygt habenn, verlassen wir unns
uff die acta.
[fol. 136v] Meister Ulrich Zwingly:
Wir lassend uns ouch uff die erklärung uß offnem gotteswort von
uns harfürbracht, wie ouch die acta inhaltend. Die andre red, das
im nachtmal mit dem mund der lychnam Christi geessen werde, erkennen
wir gar ein ungefuege red sin; dann so unser münd lyblich
sind unnd nütz dann lyplichs essen mögen unnd empfindlich, wurde
volgen, das wir den lychnam Christi empfindtlich essen muessten. "Der
geyst ist, der da läbendig macht etc." [Joh. 6. 63]. Empfelhend das
ouch eim yeden, der da gloubmässigen verstand hatt.
Pfarrer von sant Gallen:
So wir nun hand die handlung der figur den actis bevolhen und
sy ander erklärung ingetragen, und namlich yetz in der letsten red,
bevelchen wir allen, so von gott geleert söllen werden, was das offenlich
wort der gschrifft vermög und sin verstand.
Meyster Ulrich Zwingly:
Wir empfelchend's ouch denen, die von gott geleert sind.
Oekolampad:
[fot. 137] Die äußeren Worte an sich vermögen keinen Glauben
zu wecken. Sie bedeuten nur etwas, das durch das innere Wort in
die Herzen der Menschen hineingesprochen wird. Und so aber die
wort verstendig sind, wirt der mensch inwendig erwegt, das er erkenne
das, vonn dem da geredt wirdt. Darzuo sind verordnet worden

--340--

die wort und sind inen nit geben sonderlich krafft, etwas ußzerichten
wyters dann gesagt. Aber der geyst gottes, der da erlüchtet, der gibt
sölche erkantnus. Es wer ye uß der wyß, das wir dem usserlichen
wort mer zuogeben dann der person, die sölliche usserliche wort redt
[fol. 137v]. Sant Paulus spricht, er sye nit Appollo, sye ouch nüt
[1. Kor. 3. 5; 2. Kor. 12. 11]. Wie sollt dann das usserlich wort sölche
hohe krafft han, und solten die wort das machen oder bringen, das
sy lutend, so wurden die apostel und alle prediger all ire zuohörer
glöubig machen; dann sy reden die wort des gloubens unnd wurde der
gloub denen zuogefuegt; welches alles ab dem wäg ist; also ist die würckung
des herrn, wie wir's haben, Marci am letsten capitel [Mk. 16. 20]. Die
wort aber und sacramenten tragend nun die bedütnus.
Pfarrer von sant Gallen:
Uf den intrag, so die wort verheyssend oder bedüten etc., sagen
wir also: Gott der herr, derselbig hatt ye unnd allweg im alten und
nüwen testament, so er verheyssen hatt oder bevolhen, das erstattnet,
so sy haben gelutet. Als namlich hat er geredt ein wort unnd ist
alles gemacht worden, Ps. 33. 9, derglichen ouch 1. Mos. 18. 10 by der
unfruchtbaren Sara: Bracht die verheyssung mit den verheyßnen
Isaac; dann by gott nütz schwers ist. Ouch Jes. 55. 11: "Min wort,
so ußgat von minem mund, das wirt nit zuo mir lär komen, sonders
wirt thuon und erstatten, darzuo ich es hab wellen, darzuo ich es hab
ußgesandt." Dann derglichen ouch dem Saul bevolhen ward, die
Amelechiter zuo ertödten, lut der verheissung ward der syg im erstatnet
[1. Sam. 15. 1 ff.]. Ander inzüg, das der geyst alles in uns muesse
würcken, verneinen wir nit; wir glouben aber, das by den worten die
mitwürckend krafft des geysts zuogefuegt sye, sunst wer die ußwendig

--341--

stimm oder wort wenig nutzbar . . . "Soltend die wort das nitt mitbringen,
so sy lutend, so hettend die apostel unnd prediger etc." Antwurten
wir: der [fol. 138] herr hatt sine apostel ußgesandt und hat
gesagt: "Gond und predigen das euangelium allen creaturen. Der
do gloubt, etc." [Mk. 16. 15,16]; "dann ye das euangelium ist ein krafft
gottes, zuo heyl eins yegklichen glöubigen", Rö. 1.16. Gewüß ist, das
unser pflantzung und wesserung nütz ist, aber gott, der da gibt das
wachssen unnd die krafft [cf. 1. Kor. 3. 7]. Nun werden durch die
predigen unnd verkündung deß worts nit all zuohörer sälig, aber der,
zuo denen das wort geschickt ist, Jes. 55. 11, by denen wirt es frucht
bringen, wie der text daselbig mit mer worten erklärt; dann allein
die verordneten zuo dem ewigen läben haben das wort gottes gloubt,
Apg. 13. 48. Ander intrag laß ich yetzmal blyben.
Zwingly:
Das gott alles halte, das er verheyßt, bedarff by uns keiner kundtschafft,
der span ist ouch nitt darumb, sonder das sy gesagt haben,
das usserlich wort bringe mit im, das es bedütet oder verheysset, da
sich aber das widerspil erfinden wirt. Gott spricht zuo Abraham
selbs: [1. Mos. 22.2] "Opffer mir dinen sun uff, uff dem berg, den ich
dir anzeygen wird." Also lutet das usser wort gottes. Sölte nun by
dem ussern wort das geschehen, das es bedütet, so wär der sun
Abrahams uffgeopffert von stund an unnd die wort gredt wurden.
Das aber nit ist. Unser her Christus Jesus begert, das er enthebt
wurde von dem liden [cf. Mc. 14. 35, 36]. Aber by dem ussern wort
ist die that nitt gewesen, sunst hette er nit gelitten. Der verheissung
halb aber erkennen sy, das die allein das euangelium haben angenomen,
die da von gott zum ewigen läben beruefft syend [cf. Apg. 13. 48],

--342--

in welchen worten sy inen selbs antwurten; dann nit allein die, die
glöubig wurden nach irem predigen, ir wort gehört hatten, sonders ouch
die unglöubigen. [fol. 138v] Wenn nun das usserlich wort das mitt
im brechte, das es verheyßt, so brecht es ye ouch denen das heyl, die
es nitt annemen, als gnuogsam ist durch Ecolampadium erzeygt; dann
denselben glich alß wol mitt dem usserm wort geseyt wirdt: "Welcher
vertruwet uff den läbendigen sun gottes Christum Jesum, der wirdt
heylig als ouch die glöubigen" [cf. 1. Joh. 5. 10-12].
Das sy aber darby bekennen, das den glouben oder das wort gottes
allein die annemend, die von gott beruefft sind, da geben sy sich gewunnen,
das das usser wort söllichs nit thuot; dann das usser wort, das ist ye
nit gott, sonder allein ein usserlich wort unnd ein bedütung oder offnung
des göttlichen willens. Die haringezogenen gschrifften laß ich
umb kürtze ungeäffert; dann sy uns und nit inen dienen. Das zun
Römern stat: [Rö. 1. 16] "Das euangelium ist die krafft gottes eim
yeden gloubenden zum heyl", ouch das Esaie am 55. c. [cf. Jes. 55. 11]
anzogen, dient uns; dann das usser wort des euangelij ist nit die krafft
gottes, sonder das usser wort, das erklärt uns allein die krafft, die gott
durch sinen sun zuo unserm heyl gewürckt hatt.
Burgauer: 1. Mos. 22. 2 widerspreche nicht seiner Auffassung.
Abraham hat den Befehl Gottes ausführen wollen, bis Gott ihn
widerrief. Jesus fügte sich dem Willen des Vaters, Mk. 14. 36. Von
der verheyssung: weißt [fol. 139] man wol, das der saam des worts
gottes vilmals in die unfruchtbare erdtrich valt und erst in dem vierden
vilfaltige frucht fürbringt [cf. Mt. 13. 4ff.]; dann alles, so die apostel
gethan haben, habend sy nit uß inen selbs, sonders in dem namen
das ist: in der krafft gottes gehandlet. Gewüß ist, das die usseren wort,
als mittel und instrument sind des, so gott wil, wie er sagt, durch die

--343--

propheten und Moyse: "Ich bin din gott" [1. Mos. 17. 7; 2. Mos. 20. 2;
Jes. 41. 13]. Sölliche verheyssung in den kurtzen worten fuerend und
bringend mit gott mit allen sinen gueteren, so man im demuetigklich
gloubt. Das übrig, das bevilch ich dem christenlichen läser.
Zwingly:
Alle wort unser widersechern dienend dahar, das alles, so beschicht,
uß gottes würckung bescheche und nit uß krafft oder gesellschafft
des usserlichen worts. Darumb so die usseren wort mittel oder
instrument genempt werden dessin, so gott wil, verstan wir das nit,
das sy volbringende instrument syend, sonder das die wort, sy syend
von stimm oder buochstaben, allein den göttlichen willen anzeygend.
Wir habend in den geschichten der apostel am 19. capitel also:
[Apg.19.13-16] "Es warend etliche sün Sceue, eins Judens, eins obresten
priesters, deren waren siben, die understuondend sich, by dem namen
des herren Jesu ze beschweren, die von den bösen geysten besässenn
warend, unnd sprachend: ,Wir beschwerend üch by Jesu, den der
Paulus prediget!' Also gab inen der böß geyst uß einem besässnen
antwurt: ,Ich kenn Jesum, ich kenn Paulum, wär sind aber ir?'
und viel der mensch in sy, in dem der böß geist was, unnd begwaltiget
[fol. 139v] sy und ward stercker weder sy, also das sy nackend
und verwundt uß dem huß entrunnen." Hie sicht man, frommen
Christen, wie vil das usser wort vermag, da das ynner nit ist.
Das demnach ist anzeigt, wie gott zuo Abraham geredt hab: "Ich
bin din gott" [cf. 1. Mos. 17. 7], da habend die wort Abrahamen zuobracht
gott mit allen sinen guetern, sagend wir das, [daß] das ein gesch
ist. Das sich gott Abrahamen früntlich und zuo einem vatter ergeben
und gemacht hatt, das ist siner gnaden, guete unnd erwegnus
gewesen, ee und er kein usser wort ye mit im redte; dann es ist uß
gnad und nit verdienst. Daruff ein grosser teyl der epistel zun Römeren
[cf. Rö. 4. 1ff.] geschribenn ist. Das sy aber anzeygt, das sich gott
also ynlasse oder zuo herberg komme mit allen sinen gueteren (wenn man
im gloubt), so erlernen wir aber, das gott by dem glouben wont und

--344--

zuo herbrig ist, Joannis am 14. capitel [Joh. 14. 2], unnd daß das usser
wort nützit bringt, dann wie vor gseit und sitmal unser widerpart
sich ires verstands und erklärung uff die acta verlaßt, wellen wir
uns ouch uff die acta in unser erklärung gründen lassen.
Burgauer: Die Worte Apg. 19. 13 waren gewiß nicht aus dem
Glauben gesprochen [fol. 140]. Wer aber nicht aus Glauben handelt,
der handelt mit dem Worte Gottes übel, Mt. 7.21, 22, Mt. 17. 16, 17.
Vgl. Joh. 14. 12 und Lk. 9. 49. Betreffend Abraham befiehlt er es
der Schrift; denn daß Gott in unsere Herzen kommt durch den Glauben,
steht Eph. 3. 17.
Zwingly:
Unsere brueder züchend kein andre geschrifft haryn, dann die
unsere meinung bewärend, namlich das die würckungen oder frucht
nitt deß usserlichen worts syend, sonders des gloubens, so sy selbs
erkennend, das die sün Sceue darumb die tüffel nit habend ußtriben,
das sy nit glouben gehept; dann (welches für uns ist) sy die wort
der ußtrybung gebrucht haben: "Ich gebüt dir in dem namen Jhesu"
[cf. Acta 19. 13], welches ein wort des gebotts ist uß dem mund Christi:
"In minem namen werden sy die tüffel ußtryben", Marci 16. capitel
[Marc. 16. 17]. So sy nun das usser wort gebrucht habend und nütdestermer
das ußtryben gevolgt hat, so volget aber, das ir [fol. 140v]
red nit grund hat, da sy sprechen, das usser wort bringt mit im, das
es lutet und verheyßt.
Pfarrer von Sant gallen:
Uf ynzug und verantwurtung unser mitbrueder ist mencklichem
wüssend, das (ob gott wil) wir Christi sind und sin ze sin begärend,
und darumb von sinem wort reden. Wären wir heyden oder
unglöubig, so redten wir von Machameto oder Joue; dann ich
die bekenn Christen sin, die da mit dem hertzen glouben zuo der
gerechtigkeyt und sölichs mit dem mund bekennend etc. Und bevelchen's
von kürtze wegen den actis.

--345--

Zwingly:
Uff dise antwurt sagend wir also: Das söllicher wyß niemant
möchte wüssen, ob er den lychnam Christi niesse oder nit; dann
wir einfaltigen nit mögend wüssen, ob der, der söliche wort spricht,
waaren glouben vom hertzen uff Christum hab oder nit; dann ich
wil min lieben bruoder also fragen: Hast du rechten ungezwyffelten
glouben uff den läbendigen sun gottes Christum Jesum?
Pfarrer von Sant Gallen:
Ob gott wil, ja.
Zwingly:
Fuerend uns ein blinden oder ein lamen har und sage mir zuo
demselben blinden: nun, respice, ersich! Diß ist ein wort Christi
[Lk. 18. 42] und ist darby ver- [fol. 141] heyssen, das die apostel und
prediger die unnd die andre wunderzeychen thuon werdent [Apg. 2. 43].
So hatt er nun den glouben und das usser wort by einandern; volstrecke
mir, das das usser wort heyßt oder verheyßt. So ich nun das
nit zuo versuochung red und nitt zweyffel, er werde sich des nitt underston;
dann er wol wüssen mag, das er mit dem ussern wort ouch
by sinem glouben also nütz vermag, es sye dann das gott gevalle,
söllichs ze würcken. So hoff ich, es sye niemands so eins klynen
verstands, dann das er vermercke, das die ussern wort nütz vermögen
für- oder har ze bringen, obglich der gloub da sye unnd valt damit ir
grund hin, das wort bringt mit im, das es bedütet oder verheisset.
Pfarrer von sant Gallen:
Der da nitt handlet uß dem wort und bevelch gottes, da ist ze
vermessen, das er den geyst Christi nit hab, hatt er den geyst
Christi nit, so ist er nit sin, Rö. 8. 9. Uff die frag vom blinden antwurt

--346--

ich also: Das die gab des gloubens in mengerley gestalt wirt ußgeteylt
und eim yegklichen gott mitteylt, als im gefelt. Wiewol meyster
Ulrich Christum Jesum als wol prediget und den crützigeten, als
Petrus und Paulus (ob gott wil) ouch mit guotem glouben, nütdesterminder
hab ich nit gehört, das der die lamen grad hab gemacht und
sin schatt die krancken gesund [cf. Apg. 5. 15]. Dergestalt haben wir
ouch Matth. 21. 18-22 im fygenboum und verendrung des bergs; dann alle
die ding, so wir werden begeren bittend und glöubig, werden wir
empfahen, und bevelhen söllichs abermals den actis.
[fol. 141v] Meyster Ulrich Zwingly:
Das die gab des gloubens vilen underscheidlich merer oder minder
geben werde, erkennen wir wol. Aber diß argument oder gegenwurff
wurd allein reychen uff die grösse des gloubens und nit uff das vermögen
des usserlichen worts; dann so der gloub das vermag und nitt
das usser wort, so haben wir recht und sind sy von irem spruch getrungen,
das das usser wort söllich vermögen hab als sy anzeygent
vonn wunderzeychen, die vom Petro [cf. Apg. 5. 15] gewürckt und durch
mich glöubigen nit gewürckt sind. Sag ich, das die red unser vordrig
meynung bestätet; dann die wunderwerk weder an minem glouben noch
am ussern wort stand. Deßhalb aber ir meynung zeruck lyt; dann
die kraft der wunderwercken nit an unserm glouben, sonders an der
wal gottes stand, darvon hie nit statt ist nach notdurfft ze reden.
Und sind die ort, die Christus vom starcken glouben redt [cf.
Matth. 21. 21], nit darwider.
Pfarrer von Sant Gallen:
Wir wüssend wol, das das wort des menschen alß eins menschen
nüt vermag. Aber so wir handlen uß dem bevelch und wort gottes,
so thuot es nit allein naturliche ding, sonders übernatürliche; das

--347--

eroffnet sich in dem wort, so Petrus dem herrn antwurt: "Gebieter,
durch die gantze nacht arbeitend haben wir nüt gefangen; in dynem
wort aber wil ich ußspannen das netz." Als sy söllichs thon haben,
haben sy umbschlossen ein grosse vile der vischen [Lk. 5. 5ff.]. Also
möchte zuogefuert werden der spruch 1. Petr. 1 [V. 25?] und Rö. 10
[V. 17]. [fol. 142]. Ouch die erst conclusion, darumb (ob gott will)
christenlich red gehalten worden.
Zwingly:
Da Petrus sprach: "In dinem wort wil ich das netz ußspreyten",
[Luc. 5. 5] beger ich von unserm bruoder, was usserlichen worts Petrus
geredt hab zuo des netzes inlassung?
Pfarrer von Sant gallen:
Wie es im text verfasset mitt allem inhalt, wil ich darzuo nüt thuon
noch darvon nemmen und im die wort des capitels zuo antwurt lassen.
Zwingly:
Ich trag die person des einfaltigen unnd bin es ouch. Sagen mir,
herr pfarrer, was heyßt hie wort, da er spricht: "In dinem wort wil
ich das netz ußspreiten"?
Pfarrer von sant Gallen:
Das wort ist das bevelch des herrn.
Zwingly:
Des verstands mögend sy sich nit annemmen, das Petrus mitt
keym usserlichen wort den huffen der vischen zemenbracht hab, dann
sy nütz anders vermögen dann sam Petrus spreche: "Herr so du
mich's heyssest, so wil ich's thuon." Wo ist aber hie das usser wort?
Deßhalb die wort: "Das ist myn lychnam", durch den unnd andre
gründ noch nie bewert sind, das sy vermögend den lychnam Christi

--348--

inn das brot wäsenlich [fol. 142v] bringen unnd bezüg mich das uff
eins yetliches Christen läsers verstand.
[fol. 142v-146] Burgauer bringt die Worte des Kelches,
Mt. 26. 27,28 zur Sprache. Er glaubt, daß mit diesen Worten wesentlich
ausgeteilt wird, was sie anzeigen. Zum Verständnis ist 2. Mos.
24. 7, 8 heranzuziehen: die Besprengung des Volkes mit Blut. Zur
Erneuerung des Bundes wird uns wesentlich das Blut Christi
mitgeteilt.
Oekolampad kann 2. Mos. 24. 7. 8 nicht auf das Abendmahl beziehen.
Der neue Bund ist am Kreuz begründet worden. Die Besprengung
eines jeden geschieht mit der Gnade des heiligen Geistes.
Auf die Frage Burgauers, was denn die Jünger getrunken hätten,
antwortet Oekolampad: Den Kelch oder den Wein, aber im Gedenken
an Christi Leiden.
Burgauer hält daran fest, daß der Herr in den Einsetzungsworten
das Blut mitgeteilt hat, das nachher am Kreuz vergossen wurde.
Oekolampad: Die Sündenvergebung erhalten wir nicht allein
durch die Sakramente, sondern durch das Vertrauen zu Christus, das
uns der Geist schenkt, Joh. 6. 40. Entscheidend ist das Kreuz.
Burgauer beruft sich auf die Worte: "Das ist mein Blut."
Oekolampad bezeichnet das als petitio principii. Die Worte, die
erklärt werden müssen, können nicht als Beweis herangezogen werden.
[fol. 146] Uff den 18. tag jenners.
Pfarrer von Sant Gallen:
Er will eine summarische Antwort geben: Alles das, so Christus
ye gethan, so es uns fruchtbar sein sol und nutzlich, von uns im
glouben und geyst verstanden und angenommen werden sol. Damit

--349--

aber das usserlich nit abgesündert als: "Essend, das ist min lyb" und
"Trinckend, das ist min bluot." Sunst hette Christus das brot in die
hend genommen und danck gesagt und gesprochen: "Nemmend und
essend, das thuond min ze gedencken und hette das wort "Das ist min
lyb" nit bedörffen. Ebenso hätte er die Worte "Das ist mein Blut"
weggelassen. [fol. 146v] Von dem anderen puncten, so es das bluot
des nüwen testaments genempt wirdt, sye ze verstan, als geschriben
ist Genesis am 17. mit sölichen worten [1. Mos. 17. 10, 11]: "Es sol
beschnittenn werden alles mennliches geschlächt und ir söllend beschnyden
das fleisch üwer vorhut, uff das es sye ein zeichen des pundts
zwüschen mir und üch." Hie merckt ein yeglicher zuohörend und ouch
läser, das sich der text des pundts halb selber ußleyt: es sye alleyn
ein zeychen. Stuende hie in den worten des nachtmals "Es ist ein
zeychen des testaments oder bluots", so möcht ich an disem ort versichret
sin. So aber stadt häll on alle ußlegung: "Das ist min bluot
des nüwen testaments" und nit ein bedütung, erlaubt unser Gewissen
keine Umdeutung.
Oekolampad: Gewiß ist in den Einsetzungsworten nichts von
Zeichen gesagt. Sie geben aber auch keine Handhabe für die Deutung
"Unter dem Brot" oder "In dem Brot ist mein Leib". Was versteht
Burgauer unter Neuem Testament?
[fol. 147v] Burgauer: Lk. 22. 20 kann nicht verstanden werden,
der Kelch sei das Neue Testament in meinem "Wein" . . . und soll
von dem wort "das [fol. 148] thuond in miner gedechtnus", so es ein
gedechtnuß heyßt, wirt da nit abgeschlagen das wäsen; dann die
gedechtnus nit allweg der abwäsenden dingen, sonder ouch der gegenwürtigen
vilmals sind, als des mengerley inzüg der geschrifft harin
bracht möchten werden als Exodi am 12. capitel [V. 42]: Was das
lamb das lamb und nütdesterminder ward die gedechtnus gehalten
des, so gott der herr inen in der wolthat erzeygt hat . . .
Zwingli:
Zuo ußtrag der sach bit ich unsere lieben brueder, das sy uns kurtzlich
herußlassend, was das nüw testament sye. Und so dasselbig
der heilig Paulus zun Hebreern am 8. [cf. Hebr. 8. 12] nennet, das

--350--

es das sye, das er barmhertzig werde sin unsern mißthaten und
unseren sünden und unserer übertrettungen niemmermer werde dencken,
als ouch Hieremie 31. capitel stat [cf. Jer. 31. 34], ob sy das nachlassind.
Pfarrer von Sant Gallen:
Uff die frag antwurt ich, das das nüw testament sye verzichung
und nachlassung der sünd im bluot Jesu Christi, wie da stat in der
ersten Joannis am ersten capitel [V. 7] "Das bluot Jesu reiniget uns
von unsern sünden".
Zwingly:
So nun das testament ist die frye nachlassung der sünd, so ist
schon erfochten und unsere brueder gewüß gmacht, das, so hie stat: das
tranck ist das [fol. 148v] nüw testament [cf. Luc. 22. 20], das tranck
nit das testament ist. Daruß sy dann erleernen, das das wort testament
an dem ort alls vill ist als zeychen des testaments.
Pfarrer von Sant Gallen:
Das das tranck nit sye das nüw testament, soll darby verstanden
werden und zuegesetzt "in mynem bluot"; dann sölichen verstand gar
häll und klar gibt Mattheus, so er sagt [Matth. 26. 28]: "Das ist myn
bluot des nüwen testaments, welches vergossen wirt zuo verzichung der
sünd." Darumb nochmals der handel nit erobert oder der spruch
Matth. nitt gnuogsam erklärt, als unser herr und bruoder vermeint.
Meister Ulrich Zwingly:
Unser span ist darumb, ob das tranck das testament sye, und
nit darumb, womit das testament überkommen sye. Wir schlahen
nitt ab, das uns die nachlassung der sünd mitt dem vergossnen bluot
Christi erworben sye, sonder söliche wort, die bevestnen unsern
grund, das das bluot Christi selbsselb nitt das testament ist, sonder
das wärd, damit uns das testament, welches da ist nachlassung der

--351--

sünd, erworben ist. Der buochstab lutet, das tranck sye das testament;
so ist nachlassung der sünd das testament, so muoß das wort testament
hie nit eygentlichen genommen werden.
Pfarrer von Sant Gallen:
Zuo ußlegung der worten, so herr meyster Ulrich fürgetragen,
erklärt Mattheus unnd Marcus, das das, so der herr das testament
geheyssen, den jün- [fol. 149] gern hatt dargereycht, welches er darnach
am crütz mit vergiessung syns bluots hatt vollendet.
Meister Ulrich Zwingly:
Diß ist nit ein antwurt uff das, das wir ervorschen. Wir wüssend
wol, was Mattheus und Marcus sagend; wir begeren an sy, ob sy
erkennind, das die vergeblich nachlassung der sünd das testament sye.
Pfarrer von Sant Gallen:
Mines verstands ist vor gnuog geantwurt, das das nüw testament
sye verzychung der sünd.
Zwingly:
Nun frag ich sy, ob zwey nüwe testament syend oder nun eins.
Pfarrer:
Antwurt ich: Es ist allein ein nüw testament.
Zwingly:
So volgt, das kein tranck das nüw testament sin mag.
Pfarrer von Sant Gallen:
Antwurt ich: kein tranck vermag das nüw testament sin. Aber
das bluot Christi, wie er geredt hatt durch Mattheum: "Das ist min
bluot des nüwen testaments" und Lucas ouch sagt: "in minem bluet etc."
[Matth. 26. 28; Luc. 22. 20].
Zwingly:
Das sind ir eigne wort: kein tranck mag das nüw testament sin,
das bluot Christi ist ein tranck (alß [fol. 149v] sy reden), so muoß das
bluot Christi nit das nüw testament sin.

