Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Eine freundliche Bitte und Ermahnung an die Eidgenossen

13. Juli 1522
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 1 (Berlin: Schwetschke, 1905) (Corpus Reformatorum 88)


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Ein früntlich bitt und ermanung etlicher priesteren
der Eidgnoschafft, das man das heylig euangelium predigen
nit abschlahe, noch unwillen darab empfach, ob die predgenden
ergernus zuo vermiden sich eelich vermächlind.
Den frommen, fürsichtigen, ersamen, wysen herren Eidgnossen
von stetten, landen und zuogewanten, unseren gnädigen, günstigen,
lieben herren enbietend unser etlich priester und verkünder des
euangelij Christi Jesu unser gehorsame, guotwillige dienst und
undertenigheit in dem herren Jesu Christo, unserem erlöser.
Bevor frommen, fürsichtigen etc. ist unser demuetig bitt, üwer
wyßheit welle nit einen unwillen von stund an empfahen ab der sach,
die wir für üch tragend als zuo unseren vätteren, ob sy üch schon zum
ersten seltzam oder unbillich duncken wurde. Wir sind der hoffnung,
so ir sy hinden und vor wol erkennind nach unserem erscheinen,
werdind ir mit gnädigem willen darinnen handlen, hindangesetzt alles
verwundren oder unwillen. Glich als ouch dem heyligen Paulo
beschach Act. 17 [Act. 17. 17-34]: Als er zuo Athen anhuob predigen
von unserem herren Christo Jesu und von der urstendi der todten,
verlachtend sy inn zuo dem ersten, aber nachdem sy der sach gentzlich
bericht, wurden ir vil zuo christemglouben kert, und in sunderheit
der obresten richteren einer, genant Dionisius, unnd ein fürneme
frow, Damaris. Also hoffend wir ouch, so die sach gentzlich verhört,
werdind iro alle vernünfftige hertzen günstig. Und ist die sach, damit
sy nit lenger verhalten werde: Wir hand vernommen, wie etlich uß
unseren herren der Eydgnosschafft sich habind lassen unrichtig
machen, das man das heylig euangelium, so ietz in aller Christenheit
harfür gat, predige, glich als ob es etwas nüws oder ungehörts
were, des schuld aber villicht dero ist, die sölich himelisch leer nit zuo

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dem kommlichsten hand können darthuon, oder darunder vermischt
hand etwas, das nit darzuo gehört. Sust wüssend wir wol, das in einer
loblichen Eydgnoschafft nieman ist, der sich wider das wort gottes
understuende inzelegen. Deßhalb wir uns angenommen, mit diser
gschrifft mengklich ze berichten eins kurtzen innhalts des euangeliums,
damit sich daran niemants schädlich verletze, und beschicht das zuo
guetem einer gemeinen Eydgnoschafft und zuo trost aller sorgveltigen
conscientzen.
Nun ist das euangelium, als Paulus schribt . 1 [Röm. 1. 16],
nüt anders denn die krafft gottes, zuo guotem oder heyl eim iedem, der
gloubt, er sye uß den Juden oder Heyden, wiewol den Juden von
ye welten har zum ersten geoffnet. Er spricht, es sye die krafft
gottes; sol also verstanden werden: So ein ieder mensch des guoten
und frölichen lebens, das nach disem leben geoffenbart würdt, begirig
ist - denn das lassend ouch nach die philosophi und empfindt es ein
ieder mensch in im selbs, das er vil angst und sorg hat, wie es im
nach disem zyt gon werde, und aber daby durch sich selbs weder
den, der säligheit gibt, noch den wäg zuo im erlernen mag -, ist im
ie not, das er hilff habe von einem, der grösser, stercker, wyser und
gewüsser, dann er, sye. Weliche not und gebresten der allmechtig
gott von ie welten har gnädigklich bedacht und ersetzt hat, indem,
das er sich uns allweg in aller guete geoffnet und bekant gemacht hat,
darumb, das wir in der begird und wunder des künfftigen zyts nach
disem leben nit irrig oder verzwyflet wurdind; hat ouch allweg denen,
so inn, also geoffnet, angenommen und ir zuoversicht in inn gsetzt hand,
sin krafft unnd gegenwürtigheit erzeugt, so schinbarlich, das man sich
ab sinen gnaden nimmer gnuog verwundren mag. Er hat mit Adamen
gnädiklich gehandlet nach gstalt der sach, Abel den grechten gerochen,
Enoch uß disem zyt verwandlet, Noe vor dem sündfluß gwarnet und
verhuetet, Abraham, Isac, Jacob, Moysen, David und ander
unzalbarlich so offenlich gewisen und lieb gehebt, das ir nam und

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gedächtniß noch hüt by tag das anzeiget; das alles nüt anders ist,
dann ein gnädig offenbaren sin selbs uns armen menschen zuo guotem,
und das wirt genennet das euangelium, ist als vil als ein guote botschafft
in tütscher sprach; denn was möchte bessers dem armen
menschlichen gschlecht embotten werden, so es in dem unwüssen
gottes und der säligheit irret, weder so sich got im kundbar macht,
fuert und sälig machet? Ist das nüt die krafft gottes, nit eins menschen
krafft? Ist das nit die krafft, die uns säligheit gebirt, und nit der
mensch im selbs. Darumb er sich den menschen mit guete zum ersten
erzeugt, das sy inn by der guete lernetind erkennen als einen vatter.
Darumb uns ouch Christus gelert hat, das wir inn einen vatter
nennend vor allen dingen, ee wir sust üts an inn begerend, so wir
sprechend: Vatter unser; by welchem wort wir gesichret werdend, das
wir all unser trost und zuoversicht sicher in inn setzen mögen; kumpt
doch als uß siner krafft.
So nun der allmechtig got durch das alt testament har durch sin
krafft sich den mentschen dick geoffnet durch mitreden, wunderwerck
und andre stuck, damit die mentschen allzyt der krafft und
gnad gottes innen wurdind, und aber sy durch iren muotwillen und
herte des hertzens sich von im geüßret hand, hat er zum letsten durch
sinen eygnen sun mit dem menschlichen geschlecht wellen handlen
Hebre. 1. [Hebr. 1. 1], der ouch mit den wunderzeichen - als Nicodemus
redt Jo. 3. [Joh. 3. 3] - und warhaffte der leer gwüßlich
anzeigt hat, das er ein sun gottes ist, damit sin überfliessende gnad
den mentschen noch vil rychlicher uffgeton wurde. Dann wie er vormals
sich nun dem jüdischen geschlecht geliebet, also hat er durch
sinen sun alles menschlich gschlecht wellen durch guete zuo im ziehen
und an sich bringen, das uns klarer wirt, so wir die fürnemen stuck
der taten Christi erzellend. Ist das nit ein grosses, krefftigs stuck,
gelassenheit ze leeren, das der sun gottes, sust sinem vatter alleweg
glich, sich genidret hat bis zuo annemmen der mentschlichen blödigheit
Philiper 2. [Phil. 2. 6-8], darumb, das wir allen hochmuot verliessind