--352--

Pfarrer von Sant Gallen:
Ne fiat processus in infinitum et ex theologo Aristotelicus, bevilch
ich söllichs den lesenden in den actis ze erkennen.
Zwingly:
So volgt nun, das die wort, "das tranck ist das nüw testament", nit
muessend schlächtlich noch wäsenlich verstanden werden, sonder das
per methonomiam, das ist durch ein nachnemen, das tranck des nachtmals
ein testament genempt wirt und aber nit ein testament ist,
sonder allein den namen empfacht von dem, des es ein zeychen ist.
Das aber das bluot Christi nit das testament sye, lerend die wort
Pauli selbs, so er von stunden an druff spricht: "in minem bluot"
[1. Cor. 11. 25], welchen sinn Mattheus und Marcus mit den worten
ußtrucken [Matth. 26. 28; Mc. 14. 24]: "Welches bluot für die menge
vergossen wirt zuo nachlassung der sünd." Hoff also, unsere brueder
erkennend, das wir mit dem spruch Genesis am 17. cap. [cf. Gen. 17. 11],
da die beschnidung ein testament genempt wird, nit erzwingen wellen,
das darumb dise wort ouch muessend verstanden werden ein zeychen des
testaments, sonder so wir hie in den worten selbs und mit dem grundtlichen
verheyssen des testaments erzwungen haben, das das tranck nit
wäsenlich das testament sye, so zühen wir denn glichsame ort der
gschrifft harin, an welchem man erlerne die art der reden des göttlichen
worts.
Pfarrer von Sant Gallen:
Wir lassen's by unser vorgethonen antwurt belyben.
[fol. 150] Zwingly:
Und also lassend's wir by unser erklärung beliben. Das aber
des osterlambs halb ist anzeygt, sye das osterlamb gegenwürtig
gewesen und hab nütdesterminder die egyptischen erlösung bedütet,
ouch das lämbly bedütet, sagen wir, das das lamb sich selbs
nit bedüten könd. Es was ouch das järlich fest nit ingesetzt zuo

--353--

gedechtnuß eins lambs, sonders zuo gedechtnus der egyptischen erlösung,
Exodi am 12. capitel [cf. Exod. 12. 42]. Daran wir wol mögen mercken,
das alls wenig das lamb sin selbs bedütnus was, sonders der egyptischen
erlösung, also wenig ist der lychnam Christi ein gedechtnus
des lychnams Christi. Sonder wie das lamb ein usser zeychen in der
gedechtnus und dancksagung der egyptischen erlösung ein bedütend
zeychen was, in welchem sich die kilch, das ist das volck Israel gegen
einandern offentlich uffthet, allso ouch in der kilchen Christi. So
die dancksagung der hellischen erlösung begangen, wirt das brot unnd
der wyn darin harumb getragen, usserlichen, bedüten unsere innere
vereinbarung des gloubens, durch den wir uff den tod Christi Jesu
verlassen sind, und stat also noch vest, das ein gegenwürtig ding
nit ein gedechtnus oder bedütnus sins selbs sin mag.
Pfarrer von Sant Gallen:
Das das brot und win söllichs alleyn sye, bekennen wir nochmalß
nit, verlassen uns also uff unser ingetragne erklärung, so wir villicht
wyters in anzeygung irer gründ mit der gnad gottes entschliessen werden.
[fol. 150v] Zwingly:
Wir veranlassen uns ouch uff die gründ und die erklärung von
uns anzeygt uß hällem gottes wort.
Burgauer: Wenn Paulus 1. Kor. 11. 27 vom unwürdigen Essen
und Trinken redet, dann kann er nicht das Essen und Trinken gewöhnlichen
Brotes und Weines meinen.
Meister Ulrich Zwingly:
Die ersten wort Pauli [1. Cor. 11. 27]: "Welcher nun das brot
und tranck des herren unwirdig essen unnd trincken wirdt etc." bedüten
unns iren verstand vor inen selbs har, so er also spricht:
"Welcher nun das brot essen wirt, etc." Da hören wir, das er's brot
nempt. Und sover er meynte uns schuldig werden an dem

--354--

geessnen lichnam, so mueßt er geredt haben: "Welcher nun den lychnam
un- [fol. 151] wirdig isset" und nit gar: "Welcher das brot unwirdig
isset." Volgt wyter: "ouch trincken wirt das tranck deß herrn unwirdig"
nempt es aber tranck und nit bluot. Aber diß wörtly "wirdig" heißt
als vil by Paulo unnd Luca 3. [cf. Luc. 3. 16] als geschickt, komlich
oder zuogehörig, uß dem erkennt wirt, das hie unwirdigklich nit
verstanden sol werden, das der mensch neywan möchte gnuog wirdig
sin zuo den aller kleynsten gaaben gottes. Darzuo ouch die aber den
lychnam Christi geystlichen niessen, welches doch vil ein ander essen
ist, weder das lyblich wäre, darvon sy sagend, den hatt gott wirdig
gemacht. Daruß nun volget, das "wirdig essen" nützit anders ist weder
mit dem rechten glouben harzuokommen, unwirdig essen aber nützit
anders weder one glouben harzuokommen. Da aber der gloub eynig
ervorderet wirt - nit ze gloubenn, das fleysch und bluot lyblich da
geessen werde; dann das gnuogsam erfochten ist, das wir darumb keins
verheyssens gotswort habend - sonder glouben, das der läbendig
sun gottes mit sinem tod uns erlößt hab. Es volgt wyter in den worten
Pauli [1. Cor. 11. 27]: "der wirt schuldig am lychnam und bluot des
herren", nit die er unwirdigklich geessen habe, sonder deren er sich ein
vertrösten valschlich dargeben hab. Das ist, er wil nit sagen, das
man in dem geessnen lyb schuldig werde, sonders das, welcher nit
gloubt, das er uns mit sinem lyb und bluot erlöst und gesübret hat,

--355--

ouch uff den sun gottes nit vertruwt ist, unnd aber zuo der kilchen
gadt, die sölich vertruwen und glouben vergicht, und er aber nit ein
glöubiger noch vertrüwter ist. Als da einer ein usser zeychen siner
herren von Bernn treyt unnd aber innwendig einem volck von Bernn
nit trüw halt, so wirt er geredt schuldig sin an denen von Bernn,
ob er [fol. 151v] sy glych nit hat mögen umbbringen. Oder da einer
der herren von Bern zeichen veruneret, drynschlecht oder sticht, hat
er nit die von Bernn geschlagen oder gestochen, und ist nütdesterminder
schuldig, das er die von Bernn geschlagen unnd veruneret
hat -. Die letsten wort Pauli [1. Cor. 11. 29]: "Wellicher aber isset
unnd trincket unwirdigklich, isset unnd trincket im selbs ein urteyl
oder verdamnuß, so er den lychnam des herren nit entscheydet",
habend den sinn, das, welcher zuo dem nachtmal oder dancksagung
gadt unnd uff den herren Jesum Christum nit recht vertrüwt ist,
der schetzet das nachtmal nützit anders weder ein ander gemein
maal. Er schetzt den tod Christi nienen hin, welcher tod unns by
dem wörtly lychnam ze verstan wirt gebenn, alß wir vormals gnuog
habend angezeygt, das, wenn man vom tod Christi redet, so redend
die propheten, euangelisten unnd apostlen darvon durch das wörtlin lychnam.
Es erfindt sich ouch in den selbsworten Christi [Luc. 22. 19]:
"Das ist min lychnam, tuond das zuo gedächtnus min", werden wir nit
geheyssen dancksagen dem lychnam, sonder dem tod am lychnam
erlitten. Also entscheydet der, so hie im nachtmal nitt mit rechtem
glouben erschynt, den lychnam, das ist den tod Christi, nit; das ist,
er schetzt inn nienen hin. Es sicht mich ouch für den natürlichen
sinn an, das er die Corinthern hie anruore darumb, das sy, wie
vormals gehört, ouch in den götzennmaalen erschinen, unnd welle
also sagen: Welcher nit mit rechtem glouben zuo dem nachtmal kumpt,
der verschetzt ye und verachtet die kilchen Christi (dann die kilch

--356--

der lychnam Christi ouch genempt wirt) und welle inen also sagen:
Welcher in eim götzenmal erschynet, der darff sich der conscientz
halb nützit [fol. 152] zuo erinneren [cf. 1. Cor. 10. 25-27]. So nun
under üch sind, die das nachtmal Christi mit etwas ungeschickte
beladen, so sicht man wol, das er äben on conscientz unnd on erinnerung
zuo dem mal kommen, wie er ouch in den götzennmalen erschinen
und verachten den tod und die gmeind Christi. Und habend sy also
mit den worten nützit bewärt.
Burgauer überläßt dem Leser das Urteil über Zwinglis lange
Erklärung. Das er aber vermeinet, Paulus nenne es brot, darumb
sye es brot, ist gewüß, das ein bruch der gschrifft ist, das mermals
ein ding den namen behalt, daruß es gemacht wirt, als der mensch
wirt geheyssen erdtrich, diewyl er uß erdtrich gestaltet ist, 1. Mos. 2. 7.
Ouch der schlang Moysi hat behaltenn den namen der ruoten, so der
text also spricht [2. Mos. 7. 12]: "Die ruot Aaronis hat verschluckt
die ruoten der zouberer." Darumb die namsung durch meister Ulrich
yngefuert nit sonders probiert. Derglychen ouch wir habend Jheremie
am 11. capitel [V. 19]: "Wir wellend ynlassenn das holtz in sin
brot etc.". Dadurch das wort brot lyb verstandenn wirdt. Ich hette
wol darfür, wäre es an disem ort der verstand Pauli also, wie er's
namset, brot, hette er ouch meldung than des worts wyn. Von dem
zeychen yngefuert, lassen wir als argumentum rationis den hörenden
und läsenden darumb erkennen.
[fol. 152v] Zwingly:
Wir erkennend wol, das offt ein ding den namen des behept,
daruß gemacht ist. Das dient aber hiehar nit; dann wo der lychnam
Christi uß dem brot gemacht wäre, so wär hie die verwandlung
der substanz des brots in die substantz des lychnams Christi, welche
versubstantzung sy mit unns nit erkennend, unnd thuond das recht

--357--

und christenlich; dann wo im anderst, so wäre nit allein das geschlächt
oder sam Abrahams angenommen, sonder ouch das geschlächt oder
samen des korns, wie vor gnuogsam erklärt ist. Den spruch Jheremie
am 11. capitel [Jer. 11. 19], der etwan ein andren sinn hat, weder
gemeinlich wirt angezeigt, bedarff keins verantwurtens; dann nach
sinem sinn stryt er nit wider uns. Das Paulus für und für trinckgschier
oder tranck nempt und nit wyn [cf. 1. Cor. 11. 26] mag nützit
helffen; dann sölichs gnuog ußgericht wirt mit den ußgetruckten worten
brot; dann equipollentia, das ist glychgeltende red erhaltend einandern
in glychem verstand. Empfelhend sölichs ouch allen christglöubigen
menschen nach dem grund angezeygter geschrifft.
Zwingly wyter:
Uff anvordrung, unsere gründ harfürzetragen, gebend wir im
namen gottes dise antwurt, in vorab bittende, das er uß göttlicher gnad
unns verliche, wider sin heyligs worts nienen ze gedencken, damit
weder lerende noch hörende ützit uß eygnem radt fürnemind: Erstlich
das Christus Jesus unser heyland, Johannis am 6. capitel
[Joh. 6. 33] selbs also geredt hat: "Das brot gottes ist, das von himmel
kumpt unnd der welt das läben gibt." An [fol. 153] welchen worten
wir merckend, das sich Christus den läbendigmacher nach der göttlichen
natur und krafft nennet. So nun die allein läbendig machet,
volget, das sin fleysch lyblich geessen nit läbendig machet, sonder alleyn
durch die würckung des göttlichen geists, in uns gegloubt, für uns den
tod erlitten haben. Welches aber nützit anders ist, weder durch
sinen tod uff die erbärmbd gottes versichret sin; dann so gott sinen

--358--

eygnen sun f r uns gegeben hat, das er uns mit im selbs versuente,
was möcht uns von im abgeschlagen werden, zun Römern am
8. capitel [cf. Rö. 8. 32]?
Zum anderen, das er daselbs spricht: "Ich bin das brot des läbens;
welicher zuo mir kompt (das ist mich erkennt unnd uff mich vertrüwt,
als hernach volget daselbs), den wirdt niemermer hungeren, unnd wellcher
in mich trüwet, den wirdt niemermer dürsten" [Joh. 6. 35]. In welchen
worten wir offenlich sechend, das das vertruwen der bryß, das höchst
und das recht ist. Und welcher das empfindt, der fraget nit wyter
nach andren mitlen, die in tröstind oder versicherind; glych als ouch
in menschlichen hendlen, welcher eins dings selbs mit sechen, hören
und erfaren bericht ist, der bedarff nit, das im ein anderer von dem
sag, das er selbs gewüß weißt. Also ist ouch der gloub ein gewüß
unnd ungezwyffelt ding, das sich der mensch uff gott hinlaßt unnd
weyßt, wäm er gloubt, und bedarff nit, das man inn zuo versicherung
weder uff essenn noch uff trincken wyse; dann wo der geyst ist, der
da sicher machet (welche versicherung der läbendig gloub ist), da ist
keyn hunger noch durst nach wyterer versicherung oder trostung, oder
aber die, so im geyst angefangen habend, mueßtend erst im fleysch
ouch lyblich geessen trost suochen unnd gevolkomnet werden. Welliches
doch von Paulo [fol. 153v] zun Galathern am 3. capitel [Gal. 3. 3]
gescholten wirt, so er spricht: "Wellend ir im fleisch erst volkomnet
unnd ußgemachet werden, so ir im geyst habend angehept?" Deßhalb
wir uß glouben unnd sicherung gottes sechend, das uns kein essen
nützet, sonder glouben, wir nemmind dann essen für glouben. Andre
stucke, mit denen angezeygt, uß dem 6. capitel Johannis, ist nit not
wyter ze äfferen.
Zum dritten, das Christus (nachdem die Juden durch das wort
essen, mit dem er doch vertrüwen ze verstan gab, daruff fielend, das
er meinte, man mueßte sin fleisch lyblich essen) inen die antwurt gibt:
[Joh. 6. 63] "Der geist ist der,der do läbendig macht, das fleisch ist gar
ghein nütz." Nun wüssend wir ungezwyfelt, das das fleisch Christi vil
nutzes gebracht, aber getöt, und so vil uns gott in synem läben und

--359--

wandel ein christenlich läben dorinn vorgebildet hatt. Aber lyplich
ze essen ist es ghein nütz nit, dann es muoß allein geist sin, das die
seel läbendig macht. So werdend wir im sacrament mit lyplichem
fleisch und bluot ye nit gespyst, so sy nit nutz sind.
Zum 4. Das die artickel des gloubens "Er ist ufgefaren zuo den
himmlen und sitzt zur grechten gottes vatters allmechtigen" und "dannen
er künftig ist ze richten die läbenden und todten" nit erlyden mögend,
das er von einot hie lyplich sye, wir gschwygend geesen werd; dann
wir wüssend us Luca 2. [Lk. 2. 40], das er nach der menscheit wuochs
und zuonam, am alter und wysheit etc. Daran wir wol merckend, das
sin menscheit nit nach der gotheit unentlich oder unermesslich, sunder
yngezilet und ermesslich der menschlichen substantz nach gewesen ist.
Darus allem volgt, das sin menscheit nit me denn an einem ort ordenlich
sin mag, obglych die kraft gottes allenthalb ist. Desshalb er
lyplich by uns ordenlich nit sin mag nach Marcus wort 16. und
Lucas act. 1 [Mk. 16. 19; Apg. 1. 2, 9ff.] bis an den tag, da er ze gricht
sitzen wirt etc. nach den articklen des gloubens.
Zum 5. spricht Paulus Hebr. 2 [Hebr. 2. 16]: "Er hatt die
engelischen [Rückseite] natur nit an sich genomen (in welchem wort
aller höchsten und nidresten creaturen natur verstanden wirt), sunder
des gschlecht oder samen Abrahams hatt er an sich genomen, damit
er den bruedren, die er erlösen solt, in alle weg glych wär" etc.

--360--

In welchen worten wir wol sehend, das er die wort "Das ist min
lychnam" nit also geredt hatt, das das brot und wyn syn lychnam und
bluot sye oder aber das brot und wyn müesstind von imm als wol angenomen
sin als ouch die menscheit, und so das, müesste er sich ouch
zuo erlösung brots und wyns underwunden haben. Davon gnuog gesagt.
Zum 6. spricht Paulus 2. cor. 5. [2. Kor. 5. 16]: "Alsso erkennen
wir fürhin niemanen nach dem fleisch, und ob wir glych Christum
nach dem fleisch erkennt habend, so erkennend wir inn nit me nach
dem fleisch etc." In welchen worten wir ouch sehend, das Paulus
in dem usserlichen fleisch Christi über die erlösung nützid suocht etc.
Us denen gründen werdend wir zwungen etc. Significare non
nostrum esse, sed dei: sed veterum Ambrosii, Hieronymi, quos non
probandi, sed excusandi causa etc.
Apostolos sic esse usus act. 2 [Apg. 2. 42]. Analogia fidei, concordia
scripturę.
Hęc pluribus exponenda.
Zum sibendenn wellend wir ouch anzeygt habenn das ort Matthei
am 24. capitel [cf. Matth. 24. 23ff.], da Christus die für valsch propheten
anzeiget, die Christum hie oder dört wurdind zeigen; dann, welche
inn im brot zeygend, die zeigend in verirlicher an weder die, die da
sprechend: "Er ist im huß" oder "er ist im väld." So wir nun durch
liecht so gwaltiger orten der geschrifft gezwungen werden, dise wort
"das ist min lychnam" nit ze verston von dem liblichen, wäsenlichen
lichnam Christi, erkennen [fol. 154v] wir, das dise wort einen anderen
sinn weder wäsenlich haben muessend, und so von mengklichen aller
Christen ouch mit der kundtschafft Pauli in der ersten epistel zun
Corinthern am 5. capitel [cf. 1. Cor. 5. 7]: das osterlamb im alten

--361--

testament ein vorbedütnuß gewäsen ist des rechtenn lambs Christi,
welches nit allein die IsraëlerEgypten gefuert, sonder die gantzen
welt uß gewalt des tüffels und verdamnuß erlößt hat. So erkennen
wir, das der heylig geyst, durch den die gschrifft geschriben ist, in der
anderen Petri 1. capitel [cf. 2. Petr. 1. 21] in dem mund Christi
Jesu die wort gebrucht hat, die er ouch vormals in der vorbedütenden
dancksagung gebrucht, darmit er in allen sinen worten athmen empfunden
wurde. Nun stadt Exodi am 12. capitel [Exod. 12. 11] also:
"Unnd ir werdend das osterlamb also essen: Üwer lende söllend gürt
sin, üwer schuoch an üwern fuessen und stäb in üweren henden. Ir
werdend's ouch mit yl essen, das ist der überschritt des herren." Hie
sechend wir, das das osterlamb nit das überhupffen oder der überschritt
was, sonder daß das fäst oder hochzytlicher tag, an dem man
widerumb gott dancket des überschritts, da er sy überhupfft hat unnd
die Egypter erstgeborne erschlagen, das das lamb genempt wirt der
überschritt darumb, das es ein gmein maß oder usserliche oder sacramentliche
spyß was, die man gemeinlich miteinandern brucht uff
derselben dancksagung. Und vermag dises wort "ist", hebraice ‎‏הוא‏‎,
an dem ort also vil als: es ist ein gedächtnus, es ist ein figur, es
ist ein bedütnuß. Darus wir eygenlich sechen, das ouch die gegenwürtigen
wort "das ist min lychnam" nützit anders wellenn weder das
fäst unnd das brot, das am fäst der dancksagung umbgetragen wordenn,
nit dermaß ge- [fol. 155] nempt werden der lychnam Christi, das
sy derselb wäsenlich und lyplich syend oder er under denen lyplich
und wäsenlich geessen werd, sonder das sy das gemeyn zeychen
syend, das im nachtmal harumb getragen wirt, das da bedüte und
ein figur oder wideräffrung sye des lychnams Christi für uns getödt.
Hie werden unsere gegensächer verletzt unnd meynend, es sye fräven,

--362--

das wort "ist" durch "bedüten" vertolmeschet. Dargegen wir sagen:
Verletzt sy diß wort "bedüten", so lassen sich doch nitt verletzen das
wort "zuo gedechtnus min"; dann so wir glich reden "bedütet" oder
"ist ein figur", meinen wir doch nüt anders damit, weder das es ein
widergedechtnus sye, und wellen unsere wort "bedüten" oder "figur
sin" nüt wyter ußtilcken, dann das wort Christi "thuonds mynen zu
gedencken" vermag. Zuodem hatt sich Ambrosius des worts "bedütengeuebt,
Jheronimus deßglichen des worts "repraesentandi", Tertulianus
"figura existendi", welches doch alles wir yetzmal hinvallen
lassen unnd allein anzeygen, das wir weder nüwe meynung noch nüwe
wort uff die ban bringen etc.
Zum letstenn habend ouch die apostel, Actorum am 2. capitel
[Apg. 2. 42], den bruch des nachtmals nit anders gehalten, weder
wir anzeygen. Da allso stat: "Sy hiegend aber gentzlich an der ler
der aposteln und der gmeynd und dem brechen des brots und dem
gebätt", hie sehend wir die einfaltigkeyt des beschribens Luce, das
er'ß nit nempt das ußteylen des lichnams und bluot Christi, sonder
das brechen des brots. (Und ist aleosis, ubi e duobus comparibus
alterum nomenclaturam obtinet).
Diß zeygenn wir an für die gründ und trenng der gschrifft, die
uns zuo dem verstand bezwungen haben; dann wir ouch eym yeden
wort gottes glouben. Und so die wort offentlich erfunden werden, wider
einandern sin (nach dem ersten [fol. 155v] ansehen), so berueffen wir
die änliche des gloubens mit dem instrument oder brieff der gschrifft
ze urteyl. Möchten noch wol vil mer gründ anzeygen, die wir aber
von kürtze wegen ersparen.
Burgauer: Joh. 6. 63 spricht nicht gegen den leiblichen Genuß des
Fleisches Christi, sondern nur gegen ein fleischliches Verständnis Christi
überhaupt.

--363--

[fol. 156] Oekolampad gibt eine ausführliche Exegese von
Joh. 6. 61-63: Es was ein ergernus under vilen der jüngern des herrn
von wägen der geredten wort und ergerten sich doch etlich nit darab,
nachdem und sy den verstand von Christo empfiengen, so erklärt
Christus sin wort wyter und sagt in fragwyß: "Ergert üch das?"
vermeint, das er von synem fleysch geredt hat, das es geessen sölt
werden, und setzt ein kurtze abgebrochne frag: "Wolan so ir sehend
den sun des menschen uffstigen, da er vor was -", und erfült die
red nit, wil inen aber sagen: "So ich gen himmel far, werden ir üch
denn ouch ergern?" Als welt er sagen: "Frilich neyn, sonder so ir
empfahend den heiligen geyst, werdent ir richlich erkennen, ja ouch
ander leeren, wie alle gnuogsame, wie aller trost und settigung und
das war läben stand in dem vertruwen in Christum, das war himmelbrot
[fol. 156v]." Und leert sy dann wyter, wie sölche settigung und
spyßung geschech, nemlich so inen geben werd der geyst; "dann der
geyst ist, der da läbenhafftig macht". Christus will also sagen: Das
Fleisch essen nützt nichts. Wir wollen nicht sagen, daß das Fleisch
Christi überhaupt nichts nütze.
[fol. 157] Pfarrer von Sant Gallen:
Erstlich unnsere ingefuerten erklärung über die angezognen wort
mit gegebner antwurt umb kürtze willen bevelhen wir's den actis und
dem christenlichen läser.
Ecolampadius:
Wir bevelhen's ouch der kilchen Christi und allen christenlichen
läsern.