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und zuo gott kemind? Das er ärmklich in einer kripp geborn und
demnach hert mit arbeiten erzogen ist, leert das nit guot verachten,
narung mit der henden arbeit, nit mit gwalt oder wuocheren gewünnen
Ephes. 4. [Eph. 4. 28]? Das er die krancken allenthalb gsund gemacht
hat, so sy ir vertrüwen zuo im satztend, lert das nit, das wir all unser
zuoversicht ouch zuo im haben söllend, und ie einer des andren noturfft
ze hilff kumme Galat. 6. [Gal. 6. 10]? Das er für uns den schmächlichen
tod gelitten, damit er uns uß dem gwalt des todes und rych
des tüfels und der sünden erlößte, hatt das nit alle menschliche guete
übertroffen? Da einer villicht (als Paulus schribt zun Röm. 5)
[Röm. 5. 7] für einen gerechten menschen stirbt, so er, der grechtist,
für uns sünder und ungrechten den todt gelitten hat, leert uns das
nit uff unser grechtikeit nit buwen, sunder in sin rechtmachen, erlösen,
begnaden allein, so wir doch alle sünder sind? Das er am crütz
inmitten alles schmertzens und lydens für die mörder sins lebens sinen
himelsch vatter anruefft: Vergib inen, sy wüssend nit was sy thuond, leert
uns das nit unrichlich sin, on haß, on widerred? Und der stucken
noch treffenlich vil, die man täglichen hört uß dem helgen euangelio.
Nun wellend wir sin leer ouch etlicher zal verhören. Leert er
uns nit, das wir nüt von uns selbs vermögend, noch syind, ja ouch in
den dingen, so den lyb antreffend, on inn, so er spricht [Matth. 6. 27]:
Nieman mag zuo siner lybßram ein eln tuon. Zwar, das wir verstandind:
so wir zum lyb nüt tuon mögend, zuo dem wir aber allermeist
vermögen, meinend, das wir on zwyfel in allen dingen allein an im
hangen muessend. Lert er uns nit in narung des lybs und in zemensamlen
der rychtagen nit sorgvältig sin mit der lieblichen glychnus
der bluomen uff der heyde und der voglen des luffts, die er so schon
bekleidt und spyßt [Matth. 6. 25-29]? Leert er uns nit wol alle ding,
so uns not sind zuo seel und lyb, kurtzlich von im begeren mit dem
vatter unser? Leert er uns nit wol das götlich warlich anbetten, das
im allergefelligest sye Joan. 4. [Joh. 4. 23]: Die waren ambetter werdend
den vatter im geist und in der warheit ambetten? Leert er uns nit
trüwlich in allem anligen, kumber und truebsal, wir söllend zuo im

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kummen Math. 11 [Matth. 11. 28]: Kummend zuo mir alle, die
arbeitend und beladen sind, und ich will üch ruow geben? Lert er
uns nit den weg der grechtikeit unnd der warheit, so er spricht
Mat. 5. [Matth. 5. 37]: Uwer red sye ja, ja, nein, nein; was über das
hinzuoton wirt, ist von den bösen? Lert er uns den weg der warheit
nit trülich, so er spricht: Ich bin der weg, die warheit und das leben
Jo. 14. [Joh. 14. 6]? Und das, wer durch inn ingat, der würt weyd
finden Jo. 10. [Joh. 10. 9]? Lert er uns nit gwüß das ewig leben
erobren, da er spricht Joannis am 6. [Joh. 6. 47]: Warlich, warlich,
sag ich üch, wellicher in mich gloubt, der hat das ewig leben? Leert
er uns nit, wie vertruwt wir uns dörend uff sine wort lassen, so er
spricht, nit ein tüttel noch buochstab werde von sinen worten und des
gsatztes hingon, bys das alle ding darinn begriffen erfült werdind
Mat. am 5. und 24. [Matth. 5. 18, 24. 35]? Sind aber dise alle und
noch vil mer nit gewüsse stuck der guoten botschafft, da sich die krafft
gottes ufftuot der menschlichen blödigheit?
Wie nun ee gemelt, ist die gnad gottes nie rycher uffgethon,
dann durch den herren Jesum Christum, unseren erlöser, unnd das
darumb, das wir von dero siner überflüssigheit allsamen nemmind
Jo. 1. [Joh. 1. 16], die so groß ist, das sy alle menschen, die ietz xin
sind, die ietz sind, und ümmer werdend, rych in got, unschuldig und
sälig machet Hebr. 10. [Hebr. 10. 1ff.]. Dann kein andrer nam ist
under der sunnen, in dem wir mögend sälig werden Actu. 4. [Act. 4. 12],
denn in dem namen Jesu Christi; da man aber nit allein die silben
oder buochstaben des worts Jesus verston sol, sunder sälig werden in
siner krafft, in siner gnad, uß sinem lyden, also das man den namen
Jesu verstande alles sin wäsen unnd handel, in welliches wir vertruwende
und gloubende sälig werdend, dann er uff diß erdrich kummen
ist, die sünder sälig unnd xund ze machen, die er ouch so früntlich
heimgesuocht hatt, das man im darumb übel redt, das er aber also
verantwurt hat: Die xunden dörffend des artzetzs nit, sunder die
krancken [Matth. 9. 12], fürnemende, das die barmherzigheit gottes
bereit syge, die sünder zuo allen zyten begnaden, und sich darumb in
die welt kummen sin, das er das verkundte und gwüßlich bewärte.

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Sich, ob das ein guote botschafft sye oder nit, das sich got siner
gnaden uns so barmhertziklich embotten hat on allen unseren verdienst,
ja, do wir von natur kinder des zorns warend Ephes. 2. [Eph. 2. 3],
glich wie alle menschen, hat er die ryche siner gnaden unnd liebe,
mit dero er uns hat lieb gehabt, über uns erzeugt, und wiewol wir
in sünden tod warend, hat er uns lebendig gemacht durch den tod
Christi, widrum ufferweckt, und den himel ze besitzen verordnet in
Christo Jesu, damit er den künfftigen menschen offnete die überfliessenden
ryche siner gnaden, die er so senfftmuetigklich über uns hat
lassen gon durch Christum Jhesum. Gnädiglich unnd vergeben
sind wir xund gemacht oder behalten durch das vertruwen und glouben
(verstand, das got söllichs mit uns gnädigklich gewürcket habe) unnd
das nit uß uns: es ist ein gab gottes, nit uß unseren wercken, damit
sich nieman ruemen könd, dann wir sind sin gemächt, in Christo
Jesu geschaffen zuo guoten wercken, zuo denen uns got verordnet hat,
das wir darinn wandlind. Sehend hie den schönen sinn uß dem helgen
Paulo vergriffende alle handel gottes mit uns armen sünderen verhandlet
durch sinen einigen sun, unseren herren und erlöser Jesum
Christum, das alles nüt anders ist dann das euangelium, das ist die
guote botschafft und verkündung der gnaden gottes, dero wir alle notturfftig
sind, und wie wol er spricht: Die xunden dörffind des artzets
nit, und: Ich bin nit kummen, die grechten ze berueffen, sunder die
sünder zuo besserung und rüwen [Matth. 9. 12f.], ist doch nit die
meinung, das iemants grecht sy, aber wol etlich schatztend sich gerecht,
dieselben (als Augustinus spricht) warend von stund an ungerecht,
unnd wo schon dhein andre ursach wäre, die sy unrecht
machte, wer doch das übernemmen eygner grechtikeit ein gnuog grosse
sünd, als wol anzeigt der Phariseier, der da vor im tempel sich hoch
ruompt, was er thäte Luce am 18. [Luc. 18. 11f.]. Darumb soltend
dise vorgezelten wort Pauli von allen denen, so das euangelium sich

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ruemend predigen, flyßlich ußlegen dem volck, damit ein ieder recht
verstuende desselben inhalt und krafft.
Dise ding also nach der kürtze anzeugt, geben uns ein kleine
gstalt des euangeliums, wellicher aber clarlicher und volkummner in
den brunnen erfunden würdt, weder in den bützen oder lachen. Die
brunnen sind die wort und tat Christi Jhesu, durch die euangelisten
Matheum, Joannem, Lucam und Marcum zum teyl beschriben,
so vil eim ieden menschen zuo säligheit not ist. Dann als der helig
Joannes anzeigt, wer es ein unmöglich arbeit, alle wort und werck,
die Christus gton hatt, anschryben Jo. 21. [Joh. 21. 25]. Demnach
sind die brunnen das ußpredigen und brüch der heligen botten und
der propheten vorsag und patriarchen gloub. Dero aber, so zuo disen
zyten das euangelium predigend oder mit geschrifft lerend, ist ein
grosser underscheid; dann etlich uß den waren brunnen selbs trinckend
und andren ouch schenckend; etlich aber vermögent über die brunnen
nit ze kummen, sunder gond nun an die bächly, so daruß geflossen
sind, die aber allweg etwas vermischts habend und unsüberers weder
die brunnen selbs, und sind demnach geneygt, das aller unnützest (ob
es glich war, ist es doch zum minsten ze achten), ußzepredigen, dero
gestalt aber übel verletzt die jungen oder kleinen in Christo. Darumb
inen gar flyßlich ze sehen zuostat, welchs das aller notwendigest
sye zuo dem heyl der seelen und ruow unser armen menschen, und wo
sy sölichs nit uß inn selbs ermessen mögend, söllent sy rat han dero,
so der brunnen genietet sind, nit der irrig gelerten by den forscheren
und zanggeren, die nun in ein grösseren zwyfel fuerend, sunder dero,
so des rechten euangelischen brunnens bericht sind. Wo das von
anfang bschehen wäre, ist wol zuo gedencken, das nieman kein unwillen
daran gehebt hette, oder doch gar wenig. Welche aber die
syind, die die rechten brunnen schöpffend, mag nit ein ieder verston
oder wüssen; darumb ist not, ein bildnus fürzeschryben, damit der
einvaltig sich anhebe daruff verston. Welicher prediger alle arbeit

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dahin zücht, das der will, leer, meinung und eer gottes geuffnet und
fürbracht werd, und die sündigen menschen ze rüwen, und die verkümreten
conscientzen getröst, hindangesetzt ir eer, nutz und wirde,
und das tuond mit den vorgezelten brunnen, sind, als sich wol ze
versehen ist, der meinung, dero Christus xin ist, der nit sinen nutz,
sunder unser heyl gesuocht hadt. Welche aber nüt denn ze gricht mit
iren schäfflin gond, nun predigend von irem zuogang des opffers, der
zynsen, der zehenden, alle tag einen nüwen helgen findend, dem man
opfferen sölle, vil ablas hochtragend unnd ußlegend, von irem gwalt
und wirde alle predigen spickend, wie groß da sye des babsts gwalt,
die, als ze besorgen ist, syind me sorgvältig umb zytlich guot weder
umb gottes eer oder frommgheit der conscientzen. Nit das man mit
opffer, zehenden und andren ein eersame, notturfftige priesterschafft nit
sölle uffenthalten, sunder daß allein uff dem liggen ein gyt wil anzeigen.
Darumb, ersamen, wysen etc. gnädige, lieben herren, ob üch
etlich, die nit mögend lyden, das irem muotwillen narung entzogen
werde, understuendind zuo verherten oder verüblen, ja, man sölle das
euangelium verbieten ze predigen, oder doch also ze predigen, das es
uns nit schade, noch unser laster entdecke, so losend inen nit, oder
ir wurdind in ungnad gottes gwüßlich fallen. Es ist gar ein böß, vermessen
ding, wenn sich ein uppiger mensch nit wil wysen lassen,
joch einen andren menschen. Wie viel schädlicher ist es, so der
mensch got nit wil losen, damit er bewärt, das er nit uß gott ist.
Welichen hochmuot und gebrästen der helig prophet Esaias gar wol
anzeigt am 30. capitel [Jes. 30. 9ff.]: Es ist ein volck, das mich nun
zuo zorn reytzt (der prophet redt in der person gottes); sy sprechend
zuo denen, die künfftige ding sehend: Sehend uns nüt, und den anschowenden:
Schouwent uns nüt an, das recht ist; redent ding, die
uns gevallend; fürsehend uns irrtumb, tuond von uns den weg und
den inleytenden fuoßweg; der helig got Israel höre by uns geprediget
werden. O wie übel ist sölichs geton, als wir wol mercken mögend

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uß dem propheten, so er hernach spricht [Jes. 30. 12ff.]: Darumb, das
ir das wort (ist on zwyfel das gotswort) verschupfft hand und üwer
truwen in luginen und unruow gesetzt, darumb würt üch dise boßheit
glich als ein bruch in einer mur, die sy zum fal bringt, schnell und
unversehen. Warlich, das wort gottes ist nie on grosse straff übersehen;
es ist ouch allweg nutzlich xin, so es gehört und volg hat
ghebt, welchs Christus selbs gar trülich anzeygt hat Luce 10.
[Luc. 10. 10-12]: In welliche statt ir kummen werdend, und man üch
nit annimpt (verstand: die helgen botten und die das euangelium
Christi predgend), gond widrumb an die straß und sprechend: Den
stoub, der an uns by üch ghanget ist, erschütten wir über üch; doch
wüssend, das üch das rych der himlen genahet was. Ouch sag ich
üch, das es Sodomen lychter gon wirdt denn der statt; verstand, die
mich iro geprediget nit hat wellen annemmen. Ouch spricht der heilig
Petrus 2. Petri. 2. [2. Petr. 2. 20]: So einer den vermaßgungen der
welt endtrunnen ist in erkantnus unsers erlösers, des herren Jesu
Christi, und sich denselbigen widrumb inwicklende überwunden wirt,
ist es nachhin böser dann vor. On zwyfel ist nüt schädlichers des
mentschen seel, dann von dem nüt wellen hören, in dem er erlößt
ist, Christus Jhesus.
Es sol uns ouch in dem handel leeren das, so mit den jungeren
verhandlet ist in dem anfang ires predigens, do inen die Juden
verbuttend gar nüt ze predgen von Jesu, darüber sy aber antwurt
gaben, man mueßte me got gehorsam sin dann den menschen Act. 5.
[Act. 5. 29] und darüber für und für predigetend, bys daß man im rat
gantz über sy verüblet ward. Do stuond ein frommer wyser man uff mit
namen Gamaliel [Act. 5. 34-39], hies die apostel, das ist botten, ußston
und redt also: Huetend oder fürsehend üch wol, was ir mit
disen menschen handlind. Es habend in vergangner zyt Theodas und
ouch Judas ein anhang in selbs zuozogen, der ist aber zerstört, und
alle, so mit inen verhället hand; und darumb gond von dem volck
unnd verlassends; denn ist es von got angesehen, so mögend irs nit
verbieten noch abstellen; denn ir mögend got nit überstryten. Ist es
aber ein menschlich erfundner anschlag, so würt es zerrütt. Also