--364--

Pfarrer von Sant gallen:
Von den dryen articklen des gloubens, namlich das er sye uffgefaren
gen himlen, söllen wüssen alle christliche hertzen, da Christus
das nachtmal hatt ingesetzt mit den worten: "Nemmend und essend,
das ist myn lyb" [Mt. 26. 26], ist er by synen jüngern noch uff erden
gewesen und die himmelfart nochmals nit volfuert; darumb, das er
gen himmel gestigen uß göttlicher krafft, so er's vor hatt geredt im
sterblichen läben, nit zuo entgegen sin kan, diewyl und Christus nach
gemeynem unserm glouben, als wir bekennen, in eins sin mit dem
vatter, Joh.10.30 [fol. 157v], unnd im gegeben sin aller gewalt im
himmel und uff erden [Mt. 28. 18]. Söllte der nit wyß unnd mittel
wüssen, sin lyb mögen mitteylen inn krafft der offt angezognen
worten. Dann als er natürlich geboren und gelebet hat, durch
meyster Ulrich Lk. 2. 40 angezogen, also derglichen hatt er vil
übernatürliche ding im lyb gewürcket uß göttlicher krafft und macht,
als da ist die geschicht der ußteylung der fünff brotten in die fünfftusend
menschen [Mt. 14. 13ff.], ane das, so überbeliben; dann wie wir
uß ordnung gottes und der natur mit unsern ougen die vile der menschen
mögen sehen unnd nur eyn oug ist oder zwey, ein wort in vilen oren
gehört, also so wir betrachten den, so sollichs redet. Und diewyl es
vor der himmelfart beschehen ist, soll das wort (er ist uffgefaren) söllichem
nit entgegen sin.

--365--

Bucer antwortet auf den zweiten Einwand. Die menschliche Natur
Christi ist nicht mit der göttlichen vermischt, muß also an einem Ort,
nämlich zur Rechten des Vaters sein. Christus ist mit seinem Geist
und seiner Kraft gegenwärtig.
[fol. 158 v] Burgauer hält es für überflüssig, über den ersten
Artikel sich weiter auszusprechen; [fol. 159] dann allein diewyl
wir gloubent in Christum Jesum, lut des artickels des gloubens:
Als er ist übernatürlich empfangen, übernatürlich von der muoter geboren,
also sölichs alles so zuo verantwurten, bevelchend wir der allmechtigkeyt
gottes, darwider sy sich nit ze redenn noch ze handlen ouch
mermals bezügt hand. Uff den andren artickel des gloubens, der
da lutet: Er sitzt zuo der gerechten sins himmelschen vatters, könnend
wir sölichs nit anders verstan, dann er nach der gottheyt glyches
wäsens, gewalts und herligkeit allweg gsin und bliben. Sol es verstanden
werden zuo der gerechten sitzen nach der menscheyt: dann im
vor nach der gottheyt alles underworffenn, Psalmo 8 [V. 6.7]; dann
es stadt geschriben Johannis am 17. [V. 4. 5]: "Ich hab dich verklärt
vatter uff der erden, ich hab das werck volbracht, das du mir
hast geben, das ich solt thuon. Jetz verklär du mich by dir selber mit
der klarheit, welche ich gehapt hab by dir, ee und die welt wurde."
Dergestalt ouch zun Hebreern am 2. cap. [V. 7] "Du hast in gemindert
ein wenig under die engel", derglychen ouch als er ist yngangen

--366--

zuo beschloßnen thüren und uß dem grab [Joh. 20. 19; Mt. 28.2],
erzeyget alles und probiert die unußsprechenliche vereinigung der göttlichen
natur zuo dem menschlichen wäsen. So nun vorhin durch min herr
Butzer yngefuert wordenn ist, er sye der menscheyt nach von uns genommen
in die unsichtbarliche herrligkeyt Gottes, welche herligkeyt
gottes erfüllet himmel und erden, so ist die gerechte gottes kein sonders
ort. Uß disem allem, wo der lyb Christi also an eynem sonderen ort
sin muoßte, möchte er theophorus genant wer- [fol. 159 v] den, das ist,
gott allein durch die gnad in im habend . . .
Bucer hält daran fest, daß Christus trotz seiner übernatürlichen
Geburt wahrer Mensch ist und seiner menschlichen Natur nach lokal
begrenzt bleibt. Er ist nur der Gottheit nach überall. Es steht nicht
geschrieben, daß er aus dem verschlossenen Grab durch den Stein hindurch
und durch die verschlossenen Türen gegangen sei, sondern nur:
"Am Abend, als die Türen geschlossen waren . . ."
[fol. 160 v] Pfarrer von Sant Gallen: Uf den dritten artickel
des gloubens: Von dannen er künfftig ist zuo richten über die läbenden
und todten etc. Als dann vormals angezogen ist der spruch Pauli
1. Kor. 11. 26, das wir die gedächtnuß des herren halten söllen, biß er
kumpt, und also sin tod verkünden, daruß ze verstan ist, das wir söllen
sölich sin wolthat des lydens mit christenlicher haltung des nachtmals

--367--

biß zuo end der welt zuo halten nit underlassenn; dann Christus im
selbs das erdtrich unsichtbarlicher wyß nit abgeschlagen hat, sonders
söllend die wort an disem ort wie ouch Apg. 1. 9-11 von einer herlichen,
gwaltigen zuokunfft und sichtbarlicher eroffnung verstanden werden
als ein richter der läbendigen und todten, so er doch sagt, Mt. 28. 20:
"Ich bin by üch byß an das end der welt." Dargegen aber die gschrifft
meldet [Mt. 26. 11]: "Die armen habend ir allweg by üch, mich werdend
ir aber nit allweg haben", ist also ze verstan, wie sölichs entscheydet
Paulus, 2. Kor. 5. 16: "Unnd so wir Jesum erkennen, thuond wir doch
sölichs nit nach dem fleisch", welches allein uff die usserlichen, sichtbarlichen
bywonung ze verstan ist; dann wir ye Christum suster nach
gemeinem glouben unsern mitbruoder im fleysch gelitten haben und uns
erlößt bekennen. [fol. 161] Also wirt er nit mer by unns verachtlich
bywonen, sonders wirt kommen, das ist sich eroffnen in der herrlikeit
sines vatters mit sinen englen, Matth. 25.31. Ist also die urstende und
uffart Christi endtlichen ze verstan ein bekrefftigung aller worten und
wercken Christi, so Moyses und die Propheten und alle gschrifft
von im bezüget hat. Daruß ich endtlich beschlüß zuo einem christenlichen
bescheyd, so er die wort geredt hat des nachtmals vor siner
himmelfart, sye die himmelfart den worten nit entgegen.
Bucer: Christus wäre also leiblich, aber unsichtbar bei uns. Davon
sagt die Schrift nichts. Eine leibliche Gegenwart ist nicht bezeugt und
nicht nötig.
Uff den 19. tag jenners.
Pfarrer von Sant Gallen: Hoch und wolgelert, fürsichtig, wyß,
gnädig herren und christenlichen brueder! Wie ir hie versamlet sind,

--368--

den beschluß, des ich mich uff gestrigen tag in die fädern ze erzellen
erbotten hab, mit kurtzer meldung über die vierd conclusion, gib ich
also für. Also stadt min gewüßne yetzmal, darumb min begärenn ist,
das mir niemands nüt verargere (gott welle allzyt sin gnad geben),
namlich das ich bekenn, mich uß fürgehaltnen gegenschrifften und erklärungen
miner geliebten herren und bruederen Zwingly, Ecolampadij
und Buceri dergestalt bericht sin, das ich, als ich zuo der stund besinnet
und willens bin, mich gegen diser schlußred dergestalt, wie gethan, nit
ynzelassen noch widerfechten, guoter hoffnung, die gnad gottes, durch
welche das liecht der warheyt etlich jar so schynbarlich eroffnet hat,
werde in gegenwürtigem handel mir und anderen ouch entdecken, was
für ungezwyffelt daran anzenemmen sye; und wil also mir alle zyt
wyter bericht mit gottes wort vorbehalten haben. Und hiemit minen
mitthafften, so an disem tisch gesessen, nüt uffgelegt noch abgenommen
haben, befilch sölichs alles in summa göttlicher erlychtigung unnd dem
christenlichen läser.
Dominicus Zilli, predicant zuo Sant Gallen [fol. 162] hofft,
Burgauer werde sich auch in den noch verbleibenden Meinungsverschiedenheiten
belehren lassen.
Theobaldus Huotter, pfarrer von Apenzell: "Nemend hin
und essend, das ist min lyb" [Matth. 26.26] ist offt und mengßmal
diß tags gehandelt, vil gschrifft da angezeygt mit red und antwurt dargethon.
So aber meyster Ulrich Zwingli das wörtli "ist" - und ander

--369--

mit im - wellen allwegen uff "düten" zyehen, als ob man sprechen sölte
"das dütet min lyb etc." Am selben etwas ingelegt mit syner declaration,
zuo bewären das wörtli "ist" uff "düten", welche declaration ich nit
annim, und das, als ich hoff, mitt guoter ursach. Namlich so die dry
euangelisten Matheus, Marcus und Lucas die meldung thuond und
under min allen dryen keiner uff, düten" ußgelegt. Deßglichen das usserwelt
vaß [cf. Apg.9.15] Paulus ouch mit [fol. 162v] inen zuostimpt. Da
wol zuo verstan ist eim yegklichen christenmenschen, wenn die meinung
des herrn wäre uff dütung gewäsen, es wäre heyter angezeygt worden,
etlicher under inen hette es uff "düten" angezeygt oder ußgeleit; dann
sölte man das wörtly "ist" hie uff "düten" nemmen, wie sy sagen,
möcht uns wol schaden daruß entspringen an unsern ungezwyffelten
glouben an andern orten, so man es ouch also nemmen welte, namlich
Joh. 1.14 "Das wort ist fleysch worden", item Lk. 2.11 "Hüt ist uns
geborn der behalter der welt." Sölte nun an disen beyden orten das
wörtly "ist" für "bedüten" genommen werden, was möchte uns daruß
entston in künfftiger zyt. Item vonn dem spruch Joh. 6.63 "Fleysch
ist kein nütz" . . . wil meyster Ulrich mit siner declaration unnd
verstand ziehen uff das fleysch Christi, welchen sinen verstand ich
nit annim; dann der herr Jesus Christus schlechtlich redt "fleysch
ist kein nütz", laßt haruß das wörtli "myn", so er doch vor allweg
und der merteyl, wo er von synem fleysch redt, gesprochen "myn fleysch
etc." Daby wol ze verstan ist, das der herr nit von sinem fleysch geredt
hatt, sonder von dem fleyschlichen verstand, als der herr ouch anzeygt
Petro, Matth. 16.17 "Fleysch und bluot hand dir das nit geoffenbaret,
sonder min vatter, der im himel ist." Deßglichen 1. Kor. 15.50 und
Rö. 8.7. Item als sy dann stäts für und für alle ding ziehen uff den
glouben unnd vertruwen, sagend wir ouch, man sölle es thuon, aber daby
[fol. 163] der liebi nit vergessen, das wir nit zuo zyten dem glouben
zuogeben, das wir der lieby gottes zuogeben söllen, als Paulus spricht:
"Hette ich allen glouben und die lieby nit, wäre es mir nit nütz"

--370--

[1. Kor. 13.3]. Dann so wir den kostbarlichen schatz war fleysch und
bluot niessend, söllend wir das allweg mit glouben, lieby und hoffnung
thuon, als uns Paulus ermanet, das wir das würdigklichen söllen niessen,
tröuwt unns wie zuo den Corinth[ern]: "Wär das unwirdigklich nüßt,
wol daruß, das da ist war fleysch und bluot Christi; dann wär es nit da,
sonders schlecht brot, der apostel Paulus hette wol gesagt, wirt schuldig
an dem brot unnd nit an dem lyb des herrn. Die gloß, so meyster
Ulrich Zwingli über das wörtly "unwirdig" dargethon, nim ich nit
an; dann es nit gnuogsam bewert uß biblischer schrifft, als ich hoff.
Item von dero sprüchen "Er ist uffgefaren zuo dem himmel. Sytzet
zuo der rechten gottes des vatters allmechtigen", vermeint damit, er mög
nit mer by uns uff erd lyplich sin, arguiert, darumb mög er nitt im
sacrament sin, also her Marti Butzer heyter gesagt, Christus mög
nit zemal an zweyen orten lyplich sin, antwurt ich im, das er's nit wol
betrachtet hatt die almechtigkeyt gottes, alß durch den heyligen euangelisten
Lucam angezeygt, wie der engel zuo Maria sprach: "Es wirt nit
unmöglich sin by got alles wort" [Lk. 1.37]. So er ingefuert, wie er
sitze zuo der gerechten gottes, sagen wir ouch. Aber das er yetz by
uns nit mög sin lyplich, lassent wir nit nach; dann wir haben ußgetruckte
gschrifft Apg. 9.3-5 [fol. 163v] . . . Da sehend Christen, wie
der herr Jesus vor Damasco by Paulo was und nüt desterminder
gesessen ist zuo der gerechten gottes syns vatters.
Item 1. Kor. 15.8 . . . Item den spruch Mk. 13.21 . . . Dise wort
wellend nit verstanden werden von unserm sacrament, so wir sagen,
Christus ist im sacrament under der gestalt wyns und brots, als wir
ungezwyffelt glouben, syn fleysch und bluot ze sin, sonder gat uff die
letste zyt, in welcher der herr sy warnet: ,.Es werden schwäre kümbernus
und truebsal ufferstan, die noch nie sind gesin von anfang der welt"
[Mk. 13.19], wie dann der text vor unnd nach klarlich anzeygt, das

--371--

diser spruch nit verstanden soll werden geredt von disem sacrament
lybs und bluots Christi.
Zwingly:
Alles, das hie anzogen, ist gnuogsam vorhin verantwurt, gar wenig
ußgenommen. Als er erstlich spricht, wie ich dargeben hab, man sölle
"ist" verkern in "bedütet", ist nit also geredt, sonders "ist" wirt genommen
für "bedütet", "zeychnet" oder "wirdt gebrucht" zuo ingedechtnus.
Es muß ouch hierumb nit an allen orten "ist" für "bedütet"
genommen werden, sonder da uns die geschrifft und änliche des gloubens
darzuo zwingt. Das die apostel und euangelisten nienen "bedütet" geschriben
haben, ist kein wunder; wir haben uß der art ir sprach gnuogsam
anzeygt, das sy in sölcher reden "ist" für "bedütet" bruchen.
Deß- [fol. 164] halb der kilchen dhein irthumb daruß entstan mag.
Das er ynzogen wider den spruch "das fleisch ist kein nütz", ist erklärt
unnd verantwurt. Das er ynzogen "das fleisch und das bluot
habind es dir nit geoffenbaret" [Matth. 16. 17] und derglychen ort der
gschrifft, strytet nit wider uns. Das er meint, es sye ze besorgen,
das wir dem glouben ze vil zuogeben; dann Paulus vernüte den
glouben on die liebe [cf. 1. Cor. 13.2], verstadt er noch nit, das
Paulus gloubenn nimpt glych wie der heylig Jacobus in siner epistel
für den sinn oder meinung "des da gloubt wirt", welichen sinn und
meynung vil mit dem mund verjechend, die sy aber im hertzen mit
vertruwen nit habend [cf. Jac. 2. 14ff.]. Da ist gwüß, das söllicher gloub
nützit nütz ist; dann es ist nit der gloub, von dem man redt, das
der sälig machet; dann derselb gloub ist ein ungezwyffelte verrichtung
unnd brunst des menschlichen hertzen gegen gott. "So wirt er schuldig
des lybs und bluots Christi etc." [1. Cor. 11. 27] ist ouch verantwurt.
Wir redend ouch nitt also, das im sacrament gar nützit sye, sonders
wir erkennend das im sacrament, das näbend dem brot und wyn die
meldung des todts Christi beschech, nit allein mit worten, sonder in

--372--

unserem hertzen. Das gehört zum sacrament des nachtmals. Das
unser herr Jesus Paulo erschinen sye, Actorum am 9. capitel [cf.
Apg. 9. 3ff.] unnd nütdestweniger zuo der gerechten gottes sye gewesen,
gestan wir nit; dann so er im himmel gewäsen, so ist die erschynung
Paulo geschechen durch engelsche zuodienung verordnet, als wir habend
Actorum am 7. capitel [cf. Apg. 7. 53], das gott das gsatz geben habe
mit verordnung der englen, und habend aber in den buechern Moysis,
das gott das gsatz hab gebenn [cf. 2. Mos. 19 u. 20; 34.1]. Wölte nun
yemand stryten, es wär wider einander, das da stuende an einem ort:
"gott hat mit Mosi geredt und gsatz [fol. 164v] geben" und aber am andren
"er hat's durch die engel geben", so verstan wir ye, das söliche würckungen
gottes, die er durch sine engel würckt, im als dem ersten autor
und houptsecher recht zuogeben werden. So man es aber von den englen
seyt, ist nütdestminder die eer gottes und ist doch allein die substantz
der engel in einer gstalt, die gott gefallen hat, erschinen. Also stadt
es ouch umb die erschynung gottes Abraham beschechen, dem doch
dry engel erschinen sind nach der gestalt [cf. 1. Mos. 18. 2]. Ist aber
Christus Jesus Paulo uff erden mit eygner person sins lybs erschinen,
so ist sin lyb persönlich diewyl er by der gerechten gottes nit gewäsen;
dann als wenig unsere lychnam nach der urstende mer dann an einem
ort sind, also ist ouch der lychnam Christi, der in all weg unserm
glych ist, allein an einem ort (confutandi gratia dictum). Uß dem
volgt, das die erschynung Paulo beschechen von unns nit also soll
gemessen werden, als ob Christus herab gefaren sye und die gerechten
gottes verlassen, sonder wir wellend die wort Pauli 2. epistel zun
Corinthern am 12. capitel [2. Cor. 12.2] selbs hören, an welchem wir
mercken werdend, das die erschynung ein wunderbarlich verzucken
Pauli gesin ist, ouch ein wunderbarliche offenbarung der heimligkeit
gottes, und spricht also: "Ich weyß, das derselb mensch (sich verstande)
verzuckt ist worden biß in dritten himmel, und weyß doch nit,
ob es dem menschen beschehen ist im lyb oder usserthalb dem lyb."
In welchen worten wir gsechen, das Paulus die himmelschen liecht
und freüd, die im gott verlichen hat, selbs nitt also bedütet, als ob

--373--

Christus zuo im lyblich herab kommen sye, und spricht wyter
[2. Cor. 12.3-4]: "Ich weyß ouch, das er verzuckt ist in das paradyß."
Nun ist wüssenbar, das in das lyblich paradyß niemand mer kompt
[fol. 165]; dann gott hat das verschlossenn unnd verhuet, das die
menschen nit daryn kommend, Genesis 3. capitel [cf. 1. Mos. 3. 24].
Deßhalb paradyß an disem ort genommen wird für fröud unnd wunne.
Welches alles alleyn bewärt, das die erschynung Jesu Christi Paulo
beschechen nit sol gemessen werden, das Christi lychnam darumb
mer dann an einem ort sye; dann Paulus selbs erkennt, das er uffhin
erhept sye, wüsse doch nit eygenlich, ob es mit sinem lyb oder on
sinem lyb beschechen sye. Also allein geystlich ist die erschynung
beschechen.
Das ort Matthei am 24. capitel [Matth. 24. 23] "Hie oder dört ist
Christus" sölle nit von dem sacrament verstanden werden, sonder von
den letsten zyten. Sol herr pfarrer wüssen, das die letsten zyt Christo
und sinen apostlen alle die zyt heyßt, die von der zyt Christi ist biß
zuo end der welt.
Die allmechtigkeit gottes erkennen wir wol, das dero alle ding
möglich sind; es sol aber daby erwägen werden, das äben die selb allmechtigkeyt
mitt ir krafft das waar machet, das mit rechtverstandner
geschrifft oder gottes wort inen entgegenstadt, als ouch das, das sy
vermeinend, allein mit der allmechtigkeit ze beschirmenn; dann gott im
selbs nitt widerwertig ist. Unnd wie er geredt hatt: "Ich wird fürhin
nümmen in der welt sin", Johannis am 17. capitel [Joh. 17. 11], also
ist er ouch mächtig, das niemand inn lyblich in die welt zwingen
mag wider sin wort. Er ist ouch so waar, das er sich selbs nit
velscht.
Huoter verweist auf seine bisherigen Ausführungen und will sich
der allgemeinen christlichen Kirche unterwerfen.

--374--

[fol. 165 v] Item von der verwandlung des brots ist wol ze
vermerckenn, indem so der herr Matth. 26. 26ff. da der herr hat genommen
das brot in sine hend etc. und darnach gesprochen: "Das ist
min lyb", er zum ersten brot nempt und darnach spricht: "Das ist
min lyb", das dardurch die allmechtigkeyt unnd krafft sines worts ein
verwandlung des brots ist geschechen . . . . Wie wol zuo verstan ist,
daß die christenlich kilch die gschrifft recht verstadt, und zuo einem
besseren verstand, habend wir Joh. 6. 51 ein klare ußlegung von Christo,
so er spricht: "Das brot, so ich üch geben wird", gibt der herr uns
ein verstand und ußlegung, was es sye, und spricht: "Das ist min
fleysch", als ob er spreche: "Das vor brot was, ist yetz min fleysch."
Was kondt der herr Jesus Christus uns hällers, heiterers und klarers
gesagt haben?
Waltherus Klarer von Apentzell, pfarrer zuo Hundwyl
richtet an Huoter die Frage, [fol. 166] ob er das, was durch das göttliche
Wort erwiesen werde, auch anerkenne, da er doch gesagt habe, er
nehme nur an, was zu Baden disputiert worden sei und was die päpstliche
Kirche gelten lasse, und ob Huoter bei den Einsetzungsworten über
dem Brot glaube, der sterbliche oder der unsterbliche, verklärte Leib
Christi sei gegenwärtig.
[fol. 166 v-167] Huoter will, sofern er durch das Wort Gottes
nicht eines andern belehrt wird, bei den Satzungen der Kirche bleiben.
Christus hat den Leib, der gelitten hat und der gen Himmel gefahren
ist, gegeben.
Klarer: Essen wir den Leib, der für uns gelitten hat, dann müssen
wir das beim Essen empfinden; denn der Leib hat beim Leiden auch
Empfindungen gehabt.
Pfarrer von Appenzell: Das er inen sin wäsenlichen lyb, bluot
und fleysch under der gestalt des brots unnd wyns zuo essen geben hab,
findt man dargethon in miner ingeleyten gschrift. Was wöllen wir
suochen ordnung der natur an dem, der da übernatürlich geboren ist,
als unser gloub klärlich anzeygt . . .

--375--

Klarer wiederholt seinen Einwand.
[fol. 167 v] Huoter läßt ihn nicht zu. Wir essen den Leib in der
Gestalt des Brotes und Weines.
Walterus Klarer: Wirt er nit empfindtlich geessen, so ist er
nit im sacrament.
Pelagius am Steyn, predicant zuo Trogen, Waltherus Klarer,
pfarrer zuo Hundwyl, all von Appenzell, erklären ihr Einverständnis
mit der vierten Schlußrede.
[fol. 168] Zwingly:
Von der transsubstantiation, das ist: verwandlung des brots in den
lychnam Christi, ist gnuogsam anzeygt, das die nebend gottes wort
nit bestan mag. Christus hat Abrahams gschlecht an sich genommen
und nit das geschlecht des brots. Das wort Johannis am
6. capitel [Joh. 6. 51]: "Das brot, das ich üch geben wird etc." ist
ouch gnuogsam gehandlet, wie da vor anzeygt ist.
Buochstab:
Der transsubstantiation halb dienen uns wol zuo die wort Joh. 6. 51
"Das brot, das ich üch geben [fol. 168 v] wird, ist min fleysch etc."
Wann nach minem verstand, so möcht das nach ußlegung der luterischen
art, bißhar gedisputiert, nit zuodienen; derglichen die wort des nachtmals,
so man dieselbigen on alle gloß soll halten, wirt das brot nit
me, sonder die gestalt gesehen etc.
Zwingly:
Das ort Johannis am 6. capitel ist da obenn gnuog erklärt, das
Christus die wort, da er geredt hat: "Ich bin das läbendig brott", hatt
wöllen ußlegen, wie sy ze verston wären und hat also geredt: "Und

--376--

das brot aber, das ich üch geben wird, ist min fleysch, das ich umb
das läben der welt geben wird." Nun hatt er sinen lychnam nit zuo
essen geben umb das läben der welt, sonder in tod. Daruß volgt, das
er daselben nit redt von ze essendem fleisch, sonders von dem sterbenden
oder gecrützigeten, darvon gnuog geseyt ist. Wir geben ouch den worten
kein gloß, sonder wir leeren die wort gottes uß gottes worten verston.
Buochstab:
... Sag wyter zuo beschluß diser schlußred, diewyl das mandat diser
disputation lutet, das man soll die dunckle wort mit hällen gschrifften
ußlegen und erklären: Diewyl nun die vier euangelisten und Paulus so
eintrechtengklich schriben, wil ich mich denselbigen underwirffig machen.
[fol. 169] Meyster Ulrich Zwingly:
All unser leer und red ist ouch allein derselben. Darumb lassen
wir alle Christglöubigen erkennen.
Herr Matthias, pfarrer zuo Soengen erklärt, aufgefordert von
seinem Kollator und Lehensherrn, dem Komtur von Küsnacht, er
predige das Evangelium. Das Sakrament habe er bisher wie der Pfarrer
von St. Gallen verstanden, sich aber jetzt durch Zwingli belehren lassen.
Conradus Som von Rotenacker, predicant zuo Ulm erklärt
seine Übereinstimmung mit der vierten Schlußrede. Er habe diese Lehre
schon bisher in Ulm gepredigt und sei deshalb von Dr. Johannes
Eck in Ingolstadt aufs schärfste angegriffen worden. Trotzdem er
sich anerboten habe, hier zu Bern Dr. Eck Rechenschaft von seiner
Lehre zu geben, sei dieser nicht auf der Disputation erschienen. Som
ist weiterhin bereit, Dr. Eck Rede zu stehen.