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ist och üch ze gedencken, gnädigen herren, so man heiter sicht,
das der allmechtig got mit erzeigen sines angesichts durch sin leer,
das ist das heilig euangelium, die so übel verbösreten welt heimsuocht
und zuo besserung berueffen wil, zimpt uns nit ze widerstreben. Denn
ist es uß gott, mögend wir es nit wenden; ist es aber allein ein
menschlicher anschlag, würt er von im selbs zergon. Paulus ward
in Listris versteinget, daß man inn für tod ließ ligen; noch do er wider
zuo im selbs kam, gieng er widrumb in die statt und ward demnach
die statt zuo Christo bekert Act. 14. [Act. 14. 19-22]. Derglichen ward
er ouch in Corintho durchächtet; noch lyeß er nit nach, biß er die
statt zuo Christo bekert, und das er gegenwürtig nit tuon mocht, tätt
er mit geschrifft; denn got sprach zuo im nachts, inn sterckende Act. 18.
[Act. 18. 9ff.]: Du solt dir nit fürchten, sunder red und schwyg nit,
dann ich bin mit dir. Also ist es ouch in Epheso gangen [Act. 19.
23-40]: Ward ein uffruor in der gantzen statt, also, das man Gaium und
Aristarchum, die xellen Pauli, fieng und sy in mitten im wuetenden
volck hielt, das sich klagt, die eer der grossen göttinen Diane welte
abgon. Und ward Paulus verhuet, das er nit under das volk kam,
wiewol er darunder begert Act. 19. [Act. 19. 30]. Iedoch zum letsten
ist die eer der abgöttin Diane und ander abgötten abgangen, und
die eer des waren gottes uff; dann die gantz statt bald darnach zuo
christem glouben bekert ist, und ist da mit grossen eeren begraben der
heilig bott und euangelist Joannes. Dise byspil zeygend wir üwer
wyßheit an, das die daran erlerne, das nach den worten Gamalielis
den fürgang des euangelii niemans hindren mag, wo er uß got ist, und
darumb mit nieman geylt werde; dann ist es nit uß got, wirt es von
im selbs zerrütt.
Nun ist unser fürnemmen, frommen, fürsichtigen, wysen, das
heylig euangelium mit trüwen ze predigen nach dem lütresten, so uns
müglich ist, zuo guotem gemeiner Eydgnoschafft. Dann als ietz die
sachen stond, bedarff man wol, das der allmechtig got uns zuo eim
besseren, frömmeren leben zyehe durch sin leer, sust ist zuo besorgen,
sölte man für und für in sölichem wesen blyben, es wurde zum letsten
von got nit erlitten. Und ob man uns und anderen schon das euangelium
verbieten wurde, würt es nüt dess minder ein fürgang han;

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denn wir mögen sprechen, wie die junger sprachend, do man inen ze
Hierusalem verbot von Jesu ze predigen Act. 5. [Act. 5. 29]: Man
muoß got me gehorsam sin denn den menschen. Wir sehend, das
etlich grosse fürsten und herren, bischoff und prelaten, wiewol sy
dem euangelio, als sy wellend xehen werden, nit widerstandind,
machend sy doch die sach widerwertig und verdacht, so sy allen, so
das euangelium predigend, hässig namen zuolegen, sy syind Lutherisch
oder Hußisch oder kätzer, so doch der geleerten allenthalb
so vil ist, die uß den waren brunnen schöpffende uns die himelischen
leer harfür tragend, das man gheiner Hussen oder Luteren darff.
Hat der Luter da getruncken, da wir getruncken habend, so hatt er
mit uns gemein die euangelisch leer. Und sicht man aber wol, das
dhein verbieten hilfft; es wachßt die warheit der euangelischen leer ie
me und me. Also zeigend wir üwer wyßheit an, das wir warlich nüt
gmeins habend weder mit dem Luter noch mit dheinem andren, das
christenlicher ler und ruow ützit schaden mög, ja gar dhein gemeinsamy.
Wir trincken nach unserem vermögen die euangelisch leer uß
den waren brunnen, on die niemant mag sälig werden, das wir dieselben
under dem volck der frommen Eydgnoschafft mit aller zucht
und trüw ussprechind den hungerigen seelen, damit ir wyßlosen
conscientzen getröst und bevestet werdind; dann die nieman so wol
trösten mag, als das wort gottes, als David anzeigt im 76. psalmen
[Ps. 77. 3f.]: Min seel hat sich nit wellen trösten lassen, und ich gedacht
an gott; da han ich lust funden. Ouch Christus selbs Mat. 4.
[Matth. 4. 4]: Der mensch lebt in einem ieden wort, das uß dem mund
gottes kumpt. Unnd darumb were abschlahen das gotswort nüt
anders, dann den seelen iren trost abschlahen; das aber üwer meinung
gar nit ist, als wir wol wüssend. Wo aber ieman ungeschickter in
dem verkünden des euangelii sin wurde weder recht, ist wol zuo gedencken,
dass nit unrecht ist, wo man demselbigen schwygen gbüt.
Das aber wir (ob got wil) gar nit tuon wellend, sunder mit aller trüw

--225--

und flyß zuo guotem der Christgleubigen menschen das euangelium
verkünden, demm aber nüt mer schaden mag, das im nit gevolget
wird, dann die unzucht oder laster und vor allen lastren die unlutergheit,
darumb wir ietz üwer wyßheit von derselbigen ouch sagen
wellend für den andren teil.
Uwer eersam wyßheit hat bißhar gesehen das unerber, schantlich
leben, das wir leyder bißhar gefuert habend - wir wellend allein von uns
selbs geredt haben - mit frowen, damit wir mencklich übel verergert
und verbösret habend, wiewol die schuld zuo eim teil der jugend, die
nieman gantz meistren mag, zum andren dero ist, die nie haben wellen
die falsch glychseten reinigheit uffhören gebieten, wiewol sy gsehen
habend die nit gehalten werden, ja selbs gehalten, als got wol weyßt.
Und hettind aber dieselbigen das gebott wol mögen nachlassen, denn
es ist nun ein menschlich erfunden, nit ein götlich gebot. Ja sy solten
es nachgelassen haben, für das sy sahend, das es nienan gehalten
ward und aber so grosse schand und ergernus dem heyligen euangelio
daruß erwuochs. Das es aber nit geschehen, ist ze besorgen, es sye
dahar kummen, das es so grossen nutz iro etlichen gebracht hatt,
denn do man umb ein absolutz zwei, dry oder vier guldin geben muoß,
was grosser summ gelts meinend ir das eins jars bringen? Es erwachßt
ouch hie gar ein grosser argwon der falsch glychßneten