--377--

[fol. 170] Diß ist die fünfft Schlußred.
Die mäß yetz im bruch, darinn man Christum gott dem vatter
für die sünd der läbendigen unnd todten u opffere, ist der geschrifft
widrig, dem allerheiligosten opffer, lyden und sterben Christi ein
lesterung und umb der mißbrüchen willen ein grüwel vor gott.
[fol. 170-172v] Berchtoldus Haller erklärt die Schlußrede
durch den Hinweis darauf, daß Christus das Werk der Erlösung vollkommen
ausgerichtet hat. Wer das leugnet, hat nicht volles Vertrauen
darauf, daß wir durch Christi vollkommenes Werk allein selig werden.
Bei der Einsetzung des Nachtmahles wird nichts von einem Opfer gesagt.
Das Nachtmahl ist eine Gedächtnisfeier. Der Opfernde muß würdig
sein als das Opfer, also kann kein Mensch Christus opfern. Der
Schriftbeweis wird vorwiegend dem Hebräerbrief entnommen. Die Messe
widerspricht der Auffassung der Schrift vom Opfer Christi. Haller
polemisiert gegen die Messe und die damit verbundenen kirchlichen Einrichtungen
und Zeremonien. Auf Grund des Hebräerbriefes kann er
das Beispiel des alttestamentlichen Opfers als Beweis für das Meßopfer
nicht mehr anerkennen. Ebenso ist die Autorität der Kirche nicht maßgebend,
da sie durch die beiden ersten Schlußreden als nicht schriftgemäß
erwiesen worden ist.
[fol. 173] Johannes Buochstab [schuolmeister Zofingen]: Nach
Ps. 110.4 und Hebr. 7. 1ff. ist Christus in Ewigkeit ein Priester nach
der Ordnung Melchisedeks. Derselbig Melchisedech, ein künig zuo
Salem, hat Abrahe harfür getragen brot und wyn, inn gebenedyet
und gesprochen: "Gesägnet sye Abraham dem höchsten gott, der
geschaffen hat himmelrych und erdtrich", 1. Mos. 14. 18, 19. Wie Melchisedek
dem Abraham Wein und Brot gebracht als ein Opfer, so ist
bisher der Leib Christi in der Gestalt des Brotes geopfert worden.
Haller: Wie Melchisedek ein Vorbild Christi ist und Christus
ein Priester nach der Ordnung Melchisedeks, lehrt Hebr. 7. Daß
Melchisedek geopfert habe, sagt der Text 1. Mos. 14. 18ff. nicht.

--378--

[fol. 173v] Buchstab: Da nach Hebr. 8.4 jeder Priester opfert,
Melchisedek aber der Priester des höchsten Gottes war, hat er auch
geopfert.
[fol. 174] Gilg Murer: Melchisedek brachte Wein und Brot;
denn er war ein Priester des höchsten Gottes. Also opferte er Wein
und Brot, sonst hätte der Hinweis auf sein Priestertum keinen Sinn.
Da Christus ein Priester ist nach der Ordnung Melchisedeks, muß
auch er etwas opfern.
[fol. 174v] Haller erklärt nach Hebr. 7, in welchem Sinne
Christus nach der Ordnung Melchisedeks ein Priester ist, nämlich
ein König der Gerechtigkeit und des Friedens und ein Priester des
höchsten Gottes. Melchisedek hat natürlich geopfert, dem Abraham hat
er einfach Wein und Brot gebracht. Christus hat sich selbst geopfert.
Gilg Murer: Melchisedek hat doch Wein und Brot geopfert,
[fol. 175] gott dem allmechtigen zuo lob und zuo eer, von des wörtlis
wägen, das darby stat: "Er ist gesin ein priester des höchsten"
[1. Mos. 14. 18]. Nun gehört einem priester zuo, das er opfere; hat er
nun wyn und brot harfürgetragen von deswegen, das er priester ist
gesin, muß ers ye ouch geopfert haben; dann das wörtli "enim"
gibt ursach, warumb er's habe harfür getragen.
Uff den 20. tag jenners.
Gilg Murer: Da Melchisedek und Christus nicht in bezug auf
ihren Tod verglichen werden können, müssen sie in bezug auf das Opfer
verglichen werden.
[fol. 175v] Zwingly:
Es ist gnuog angezeygt, das sy für unnd für gottes wort zuothuond,
das es nit hatt. Es stat allein, er hab wyn und brot harfür bracht,
so thuond sy immerdar darzuo: "und geopffert". Das aber hie diß wörtli
"enim", das ist "dann" stande, das ist nit, neque Greci neque

--379--

Hebraei habent. Unnd ob es aber glich by den Hebreern wäre, so
ist es doch nüt anders dann ein ἔκβασις, eyn ußgang, die personen
zuo beschriben, als Genesis am 14.capitel [Gen. 14.18] eygentlich erfunden
wirdt. Das demnach anzeygt wirt, er hab nüt uffgeopffert dann win
unnd brot, reden wir also: Wellen sy verstan vonn win unnd brot, das
er hie Abraham gebracht hatt, so sagen wir, das er das nit uffgeopffert
hab, und ist nun petitio principii. Soveer sy aber verstan
wellen von anderen opfermalen, wo wellen sy beweren, das er zuo
andern zyten dem obersten gott nitt habe uffgeopffert win und brot?
Dann die negativam mögen sy nit bewären. Das ficht aber nit wider
unns, er habe wyn unnd brot uffgeopfert oder nitt; dann als sy selbs
bekennen, so hett Melchisedech sich selbs nie inn tod uffgeopffert
unnd ist aber ein bedüter Christi, daruß volget, das, wie Melchisedech
uffgeopffert hatt, das sye, was es welle, das er damit bedütet
hat das opfer, da Christus sich selbs uffgeopffert hat. Melchisedech
ist nitt ein figur unnser pfaffen, sonders ein figur Christi. Deßhalb
die figur nüt bewert, das unser pfaffen ützit opffern. Unnd lutet die
schlußred in summa, das die mäß nit ein opffer sye etc. Da haben
sy das noch mit dheinem beschluß mögen infueren.
[fol. 176] Gilg Murer:
Das meyster Ulrich gesprochen hat, das wörtly "enim" stand nit
im griechischen noch im hebreischen, lassen wir verantwurten, die dise
sprach erfaren haben. Unns ist gnuog, das wir by dem hällen latinischen

--380--

text blyben. Das er aber spricht, wir haben nit bewärt, das Melchisedech
hie geopfert habe, geben wir antwurt, wie wol es dem buochstaben
nach nit stat, so gend's doch hin die wort vormals anzogen
"dann er ist ein priester etc.". Unnd so er's zuegeben hatt, er möge
andermal wyn unnd brot geopffert haben, ist für uns. Sytemal (wie
gester ouch ist anzeygt worden) das Christus ein priester nach der
ordnung Melchisedech, so frag ich in, das er uns anzeyge, mit was
opfer sy glichsam geopfert haben; so trüwen wir wie vor, er mög mit
der geschrifft dhein anders harfür bringen. Das es aber die verglichung
sölle und muesse syn, wil ich wyter bewären mit der geschrifft uß dem
buoch Proverbiorum am 9. spricht Salomon also: "Die wißheit hat ir
gebuwen ein huß, hat ußgehouwen siben sülen, hat geopffert ire opfer
und hat vermischt den wyn" und nach andern worten wyter: "Kommen
und essen myn brot und trincken den wyn, den ich üch vermischet
hab" [Sprüche 9.1-5]. Nun beschicht das opfer mit der vermischung
des wyns in keynem opfer anders dann in der mäß; darumb so volget
hernach, das die mäß ein opfer ist.
Zwingly:
Der worten halb Genesis am 14. [Gen. 14. 18] verlassen wir uns
uff den text. Der frag halb, wie Christus nach der ordnung Melchisedech
ein priester sye, ist [fol. 176v] gestern und hüt gnuog gesagt,
das, wie Melchisedech der priester des obersten gotts, usserlich opffer
geopfert, also hat sich selbs Christus Jesus dem höchsten gott uffgeopfert;
dann Christus ist dem Melchisedech nitt darumb glich
genent, das er win und brot hab uffgeopfert, oder aber Christus hette
allein muessen wyn unnd brot oder usserliche opfer uffopfern, wie ouch
Melchisedech dieselben allein uffgeopfert hatt und nit sich selbs.

--381--

Aber es ist gnuog gesagt, das Christus mit sin selbs uffopferen erfült
hatt, das Melchisedech mitt ussern opfer bedütet hat. Des orts
halb Proverbiorum am 9. [Sprüche 9. 1, 2, 5] angezogen, dient inen gar
nit, sonders ist mer für uns und verlassen uns darumb an den text.
Gilg Murer:
Es ist notwendig, das eyn ander opffer mitt Melchisedech und
Christo werde angezeygt dann der tod Christi, und sytenmal das sy
daselb mit der gschrifft nitt harfür bringen mögen, so bliben wir, wie
vormals anzeygt ist, unnd bevelhens den schrifften der notarien und
eynem yetlichen christlichen läser.
Zwingly:
Das es not sye, das wir ein ander opfer in Christo weder sinen
tod anzeygen, das reden sy und ervorderen wir sy, das sy darumb
gschrifft bringen.
Gilg Murer:
Darumb ist es notwendig, das Melchisedech mit dem tod Christo
nit verglichet mag werden, und sytenmal Christus ist ein priester nach
der ordnung Melchi- [fol. 177] sedech und es nit mag sin der tod,
so bitten wir min herren der widerparthy, das sy uns nennen uß der
schrifft, was opffer Melchisedech uffgeopffret habe, das ewigklich sol
wären.
Zwingly:
Es ist gnuog anzeigt, das die vorbildung des alten Testaments nit
usserlichen in alle maas muoß im nüwen ußgetruckt werden, oder aber
es wären nit umbrae [vgl. Hebr. 8. 5; 10. 1], das ist entwerffungen und
bedütnussen, sonders die that selbs, welliches wir an Melchisedech
sechend, so er ein priester des höchsten gottes ist gewäsen und usserliche
opffer uffgeopffret hat; dann er darumb ein priester was von opfferen,
ist damit bedütet, das Christus sich selbs hat ufgeopffret, Hebreorum
7. capitel [cf. Hebr. 7. 27]; dann wo Melchisedech mueßte Christo

--382--

in allweg ußgetruckt glych sin, so mueßte er von einer jungkfrowen
geboren sin, ein sun gottes sin, gecrütziget sin etc. So nun das nit,
so sechen wir offenlich, das sin wäsen nun ein vorbild gewäsen ist
in usserlichen dingen, die aber Christus mit im selbs erfüllt hat.
Gilg Murer:
Wir sagend nit, das Christus unnd Melchisedech in allen
dingen glychförmig söllend sin, wie man uns gern zuoschryben wölt,
sunders so der tod mit Melchisedech nitt verglychet mag werden,
habend wir ein ander opffer begärt ze wüssen uß der schrifft, das nit
beschechen ist. Und damit befelchen wir es der schrifft.
[fol. 177v] Meyster Ulrich Zwingly:
Wir lassend uns uff die erklärung vor gehört und gründe der
gschrifft angezeygt.
Gilg Murer:
Das meyster Ulrich uns geantwurt hat zuo dem spruch Proverbiorum
9, 2, er sye nit für unns, und gibt ein ußlegung one gschrifft,
werden wir im nit glouben; dann es stadt heyter nacheinandern begriffen:
"Die wyßheit hat uffgeopffret ire opffer und hat vermischt den
wyn" etc. In keinem andren opfer beschicht die vermischung des wyns
dann allein in der mäß; darumb so muoß die mäß ein opffer sin.
Zwingly:
Wir haben keinen andren verstand Proverbiorum 9 anzeygt, dann
wie der buochstab selbs lutet und der sinn vermag. Und obglych dasselb
ort also mueßte verstanden werden, wie sy es dargebend, das doch
nit ist, so stadt also: "Die wyßheit hat ire opffer ufgeopffret" und nit:
"die wyßheit hat wyn und brot ufgeopffret". Lassend es by rechtem
verstand der geschrifft blyben.
Gilg Murer:
Ich blyben by minem vordrigen verstand, wie geantwurt ist, der
ist ouch bestätiget durch den heyligen Cyprianum; und darby
laß ich's blyben.

--383--

Meyster Ulrich Zwingly:
Ir thuond dem Cypriano unrecht.
[fol. 178-180v] Buchstab vertritt weiter den Opfer- und Verdienstgedanken
in der Messe. Die Priester können Mithelfer sein, da
alle Menschen füreinander bitten sollen. Auch die Stelle "Das tut zu
meinem Gedächtnis", Lk. 22. 19, schließt das Opfern nicht aus, da im
Hebräischen facere opfern heißen kann. Auch die Stellen Hebr. 9 und 10
bestreiten nicht, daß die Messe ein Opfer ist. Christus ist gewiß für
unsere Sünden gestorben, an seiner Ehre soll nichts geschmälert werden.
Das kann aber nicht heißen, daß wir nichts tun sollen, sonst würde ja
niemand verdammt. Weil Christus nach der Ordnung Melchisedek
ein Priester ist, muß er ein Opfer haben.
Bucer entgegnet. Daß wir füreinander bitten sollen, heißt nicht,
daß die Messe, in der durch die Wiederholung des Opfers Gott gelästert
wird, ein gutes Werk sei. ‎‏עשׂה‏‎ kann im Hebräischen opfern heißen,
sofern das zu opfernde Objekt dabei genannt wird. Hier bezieht sich das
facere auf das Essen. Christus hat durch sein einmaliges Opfer die
Geheiligten, d. h. die Erwählten Gottes in Ewigkeit vollendet; also ist
jedes andere Opfer unnütz. Das Verdienstproblem ist in der dritten
Schlußrede erörtert worden.
[fol. 180v] Gilg Murer:
Wiewol Christus gnueggethan hatt in ewigkeyt volkommenlich,
wie ingefuert ist durch herr Martin Butzer, ist nitdesterminder uns
bevolhen von Christo, das wir uns teylhafftig machen mit dem
[fol. 181] täglichen opfer der dancksagung und der widergedächtnis der
mäß, nit darumb, das wir Christo sin liden mindren wellen, sunder
das began mit widergedächtnis des vor einost verbrachten opfers, wil
ich bewären mit dem spruch und denen worten, die Christus hat
geredt: "Das thuond in miner gedächtnis." Damit ist an Stelle des
Osterlammes des alten Gesetzes das Osterlamm der Kirche eingesetzt.
Also muß das neue Osterlamm wie das alte geopfert und gegessen werden.

--384--

Bucer: Des Todes Christi gedenken und dafür Dank sagen heißt
nicht, Christus wieder opfern.
Gilg Murer:
Die widergedächtnuß Christi sins lydens und sterbens mag genant
werden nach der schrift ein täg- [fol. 181v] lich opffer; denn, wenn
es auch keine Stelle gibt, die ausdrücklich sagt, ihr sollt Christus
opfern, ist dies doch gut bezeugt durch Apg. 13. 1,2. ". . . Ministrantibus
autem illis Domino, et ieiunantibus. . ."
Bucer: Apg. 13.2 steht nicht opfern, sondern: "Als sie dem Herrn
dienten", griechisch λειτουργούντων.
Murer: [fol. 182] In der Schrift ist in doppelter Weise vom
Opfer Christi die Rede. Erstens vom am Kreuz vollbrachten Opfer. Diese
Opferung ist nicht sakramental, sie ist nur einmal geschehen.
Und also ist es war, das Christus nit mer mag lyplich ufgeopffret
werdenn, als wenig als wider sterben. Das zweite Opfer ist geistlich,
da Gott das erste Opfer wieder repräsentiert wird im hochwürdigen Sakrament,
im Amt der heiligen Messe. Apg. 13. 2 steht opfern nach der Übersetzung
des Erasmus, der doch der griechischen Sprache kundig war.
[fol. 182v] Murer antwortet auf die Frage Bucers, ob er meine,
mit dem Meßopfer den Erwählten zu helfen, das Werk Christi wolle
er nicht unterstützen, aber die Menschen daran teilhaftig machen. In
einem verschlossenen Hause könnte die Sonne auch nicht leuchten. Er
bittet Gott in der Messe, Gott möge ihn zum Sohne ziehen.
Bucer: Apg. 13. 2 ist mit dem Dienst das Gebet gemeint.
[fol. 183] Gilg Murer:
Das er geantwurt hat, der dienst sye das bätt gesin, mag nit
sin; dann von sömlichen diensten sol niemant gesündrot werden. Er
spricht aber hie im text: "Sündren mir von dem vordrigen dienst
Barnabam und Saulum", damit wil ich's bevolchen haben der schrifft.

--385--

[fol. 183v-184v] Murer führt dann als Beweis für das Meßopfer
Maleachi 1. 10, 11 an. Bucer versteht aber unter reinem Opfer
die rechtgläubigen Herzen, ihre Gebete und ihren Gehorsam gegenüber
dem Willen Gottes.
[fol. 185] Gilg Murer:
Witer mag nach miner vorgebnen distinction ein andre gschrifft
harfürbracht werden, namlich Danielis am 12. [V. 10. 11]: "Und die
bösen werden bößlich handlen und all bösen werden es nitt verston,
aber die gelerten werden es verston, und von der zyt hin, so da hinweg
wirt genommen werden das städt opfer und wirt gesetzt sin der
grüwel der erödung tusent tag zweyhundert und nünzig", das ist als vil
als vierdhalb jar. Hie hat geredt der prophet Daniel von den letsten
zyten des Entchrists. Welcher spruch ouch anzogen ist durch Christum
Matth. 24. 15. Und sytemal das er spricht, es sye ein städt opffer und
das werd ußgehebt werden in der letsten zyt, kan man und mag nit
kommlichen nach recht verstandner geschrifft ein ander opfer anzeygen,
als ich hoff, dann allein das opfer der mäß.
Zwingly:
So gnuogsam gehört ist, das kein ander opfer sin mag weder
Christus, ouch weder Christus noch die apostel des worts oder dings
mäß, oder das das nachtmal ein opfer sye, ye gedacht habenn, so ist
gwiß, das alle kundtschafft, die uß dem alten testament harfürgezogen
wirdt, nitt bewären mag, das ein ander opffer sye dann Christus,
oder das Christus mer dann eynost uffgeopfert mög werden. Des
spruchs halb Da- [fol. 185v] nielis am 12. [Dan. 12. 10, 11] zeygen
wir inen an, das dasselbig ämpßig opffer das liplich jüdisch opffer
gewäsen ist im alten testament. Das erfindt sich erstlich Danielis am
9. und 11., Matthei am 24. unnd Luce am 21. [cf. Dan. 9.27;
11. 31; Matth. 24. 15; Luc. 21. 20]. Sol man läsen.
Gilg Murer:
Christus hat dise gschrifft anzogen im heyligen euangelio und
mag nit allein verstanden werden dem buochstaben nach von der uffhörung

--386--

der opffer der Juden, sonders es muoß ouch nach dem geystlichen
sinn verstanden werden vonn der letsten zyt; das wil ich
bewären durch den vorgenanten Danielem am 9. [V. 27] . . .
Meister Ulrich Zwingly:
Die gesatzte zyt bim Daniel, so sy recht ußgerechnet wird, zeygt
wol an, wann die grüwlich zerstörung kommen werd; dann heyterer
prophety der zyt halb, wann Christus kommen söl oder die grüwlich
zerstörung, in dheinem propheten ist. Das aber anzeygt ist der verharrung
halb des grüwels der zerstörung, ist wider sy; dann der
prophet sagt, die grusamlich zerstörung werde im tempel sin. Das ist
sovil gesagt, der tempel wirt so grusamlich zerstört bliben. Es ist ein
προσωποποιία und wil sagen, das der tempel so gru- [fol. 186] samlich
zerstört werde sin biß zuo end der welt. Was soll aber das inen
helffen, das die mäß ein opffer sye? Der vermanung halb, sol sich
ane zwifel mencklich hueten, das wir gott nitt so schwärlich erzürnen,
als das jüdisch volck sich an Christo beschuldet hat. Das wurde
aber uns begegnen, nit so man abbricht das, so wider gott ist uffgericht,
sonders so wir andre tröst, heyland und götter suochen weder den
läbendigen gott.
Gilg Murer:
Disers opfer, darvon Daniel schribt, mag nit sin der Juden opfer;
dann dasselbig by inen noch wäret. Besonder es muoß ein ander opffer
sin, das werde uffhören zuo end der welt vierdhalb jar.

--387--

Zwingly:
Ob glich die Juden noch opfferten, so ist doch die krafft des
usseren opffers hingenommen, wiewol hieby gemeinlich die Juden durch
die gantzen welt hin sy sälbs erkennen, das sy ir priesterthuomb nit
mer erkennen. So nun ir priesterthuomb hin ist, als sich ouch an der
that befindt, so ist ouch gewüß, das ouch die ordnung des uffopffers
hingenommen ist, zun Hebreern am 7. [cf. Hebr. 7. 18]. Deßhalb
noch für und für bestat, das Daniel von dem jüdischen opffer redt.
Gilg Murer:
Es mag nit verstanden werden von dem opfer der Juden; dann
obglich dasselbig nach ir ordnung hette uffgehört, so mag darumb nit
volgen, das hie an disem ort von demselbigen geredt werde [fol. 186v];
dann der Daniel schribt, das es allein werde uffhören vierdhalb jar.
Hie wil ich's bevolhen haben der schrifft und dem christlichen läser.
Ecolampadius:
Der Daniel schribt in zweyerley wäg von uffhörung der opfer,
einmal uff vierdhalb jar, als am sybenden cap. [V. 25]. Solche ist
erfült under dem Antiocho vor der zyt Christi [cf. 1. Makk. 1. 57].
Zum anderen by der zyt der zerstörung Jerusalem; sölche uffhörung
des opffers, die wärt für und für, wie meyster Ulrich gesagt hat.
Meister Ulrich Zwingly:
Deßhalb die ort Danielis nit bewären, das die mäß ein opffer
sye; dann an beyden orten die zyt langest erfült sind, veranlassend
uns ouch uff rechten verstand der glöubigen.
Johannes Buochstab:
Diewil man gschrifft mit gschrifft ußlegen soll und allermeyst die
schrifft des alten testaments mit den gschrifften des nüwen testaments
erklärt söllen werden, finden wir an dryen ortenn, das die prophetien

--388--

Danielis uff uns dienen, namlich Danielis am 11. stat.: . . . Neben
Dan. 11. 36, 37 stellt er als entsprechende Stelle des NT 2. Thess. 2. 3, 4.
Dan. 12. 7 ist von einer Zeit und zwei Zeiten und einer halben Zeit die
Rede, und Dan. 12. 11 von 1290 Tagen. Dasselbe haben wir in Off. 12. 6.
Nach Off. 13. 5 soll das 42 Monate dauern. Die beiden Stellen aus
Daniel und die beiden aus der Offenbarung des Johannes stimmen zusammen.
Ferner entspricht Dan. 12. 12 "Wohl dem, der ausharrt",
Mt. 24. 13 "Der da beharrt bis ans Ende, der wird selig werden" Da
Daniel von der Zerstörung des ewigen Opfers spricht und da die Worte
des NT ihm entsprechen, muß gefolgert werden, daß Daniel mit diesem
Opfer die Messe meint. Auch Christus weist auf Daniel hin Mt. 24. 15.
[fol. 187v] Doctor Johannes Ecolampadius:
Die prophetien uß Daniele, wie sy der histori nach söllend erfüllt
werden in den vierdthalb jaren und by der zerstörung des tempels, ist
schon klar gnuog verantwurtet. Das aber durch den schuolmeyster Buochstab
yngefuert wirdt zuo erklärung der prophetien uß Apocalipsi, beschicht
nit one schmach, wie er ouch mit unverstand (er ist jung, wir wellen
im's verzichen) in sinem buechlin gethan hat, glychsam wo ein christliche
gemeind sich hielte uff das aller nächst by der ynsatzung unsers
herren Jesu Christi in dem nachtmal, das sölichs sölte endchristlich sin.
Die Sprüche aus der Off. beziehen sich auf die Zeit des Abfalls bis zur
Wiederkunft des Herrn. Es ist schon erklärt worden, wer sich lange an
die Stelle Gottes gesetzt hat. Oekolampad setzt sich mit den weitern
Zitaten Buchstabs auseinander.
[fol. 188v] Theobaldus Huoter:
Die gschrifft durch herrn Gilg und herrn Johannem Buochstab
als antreffend das opfer der mäß, hütt und gestern nach der lenge vil

--389--

schrifft dargethan, namlich Melchisedech, Malachiam, Danielem und
an- [fol. 189] der etc. so die recht verstanden werden, gnuogsamlich an
tag bracht, das opffer der mäß gemäß zuo sin dem wort gottes, als ich
vertrüw. Und underwirff mich gemeyner christenlichen kilchen, wo ich
nit glychförmig wäre dem gottswort gesin.
Zwingly:
Wir haben all unser tag gehört, welcher sich selbs zuo einem zügen
darbütet, dem sölle man kundschafft nit trüwen. So aber min herr
pfarrer sich ouch gar zuo einem richter macht, luoge, wär es im bevolchen
hat, oder im sines urteyls gestaan werde. Deßhalb es wol by dem
gemeinen underschriben bliben wäre. Wir bezügen uns uff die, die
da glöubigen verstand der gschrifft habend.
Am 21. tag Jenners
Meister Johannes Mannberg:
Daß die Messe ein Opfer ist, geht hervor aus Hebr. 5. 1 und [fol. 189v]
4. Mos. 16. 48: "Aaron was stan zwüschen den läbendigen und den
todten und hat gebätten und die plag hat ufgehört" . . . . .
Haller und Bucer beziehen Hebr. 5. 1 auf die Priester des AT's.
Nach Hebr. 5. 7ff. hat Christus alles erfüllt, was von Aaron gesagt ist.
[fol. 190-191v] Buchstab bestreitet, daß der Opfernde besser
sein müsse als das Opfer. Zeremonien, Kleider und Kreuze brauchen
keine Greuel vor Gott zu sein. Mißbräuche muß er allerdings zugeben.

--390--

Haller hält daran fest, daß der Opfernde besser sein müsse als das
Opfer. Da die Zeremonien nicht begründet sind durch die Schrift, müssen
sie aufgegeben werden.
Zwischen dem Votum Hallers, Q fol. 191v/192 und dem Votum
Mannbergers, Q fol. 192, haben die Protokolle CDE ein Votum Murers
und eines von Zwingli, beide gestrichen. Murer stellt fest, daß die Messe
ein Opfer ist, daß diese Auffassung durch die Schrift und die ganze Christenheit
bestätigt wird; denn Gott hat etliche zu Propheten gesetzt, Eph. 4. 11.
Matth. 28. 20. Joh. 14, 26.
Zwingli:
Diewyl weder gester noch jemer me kein gschrifft mag harfür zogen
werden, damitt die meß ein opfer sin bewärt und von Christo nitt
für ein opfer ist ingsetzt, ouch zuo der zyt der aposteln nie darfür
ghallten, ja ouch vor nechsten 400 jaren, obglich das nachtmal Christi
per [eine Lücke] metonomyam ein opfer, das ist ein gedechtnuß des
einest volendetten opfers genennet ist, hallt sich unser span nitt so
berlich des namens halb sonder des wesens halb, davon gnuog gesagt,
so wer es nitt nodt gwesen diser abred.
Die ander ort der schrifft sind vor alle erklärt.

--391--

[fol. 192] Mannberger: Matth. 26. 28 wird das Nachtmahl ein
Testament genannt. Ein Testament hat aber einen Vollstrecker. Das
Testament Christi haben die Apostel vollstreckt, vgl. Joh. 19. 25-27,
do Christus am crütz gemert hat sin testament und sin muoter Mariam
bevolhen Johanni unnd gesprochen: "Ecce mater tua, nim war din
muoter", spricht der text am selben ort: "und uß diser stund hatt er
sy genommen in syn huot". Da ist klar offenbar, das uß bevelch Christi
Johannes sol sin ein zuogebner hueter Marie.
Zwingly:
Es ist klarlich gnuog anzeygt, das das testament, das uns gott gemacht
hatt, ist gnedige vergebung unser sünd. Und wie ein yedes testament
in krafft unnd wäsen kompt, wann der stirbt, der das testament
gemacht hatt, das also Christus Jesus, der sun gottes, gestorben ist
unnd das testament bevestnet [fol. 192v] mit sinem tod. Es ist
ouch offentlich erfunden, das nit allein das fleysch Christi liplich
geessen nit das testament ist, sonders ouch syn eygen bluet nit das
testament ist, sonder das, mitt dem das testament ist ufgericht, wie
erst und vormals gehört. Die testamenter aber oder ußrichter sind
die apostel, ist wol recht geredt. Sy teylen aber das testament uß,
das ist die vergäbne nachlaßung der sünden, wie Luce 24., Matth. 28.,
Marci am letzten [cf. Luc. 24. 47; Matth. 28. 19, 20; Marc. 16. 15, 16], das
die nachlassung der sünd geprediget sölle werden durch die gantzen
welt hin. Das von Johansen und Maria angezogen ist, glouben wir
gern, das die muoter Christi Johansen sye bevolchen unnd er dero
züchtig und getrüwlich gewartet habe [cf. Joh. 19. 26, 27].
Mannberger hält daran fest, daß das Meßopfer schriftgemäß und
die Schlußrede schriftwidrig sei.

--392--

[fol. 193] Die sechßte Schlußred.
Wie Christus ist allein für uns gestorben, also sol er ein einiger
mittler und fürsprech zwüschenn gott dem vatter unnd uns glöubigen
angeruefft werden. Deßhalb all ander mittler und fürsprechen ußerthalb
disem zyt anzerueffen, von uns on grund der geschrifft uffgeworffen.
Meyster Frantz Kolb
erläutert die Schlußrede. Nach 1. Petr. 2. 22 ist Christus derjenige,
welcher keine Sünde begangen und in dessen Mund kein Trug gefunden
wurde. Deshalb hat der Fürst dieser Welt an ihm keine Ursache des
Todes gefunden, Joh. 14. 30. Damit kann sich kein Heiliger rühmen,
Eph. 2. 9. Wir alle müssen bitten: "Vergib uns unsere Schuld". Darum
ist allein Christus und niemand anders für uns gestorben. Er ist allein
Mittler zwischen Gott und den Menschen, 1. Tim. 2. 5; Joh. 14. 6;
Eph. 2. 18. Ihn sollen wir allein anrufen, Matth. 11. 28. Trotz dieser
klaren Schriftstelle ist durch die Heiligen und Nothelfer viel Abgötterei
aufgekommen.
Hanns Wächter von Schenckenberg, purßmann:
Erwirdigen, frommen Christen! Es hatt der kilcher vonn Brugk
wyder disen artickel offentlich geprediget. Welches ich dann widersprochen
hab nach lut miner gnedigen herrn mandat, welches zuo letst
ouch an sy gelanget hat darumb ich im ervordern und begär, wo er
solicher meinung noch wäre, sine gründ und ursachen anzezeygen, so
wil ich im früntlich antwurt geben. Also der inhalt siner predigen
trungen uff das fürbit und anrueffen der säligenn anfäncklich uß dem
ersten buoch [fol. 194] Machabeorum am 4. cap. [1. Makk. 4. 10] mit
den Worten, wie das Judas Machabeus gesprochen hab zum volck:
"Lassend uns rueffen in die himmel, so wirt sich gott unser erbarmen",
und hatt zuo verstan geben, wie Judas nit hab gesprochen: "Lassend
uns zuo gott rueffen", sonders "in die himmel, so wirt sich gott unser
erbarmen". Hat wol zuogelassen, das nit unrecht sye zuo gott ouch rueffen,

--393--

er habe aber das volck ermanet, zuo rueffen in die himmel. Was aber
die himmel syen, bewärt er uß dem Psalm 18 [Ps. 19. 2]: "Die himmel
verkünden din lob". Uß dem er vermeint, das syen die säligen oder
heyligen im himmel. Darumb beger ich zuo wüssen, ob er noch der
meinung sye.
Herr Johan [nes] Lottstetter, kilcher zuo Brugk
bekennt sich heute noch zu seiner Predigt über die Jungfrau Maria und
die Heiligen, die er am Allerheiligentag zu Brugg gehalten hatte. Er
beruft sich auf die allgemeine Kirche und auf das Mandat der gnädigen
Herren.
Hanns Wächter:
Nun uff sollichs, als er dann inzücht, wie myner gnedigen herrn
mandat wyse uff die siben sacrament und ander cerimonien, sprich ich
neyn [fol. 194v] darzuo. Das letst mandat miner gnedigen herrn, das
dann christenlich und göttlich ist, halt sollichs nit inn, darumb ich im
des nit bestendig bin. Allein das soll man predigen, was mit göttlicher
warhafftiger und biblischer gschrifft fürbracht mag werden. Daruß
bewise er sin predige, wär ouch das buoch Machabeorum joch biblische
gschrifft. Judas will Gott im Himmel anrufen. Vgl. Ps. 123. 1 und
Matth. 6. 9.
Gilg Murer:
. . . Diewil ein gantze christenliche gemeynd ye und ye gehalten
hatt das fürbitt [fol. 195] der hochgelobten jungkfrowen Marie und
der lieben ußerwelten heyligen, verwundret uns nit ein wenig, das min
herren predicanten mit den iren ein sömliche schlußred habend lassen
ußgan, so doch Christus unser aller bester schuolmeyster uns wol zuo
verstaan hat geben, das vil leren werden gebrucht, da nit yedermann
zuo wüssen ist, ob sy von gott syen oder den menschen, Matth. 15. 13.

--394--

Wir glauben alle, daß Christus für uns gestorben ist, wir müssen aber
zweierlei Mittler unterscheiden: Zuo dem ersten ist ein einiger mitler,
der uns erlößt hat, und anders niemand, weder Sant Paulus noch
S. Petrus, und also ist es war, das ein einiger mittler ist, der herr
Jesus Christus, darumb, das er unns erlößt hat. Zuo dem andren mal
wirdt ein mittler erfunden in der schrifft, nit das er uns erlößt habe,
sunder das er gott für uns bitten möge. Das ergibt sich aus allen Briefen
des Apostels Paulus, der für alle bittet, an die er schreibt. Er erbittet
sich auch die Fürbitte der andern [fol. 195v], 2. Thess. 3.1. Die Seligen
im Himmel können für uns bitten; denn wir sind ja alle Glieder des
Leibes Christi, 1. Kor. 12. 12ff.
Zwingly:
Das der heiligen fürbitt ires verstands ye und ye gewäsen sye,
mag mit biblischer schrifft nit bybracht werden; dann das die muotter
gottes und die säligen, die by gott sind, ye angeruefft syen zuo der apostel
zyten, mag sich gentzlich nit erfinden. Wir lassen ouch gern nach,
das alle pflanzung, die der himelsch vatter nit gepflantzet hat, ußgerütet
werde [Matth. 15. 13]. So nun der heyligen fürbitt und anrueffen,
als sy es verstand, in göttlicher schrifft nit erfunden wirt, so sol es
billich ußgerütet werden. Des mittlers halb nemen wir uns irer abteylung
nützit an; dann wir reden hie, als die schlußred hat, allein
von dem mittler, der ein gwüsser ungezwyffelter [fol. 196] fürstender
und fridmacher zwüschen gott und uns sye; das ist allein Christus
Jesus, und lutet die schlußred selb also: Wie Christus allein für uns
gestorben ist, also sol er ein eyniger mittler zwüschen gott dem vatter
und uns sin. Der glidern und gantzen lychnams halb, sicht ein yetlicher,
das Paulus 1. Corinther 12. [cf. 1. Kor. 12. 12ff.] die glider unnd den
lychnam Christi alleyn beschrybt, der noch in disem zyt ist, lassend
uns des uff den text (der ward geläsen). Deßhalb diß argument wol
das bewärt, das wir für einandern bitten söllen, diewyl wir in diser
zyt sind, aber das anrueffen und fürbitt dero, so ussert diserm zyt sind,
wirt nit bewärt.

--395--

Gilg Murer:
Ich fragen uff dise ynred, ob nit die ußerwelten heyligen im himmel
all unser mitglider sind.
Meyster Uolrich Zwingly:
Antwurt: Sy sind unsere glider des einigen gottes halb, den sy
yetzundan besitzen, mitniessen und ynnemmen. Der mänglen halb,
die wir tragen in disem zyt, sind sy nit mer unser mitglider; dann
die heyligen gottes beruert kein hitz noch arbeit noch schmärtz mer, wie
Esaie [cf. Jes. 25.4] stadt. Deßhalb sy nit der glidern sind, von denen
Paulus an genantem ort redt.
Gilg Murer:
So die lieben heiligen mitglider Christi sind, so muessend sy
ouch unsere glider sin; dann es ist als ein lyb. So mögen sy
ouch für uns bitten [fol. 196v]. Johannes beschreibt das Gebet der
Heiligen Off. 5.8.
Zwingly:
Es ist gnuog gesagt, wie die ußerwelten gottes in der säligkeit
Christi glider sind und unsere mitglider, und das sy unsere mitglider
des lychnams, so noch hie ist, syen, vermögend die wort Pauli nit,
1. Corinther 12. [cf. 1. Kor. 12. 12]; dann die mängel, die da der
hieygen kilchen zuogäben werden, gezimmen inen nit. Uß Apocalipsi
nemmen wir kein kundtschafft an; dann es nit ein biblisch buoch ist,
wiewol alles, das sy derglychen haryn möchten züchen, uns dienet und
nit inen.

--396--

Gilg Murer:
So meister Ulrich spricht und gibt nach, die ußerwelten heyligen
im himmel syen glider Christi, aber nit wie wir glider Christi genant
werden. Uß dem volget aber, das die ußerwelten heyligen gott für uns
bitten mögen; dann wir habend geschriben 1. Johannis 2. [1]: "So yemand
sündiget, so habend wir ein fürsprächen vor gott dem vatter, Jesum
Christum." So nun die lieben heyligen im himmel sind glider Christi
unnd das houpt Christus für uns bittet, warumb wolten dann sich
sine glider im nit glychförmig machen im gebätt? Das er aber spricht,
das buoch Apoca- [fol. 197] lipsis sye nit ein byblisch buoch, vermeinen
wir neyn; dann allenthalb, wo die biblischen buecher getruckt werden
in der christenlichen kilchen, so ist allweg damit begriffen das buoch
Apocalipsis; dann der heylig euangelist Sant Johanns hat dasselb
geschriben.
Zwingly:
Uf sinen silogismum volgt nit: Christus ist unser mittler, fürbitter
oder fürstender, 1. Johannis 2. [cf. 1. Joh. 2.1], so sind ouch die
heiligen fürbitter, mitler und fürständer; dann wie alleyn der, der gottes
sun ist, den tod für uns erlitten hat, also mag ouch derselb allein
unser mittler sin. So die säligen by gott nach der natur und wäsen
nit gött sind, so haben sy den tod nit für uns erlitten, so sind sy
ouch nit unser mittler, dermaß wir von mitlern reden. Da er spricht:
Warumb soltend sy im nit glychförmig sin? Antwurt: Darumb, das
yhener gott ist unnd sy nit, und das uns gott mit sinem wort und
gheyß Christum zuo einem mittler verheyßt und aber der säligen keinen.
Das buoch Apocalipsis sye Johannis Euangeliste, wirt mit keiner
schrifft noch hystori bybracht.

--397--

Murer:
Das meister Ulrich zuoletst gesprochenn hat, das buoch Apocalipsis
möge nit bewärt werden mit biblischer schrifft, wirt im nit helffen;
dann glycher wyß wölt ich zuo im sprechen und in fragen, wo er mit
biblischer gschrifft bybringen wölt, das euangelium Johannis wäre Johannis,
deßglichen andren buechern ouch. Das er aber gesprochen hat:
Ob glich [fol. 197v] die ußerwelten heyligen im himmel glider Christi
syend, volget darumb nit harnach, das sy gott für unns bitten, wil ich
bewärenn, das sömlichs wol zuo glouben ist; dann das ein mensch hie
uff erdtrich für den andren bittet, beschicht uß bruederlicher liebe,
welche liebe von den heyligen im himmel niemer mer wirdt genommen,
1. Corinth. 13. cap.
Zwingly:
Der nam unnd überschrifft Apocalipsis zeygt uns gnuog an, das es
nit Johannis des Euangelisten ist, der also lutet: "Apocalipsis des
heyligen Johannis theologi". Ich geschwig der lerern. Aber der säligen
fürbitt uß der 1. epistel zun Corinthern am 13. capitel [cf. 1. Cor. 13.8]
darumb, das sy in der liebe syen, die von den heyligen nit genommen
werde, strytet glych als vil als vormalen das argument vom lychnam
unnd den glideren; dann hie nit die liebe beschriben wirt, die die
säligen im himmel haben, die ein ewige wunn und fröud ist, one alles
leyd und bekümmernus, sunder es wirt hie beschriben die liebe, die
wir menschen in disem zyt haben, und heyßt das wort: "Die liebe wirt
nit von inen genommen" nit also by Paulo, sunder "die liebe fält nit"
und anlassen uns uff die wort Pauli 1. Corinther 13.
Gilg Murer:
Wir blybend by dem und hoffend das buoch Apocalipsis sölle biblisch
sin und bevelchen es darby einer christlichen gmeind.

--398--

[fol. 198] Meyster Ulrich Zwingly:
So bevelchen es wir ouch der christenlichen gemeind und denen,
so den tittel verstand.
Gilg Murer:
Das aber meyster Ulrich geredt hat, Paulus zun Corinthern am 13.
rede nit hie vonn der liebe der heyligen, ist one zwyffel nit; dann er
spricht: "Die liebe wirt niemer mer ufhören." Und ich mein ouch nit,
das er dörffe sprechen, das die ußerwelten heyligen im himmel nit
sölten die göttlichen liebe haben, ja ouch überflyssiger dann kein mensch
möge haben hie in diser zyt.
Zwingly:
Wir bekennen, das die liebe der ußerwelten säligen gar vil anders
unbrästhaffter und grösser ist dann die liebe der sterbenden. Das
strytet aber nit wider uns; dann wir anzeigend, das da Paulus redt
von der liebe, die wir in diser zyt habend, dieselben brästhafftig liebe
mögen wir den säligen gottes nit zuorechnen, wie in den worten Pauli
angezeygt ist.
Gilg Murer:
Noch ist vorhanden min fürgewendt argument zum teyl, so Christus
für unns bittet im himmel und unser widerparthy zuogibt das fürbitt
der menschen hie uff erdtrich: so sol es ouch denen im himmel verlangen;
dann warumb? Eintweders die heiligenn im himmel bättend
nitt für unns, wie hie die läbendigenn uff erdtrich, darumb das es inenn
nitt zimpte, so wurde es ouch Christo nitt zuogeeygnet werdenn
[fol. 198v]. Oder es ist ein sömlich ding, das alleyn Christo zuohöret,
namlich das bätten im himmel, so sölle es ouch nit zuogelegt werden
denen hie uff erdtrich, das aber nit sin mag.

--399--

Zwingly:
Diß ist alles verantwurt und wie das ein volg sye, Christus stadt
für uns da oben, darumb wir gottes wort haben und wir söllen hie für
einandren bitten, darumb wir ouch gottes wort haben [cf. 1. Joh. 2.1;
Kol. 1.9], so volge nun, das die säligen da oben für uns bitten, darumb
wir kein gottes wort habend, bevilch ich allen glöubigen, die sich gottes
wort alleyn lassend versicheren.
Gilg Murer:
Dise antwurt wirt nit gnuog sin; dann so Christus für uns bittet
im himmel, so mag's ouch mit keiner schrifft abgeschlagen werden den
heiligen im himmel. Das bewär ich uß dem heiligen euangelisten Johannis
am 17. cap. Spricht Christus: "Vatter, die eer, die du mir
geben hast, die hab ich inen geben, uff das sy ein ding sygind, glych
wie ouch wir ein ding sind, ich in inen und du in mir" [Joh. 17. 22.23].
Sind sy nun ein ding mitt Christo, so wirt one allen zwyffel inen
das bätt nit abgeschlagen werden mit biblischer schrifft.
Zwingly:
Das wort Christi Johannis 17. capitel [Joh. 17.22] lutet nit von den
säligen, die usserthalb diser zyt sind. Verlaß mich uff die wort Christi.
[fol. 199] Gilg Murer:
Hatt Christus gebätten, das die jünger hie uff ertrich ein ding
mit im syen, siner gnaden und geyst halb, vilmer sind die ußerwelten
heyligen im himmel ein ding mit der gnad und geyst in Christo. Und
also mögen sy ouch überflüssiger für uns bitten im himmel dann die,
so hie uff ertrich sind. Dann der prophet David schribt Psalmo 31
von nachlassung der sünd und darnach: für die wirt bitten ein yetlicher
heylig in der zyt, so es geschickt oder zimlich wirt [Psalm 32. 5, 6].
Meyster Ulrich Zwingly:
Vonn der eynigkeit aber redt hie Christus nitt, sonders von dero,
die den menschen zimpt, hie in disem zyt. Der psalm ist nit wider

--400--

unns; dann sanctus heyßt ein heyligen, das ist: ein glöubigen oder gottsförchtigen
[cf. Ps. 32.6]. Die werden gott zu irer zyt bittenn.
Gilg Murer:
Das fürbitt der ußerwelten heyligen im himmel wil ich bewären
uß dem propheten Hieremia am 15., da er spricht: "Wann Moyses
und Samuel vor mir stuenden, so ist min seel nit gegen dem volck
[Jer. 15.1]. Hie ist offenbar, das der prophet Jeremias hat geredt
von den abgestorben im himel; dann zuo der zyt sind sy langest gestorben
gesin.
Zwingly:
Ich frag üch, ob Moyses und Samuel vor der zuokunfft Christi
imm himmel gewäsen syen oder nit.
[fol. 199v] Gilg Murer:
Sprich ich neyn.
Zwingly:
So ist üwer argument nüt.
Murer:
Wenn auch die Väter nach Jes. 63.16 nicht alle Dinge wissen von
uns Menschen auf der Erde und in der Vorhölle, [fol. 200] vil mer doch
mögen sy es wüssen im himmel; dann wie Johannes schribt im heyligen
euangelio: "Das ist das ewig läben, das sy dich einigen gott erkennen"
[Joh. 17.3]. So sy nun gott erkennen im himmel, wie wolten
sy nit etliche andere ding erkennen in Christo?
Zwingly:
Das wort Johannis hatt den sinn, das diß fuere zuo dem ewigen
läben, gott erkennen und Jesum Christum. Was dienet aber das uff
die schlußred?
Gilg Murer:
Diewyl der rich mann Luce 16. gebätten hatt in der hell für die
uff ertrich, vil mer söllen wir glouben, das die ußerwelten im himmel
gott für uns bitten mögen.