--226--

reinigheit, das sy me umb gelts willen weder umb gots willen sye angesehen,
denn by den alten Christen ward gheiner ein priester
gemacht, bys das er über 30. jar kam, und zimpt inen dozemal offenlich
wyber haben. Demnach aber hat man dem alter abgenommen
unnd 24. jar gemacht und daby wyben verbotten. Sehe ein ieder,

--227--

wie sich das zemmen ryme oder wie wyßlich es angesehen sye, das
dem alter abgenommen ist und inmitten aller fleischlichen anfechtung,
die umb die 24. jar am grösten ist, gebotten nit ze wyben on allen
grund der heyligen gschrifft, die den priesteren die ee nienan verbüt,
sunder etwan gebüt, als wir üwer wyßheit kurztlich wellend anzeygen,
damit die sehe, worinn unser fürnemmen gegründt sye der ee halb,
die wir annemmen willens sind, doch on üwer verletzen und unwillen.
Zum ersten spricht Christus Jesus, unser erlöser, von der
reinigheit Mathei am 19. cap. [Matth. 19. 11]: Es ist nit ein ieder
vähig des worts, das ist der reynigheit, sunder allein die, denen es
gabet ist von got. Hie hört ein ieder, das reinigheit nit an uns ligt
ze halten sunder an gott. Wie kan nun der mensch gebieten das,
so allein an got ligt? Glych sam einer uff eins andren seckel zeren
welte, es were sin will oder nit. Got hat on zwyfel die himelischen
tugend der reynikeit also in sinem gwalt behalten wellen, das der
mensch sich dero nit möcht überheben noch ruemen, sunder erkante
sy allein gottes sin. Denn got ist nüt me widerwertig dann ein hochfertiger
geist, der aber gar lychtlich verfuert die, so reinigheit halten,
in dem, das sy inen selbs anhebend gfallen, der gstalt: Ach wie bist
doch du so sälig, daß du nit bist wie die, so on söliche werck nit
mögend leben; wie bist du so vil reyner und besser dann dieselben.
Mag aber daby niemants wüssen, wie reyn das hertz inwendig ist.

--228--

Dann diewyl wir den brästhafften lychnam an uns tragend, ist gwüß,
das er uns vilvaltiklich anfichtet, ja, es wirt offt von denen, die man
gantz rein schetzt, gar vil schnöders heimlich leyder begangen, dann
wo sy sich vermannet oder wybet hettind. Wir wellen ouch hie nit
angeruert han die frommen reinen, die uß gab gottes rein sind, und
das mit danckbarkeit an inn erkennend. Wir klagend aber unser hartsäligheit,
das, sydmal uns got rein ze leben nit verlihen hat, die
menschen so unmilt gegen uns sind, das sy uns in unseren prästen,
den wir mit inen gemein hand, erst mit den uneeren beschwärend,
das uns nit sölle zimmen, das eim yeden zimmet.
Zum andren spricht aber Christus ebendaselbs Mat. 19.
[Matth. 19. 12]: Welicher die reynigheit halten mög, der halte sy.
Hie macht ers fry, so er spricht: Welicher sy halten mög, der halte
sy. Also: Mag ers halten, so halte sy; mag ers nit halten, so vermähle
sich. So nun das halten nit an unsrem vermögen stat sunder an gott,
wie spricht er dann: Ders halten mög, der halts? Ist der verstand:
Das mögen sol man nit verston, als ob es von uns kumme, sunder
das es von got geben würt, und hat den sinn: Welichem von got
geben wirt, das ers halten mag, der halte sy; wirt es im von got nit
geben, ist ers nit schuldig zuo halten. Wie habend dann die menschen
sy dören gebieten, so sy got von ir schwäre wegen nit hat wellen
gebieten, sunder geben, wemm er wolt; und wemm ers geb, der wurde
schuldig sin ze halten. Welichem es nun geben würt, empfindt es
wol; es darff nit subtyler frag, wie mag ich wüssen, ob es mir geben
syg oder nit. Also nun ist die summ diß artickels oder worten
Christi: Welichem es von got geben ist, das ers halten möge, der
halte es; und sind die, denen es nit geben wirt, nit schuldig ze halten
uß dheynem götlichen gsatzt.
Zum dritten spricht aber Christus am eegenannten capitel zuo
den Phariseieren [Matth. 19. 4-6]: Hand ir nit gelesen, das, der das
menschlich gschlecht anfengklich gmacht, man und wyb geschaffen hat,
und hat gesprochen, das von deswegen der mensch verlassen werde
vatter und muoter und würt angehefft sin siner eefrowen, und werden
zwey ein lyb, also, das darnach nit zwey werdend sin, sunder ein

--229--

fleisch oder lyb. Das nun got zemengewetten hat, sol der mensch
nit von einander scheyden. Hie hörend ir zuo dem ersten, das die ee
so hoch geachtet ist by got, das das natürlich gsatzt ir wicht, indem,
das er spricht, es werde ein eemensch vatter und muoter verlassen und
sinem gmahel anhangen. Mag nun ein mensch vatter und muoter verlassen,
das aber das natürlich unnd götlich gesatzt nit nachlyeß dann
allein in dem fal, vil minder mag dhein mentschlich gesatzt die ee
verbieten, das sy nit bezogen werde, noch, so sy bezogen ist, zertrennen.
Dann wie were das eins, daß das götlich gesatzt der ee
wiche und das menschlich welte iren nit wychen? Wann zuo dem
spricht er: Das gott zemmengewetten hab, das sölle der mensch nit
scheyden. Nimpt nun der priester ein wyb, so ist es ein zemengewetne
ee by got; dann nach götlichem gesatzt mag er wol eewyben.
So sol ouch ghein mentsch noch mag dieselben ee zertrennen.
Zum vierden spricht Paulus 1. Cor. am 7. capitel [1. Cor. 7. 2]:
Von unküschheit wegen sol ein ieder ein eygen wyb haben und ein
iedes wyb einen eignen man. Uß welchen worten diser eygenlicher
sinn ermessen wirdt, das ein yeder mensch, nieman ußgenommen, -
denn welicher spricht: ein ieder, laßt nüt us -, so er empfindt, sich
der unküschheit nit mögen embären, einen eignen gmahel haben sol
und sich des einigen vernuegen, welchs uns billich leeren solt, das ein
ieder vatter zuo sinen sünen redte: Lieben sün, läbend reynklich, und
so ir ie empfindent, das üch der muotwill überringen welle, sagends
mir, so wil ich üch eygne wyber geben. Derglich ouch yede muoter
zuo iren tochteren. Wo das beschähe, wurden vil minder huoren werden,
vil minder banckharten; unnd so man sich vereet, vil minder eebruchs.
Sust gschicht offt, das unsre kind inen eygen buolen ußerkiesend, unnd
so sy nit nach irem willen vermählet werdend, sehend inen ire sinn
unnd danck zuo iren gmahlen, glich als die höupter uff einem

--230--

keyserscrützer zemensehend. Wo aber die eegenant ordnung gehalten
wurde, könden sy nit widerbefftzen noch werren, denn man hette sy
von kindswesen uff also gehalten, das sy ir anligen wol dörfftend
sagen. Wirt nun der priester ouch angefochten mit unküsheit, so
heyßt inn Paulus ouch ein eygen eewyb nemmen, dann er hat niemann
ußgenommen.
Zum fünfften spricht ebendaselbend Paulus [1. Cor. 7. 8. 9]: Ich
sag aber den unvermähleten und witwen. Es ist inen kommlich, ruowig
oder guot, ob sy also blibend als ouch ich; wo sy aber sich nit verhaltend,
so beziehind die ee; dann es ist wäger mannen oder wyben,
weder brünstig sin. Uß den worten Pauli mögend wir wol mercken,
das die ee nit beziehen und reynklich leben ein ruewig, kommlich ding
ist. Wir verbünnend ouch dieselbigen tugend nieman, sunder alle,
die also blyben mögend, schetzent wir vil werder weder uns; wir begerend
aber daby das: Sydmal wir leyder erfaren hand, das wir nit
behalten mögend, darumb, das es uns got nit geben hat, das ouch
uns nit verschlagen werde die ee. Dann Paulus zücht hie dhein
andre ursach harin, darumb man sich verhüren sölle, dann allein die
inbrunst. Die bekennen wir leyder an uns sin, wann wir sind von
iren wegen in schand kummen. Man sol ouch hie die inbrunst verston,
so der mensch durch die anfechtung des fleischs also entzündt
wirdt, das er nun nach dem lust des fleischs ringt. Dem ist wäger,
er vermähle sich, damit das gemuet fryer werde und nit also nun in
sölichen gedencken wuete.
Zum sechßten aber daselbs 1. Cor. 7. capitel [1. Cor. 7. 25f.]: Von
der jungfrowschafft hab ich dhein gsatz des herren etc. Merkend hie
den heyligen Paulum luter erkennen, das er nit gebieten möge

--231--

dheinen menschen die jungfrowschafft, darumb, das got darinnen nüt
gebotten hab. O hettind das ouch ton, die weder mit kunst noch
tugend dem heiligen Paulo nie glich sind worden, das, wo got ein
ding nit gebotten hat, sy ouch dhein gebott ingeleyt hettind. Dann
Paulus meinung ist, sydmal got reynigheit nit gebotten, habe er nit
gwalt, dieselbigen ze gebieten; und was aber gefraget von den
Corinthieren, zuo denen er dise wort schribt, von der reinigheit
wegen, der gestalt, ob sich zimpt reyn zuo blyben, oder ob ieman
sölte zwungen werden rein ze blyben. Ist sin antwurt durch das
gantz capitel: Reinigheit halten sye nit nun gott gevellig, sunder ouch
kommlich; dann in der ee sye vil mueg - verstand: Der sorg des
wybs oder mans, der kinden und andrer anruerenden gschäfften -. Darumb
rate er, sye ieman die reinigheit verlihen von got ze halten,
das er die halte. Aber dhein gbott döre er inlegen, denn got hab
sy selber nit gebotten, und darumb versicht er zwürend im selben
capitel, sinen rat sölle man nit ein gebott schetzen; er gebe ouch
den rat nit, das er inen ein strick welle anlegen. By den worten
Pauli vermerckt man ouch, das er ouch die wort Christi, in den
zweyen ersten articklen harfür bracht, glich wie wir verstanden hat.
Zum sibenden schrybt er 1. Timoth. am 3. capitel [1. Tim. 3. 1f.]:
Das ist gwüß, welicher ein pfarr, kilchhery oder paroche begert,
der begert ein eerlich ampt. Darumb so muoß ein bischoff (das ist
ein uffseher oder pfarrer, kilchher oder lütpriester, die allesammen
nach griechischer sprach episcopi, das ist bischoff oder uffseher genennet
werdend) unvergrifflich sin, ein eeman nun eines wybs etc.
Hierinn lernend wir, das alle pfarrer bischoff sind. Der meinung
ouch ist der heilig Hieronimus. Ouch das sin ampt ist uffsehen,

--232--

unnd ist bischoffampt nit eine hohe wirde, als sy ietz prächtend,
sunder ein ampt, das on ruow versorgt wil sin. Denn sölte ein uffseher
uff einer wacht oder turn sich selbs für einen grossen herren
schetzen und nit flyßlich wachen, wurde im nit gestattet, sunder man
bdarff sinen nüt, denn allein ze wachen. Also ouch darff man dheiner
bischoffen, das ist uffseheren, das sy nun jungkheren syind, sunder
on underlaß wachind, wiewol sy gar blind worden sind Esa. am 56.
[Jes. 56. 10]. Darnach lernen wir, das er fromms, züchtigs leben sin sol,
das man inn nit lychtlich eins schnöden lebens vergryffen oder
schelten möge; darnach, das er nit vil, sunder nun ein eewyb haben
sol; da heißt Paulus den uffseher ein eewyb haben. Bedenck aber
ein ietlicher vernünfftiger mentsch, was bösen dings es ist ein unvermähleter
pfarrer, der aber nit reinigklich lebt, ja ein gevarlich ding;
darvon aber wir hie nit me sagen wellend, in hoffnung, der allmechtig
gott werde sin volck erlüchten, das sy nach eer irer eignen bischoffen
tringen werdind, so sy hörind den heyligen Paulum gebieten, das ein
bischoff ein wyb haben sol, doch nun eins.
Zum achten 1. Timo. 3. [1. Tim. 3. 12], eben da die vordrig kuntschafft
stat: Diaconi (spricht Paulus), das ist diener der bischoffen,
söllend eemann sin eines wybs, ouch iren kinden wol vorleben und iren
gesinden. Diaconi sind alle, so den bischoffen helffend in dienstbargheit
der geistlichen dingen, die man ietz nennet helffer. Ja, die heyßt der
helig Paulus ouch wyber haben, damit grössere laster, eebruch und
jungkfrowenschwechen und huory, vermitten blyb. Es ist gar ein sorglich
thier ein junger pfaff, der zuogang haben mag von sines ampts wegen
zuo jungem volck, es syind wyber oder jungfrowen. Strow vom fhür!
Gäb man im ein wyb, wurd er wie ein anderer byderber man gemueyt
mit der sorg des hußxinds, wibs, kinderen unnd andrer dingen, damit
im vil hitzen der bösen anfechtungen genommen wurdind.