--401--

Zwingly:
Das Luce am 16. [Luk. 16.27,28] der maß geschriben, ist ein inleytung
und leer, das die abgescheidnen vergeblich bätten, werden ouch
nitt erhört, ob sy glich bätten. Und dienet die meinung uns und nit
inen und ist ein παραβολή. Gott hat sich selb vorgebildet durch
Abraham, durch den Lazarum, ein yeden, der uff gott vertruwt -
dann so vil vermag ‎‏לעזריה‏‎: cui robur est deus -, durch den richen
die kinder diser welt. Unnd wil anzeygen, das, die uff gott vertruwt
sind, vonn stund an, so sy uß diser zyt scheyden, in die schoß unnd
fröud gottes kommen. Die aber nach iren glüsten in disem zyt läben,
werden ewigklich [fol. 200v] verdampt; und wirt hie Abraham nitt
für sin person angezogen, sonders, wie gsagt ist, bedüt er die person
gottes.
Am 22. tag ward nit gedisputiert.
[B] Mittwochen ist vor räten unnd burgern mit den widertöufern
gehandlot und also die disputation desselben tags angestell.
Uff den 23. tag Jenners.
[fol. 200v-203v] Johannes Buochstab führt weitere Bibelstellen
an, nach denen eine Fürbitte der Heiligen anzunehmen ist.
Haller und Oekolampad entgegnen. Letzterer unterscheidet eigentliche
biblische und apokryphe Schriften. Die kanonischen Schriften
geben Zeugnis für den Glauben, sie sind Regel und Richtschnur. Die
andern Bücher geben gute Beispiele und ergänzen die kanonischen. Man
nennt sie apocrypha.
Buochstab:
Diewil wir Christen sind, söllen wir uns des behelffen, so die
christenlich kilch brucht, unnd so wir von der- [fol. 204] selbigen
wurden tretten, wüßten wir nit, welich euangelia wir sölten halten, so

--402--

doch erfunden wirdt, das wol zechen haben euangelia geschriben. Und
die da sagen, das Apocalipsis nit sye Johannis des euangelisten,
die sagen ouch, das die epistel zuo den Hebreern nit Pauli sye, uß
welcher epistel unser gegenparthy nach irem verstand alle gründ hatt
wider die mäß, das sy nit ein opffer sye.
Meyster Ulrich Zwingly:
Wir bruchen gern, das die christenlich kilch brucht, aber yedes
in synem wärd. Es sind buecher im alten testament, welich die kinder
Israels in der summ und zal der heyligen gschrifft nie haben angenommen,
ützit zuo bewären, wie vor durch Ecolampadium geredt
ist. Also sind ouch in dem nüwen testament. Die bewärnus der kilchen
ist nit das bewären der zuosamenkommenden bischoffen, sonder
das bewären aller rechtglöubigen. Die buecher, dero kundtschafft wir
nitt nemmen in bewärnus der schwären händlen des gloubens, verwerffen
wir nit, glich wie ouch die wyber in der kilchen nitt verworffen
werden. So man aber ernstlich sachen bezügen soll, nimpt
man ir kundtschafft nitt an. So nun dise disputation ein so groß
ansehen hatt, haben wir nach dem bruch aller gelerten und gottsförchtigen
allein lassen die kundtschafft gelten, die nyemand verwerffen
mag. Nit das in den geschrifften, deren sy sich klagen, ützit
sye, das der predicanten schlußred möchte schwächeren, sonders das
man gewüsse ordnung hielte, wie vor gesagt. Der epistel zuo den
Hebreern halb sagen wir, das wir hie eynem yeden sin urteyl lassen,
wer sy geschriben hab. Ich für min person erkenn nit anders [fol.204v],
dann das sy Pauli sye, und das von etlicher Hebraismen wegen, ouch
des geysts halb und der veste, so der heylig Paulus in andern
episteln hat: yedoch sy sye, wes sy welle, so ist sy von den rechtglöubigen
allweg durch den geyst erkent, das sy des wärt sye, das
man die schweren sachen des gloubens uß iren kundtschafften möge
bewären. Und obglich das opfer der mäß zuo verwerffen grossen
grund in der epistel hat, so ist doch in andern epistlen Pauli und
euangelien gründen gnuog, dieselben zuo verwerffen, wie gnuogsam gehört
ist. Von vil geschribnen euangelien, das wol vil namen, deren
die euangelia geschriben haben, fürgeben sind, aber derselben gschrifft

--403--

ist so kündtlich gewäsen und dem waren gottswort so unglichförmig,
das die jünger Christi so ungründter leer nitt können verdacht sin,
darumb sy vom christenlichen volck nie sind angenommen.
Buochstab:
Von kürtze wägen laß ich's by miner vordrigen red bliben, sag
also: Christus hatt uns gebotten, vatter und muoter zuo eeren, Marci 7
[Mark. 7.10]. Volget, das er sölichs ouch gethon hab. Darumb wir
Christen ouch billich söllen eeren die hochgelobten künschen und
ewigen junckfrowen Mariam, das sy uns teylhafftig mach ir gnad,
dero sy voll ist, Luce 1 [Luk. 1.28], des wir ein figur haben in dem
Alten Testament von Bersabe, der mueter Salomonis, gieng zuo irem
sun Salomon etwas von im zuo begeren; antwurt ir Salomo unnd
sprach: "Beger, myn muoter; wann es ist nit billich, das ich min
angesicht vonn dir wende", 3. Regum 2. cap. [1. Kön. 2.20]. Ja, volkommenlich
wirt die junckfrow Maria zuo irem sun sprechen: "O
küng, ob [fol. 205] ich hab gnad funden in dinen ougen und ob es
dir gefalt, so schenck mir die seel, für die ich bitten, und min volck,
für welches ich ernstlich bitten." Dise figur wirt anzeigt Hester am
7. [Esth. 7. 3]. Hiemitt wil ich beschlossen haben die schlußred von
fürbitt der heyligen.
Zwingly:
Das Christus sin muoter verert hab nach vermögen des gesatzes
[cf. 2. Mos. 20. 12], bewärt nitt, das sy darumb sye zuo gott gemacht
oder iro göttlicher gwalt geben; dann es stat geschriben Esaie 42
[Jes. 42. 8]: "Ich wird min eer keynem andern geben." Wir sehen
Johannis am 2. [Joh. 2. 4], do die junckfrouw Maria an Christum
ervordert, das er dem mangel am hochzit zuo hilff käme, Christus zuo
ir spricht: "Wyb, was nimpstu dich myn an, myn zyt ist noch nit
hie?" In welchen worten er ir abschlacht, das sy im nit gebieten sölle

--404--

in den dingen, die den gewalt der gottheit anträffen. Deßglichen hat
man ouch Luce am 2. capitel [Luk. 2. 49]. Die figur Bersabe und
Salomons lassen wir nit ein figur deß sin, das sy anzeygen, sonders
es ist ein anagoga; dann dieselben nüt mer bewären weder geschmäck
und rouch ob dem gesatzten mal spißen; dann das, darzuo die anagogen
gebrucht werden, sol vorhin in hällen worten gottes grund haben,
und dann sind sy ein zierd und nitt die gründ. Wellen hieby ordenliche
eer der säligen ewigen magt Marie dheines wägs geschmelert
haben.
Theobaldus Huoter:
Der will unsers erlösers ist, das wir uns keren von sünden etc.
Ez. 18.21 [fol. 205v]. So der wil gottes ist, das wir von sünden entlediget
werden, so sind die säligen nit wider den willen gottes, sonder
inn sinem willen bestätet, warumb wolten dann die glider sich nit
verglichen dem houpt mit bitten ? Luk. 20. 35,36 ... so nun der engel
dienstbar ist und bittet, so bitten ouch die säligen, so sy den englen
glich sind. Item so wir zuo den heyligen gand und die kilchen heymsuochen,
daselbs unser gebätt zuo verfueren, ist nitt ane ursach; dann
wir haben des ein gezügnus 1. Mos. 28. 16-17. Christus ist ouch in
tempel kommen etc. [cf. Matth. 21. 12,23; Mark. 11. 11,15,27 u.a.].
Unnd die heyligen apostel Petrus und Johannes sind in tempel
gangen zuo der nündten stund des gebätts etc. [cf. Apg. 3. 1]. Und
hatt Christus an eynem ort mer wunderwerck gewürckt dann am
andren [cf. Mark. 6. 5]. Item 3. Regum 8. cap. [1. Kön. 8.22,28,41-43].

--405--

[fol. 206] Hie ist zuo mercken, so die frommen menschen die
walfart thuond, gott zuo lob und eeren und zuo gedächtnis der heyligen,
wol thuond. Item wir haben ouch 4. Regum 13. cap. hat gott im Alten
Testament ein groß wunderzeychen gethon durch den abgestorbnen
Heliseum, der noch nit sälig was, wie unser heyligen sälig sind im
Nüwen Testament, da man hat ein todten cörpel geworffen in das grab
Helisei und von anrueren der beynen ist widerumb läbendig worden
[2. Kön. 13.21]. Darby man wol mercken mag, das gott durch die abgestorbnen
zeichen tuot. Hiemit underwirff ich mich gemeiner christenlichen
kilchen, mich ze wisen, wo ich nit glichförmig wäre gsin dem
götlichen wort.
Zwingly:
Das die ußerwelten säligen gehorsams und einhelligs willens gottes
syen, erkennen wir; dann wir bitten, das gottes wil beschehe uff erden
wie im himmel [cf. Matth. 6. 10]. Ane zwyfel, das im himmel sich
niemand wider gottes willen setzt. Das aber dabi wirt ingefuert: "So
bitten sy ouch für uns", ist nit recht; dann ob wir glich bißhar von
fürbitt Christi haben lassen reden, ist doch daselb allein umb guots
verstands willen beschehen. Nit das im anders sye, weder wir yetz
in den worten 1. Johannis 2. capitel [1. Joh. 2. 1,2] hören werden,
da also stat: "Mine kind, ich schrib üch dise ding, das ir nit sünden.
Und ob aber eyner sündete, so haben wir einen fürstender oder vertröster
by dem vatter, Jesum Christum den gerechten, und der ist
die gnädigung für unser sünd." Hie mercken wir, das Christus nit
mit angsthafften flähen oder niderfallen für unns bitt, wie wir bätten
verstan wellen, sonder das syn gebätt einest erhört (als Hebreorum
am 5. stat [Hebr. 5. 7]: "er ist zur zyt sines fleyschs, das ist tods
[fol. 206v], erhört worden") in die ewigkeyt gnuog; dann dasselb nüt
anders weder die bezalung für unser sünd ist. So aber sollich gebätt,
das ist bezalung für unser sünd, niemand thuon mag weder der eynig
Christus; dann niemand gott und mensch, niemand ein eyniger
mitler gottes und der menschen ist weder er [cf. 1. Tim. 2. 5], so
volgt nit, Christus hat die krafft oder gewalt, darumb haben es die
ußerwelten ouch. Oder aber, das Christus gott ist, mueßte volgen,

--406--

so sind die säligen ouch got etc., das gar nit zimpt. Das die säligen
für uns, glichsam ouch die engel für uns bitten, lassend wir nit nach;
dann es ist arguieren ex non concessis. Wir lassend nit nach, das
die engel für unns bitten solicher wiß, so sy es meinen. Wir erkennen
wol, das sy dienstige geyst sind [Hebr. 1. 14], aber dhein gewüsser
ungezwifleter fürständer sin mag, weder Christus. Das ort Genesis
am 28. [1.Mos. 28. 16,17] und das Christus an eynem ort mer
wunderwerck gewürckt hatt weder am anderen und das Salomon
3. Regum 8. capitel [1. Kön. 8. 22ff.] gebätten hat: "Welcher in den
tempel käme etc." ist alles abkent, da Christus Johannis am 4.
[Joh. 4. 21] spricht: "Es kompt die zyt, das die waren anbätter weder
uff dem berg noch zuo Hierusalem werden anbätten" unnd Matthei
am 24. [Matth. 24. 26]: "Wann man üch sagen wirdt, Christus ist
im fäld, gand nit hinuß etc." Der tod lichnam Helisei [cf. 2. Kön.
13. 21] hat also nit krafft, läbendig ze machen, das er ouch läbendig
solichs nit gehabt, sonders alle wunderwerck sind göttlicher, nit
menschlicher krafft; dann ouch Christus spricht: "Der vatter, der
in mir ist, thuot die werck" [Joh. 14. 10].
[fol. 207v] Dis ist die sibend schlußred.
Das nach disem zyt kein fägfhür in der schrifft erfunden wirt.
Deßhalb alle todtendienst als vigil, seelmäß, seelgrät, sibend, drißgost,
jarzit, amplen, kertzen und derglichen vergeblich sind.
Berchtoldus Haller erläutert die Schlußrede. Sie ist eigentlich
schon durch die dritte Schlußrede als richtig erwiesen, die lehrt, daß
Christus unser einziger Erlöser ist. Joh. 3. 16-18 verheißt den Gläubigen
ewiges Leben. Das jenseitige Leben wäre nicht ewig, wenn die
Seelen zuerst im Fegfeuer büßen müßten. Entweder sterben wir gläubig

--407--

und kommen in die ewige Freude oder ungläubig und kommen in die
ewige Verdammnis. Der Schächer am Kreuz wird mit Christus im
Paradiese sein, Luk. 23. 43. Hier ist vom Fegfeuer nicht die Rede. Die
Totendienste sind ungerecht, da die Reichen mehr dafür tun können als
die Armen.
Johannes Mannberger:
Hochgelerten, erwirdigen herren! Diewyl die conclusion vorhanden
ist, das fägfhür antreffende, bedunckt mich, es sye mer ein anzüchung
des fräfens dann der vernunfft. Angesechen, das da stadt
geschriben Apg. 1. 6-7: "Da habend die apostel [fol. 209] gesprochen
zuo dem herren: ,Herr, ob du werdest widerumb geben in diser zyt
das rych dinem volck Israels?'" Hat er inen geantwurt: "Es ist nit
in üwerem erkennen die zyt oder ougenblick, die min vatter gesetzet
hat in sinen gewalt." Deßglichen so spricht Paulus 1. Kor. 2. 9: "Es
hat's kein or nye gehört noch kein oug nie gesechen etc." So spricht
Christus Joh. 14. 2 "In dem huß mines vatters sind vil wonungenn".
Das huß des vatters ist zwyfaltig: eins der belonung, ist das rych
der himmlen, die nün chör der englen. Das ander huß ist das huß
der straffung, von dem da spricht Paulus Eph. 4. 9: "Er ist abgestigen
zuo den nidren teylen des erdtrichs." Finden wir ein obren teyl der
hell, ein mitlen teyl unnd den aller nidristen teyl. Von dem obren
teyl haben wir 1. Sam. 2. 6: "Der herr der tödt und machet läbendig;
er fuert zun hellen unnd fuert wider haruß." Vonn dem mitlen teyl
der hellen schrybt der prophet David Ps. 86. 13: "Herr, du hast erlößt
min seel von der nideren helle." Item wir findend ouch ein statt
der helle, Sach. 9. 11 stadt also geschriben: "Herr, du hast dine gefangnen
ußgefuert in dem bluot dins testaments uß der gruoben, darinn
kein wasser was." Von der nidristen statt der hell, darinn kein erlösung
ist, schrybt Hiob 10. 21: "Ich wird hingan und nit mer wider

--408--

harumb kommen zuo dem finsteren erdtrich, das da bedeckt ist mit
der finstere des tods etc." Uß dem wil ich bewärt haben: Zuo glycher
wyß als da syen vil stett der belonung, also syen ouch vil stett der
straffen; dann niemand zuo himmel mag kommen befleckt oder gemaßget.
Bezügt der prophet David: "Herr, wär wirt yngan in din
tabernackel?" und gibt antwurt im [fol. 209v] selbs, spricht: "Der da
yngadt one masen unnd würckt die gerechtigkeit", Ps. 15. 1,2.
Zwingly:
Das in geschichten im 1. capitel [Apg. 1. 6,7] ist anzogen, dienet
uff kein fägfhür, sunders habend den verstand: als Christus die junger
geheyssen hat, zuo Jherusalem blybenn biß zuo der zuokunfft des heyligen
geysts, fragen sy, ob dieselb zuokunfft das rych Israels, das dennzuomal
under dem gwalt der Römern was, wurde widerbringen. Uff
das gibt er inen antwurt: "Es stadt üch nit zuo ze wüssen die zyt und
väl oder ougenblick, die der vatter in eignem gwalt behalten hat."
Nimpt Christus mit den wortenn hin, das wir unns nit frömbder
künfftiger dingen beladind, sunder uff sin wort unnd verheyssung
lassenn söllend, unnd spricht oben daruff: "Ir werdend empfachenn
die krafft des kommenden geysts etc." [Apg. 1. 8], sam er spräch:
"Losend, was ich üch sag, ich verheyß üch den geyst. So fragen ir
mich umb das zytlich rych, das lassend fallen, unnd rüstend üch uff
die zuokunfft des geysts." Und hat also Christus nit allein den
jüngeren, sunders ouch siner eygnen muoter keynen fürwitz wellen gestatten.
Von der muoter ist hütt gehört; vonn den jüngeren habend
wir, das er Petro abschluog, das end unnd tod Johannis ze wüssen.
Johannis am 21. capitel [cf. Joh. 21. 22]. Und wirt mit disem ort
kein fägfhür bewärt; dann wir wüssend, das alle, die in Christo Jesu
sterbend, by Christo Jesu läbennd unnd ouch mit im regnieren, zun
Römeren am 8. capitel, und in der andren epistel zun Corinthern
am ersten capitel [cf. Röm. 8. 11; 2. Kor. 1. 5]. Hieby hat der dechan

--409--

"restituere regnum Israel oder dei" [fol. 210] vertütschet "widerumb
geben", vertütschen wir "wider ufrichten" [cf. Apg. 1. 6]. An welchem
wort aber gemerckt wirt, das sy redtend von dem widerbringen des
irdischen rychs.
Uber Paulum, in der ersten epistel zun Corinthern am anderen
capitel [1. Kor. 2. 9]: "Es hat's kein oug nie gesechenn unnd kein or
nye gehört etc.", da redt Paulus von den götlichen geheimnussen
sines suns, den er hat lassen mentsch werden, und von der wunderbaren
erlüchtung, die uns durch Christum Jesum anzeigt ist, das
sölich liecht in der welt nie gewäsen sye, als aber durch Christum
eroffnet. Unnd sind die wort Esaie am 64. capitel [cf. Jes. 64. 4],
und wil Paulus nit sagen, das man nit wüsse, warhin der mentsch
komme nach disem zyt. Das er Johannis am 14. capitel [cf. Joh. 14.2]
anzeygt, erkennen wir, das in dem huß gottes vil wonungen sind, aber
von dem anderen huß, das er uff das fägfhür zücht, wüssen wir nützit;
dann die schrifft zun Ephesern am 4. capitel [cf. Eph. 4. 9] dienet
nit dahin. Er verstat daselbs dise welt, das Christus herabkommen
sye und wider zuo himmel gefaren. Hieby sol man ouch wüssen, das
"inferi" by uns tütschet wirt "die hellen", unnd heyßt aber die hell
nit das ort der ewig verdampten alleyn, sunder ouch den stannd der
seelen nach diser zyt in der gemeyn. Das bewärdt der artickel des
gloubens "descendit ad inferos". "Er ist abgefaren zuo den hellenn".
Nun ist gewüß, das Christus die unglöubigen, die in der hell warend,
das ist in ewiger verdamnuß, weder heymgesuocht noch erlößt hat.
Sunders er hat allein die uß dem verlangen genommen, die da des
göttlichen angesichts beroubt waren und aber gotsförchtig und glöubig
mit Abraham gewäsen waren. Die hat er heimgesuocht und erlößt,
[fol. 210v] als 1. Petri 3. capitel, Genesis 44. [cf. 1. Petr. 3. 18,19;
1. Mos. 44. 29]: "Deducetis canos meos ad inferos etc." das ist "in das
grab".
Das uß dem Psalmen [cf. Ps. 86. 13] ist angezogen, da sechend
wir, das zuo den hellen fueren und wider von den hellen fueren nützit
anders ist weder töden und läbendig machen. Da er aber spricht:

--410--

"Du hast min seel uß der tieffen oder nidren hell erlößt", 85. Psalmo,
hat der hebraismus kein comparativum.
Oekolampad erklärt Sach. 9. 11. Die Stelle weist auf die Erlösung
durch Christus hin. auch Hiob 10. 21 spricht für die Auffassung der
Prädikanten. Hiob will in diesem Leben bußfertig sein.
[fol. 211] Meyster Ulrich Zwingly:
Das niemand zuo himmel komm, dann der ane masen sye, lassen
wir nach [Ps. 15. 2]. Aber die reinikeit kompt nit uß unserm läben
oder lyden, sonder gott ist, der da gerecht macht, zum Römern am 8.
[cf. Rö. 8. 33].
Buochstab:
Daß Christus allein für uns genug tut, ist in der dritten Schlußrede
beantwortet worden. Matth. 12. 36 verlangt Christus Rechenschaft
von jedem unnützen Wort. Nun ist nit ein yecklich unnytz wort ein
houptsünd, darumb ouch ettlich unnütze wort, die nit houptsünden
sind, abgereyniget muessen werden, Jes. 35. 8. Unser Glaube ist nicht
vollkommen, [fol. 211v] wie die Geschichte vom reichen Jüngling zeigt,
Matth. 19. 21. Eine Reinigung ist nötig, Ps. 66. 12. Deßglichen Hieremie
am 31. [Jer. 31. 9]: "Si werden in dem weynen kommen, unnd ich
wird sy in der barmhertzigkeyt widerumb fueren unnd wird sy harzuo
fueren durch die ungestümmigkeit der wasser in den rechten wäg, der
da fuert zuo dem ewigen läben." Find ich niendert, das eyner durch die
pyn, es sye wasser oder für, in die ruow und in das ewig läben gefuert
werde, dann durch das fägfür.

--411--

Zwingly:
Sovil wir verstond, langt die gantze summ synes arguments oder
innred dahinn, das ettlicher gloub unvolkommen sye. Deßhalb ir
unvolkommenheit bedörffe durch das fägfür gevolkomnet oder gebessert
werden. Sagen wir des gloubens halb also, das [fol. 212] diß
der recht volkommen gloub ist, da man wie die apostel Johannis
am 6., Mathei am 16. capitel [cf. Joh. 6. 69; Matth. 16. 16] gloubt,
das Jesus Christus der sun des läbendigen gotts sye und unser sye.
Aber in dem glouben, da gibt gott einem thürere werck dann dem
andern. Er gibt ouch thürer glori und eere, ye nach der maß der
wercken und gloubens, die er vor geben hatt. Wo aber sölcher gloub
nit ist, erkennen wir das nit für einen glouben. Deßhalb dem ersten
glouben säligkeyt begegnet, obglich eyner im selben der kleinsten ist.
Harwiderumb im unglouben, ob er glich grosse werck hat und grössere
in speciem, weder der da glouben hatt, so wirdt der verdampt; dann
alles, das nit uß glouben, ist sünd oder unrecht, zun Rhömern am
14. [cf. Röm. 14. 23]. Da Petrus im mer zwiflet hat, hat er nit an dem
zwiflet, das Christus Jesus der sun gottes wäre, sonder ob das, das
er sach, Christus wäre [cf. Matth. 14. 31]. Und reicht das nit uff
die volkommenheyt des wäsenlichen gloubens. Der rechnung halb
eines yeden unnützen worts glouben wir den worten Christi [cf.
Matth. 12. 36]. Aber das bluot Christi wäscht alles das ab, das wir
hinder haben an der rechnung. Das Christus zum jüngling geredt
hat: "Wilt volkommen sin etc." [Matth. 19. 21] dient uns gar wol zuo
unser leer; dann diser jüngling kam zuo Christo ane glouben und
hat aber vil werck, doch allein werck, die in an sinem schalck
oder gyt nit angriffen. Da nun der erkenner der hertzen sach,
das er deren was, die allen iren trost und vertrüwen in ir richthumb
gesetzt haben, so ruert er im sin innerliche kranckheit an, die er meint
allen menschen verborgen sin, und spricht: "Wilt volkommen sin"
ethologice, nitt das ützit mög volkommen machen weder der

--412--

einig gott, sonders das der jüngling sich vermeint, uß sinen wercken
uff dem wäg der volkommenheit sin. Welchs doch nun ein glißnery
was, sam [fol. 212v] Christus spräche: "Du rechnest din guete
nach dinen wercken und thuost aber nun werck, die din liebe der
richtagen nit verletzen; wiltu nun volkommen sin nach diner meynung,
so verkouff alles, das du hast". Hie sehen wir, das der jüngling
nit hatt glouben gehabt, sonder vertruwen uff sine werck und dieselben
werck, die hat er wellen schetzen, wie er hat wellenn. Und so
im gott sagt, was der recht gloub ervordert, so gat er dannen.
Hieremie am 31. [cf. Jer. 31. 9] ist ein verglichende red und
dienet nit uff das fägfür, sonder uff die straffen, muegen und arbeyten,
die gott uns menschen zuofuegt. Esaye am 35. [cf. Jes. 35. 8] wirdt
geredt von dem wäg des euangelii, das alle, die darinn wonen, die
werden nit unrein syn. Also wirdt ouch in dem Psalmen [cf. Ps. 66.
12] fhür und wasser für angst und truebsal genommen, mit denen uns
gott anficht in diser zyt, nit für einicherley fägfür. Es muoß sunst ouch
ein fägwasser sin. Deßhalb dise ort alle dhein fägfür bewären.
Johannes Buochstab:
Wann der gloub Petri in dem gnuogsam was, das er in Jesum
Christum gloubt, das er der sun gotts wäre, wurden alle sünder
sälig, die sölichs ouch glouben. Das das bluot Christi alles abwäsche,
das wir an der rechnung hinder haben, ist mitt dheiner geschrifft
bewärt; dann Paulus spricht zun Römern am 2. [Röm. 2. 6], "das
gott einem yeden werde geben nach sinen wercken". Die wort des propheten
Davids und ouch Hieremie, diewyl sy mit offenbarer
gschrifft nit widerfochten werden, wird ich nach minem fürgeben
lassen beston.