--233--

Zum nünden wyßseit Paulus 1. Timo. 4. [1. Tim. 4. 1-3]:
Der geyst redt usserscheidenlich, das in den nachkummenden zyten
etlich von dem glouben wychen werdind, ufflosende den verfuerenden
geisten unnd den leeren der tüflen, die in glychßnery luginen angeben
werdind und doch in iren conscientzen schantlich gebrent sind, die
da verbietten werdend vermächlung etc. Hie sicht man clarlich, das
Paulus den grossen schaden der seel vorhin, ee er keme, ermessen,
hat wellen versehen, das er nit keme; ouch sicht man, das sölicher
schad vom tüfel ingesprochen worden ist, nun die seelen ze verfueren
mit einer guoten gstalt, namlich, das es ein ansehen hat, so man
spricht: Ist es nit ein hüpsch ding umb reynigheit? Ja, wo ist sy?
Wie wirdt sy ghalten? Darumb hat der tüfel mit sölicher gstalt die
menschen wellen blenden, das sy sich der reynigheit undernemind und
darnach mit sölicher schand darvon fielind, da nit sy allein geschendt,
sunder ouch die, mit denen sy sich vergond. Ja frylich hat der tüfel,
wie in allem sinem anfechten, ein geschwind stuck brucht; dann wir
sind so närrisch, so man uns nun ein hüpschen spiegel fürhalt oder
muster, so wenend wir, es syg als schlecht und wellend es fry mögen
halten. Und wüßt der tüfel wol, das es dem gemeinen menschen wol
gevallen wurde, wenn man spräche: Ja frylich söllend die priester, die
got hebend unnd legend, reinklich leben. Er wüßt ouch darby, das
sy nüt deß minder menschen blibind, fleisch und bluot, brästhafft in
allen tugenden, und wurde das fleisch darumb sine tück nit verlassen,
sunder sy vellen in grössere schand. Summa: Das verbott der ee,
den geistlichen ingelegt, ist vom tüfel und nit von got; man hört wol
die wort Pauli hie. Darzuo spricht ouch Christus Mat. 15. [Matth.
15. 13]: Ein ietlichs pflantzen, das min himelischer vatter nit gepflantzet
hat, das würdt ußgerütet. Nun ist das gebott der reinigheit von gott
nit geheissen noch geben, und sind aber nit mee denn zwen pflantzer:
got und der tüfel. So es nun von gott nit ist, so muoß es ye vom
tüfel sin. Und redend hie allweg von dem gebott allein: Reynigheit
ist on zwyfel gar ein kluoge gab unnd tugend; dem sy ggeben würt,
dem frolockend wir größlich; wir klagend aber, das die menschen uns

--234--

muotwillig ze schanden bringend, deß sy ghein anzug noch recht hand
uß götlicher geschrifft; ja, das in concilien vormals angesehen ist mit
wyser betrachtung, haben sy denen gton, darvon wir ouch hie reden
wellend.
Es haben die alten vätter im Gangrensi concilio versehen von
eewyben der priesteren, unnd stond die wort des urteils noch hüt by
tag in den bäpstlichen rechten di. 28. C. si quis [c. 14. Dist. XXVIII]
also: Ob ieman larte, das ein priester von deßwegen, das er geistlich
wär, sölte er sin eewyb verlassen, der sye verfluecht. Item widrumb
C. si quis discernit ibid [c. 15. Dist. XXVIII]: Ob yeman einen vermähleten
priester sündrete oder schupffte, glich als ob er umb des
willen, das er ein eewyb hette, nit sölte mäß halten und inn darumb
schuhe, der sye verfluecht. Hie strytend wir also mit iren waffen.
Ist das Gangrensisch concilium im heyligen geyst versamlet, als
es ouch ist, denn es hatt dem euangelio und apostolischen leer glich
gehandlet, warumb habend dann die nachkummenden dasselbig nit
lassen blyben, die aber das gesatzt on ursach der gschrifft dennen
geton habend. Wyter: Wirt es uß dem tüfel ingesprochen, das man
die ee verbüte uß den vorgezelten worten Pauli, und die nachkummenden
habends on stercke der götlichen gschrifft verbotten, so
hand sy es ie uß dem tüfel ingesprochen gton, und hat das tüfelisch
gebott die götlichen fryheit vertriben.
Wol geleerter vatter,
vol und satter,
tuond den sylogismum uff
oder aber der ful huff
wirt aber darnider ligen.
Wyter: Sol man nit eim ieden geist glouben, sunder bewären,
ob sy uß got syind 1. Jo. 4. [1. Joh. 4. 1], und das gesatzt im

--235--

Gangrensi concilio ist dem nachlassen Christi Math. 19.
[Matth. 19. 11f.] und Pauli, wie obstat unnd hie, allenthalb glich, so
ist es uß dem waren geist gottes. Wyter: Hat nun inen zimpt, das
götlich mit menschlichem abthuon, warumb solt eim ieden Christen
nit zimmen, sich des götlichen halten, namlich, so das menschlich luter
stryt unnd widerwertig ist dem götlichen. Denn reinigheit von got fry
gelassen sin und von menschen gebotten, strytend gantz und gar wider
einander. Item, es hilfft ouch nit die inred, da sy sagend: Es stat
aber in der nächsten dinstiction darnach, das die satzungen im
Gangrensi concilio mit eehaffter ursach syind abgethon; dann
darüber mag man also antwurten: Wer hat aber ieman gwalt geben,
das das, so von got fry gelassen ist, sölte von menschen angebunden
werden; ouch das ein gantz concilium recht angesehen hat, sölte einer
und der ander babst abthuon, oder so zwey concilia wider einander
urteilend, thuond sy das nüt dess minder im heyligen geist? Ist er also
im selbs wyderwertig worden oder vergeßlich, daß er hüt eins, morn
ein anders inspricht? So nun das nit sin mag, so muoß man ie sagen,
das söllichs uß prästen der concilien beschech; dieselben sol man aber
nach dem selben probieren, nach der schnuor der gschrifft, wie obstat.
So man nun das concilium Gangrense also probiert, mag es die
prob erlyden, denn es hat sich der götlichen nachlassung glichförmig
gemacht, darumb es billich beston sol, und das dem götlichen willen
nit glichförmig ist, sol on zwyfel dhein bstand han. Darzuo habend
die priester lang darnach dem Gangrensi concilio glebt, unnd nit
dero satzung, so die priester zuo reinigheit hand wellen zwingen. Der

--236--

heylig Hilarius, zuo siner zyt ein liecht der Christenheit, hat eelich
wyb und kind, diewyl er ein bischoff zuo Pictavi xin ist, gehept.
Es sind biß uff sibenhundert jar nach Christus geburt etlich priestersün
bäbst worden, als di. 56 [c. 2. Dist. LVI] geschriben ist: Hosius
ist Steffani subdiaconi sun xin und ein babst; Bonifacius bapst
ist eins priester sun xin, hat Jocundus gheissen; Agapitus, ein
sun Gordiani, priesters; Teodorus, ein sun Teodori, bischoffs zuo
Hierusalem; Silverius, ein sun Silverii, bischoffs zuo Rom;
Deusdedit, ein sun Jocundi, priesters; Felix der III., Felicis
priesters sun, bürtig von Rom; Gelasius, ein Afer und sun
Valerii, bischoffs; Agapetus, von Rom bürtig, Gordiani, eins
priesters sun, alle bäpst zuo Rom gewesen. Wiewol die canonisten
hie sagen wellend, sy syend uneelich geborn, tuond sy es nun darumb,