--413--

[fol. 213] Zwingly:
Das der gloub uff Jesum Christum alle sünder heyl mache, wie
ouch der gloub Petri, ist das wort gots Johannis 6. [Joh. 6. 47]:
"Welcher in mich vertruwt, der hatt ewigs läben". Es ist aber gnuog
gesagt, wie die glöubigen sünder syen und wie die unglöubigen sünder
syen, die glöubigen mit scham und schmertzen, aber mit ungezwifleter
hoffnung zuo gott, die unglöubigen ane scham und wee, aber mit verzwiflung
an gott. "Das bluot Christi reyniget uns von aller sünd",
spricht Johannes 1, capitel 1 [1. Joh. 1. 7]. "Gott wird ouch einem
yeden nach sinen wercken geben" [cf. Röm. 2. 6], aber nachdem sy im
glouben oder unglouben beschehen sind, und wirt gott sin eygne gab
belonen; darvon gnuog gesagt ist. Und bewären dise ort aber dhein
fägfür.
Buchstab: Das Fegfeuer ist erwiesen durch Jes. 43.1-3 und Jes. 47. 14.
[fol. 213v] Meyster Ulrich Zwingli:
Diß ist alles verantwurt; man weyßt wol, was fhür und wasser
an denen orten heyßt.
Buchstab führt als Beweis für das Fegfeuer 1. Kor. 3. 13 an.
Haller erklärt die Stelle. Paulus meint das Feuer der Bewährung
in der Lehre und im Glauben bei Verfolgungen.
[fol. 214v] Uff den 24. tag Jenners.
Buchstab hält an seiner Auffassung der zitierten Stellen fest. Der
Schächer am Kreuz hatte kein Fegfeuer zu gewärtigen, weil er vollkommen
an Christus glaubte. Diesen vollkommenen Glauben haben aber nur
wenige. Bei den Totendiensten wird auch für die Seelen der Armen
gebetet. Das Fegfeuer läßt sich ferner beweisen durch Matth. 5. 25-26.
Unter Kerker wird hier ein Ort zwischen Himmel und Hölle verstanden.
Das ist das Fegfeuer. Dieselbe Bedeutung hat die Stelle Jes. 24. 22.
Haller bemerkt zu Matth. 5. 25-26, Jesus spreche hier von der
Versöhnung mit dem Nächsten und gebe ein Beispiel dafür. Die Stelle
handle nur von den Lebendigen, nicht von den Toten.
Oekolampad erklärt, Jes. 24. 22 betreffe die Gottlosen und ihre
Bestrafung, nicht die Läuterung der Gläubigen.

--414--

[fol. 218] Theobaldus Huoter, pfarrer zuo Appentzell:
Wir habend 2. Sam. 12, wie der künig David gesündet hat, als im
der prophet Natan anzeigt etc., hat er rüw und leid umb sine sünd
und wurden im von gott nachgelassen; dann er sprach: "Ich hab
gesündet dem herren etc." Und erkannt sine sünd.
[fol. 218v] Nütdesterminder muoßt sin sünd bezalt unnd gestrafft
werden; dann sin sun muoßt darumb sterben, umb die sünd des vatters,
als der prophet sprach: "Der herr hat din sünd uff ein andren gelegt."
Da sechen ir, das gott bywil der schuld nachlaßt und dannocht ein
straff nachhin volget etc. Wiewol Christus gnuog für unns gethan
hat, für die sünd der gantzen welt, noch werdend etlich verdampt etc.
Er hat ouch die erbsünd hingenommen, noch muoß man die kinder
touffen oder sy wurdend nit sälig, so sy keinen touff empfiengen. Der
hat all kranckheyt und schmärtzen hingenommen [cf. Jes. 53. 4.], nütdesterminder
werden wir kranck und muessen den tod lyden. Und
wiewol er gnuog gethan hat durch sin barmhertzigkeit, so erfordret doch
sin gerechtigkeit, das wir thuegent, als vil an uns ist. Bezüget der prophet
Johel 2. capit. [Joel 2. 12]: "Keren üch zuo mir in gantzem üwerem
hertzen, in fasten, in weynen, in truren". Uß dem volget klar, das in
der penitentz etwas sträfflichs muoß sin. Unnd so wir hie nit gnuogsam
gereyniget werdend, muoß es dört sin; dann als wir habend 1. Joh. 5. 16:
"Welcher weißt sinen bruoder sünden, ein sünd nit zum tod, der begär,
und es wirt im geben werden das läben. Es ist ein sünd zum tod,
für die ich sprich nit, das man bätten sölle". Das Gebet geschieht
nicht für die Lebenden, sondern für die Toten. An den Lebenden sollen
wir nicht verzweifeln. Wenn Matth. 12. 32 davon die Rede ist, daß in der
zukünftigen Welt Sünde gegen den Heiligen Geist nicht vergeben werde,
dann können andere Sünden doch erlassen werden. Das kann aber weder
in der Hölle noch im Himmel geschehen; also muß es ein Fegfeuer geben.
[fol. 219] Zuinglis Antwurt gegen pfarrers
von Abtzell gegenwurff.
Die gantze summ des pfarrers argument wil, das wir für ünser
sünd muessind gnuog tuon und desshalb das fegfür bewären. Und ist
30-31 Q Meyster Ulrich Zwingly

--415--

aber vorhar gnuog anzeigt, das Christus ünserer sünd erlöser, bezalung,
mitler, versuener etc. allein ist, wie dann in vorgenden schlussreden
gnuogsam anzeygt. Das aber David gestraft und das geboren kind
gstorben, bewert darumb ghein fegfhür; dann sölche straff hie in zyt
beschehen ist, sy ist ouch nit ein bezalung der sünd noch erwerben der
gnad gottes, dann gheine lydungen sind glychwichtig der künftigen
er, die üns got wirt eroffnen [Röm. 8. 18]. Aber die truebsäl fuegt üns gott
als sinen gschirrinen zuo, damit er uns bewär und in ghorsame bhalt,
Rom. 5 [Röm. 5. 3-5]: "Wir ruemend üns der truebsälen; dann wir wüssend,
das die truebsäl gedult machend, geduld aber bewernus, und die bewernus
bringt hoffnung, und die hoffnung bringt üns nit ze schanden" etc.
Das etlich verdampt werdind, ist war, aber die unglöibigen, davon
gnuog gsagt. Was bewärt [fol. 219v] aber das, das ein fegfhür sye?
Das die kind nit sälig möchtind werden on den touff, ist nit, wil
aber hie nit gedisputiert werden. Das wir erlöst sygind von Christo
und denocht ouch sterben muessind und kranckheit lyden, sicht dem
glych, sam der pfarrer sagen welle, die erlösung Christi sye nit volkomen,
so der lyplich tod nit ouch werde hingenomen. So er aber
das nit wil sagen, was diennt dann sölchs, ein fegfhür ze bewären?
Das in der pęnitentz etwas sträflichs sin muess, reicht dahin, das
ünser buoss uflegen etwas sölle hinnemen, das nit ist; dann so wir
glych alles tätind, das gott heisst, denocht sind wir unnütz knecht
[Luk. 17. 10].
Das uns die grechtigheit gottes nebend der barmhertzigheit lere,
das ünser ze tuon, sagend wir, das alle werck, die beschehend, götlicher
grechtigheit gnuog ze tuon, Christum uslärend [cf. 1. Kor. 1.17], aber
die grechtigheit des gloubens gilt allein, welchs Paulus zunn Römern
und Galaten zum sterckisten bezügt [Röm. 1. 17; Gal. 5. 5].
Das ort 1. Ioannis 5 [1. Joh. 5. 16] bewert ghein fegfhür; so aber
hie ze lang von sinem sinn ze reden, sagend wir kürtzlich, dass nit
volgt: es ist ein sünd, für die man nit bitten sol, so ist ein fegfhür.

--416--

Das ort Matthei 12 [Matth. 12. 32], die sünd inn heligen geist
werde weder hie noch dört nachgelassen, schlüsst nit, das etlich sünd
in iener welt werde nachgelassen; dann es ist locus a sufficienti divisione,
vermag als vil als: wirt nimmer me nachgelassen (und das
ist ouch kurtzlich die sünd, von dero Ioannes am vordrigen ort redt).
Glych als so man spricht: Der hatt weder tag noch nacht ruow, volgt
nit, so hatt er etwan ruow, sunder tag und nacht sind die gantz usteilung
des zytes; dann alle zyt ist eintweders tag oder nacht. Also
ouch hie nimpt Christus für "wirt nimmer nachgelassen" die gantzen
abteilung der h%:yeigen [fol. 220] und dört welt und spricht, "sy werde
weder hie noch dört nachgelassen" für "nümmer", und ist periphrasis
ipsius numquam. Empfälend ünser ler und verstand ouch allen
christglöibigen und nit der bäpstischen kilchen ze urteilen.
Buchstab führt zum Beweis für die Totendienste 1. Mos. 50. 3 an:
Joseph beweinte seinen Vater sieben [sic! anstatt 70] Tage. Moses und
Aaron wurden dreißig Tage beweint nach 4. Mos. 20. 29 und 5. Mos. 34. 8.
Buchstab sucht ferner die Jahrzeiten zu rechtfertigen.
Haller: Die genannten Stellen beweisen keine Totendienste. Ein
christliches Begräbnis bestreiten wir nicht. Wenn es ein Fegfeuer gäbe,
hätte Paulus 1. Thess. 4. 13ff. davon reden müssen.
[fol. 222v] Die achtende schlußred
Bilder machen zuo vererung ist wider gottes wort, nüws und alts
testaments. Deßhalb wo sy in gevar der vererung fürgestellt, abzethuond
sind.
Franciscus Kolb erläutert die Schlußrede. Sie ist begründet
durch 2. Mos. 20. 4, 5. Mos. 4. 15, 1. Kor. 6. 9 und 10. 14. Wir sollen
unsern Nächsten Gutes tun, Matth. 25. 40, und einander Ehrerbietung entgegenbringen,
Röm. 12. 10. Bilder- und Götzenverehrung ist gegen die
Lehre Christi und der Apostel.
[fol. 223] Buchstab: Die Bilder sind nicht göttlich zu verehren.
Sie sind Zeichen. Mose ließ zwei Cherubim auf die Bundeslade machen,
2. Mos. 25. 18. Die eherne Schlange wurde zerbrochen, als man sie anbetete,

--417--

2. Kön. 18. 4. Da wir Christen die Erkenntnis Gottes und der
Heiligen haben, dürfen wir uns Bilder von ihnen machen, um sie uns
im Gedächtnis zu behalten.
[fol. 223v] Zwingly:
Das die Cherub ein bedütung der gnädigung, die Christus
Jesus ist, gewäsen syen, bezüget Paulus zun Hebreern 9. [cf. Hebr. 9. 5].
So nun der war gnädiger kommen ist, so hört die bedütnuß uf.
Der grund vom erynen schlangen ist für uns; dann wir allein wider die
bilder reden, die vereret werden, wie die schlußred lutet. Es ist ouch
nit not, das man die heiligen lyblich seche; dann die form eins christenlichen
läbens imm gotswort vorgemalet ist und in keiner bildtnuß;
dann die ussern gestalt sechen, zimpt dem menschen [cf. 1. Sam. 16. 7],
aber die innerliche des hertzen und gloubens mag der mensch nit in
einem läbendigen menschen sechen, wir geschwygend in einer todten
bildtnuß, wiewol das keins verantwurtens bedörfte. Die sichtbaren ding,
von denen Paulus redt zun Römern 1. [cf. Röm. 1. 20], sind nitt die
bildtnussen, die von menschen henden gemacht sind, sunders die bildtnussen,
die von der hand gottes gemacht sind. Darby laß ich's yetzmal
blyben.
Johannes Buochstab:
Ich weyß sunders uß der gschrifft nit wyter darzuo ze reden dann
allein, das sy anfäncklich sind uffgericht worden zuo underwysung der
ungeschickten menschen, so die schrifften nit läsen können, denselben
warend die bilder für die buecher anzeigt. Diewyl iro nun äben vil
gemachet und man sy sunst niendert zuo weyßt ze bruchen, dann also
für zeychen ze haben und man dermassen yetz allenthalben underricht,
das man wol weißt, das man die bilder nit anbätten noch mit göttlicher
eer sol halten, sunder für zeichen ze haben. Radt ich von wägen
ergernuß ze ge-[fol. 224]ben zuo vermyden, sy lassen ze blyben.
Hiemit wil ich disen artickel beschlossen haben.

--418--

Zwingly:
Wir wüssen wol, das die widerständ, die die bilder schirmen, bald
muessen ufhören, soverr man uß gottes wort reden sol. Aber die bilder,
darumb sy in bruch kommen sind, und man wüsse, das sy nit zuo
vereren syen, möge man sy wol behalten, ergernuß zuo vermyden, erkennen
wir ein red menschlichen guotdunckens sin; dann der gott, der
alle ding weißt, ee und sy beschechend, hat wol gewüßt, wann man
bilder ufrichte an träfenlichenn orten, das sy nach der zyt vereret
wurden. Darumb hat er's ouch verbotten. Wenn nun wir uß fürwitz
sagen wöllen, wir mögend's wol behalten, so man sy nit verere, unnd
wellend's damit an genanten orten behalten, thuond wir glych, als der
sin tochter laßt zuo aller uppigkeit unnd spricht darzuo: sy weißt wol,
das sy recht thuon sol. "Welcher gern by gefar ist, der kumpt umb
in der gfar", Ecclesiastici 3. [Jes. Sir. 3. 27]. Deßhalb wir wol wüssend,
war die bilder gehören, an kein ort, da sy der vererung halb
einigen anzug gäbend. Darzuo ist die klarheit gottes worts also an
allen orten erschinen, das sich an dero abthuon wenig mer verergerend.
Theobaldus Huoter:
Es war nie die Meinung der Kirche, Holz und Stein anzubeten.
... muoßt ein narrechtiger mensch sin gsin, der holtz oder steyn für
sinen gott hett gehept und inen also göttlich eer bewisen; dan
[fol. 224v] anbätten gehört allein gott zuo. Zuo mercken ist by den
bilderen, so man ein bild anbättet, als die heyden habend gethan, die
das für ire götter haben gehapt, radt und hilff von im ervordret, als
ob das holtz oder steyn inen helffen möchten, oder creaturen, die dadurch
bedütet werden, als Juppiter und Hercules. Also sol man
keine haben; dann es wäre abgöttery. Es hat ouch kein Christ, als
ich hoff, die bilder nie also gehapt etc. Gott verbietet 5. Mos. 4. 15,
seine Gottheit abzubilden. Das Gleichnis dafür war Feuer und Rauch.
Meyster Ulrich Zwingly:
Wiewol dise leer uß Fabers, nit biblischer schrifft harbracht,

--419--

deßhalb sy weder angezeychnet noch verantwurt solt werden, lassen
wir's doch by der antwurt blyben, die ein ersamer radt von Zürich
bischoffen von Costentz in der matery geben hat. Das ort Deutronomii 4.
[cf. 5. Mos. 4. 15] dienet uns; dann got wil also reden: ir haben
minen kein bildtnus nye gesechen, darumb söllen ir mich ouch nit
verbilden. Vil weniger soll man einige creatur zuo vereerung verbilden.
Hic valet locus a maiore; dann so man den nit verbilden sol,
der allein gott unnd zuo vereeren ist, vil weniger sol man die verbilden,
die nit zuo vereeren sind als gott. Es sol ouch hie gewüß sin, das wir
erst bilder haben ufgericht, nachdem wir die für gött und helffer haben
ufgeworffen, denen wir bild gemacht haben. Den tarmhaspel Erasmi
hat man erst gemacht, do man Erasmum darfür hat ufgeworffen, das
er die weetagen des ynneren lybs hynneme. Wellend also benuegig
sin sölicher gegenwürffen, die nit uß der schrifft beschächen.
Theobaldus Huoter:
Min dargethan sprüch bevilch und underwirff ich mich gemeiner
christenlichen kilchen, wo ich geirt hette, mich wisen zuo lassen und
zuo volgen.
Zwingly:
Wär sich gemeiner Christenlichen kilchen underwirfft, der underwirfft
sich gottes wort. So nun der pfarrer von Appenzel die bilder
[fol. 225] schrimpt ane gottes wort, so volget, das sich der pfarrer
von Appenzel nit der kilchen underwirfft, die sich an gottes wort halt.

--420--

[fol. 225] Die nündte schlußred.
Die heylig ee ist keinem stand verbotten in der geschrifft, sunders
huory und unküscheit zuo vermyden allen ständen botten.
Berchtoldus Haller begründet die Schlußrede durch 1. Mos. 1
und 2. Die Ehe ist von Gott eingesetzt. Sie kann niemandem verboten
werden. Matth. 19. 12 betrifft besondere Fälle. Auch Paulus verbietet
die Ehe nicht, vielmehr spricht er ausdrücklich von der Ehe des Bischofs
oder Pfarrers, 1. Tim. 3. 2.
[fol. 226] Buochstab:
In dem namen der heiligen dryfaltigkeit, amen. Die heilig ee
wirt weder im alten noch nüwen testament keinem stand verbotten
dann allein dem, der die im selbs verbütet, unnd das der, so die im
selbs verbütet, im verbieten sölle blyben, wil ich ein kurtz exempel
uß der götlichen schrifft haryn fueren. Acto. 5 stadt geschriben, das
Ananias und Saphira hatten zytlich guot; dasselbig mochten sy thuon,
war sy wolten, ee und sy dasselb den apostlen übergabend. Aber
nachdem sy sömlichs hingaben und den apostlen verlobten, behielten

--421--

sy ein teyl heymlich wider die gelübd. Des starb Ananias gächlingen.
Also ein yetlicher, dem ein ding gezimpt vor der gelübd, macht im
selbs sölichs durch die gelübd unzimlich; dann Christus im euangelio
spricht [Matth. 5. 37]: "Uwer red sol sin ja, ja, nein nein." Den spruch
Pauli zum Timotheo [1. Tim. 3. 2] verantwurt ich also: Das nit sin
meinung ist gesin, das ein [fol. 226v] yetlicher bischoff mueßte ein wyb
haben; dann dergestalt hette ouch Christus, der obrest priester, ouch
Johannes der euangelist, ouch Thimotheus und Titus muessen
wyber haben. Es ist aber die meinung Pauli gsin, das Timotheus
und Titus sölten von erbaren unsträfflichen mennern bischoff, priester
und diacon erwellen; dann es waren by denselben zyten nit schrifftgelert
jung unvermächlet lüt, die von jugend uf die schrifften köndten,
die zuo dem waren christenlichen glouben dieneten, wie Thimotheus
dieselben von jugend uf hat können und gewüßt, 2. Tim. 3. 14,15, das
man dieselben jungen darzuo geordnet hette. Darumb wurden die alten
vermächleten mann darzuo verordnet, damit und dester ee erfüllt
wurdend die wort Christi, so er spricht Matth. 5. 16: "Also sol lüchten
üwer liecht vor den menschen, das sy sechen üwere guoten werck"
etc. Volgt harnach [Matth. 5. 19]: "Wär ein ding lert unnd das thuot,
der wirt groß geacht in dem rych der himmlen." Sölichs wirt in den
jungen sälten erfunden, die vil mer nach dem fleysch dann nach dem
geyst geneygt sind zuo läben; dann es geschriben stadt Pred. 11. 10:
"Die jugend und der will sind schnöd." Darumb was not, das die,
so ein sömmlichen unerhörten waaren euangelischen glouben verkundten,
sich nach iren leren erzeigten. Das aber yngefuert ist, das ee
verbietenn sye des tüffels leer, gib ich zuo nach der wyß wie die irrenden
Martiani und Tatiani gethan habend. Sömmlichs beschicht aber
zuo unsern zyten nit, wie vorgemeldet; dann ich für min person nit klagen
kan, das mir die ee verbotten sye gesin. Ich hette sy aber mir selbs
durch gelübdte mögen verbietenn.
[fol. 227] Meyster Ulrich Zwingly:
Ananie und Saphire verschlahen ist kein gelübdbruch gewäsen,
sonder ein glißnery. Darumb sy gott gestrafft hat; dann Petrus
spricht [Apg. 5. 4]: "Was nit der acker in dinem gewalt, und so du
in verkoufft hast, so ist das gelt in dinem gewalt gewäsen?" In

--422--

welchen worten wir mercken, das er da nüt gelopt hatt, ouch das die
apostel nit gelüpt uffnamen, sonders das gebar die schuld Ananie,
das die Christen uß fryem willen ire gueter in die gemeynd gaben.
Da wolt Ananias gesehen sin, sam er ouch sine gueter hette in gemeind
geben. Das aber nit was; umb der gottlose und falsches willen,
ward er von gott gestrafft; dann Petrus spricht also [Apg. 5. 3]: "Wär
hat üch zwungen, dem heyligen geyst zuo liegen?" An welchen worten
wir verstond, das si umb des betrugs willen gäch getödt sind und umb
dheins gelübds willen. Demnach, so reynikeyt halten allein ein gab
gottes ist - dann die niemand hat, dann welchem es gott gibt
[cf. 1. Kor. 7. 7] -, so ist reynigkeit loben glich als da einer uff eins
andren seckel zert. Deßhalb solich gelübd der reynikeit mer ein vermessenheit
weder ein gottsdienst gewäsen ist. Wellen hie der ruewigen
heyligen junckfrowschafft nüt entzogen haben. Aber Paulus spricht
[1. Kor. 7. 9]: "Wann sich aber yemand nit rein halten mag, so vereeliche
er sich; dann es ist besser, vereelichet sin weder gebrent
werden." Diß ist ein gemein urloub aller deren, die sich glich
reynikeyt understanden haben unnd aber darby ungemässe brunst
empfinden, für weliche komliche dhein gelübd vermag.
Zum andern hat niemand geredt, das ein bischoff mueß ein wyb
haben. Soveer aber der bischoff nitt reiniklich läbt, so soll er ein wyb
haben oder aber nit ein bischoff [fol. 227v] sin. Das die alten von
züchtigs läben wägen erwelt wurden, die wyber hetten, lassen wir das
alter gnuog beliben, soveer man das alter verstat den ernst, trüw
und riffe der gottsforcht und sitten. Sunst ist das bistumb nit an das
alter gebunden. Wellen hieby gar nüt fürmündet haben fräffner
jugend. Das zuo denselben zyten nit geleert junger gewäsen syen, zeygt
unns an, sam der schuolmeyster vermeyne, man muesse nun junge
zuo bischoffen machen, wie bißhar mit den pfaffen gebrucht. Es ist
aber zuo derselben zyt, als man inn allen geschichten findt, grössere leer
unnd wüssen gewäsen by jungen und alten bischoffen weder siderhar
ye. Das der bischoffen liecht lüchten sölle vor den menschenn
[cf. Matth. 5. 16], erkennen wir. Das die jungen des liechts ringer

--423--

verfälen weder die alten, lassen wir aber nach. Das dient aber nit,
das der bischoff darumb nitt sölle ein wyb haben, sonder er sye jung
oder alt, so er die bischofflichen sytten oder gaben hatt, mag er darzuo
erwelt werden. Hierinn aber schirmbt den bischoff, er sye jung oder
alt, vor allem argwon eyn eygen wyb haben. So lassen uns nit witziger
sin weder got. Und so der die ee den bischoffen erloubt, binde die
niemand an. Ee verbieten sye uß dem gewalt der tüfflen, doch alleyn
als die Marcioniten und Tacioniten verbotten haben, stritet
wider den spruch Pauli 1. Timothei 4. [1. Tim. 4. 1ff.]; dann Paulus
daselbs ußtruckenlich redt: "Es werden in nachkommenden ziten
etlich vom glouben tretten, die werden die ee und spyß verbieten."
So nun die, so die ee verbieten, vom glouben tretten, so volget, das
alle, die sy verbieten, uß dem tüffel syen. Das aber hie geredt wirt,
wir machen uns selbs die ee verbotten, ist vor gnuog angezeygt, das wir
gott nit verheyssen söllen, das er uns nit geben wil. Und [fol. 228]
wo aber das geschicht, das es, wie vorgesagt, ein vermessenheyt ist,
nit ein gehorsame oder gloub; dann wo gloub ist, da ist die höchste
pflicht. Wo man sunst gelübde thuot, ist ein gwüß zeychen, das gloub
da nit ist.
Buochstab:
Es ist klar, das Ananias nit gehalten hatt, sonst wär er nit
gächligen gestorben. Der küscheit halb wirdt niemand abgeschlagen,
so sanctus Paulus spricht 1. Kor. 10. 13: "Gott ist getrüw, der üch

--424--

nitt laßt versuocht werden über üwer vermögen; wann er macht ouch
fürkomnus der versuochung, das ir sy mögen erlyden etc." Das aber
Paulus spricht, es sye besser sich zuo vermächlen dann gebrent werden
[1. Kor. 7. 9], soll ein yeder vorhin söllichs erfaren, ee er die priesterschafft
an sich nemme. Des bischoffs halb sag ich also, daß uß dem
nüwen testament niendert erhalten mag werden, das ein priester ein
wyb mög nemmen, unnd so man den Paulum uff das hinderst
püncktly buckt und tringt, so wirdt nitt anderst erfunden, dann das
die, so yetz schon wyber hand, eerlich und wol läben, hierzuo geordnet
mögen werden, welichen bruch die Greci noch hütt by tag haben.
Es wirdt ouch dheyner harfür bringen mitt offenbarer geschrifft, das
dhein apostel, nachdem er Christum erkennt, ouch keyn priester mitt
verwilgung der kilchen ein wyb genommen hab. Das ist ouch nit myn
meynung, das man allein junge zuo bischoffen muesse ordnen, als in
myner vor ingefuerten red zum teyl anzeygt wirdt. By den anderen
blib ich, wie ich's vor ingefuert hab.
[fol. 228v] Zwingly:
Ananias hat betrogen und kein gelübd brochen; dann er hatt
dhein gelübd geben. Das reinikeyt niemand abgeschlagen werd, verneint
Christus selbs, da er spricht Mathei 19 [Matth. 19. 11]: "Es ist
nit yederman des fächig", das ist der reynikeyt; das uns gott nit versuochen
lasse oder angefochten werden, über das wir vermögen,
1. Corinth. 10. [cf. 1. Kor. 10. 8,13], dient uns; dan uns gott nit wil
zwingen zuo dingen, die uns nit geben sind. Sonders er zeygt allweg
ein ußgang, durch den wir tragen mögen. Darumb hatt er die ee
geben, das niemand in der brunst zuo vil versuocht werde. Das einer
sich selbs vor erinnern sölle, lassen wir nach in dem geschäfft des
euangelii und in allen anfahenden dingen [cf. Luk. 14. 28]; das aber diß
erinnern darumb die fryheit der ee verschliesse, das ist nit; dann wir
vor gehört haben, 1. Cor. 7. [cf. 1. Kor. 7. 9], das denen, die gebrent werden,
erloubt ist zuo fryen oder zuo eelichen. Und hie ist dhein geschlächt
der menschen ußgenommen. Nun sol ein yecklich gesatz, so es in der
gmeind stat, ouch inn der gmeind verstanden werden. Demnach so verwundert

--425--

wundert unsser, das anzogen wirdt, es mög im nüwen testament nit bewärt
werden, das ein priester mög ein wyb nemmen, so doch der heylig
Paulus 1. Timoth. 3, zuo Titum 1. [1. Tim. 3.2; Tit. 1.6] solichs so
offenbar sagt und in geschichten am 21. capitel [cf. Apg. 21. 8,9] geläsen
wirdt von Philippo, das er vier töchtern hette, die gelert wären,
da wir gwüßlich sehen, das die töchteren nit uß huory mueßten geboren
sin, sonder eelichen. Zimpt aber dem, der ein wyb hatt, ein bischoff
zuo sin, so zimpt ouch dem, der eyn wyb hatt, eyn bischoff zuo werden.
Zimpt ouch harwiderumb eim, ein bischoff zuo sin, der ein wyb hat,
so zimpt ouch dem bischoff, [fol. 229] so dhein wyb hat, ein wyb
zuo nemen.
Das anzeygt wirt, wie keiner der apostel ein wyb habe genommen,
nachdem er Christum erkant, bekümbret uns nitt. Sy haben aber
wyber gehebt. Daruß wir erleernen, das ein wyb haben nit darvor ist,
das einer mög ein bischoff sin. Es mag ouch der schuolmeyster nit
bewären das neyn, das dheiner der apostlen ein wyb genommen hab
nach dem apostolat; dann solche negativa oder neyn unmöglich ist
zuo bewären. Es mag ouch das nein die ee nitt verschlahen, so das
ja schon bewärt ist, namlich das sich zimme dem bischoff ein wyb zuo
haben. Unnd obglich schon dhein exempel niemer mer harnach gevolget
wäre, also das dhein bischoff nie dhein wyb gehabt, dannocht so
zimpt es nach göttlichem gsatzt. Wie aber die ee den bischoffen
brüchlich ist gewäsen, ist nit not hie zuo erzelen.
Buochstab:
Das Philippus der apostel ein wyb habe gehabt, löugnen ich nit;
dann etlich der apostel under dem gesatz gewybet hand, ee sy von
Christo beruefft syen worden. Die gschrifften von mir vorhar ingefuert,
by denselbigen blib ich. Und ist das min gröst fürnemmen, das die,
so gelübde an sich genommen haben, dieselbigen söllen leysten;
denn ouch Paulus spricht 1. Tim. 5. 11,12: "Du solt vermyden die

--426--

jungen wittfrouwen, die sich gegen gott verlobt hand", spricht also:
"So sy unküschlich hand geläbt, so wellen si sich in Christo vermächlen
und haben die verdamnus; dann sy den ersten glouben oder
gelübd unnütz gemacht hand." Noch vil minder wirt solichs den
priesteren nachgelassen, die zuo irem alter kommen sind und sölichs
thuon oder lassen hand mögen, so Christus spricht, Luk. 9. 62:
[fol. 229v] "Welicher sin hand an den pfluog legt und hinder sich sicht,
der ist nit geschickt zuo dem rych gottes." Nun ist hinder sich sechen,
wie Christus hie vermeint, nüt anders dann von dem stan, das im
einer für hat genommen.
Zwingly:
Paulus schrybt nit von den bischoffen oder priesteren des alten
testaments, sunder von den bischoffen der christenlichen kilchen,
1. Timotheum 3., zum Titum 1 [cf. 1. Tim. 3. 2; Tit. 1. 6].
Der gelübden halb sagen wir, das die gelübden des alten testaments
zum merern teyl usserlich substantzlich gaaben gewesen sind.
Wie nun die substantzlich oder lyblich opffer ufgehört haben, also
haben ouch die gelübd ufgehört; dann das end des gsatzes ist Christus
[Röm. 10. 4]. Demnach ist das gelübd der Nazareern gewäsen. Die
sind ouch ein bedütnuß gewäsen Christi, und ist dannocht ir gelübd
nit so ein ewige gelübd gewesenn als by uns der gemeinten geystlichen,
sunder es ist zytlich gewäsen unnd hat einer nach siner zyt
dieselb ordnung mögen verlassen, Numeri am 6. capitel [4. Mos. 6.2f.].
Demnach so ist gewüß, wie wir nümmen under dem gsatz sind sunder
under der gnad [cf. Röm. 6. 14], das der Christenmensch kein ander
gelübd sol noch mag thuon weder das gelübd des gloubens, das ist,
da der mensch durch den glouben gott vermächlet ist. Wo der gloub
ist, da wirt der mensch kein andre profession oder orden verjächen

--427--

weder des, in den er gloubt; dann er weyßt, wämm er gloubt hat.
Er wirt ouch gott kein gelübd thuon, die er von im nit ervordret; dann
dieselben gelübd können nit von gott sin, so sind sy von dem bösen,
Matthei am 5. [cf. Matth. 5. 33ff.]. Und eeret man gott vergeben
[fol. 230], so man inn mit menschen gesatzt unnd botten vereret,
Matthei am 15. capitel [Matth. 15. 9]. Darumb so fallend alle die gelübd
hin, die von den mentschen gedichtet sind, sobald der gloub
kumpt. Hieby sol man nit verstan, das wir einicherley trüw, versprüch,
verschrybung, vereydungen der weltlichen hand vermeynen
ze brechen. Sunder wir redend allein von den gelübden, die man
gelübd der geystlichen nempt, die die conscientz solten antreffen.
Das 1. zum Thimotheum am 5. [1. Tim. 5. 11ff.] ist anzogen
von der wittwen, die den ersten glouben gebrochen hette, hat den sinn,
das by den kilchen, da allein alte gantz verlaßne wittwen enthalten
wurden, als die ob sechtzig jarenn warend etc., sich ouch junge wittwen
understuondend ze weyden und so sy in die enthaltung der kilchen
kamen, wurden der jungen etlich erfunden, die unküscheiten oder
verschutten die enthaltung mit etwas unzucht. Und so das beschach,
suochten sy die flucht: Eya, es ist wäger, ich nemm ein man. Do
das Paulus zum dickeren mal gesechen hatt, so verwarnet er die
kilchen und spricht, man solle sy nit in die underhaltung der kilchen
ufnemmen, dann sy habend in einem bruch, wie erst gesagt ist, das
sy sich vergiengen mit muotwillen, und wellen sich dann vereelichen
und habend aber den ersten glouben gebrochen, das ist, sy haben
geunküschet oder unerberlich geläbt, ee und sy der ee nachgefragt
haben. Sy syen ouch des ansechens zur kilchen kommen, sam sy
der gantz verlaßnen wittwen gewesen, das doch sy nit syen gsin, und
haben also betrug gethan. Das ist also Paulo den ersten glouben
brechen und wirt hie des gelübds nützit gedacht; dann in dem ufnemmen
der witwen werden alle gelegenheiten anzeigt, die zur selben

--428--

ordnung dienen. Aber Paulus lert darby nit, das man inen [fol. 230v]
einicherley gelübden sölle anmuoten. Darum so dienet diß ort nitt,
die menschlichen gelübd zuo bewären.
Von der hand am pfluog, Luce 9 [Luk. 9. 62], redt Christus von
denen, die das euangelium predigend, das die fürfaren, nit hinder sich
sechen söllen, und redt nit von den gelübdten, die von den menschen
erdacht sind; dann in denselben fürfaren, ist hinder sich gan.
Uff den 25. tag jenners.
Buochstab:
Uf die gestrigen red meister Ulrichen antwurt ich kurtzlich also:
Min meinung ist nit, das Paulus hie rede von den priesteren des alten
testaments. Wyter das die gelübden des alten testaments glych wie die
opffer abgangen syen, gestand ich nit; dann das die opffer des gsatzes
abgangen syen, wirt bezügt Ps 50. 8ff. Aber niendert stadt, das alle
gelübdten hinweg genommen syen. Es stadt aber geschriben, Pred. 5.3:
"So du gott etwas hast verlobt, solt du das nit verhinderen zuo leisten;
dann gott mißfalt ein untrüwe und torächtige verheissung." Deßglychen
Ps. 50. 14: "Leyst dem höchsten din gelübd." Und Ps. 76. 12:
"Geloben und leystend dem herren üwerem gott." Wyter, das wir
Christen in der gnad kein gelübd mer söllent noch mögen thuon
dann die gelübd des gloubens, vernein ich; dann S. Paulus, der
ouch den glouben, ja ein volkomnen gehapt hat, hat sin houpt in
Cenchreis beschoren; dann er hatt ein gelübd gehabt, sagt der text,
Apg. 18. 18. Ist ane zwiffel nit wider gott gesin. Den spruch
1. Tim. 5. 11, 12 laß ich by minem fürgeben bliben.
[fol. 231] Zwingly:
Wir haben gestern gnuog anzeygt, das die gelübten des alten testaments,
so sy den merern teil usserliche gaben sind gewäsen und deßhalb
mit andern opffern verschinen, als zun Hebreern 9. [cf. Hebr. 9.
9ff.] erfunden wirt.

--429--

Der Nazareer halb ist ouch gehört, das sy eyn vorbild Christi
gewäsen sind; dann Matthei am 2. stat von Christo [Matth. 2. 23]:
"Er wirdt eyn Nazareer genant werden. Etiam dicitur Nazareusa
civitate Nazareth". Deßhalb dasselb glübd ouch uffgehört hatt in
Christo. Wir sind noch des sins, das wir under dem gesatz nit mer
sind, sonders under der gnad [cf. Röm. 6. 14]; dann das gesatz ist nun
ein schuolfuerer gewäsen zuo Christo [cf. Gal. 3. 24,25]. So nun Christus
kommen ist, so bedörffen wir des schuolfuerers nümmen, sonders wir
benuegen uns der einigen gnad gottes, dero wir versichert werden durch
den glouben. Und so der gloub allein von gottes geyst kompt, Johannis
am 6. [cf. Joh. 6. 63] und wo der geyst gottes ist, da ist fryheit,
2. Corinther 3. [cf. 2. Kor. 3. 17], so volget, das dero geyst und conscientz
fry ist, die da sind in Christo Jesu. Wir wellen hie allwäg
verstanden werden, das wir nitt reden von der gelübd und trüw, die
der mensch sinem nächsten schuldig ist, wir reden allein von den
gelübden, die man irrlichen usserthalb dem glouben der conscientz zuo
helffenn oder sälikeit zuo erlangenn gethan hatt. Hiehar dienet, das
zun Galathern am 3. [cf. Gal. 3. 15] geschriben ist. Ecclesiaste 5.
[cf. Pred. 5. 3] ist mer für uns weder für in; dann er schilt daselbs die
thorechten verheissungen. Nun sind ye unser gelübd oder verheissungen,
die wir usserthalb dem glouben gethon hand, torechter dann die
gelübd, von denen Salomon redt.
Das uß dem Psalmen [Ps. 50. 14; 76. 12] harin wirt gezogen, hat
by den alten uff irer- [fol. 231v] ley gelübden gedienet. By uns aber,
so wir dhein ander gelübd hand, weder den eynigen glouben -
dann wir fry sind, wie gehört ist -, so vermanet uns der prophet nüt
anders, weder syen wir warlich Christen im glouben, so söllen wir ouch
christenlich läben; dann ouch unser herr Jesus Christus uns nüt
anders zuomuotet, so er spricht Johannis 6. [Joh. 6. 57]: "Wie mich min
vatter gesent hat und ich nach dem willen des vatters läb, also ouch,
welcher mich isset, das ist uff mich vertruwt, sol ouch mir nachläben".

--430--

Das gelübd Pauli [Apg. 18. 18] strittet nit wider uns; dann Paulus
hatt umb der schwachen willen sich gelichnet, ein gelübd oder walfart
zuo haben gen Hierusalem, damit die schwachen nit ein so groß abschüchen
ab imm hetten, als Actorum 21 [Apg. 21. 23ff.] eygentlich
gemerckt wirt. Den spruch 1. Timotheum 5. verlassen wir ouch dem
urteyl der verständigen glöubigen.
Buochstab:
Das wir noch under dem alten gesatz syen, sag ich nit, volgt
darumb nit, das wir dhein gelübde tuon söllen oder mögen, und dieselben
nit halten; wann die zwen sprüch des propheten Davids an
angezeygten orten ouch uff uns dienen, des wir kundtschafft haben uß
dem propheten Jes. 19. 21, so er also spricht: "Der herr wirdt erkent
Egypten und die Egypter werden in erkennen, in disem tag
werden in eeren in geystlichen opfern und in gaben, werden dem herren
gelübde verloben und dieselbigen leysten etc." Das dise prophety diene
uff unsern herrn Jesum Christum, haben wir kundtschafft Hosea 11.1
unnd Matth. 2. 15, so geschriben stat: "Uß Egypten hab ich beruefft
minen sun." Witer das wir dem nächsten schuldig syen, gelübde ze
halten, wirdt volgen, das [fol. 232] wir semlichs gott mer schuldig syen,
so Petrus gesprochen hat Apg. 5. 29: "Man muoß gott mer gehorsamen
dann den menschen." Das der spruch Pred. 5. 3 wider uns sye, gib ich
nit zuo; wann er heyter anzeygt, das gott mißfalt ein untrüwe verheyssung,
darumb er glich daruff spricht: "Alles das, so du verlobest,
das leyst." Den verstand, Joh. 6. 57, das essen und vertruwen ein
ding syen, nim ich nit an. Das Paulus sin gelübd aber von der schwachen
oder andrer willen gethan habe, weyß ich nit. Der text aber
zeygt an, das er ein gelübd gethon habe [Apg. 18. 18].

--431--

Zwingly:
Wir zeygen das abthuon der gelübden des alten testaments nit
darumb an, das wir damit unser gelübde umbkeren, sonder wir keren
unser gelübde mit dem grund des gloubens umb und zeygen aber darby
an das abthuon der gelübden, damit man sehe, das die kundtschafften,
uß dem alten testament harfür gebracht, also wenig bewären und erzwingen
mögen, als so man uns mit dem buochstaben zum vichopffer
welte zwingen.
Der spruch Esaie am 19. [Jes. 19. 21] gibt sich selbs zuo verstan;
dann er also spricht: "Die Egypter werden in mit schlachtopfern und
gaben vereren und werden gott loben." So nun gwüß ist, das die
Christen (die wir hie gern erkennen under den Egyptern verstanden
werden) nit vich geschlachtet und geopfert haben, sonders sy haben
sich selbs gott uffgeopffert, wie zun Rhömern am 12. [cf. Röm. 12. 1]
stat, so volget ouch, das Esaias grad als wenig von gelübden, die
usserthalb dem glouben sind, redt, als wenig er vom fihischen opfren
redt. Es sind aber figurlich reden, da man mit den worten, die man
imm alten testament zuo den ussern opfern gebrucht hat, im nüwen
testament von [fol. 232v] den inneren redt, als Paulo gar brüchig
ist, voruß zun Hebreern am 10.
Das argument a minori ad maius: sölle man dem menschen gelübd
halten, so sölle man es ouch gott halten, gilt hie nüt; dann sunst wurde
volgen, es sol niemant in kein menschen vertruwen, so sölte man ouch
in gott nit vertrüwen. Deßhalb so der gloub, der in den einygen gott
stadt, die gelübd ußlärt, von denen wir hie redend, und aber äben
derselb gloub die gelübde, die wir dem nächsten tuond, bevestnet; dann
ye das gibt der gloub an, das der mensch getrüw und war sye gegen
sinem nächsten, so volget nit zuo arguieren, wie ob stat.
Der andren orten halb verlassen wir uns uff die gschrifft selbs
und empfelchen dieselben dem christenlichen läser.
Buchstab beruft sich zuletzt auf Apg. 5. 29 und auf 1. Kor. 7. 20.
Oekolampad zeigt, daß diese Stellen die Auffassung Buchstabs
nicht stützen können. Wenn ein Gelübde Gottes Ehre nachteilig ist, darf
es nicht gehalten werden. Paulus meint hier den äußern Stand der
Christen, Freier oder Sklave.

--432--

[fol. 233v] Die zehende schlußred.
Diewyl ein offenlicher huorer nach der geschrifft im waren bann,
so volget, daß unküscheit und huory der ergernus halb keynem stand
schädlicher dann priesterlichem.
Franciscus Kolb begründet die Schlußrede durch 2. Mos. 20. 14,
1. Kor. 5. 9ff. und 6. 15, 16, 3. Mos. 21. 7.
[fol. 234] Wider dise schlußred hat niemand wellen disputieren.
Johannes Buchstab, Theobaldus Huter und Berchtold
Haller geben kurze Erklärungen ab.
[fol. 234v] Am 26. tag jenners
Beschluß Herr Berchtolden Hallers.

--566--

Nr. 7
Ich beger wenig zuo erklärung, wie Christus das liecht sye und
wie die apostel das liecht sygind, ze reden. Christus ist das war
wäsenlich liecht, Io. 1. [Joh. 1. 4,5] und alles liecht, das die apostel
habend, gibt er inen. Nemend, lieber herr pfarrer, ein byspil: Die
sunn gibt den tag durch das fenster harin, und ist aber der tag oder
liecht nützid für sich selbs, sunder sobald die sunn nit lüchtet, so ist
der tag nümmen. Also ouch die apostel habend so vil liechtes, so vil
inen die sunn der grechtigheit [cf. Mal. 4.2], Christus, gibt. Und wo
die sunn nit schynet, da ist ghein liecht. Und ist also Christus allein
das liecht, das leben und die kraft, die alle menschen erlüchtet, läbendig
macht und bhalt [Joh. 1.4; 8.12] und sind die apostel erlüchte, lebendig
gemachte glider der kilchen und nit höpfter. Sag ich, lieber her pfarrer,
zuo üwer underrichtung und der einvaltigen.
Nr. 6
Zuingli
Hie beger ich, lieben brueder, etwas wyter von der ewigen reinigheit
Marię ze reden, us der ursach, das üns die bäpstler usgebend, sam wir
die er Marię verkleinrind, so doch sy die aller grösten schmach und
argwon irer jungfroschaft uff ban bringend und sprechend, es werde
in geschrift nit erfunden, das sy ewklich ein jungfrow bliben sye.
Und ermessend nit, das Isaię am 7 [Jesaja 7.14] also stat: "Darumb
wirt üch gott ein wunderzeichen geben. Nemend war: Es wirt ein
dochter empfahen und ouch geberen, und sin nam wirt sin Immanuel".
Was wäre es für ein wunderzeichen, das ein dochter empfieng und
gebäre, so doch alle, die empfahend und gebärend, ouch jungfrowen
sind gewesen? Aber das ist ein wunder, das ein jungfrow empfahe
und ein jungfrow blybe, das sy gebere und jungfrow blybe. So imm
nun also, so volgt, das sy vor und nach der geburt ein jungfrow
gwesen; dann das ist ein wunder. So wir nun nit darwider habend in
der gschrift, worumb sol man sagen, das ir ewige jungfroschaft nit

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bewärt möge in der gschrifft bewären, so doch das bewärt wirt, das
sy empfangen und gebornn hat mit unverserter jungfroschaft, und
nützid, das sy geschwecht sye. Hie zuo dient ouch, das Luce 1 [Luk. 1.34]
sy selber redt: "Wie wirt das zuogon, so ich ghein man erkenn?" und
Ezechielis. 44. [Ezech. 44.1ff.]
Nr. 9
Zuingli
Antwurt: Das die userwelten säligen gehorsams und einhälligs
willens gottes sygind, erkennend wir; dann wir bittend, das gottes
will beschehe uff erden wie imm himel. On zwyfel, das imm himel sich
nieman wider gottes willen setzt. Das aber da by wirt yngefuert: "So
bittend si ouch für üns", ist nit recht; dann ob wir glych bishar von
furpitt Christi habend lassen reden, ist doch das selb allein umb
guots verstands willen beschehen, nit das imm anderst sye, weder wir
ietz in den worten 1. Ioannis 2. hören werdend, da also stat: "Mine
kind, ich schryb üch dise ding, das ir nit sündind. Und ob aber einer
sündete, so habend wir einen fürstender oder vertröster by dem vatter,
Iesum Christum, den gerechten, und der ist die gnädigung für
ünser sünd" etc. [1. Joh. 2.1, 2]. Hie merckend wir, das Christus nit
mit angsthaftem flähen oder nidervallen für üns bitt, wie wir betten
verston wellend, sunder das sin gebett einist erhört (als Hebreorum 5.
stat: "Eristzurzyt sines fleischs, das ist tods, erhört worden" [Hebr. 5. 7])
in die ewigheit gnuog; dann das selb nützid anders weder die bezalung fur
ünser sünd ist. So aber sölch gebett, das ist bezalung für ünser sünd, nieman
tuon mag weder der einig Christus; dann nieman got und mensch,
nieman ein einiger mitler gottes und der menschen ist weder er, so
volgt nit: Christus hat die kraft oder gwalt, darumb habends die
sind die saligen ouch gott etc., das gar nit zimpt.
[Seite 2] Das die säligen für üns glych sam ouch die engel für üns
bittind, lassend wir nit nach; dann es ist arguieren ex non concessis.
Wir lassend nit nach, das die engel für üns bittind, sölcher wys sy
es meinend. Wir erkennend wol, das sy dienstige geist sind, etc.
Hebreorum [Lücke] [Hebr. 1.14] aber ghein gwüsser ungezwyfleter
fürstender sin mag weder Christus.

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Das ort Genesis 28. [1. Mos. 28. 16, 17], und das Christus an
einem ort me wunder gewürckt hab weder am andren [cf. Matth. 11. 20;
13.58], und das Salomon 3. Regum 8. gebetten habe: "Welcher in
den tempel köme" etc. [cf. 1. Kön. 8.22ff.]. Ist alles abkennt, da
Christus Ioannis 4. [Joh. 4.21] spricht: "Es kumpt die zyt, da
die waren ambetter weder uff dem berg noch ze Ierusalem werdend
ambetten" etc. und Matthei 24. [Matth. 24.26]: "Wenn man üch
sagen wirt, Christus ist imm feld, gond nit hinus" etc. Der todt lychnam
Helisei hat also nit kraft ze läbendig machen [cf. 2. Kön. 13. 21],
das er ouch läbendig sölchs nit ghebt, sünder alle wunder werck sind
göttlicher, nit menschlicher kraft; dann ouch Christus spricht: "Der
vatter, der in mir ist, tuot die werck" [Joh. 14. 10].