--237--

das sy die uppigen reinigheit bevesten mögend; und die, so un zwyfel
eelich geborn sind, gschenden sy erst nach irem tod. Dann dise
bäbst sind alle noch so vor alten zyten xin, da frommgheit und eer
vil me volg gehebt hat, denn zuo unseren zyten, also, das man nit so
lychtlich die, so schnöd geborn werend, zu sölicher fürneme hette
lassen kummen. Dannenhar wol ze gedencken ist, sy syend nit so
schnöd geboren; dann schlechtlich die ee der priesterschafft ist noch
zuo denselben zyten brüchig xin. Denn Nicolaus (joch der erst
des namens) ist babst worden nach geburt Christi achthundert und
nün und fünffzig jar, und hat die ee der priestren heissen dulden
Bulgaros (stossend an Ungerland), die inn forschetend, wie sy
sich halten söltind mit iren priesteren, die sich vermählet hattend,
der meinung sy ze vertryben; denen er antwurt di. 28. consulendum
[c. 17. Dist. XXVIII]): Wie wol sy begrifflich oder fräflich
gehandlet haben, sölle man sy doch nach dem byspil Jesu Christi
dulden, der die bösen under den guoten dulde etc. Augustinus, der
heylig leerer, so man inn recht besicht, confessionum libro sexto
capitel 15. ist sin klag, das er die vordrigen frowen, die er widerumb
in Affricam hatt lassen ziehen, by dero er ein sun gehebt, so lieb
hat ghan, das er nit ein eewyb genommen, sunder die gantzen zyt irs
abwesens allweg gehofft, sy keme widrumb zuo im, und darumb gheine
wellen zuo der ee nemmen, sunder die ungeduld der liebe ersetzt mit
einer andren frowen, des er sich vor gott klagt unnd meint unrecht
geton haben; dann es were zwar wäger xin sich vermählet haben,

--238--

als er selbs glich darvor am 12. capitel anzeigt, do er Alipium
überwunden hat und beredt, daß er sprach, er welte sich vermählen,
das er doch nie muot hette ghebt, doch nun von deswegen, das im
Augustinus die ee so treffenlich gliebt hette. Uß welichem eygenlich
vermerckt wirt, zuo Augustini zyten, der nach geburt Christi 433
gelebt hat, gar ghein wyderred der ee der priestren xin ist, ja, das
Augustinus die zwey wyber, so er nach einandren ghebt, anstatt
eewyberen gehebt hat nach dem beschluß in Toletino concilio
beschehen di. 34. Is qui [c. 4. Dist. XXXIV]: Welcher nit ein eewyb
hat, sunder für die ein schlaffwyb, den sol man nit von dem

--239--

altar oder gemeinsamy des sacraments vertryben; ja, wenn er sich
vernuegen laßt eins wybs, er nenne die ein eewyb oder schlaffwyb.
Dann Augustinus klagt sich siner blödikeit, das er nit hat mögen
warten, biß das die uß Affrica widerkeme (wiewol sy nie kam),
doch habe er sich einer andren einig vernuegt. Mit derglichen bewernussen
möchtend wir wol ein grosse zal zesamen bringen. Denn
entlich von der sach ze reden, man lege in, wie vil gebott man welle,
so laßt sich die natur nit so lychtlich temmen; es muoß die krafft
gottes reynigheit halten, nit unser vermögen. Wie gdar man dann ein
gbott inlegen, so es dem menschen unmüglich ist ze halten nach siner
krafft? Ja, es ist nüt anders dann ein glichßnery (doch unanberuert
die, so söllich gnad von gott hand). Dann reynigheit nit halten ist
den alten, frommen vätteren ouch angehanget; sy warend ouch
menschen. Wiewol zuo unseren zyten reynikeit ein zyt von etlichen
hüpschlich glyßnet würt; aber bald kummen sy darnach herfür,
habend kinder by basen gmacht, ee brochen, jungfrowen verfelt,
daruß dick grosse jamer entsprungen sind, todschleg, anders übel.
Summa: Naturam expellas furca, tamen ußque recurrit; ist: Jagst
die natur schon mit eynem stecken uß, kumpt sy doch wider. Unvermydenlich
prästen muoß man nit wellen überstryten, sunder ansehen,
wie man sy zum kommlichsten dulden möge.
Zum zehenden schrybt aber Paulus zum Tito 1. capitel
[Tit. 1. 5-7]: Von deswegen hab ich dich in Creta (ist ein insel, die
man ietz Candia nennet, daruß man den Malvasyer bringt) gelassen,
das du das übrig recht anschickist, und in ieder statt ersam, alte
menner verordnest, wie ich dir empfolhen hab, so einer unverlümdet
ist und nun ein wyb hat, ouch trüwe und gleubige kind, von denen
man sich nit klagen möge, das sy muotwilliklich lebind, noch ungehorsam
syind; dann ein bischoff sol also sin, das man nüt ab im klagen möge.
Dise wort Pauli sind noch klärer dann die da oben im 7. artickel,

--240--

wiewol die meinung glich ist; doch sind guote stuck darinnen ze
mercken: Das erst, das man alte, ersame mannen in eyner ieden statt
zuo bischoffen, das ist pfarrhern oder lütpriesteren, machen sol; man
muoß sy nit von Rom beschicken, dannen sy uns kein götliche leer
bringend, sunder wie guot der win Curs sye und wie hüpsch putanen
uff Campo floro. Das ander, das dis wort "nun ein wyb" also
verstanden sol werden, das er nit me dann ein eewyb habe zemal und
nit nach jüdischem oder heydischem sitten mee dann ein eewyb
understuende ze haben. Das drit, das die bischoff luogind, das ire kind
züchtiger erzogen werdind, dann gemeinlich der bruch sye. Das 4,
das ir hörend, ein bischoff nüt anders sin dann ein pfarrer, und
lassend üch nit bekümmeren, das er spricht "in ieder statt"; er verstat
durch das wort "statt" ein ietlich kilchhöre. Denn zuo Epheso
in einer statt waren vil bischoff Act. 20. [Act. 20. 17], das ist pfarrer,
sust, sölte man bischoff verston nach der gestalt der ietzigen bischoffen,
dörfft einer wol 10 Ephesen. Das 5: Sol ein bischoff für andre
menschen fromms wandels sin. Wie kan aber er guots wandels sin,
so im nit zimpt ein eewyb ze haben unnd mag doch nit reinklich
leben? Wie menger priester ist ein frömer, wol gelerter, trüwer
bischoff oder uffseher, dem man nit zuo möchte messen einerley lasters,
ußgenommen, das man spricht, er lebt nit reinklich, oder er ist ein
huorenpfaff. Sehend, das einig laster nimpt im allen glouben vor den
menschen, er hab got wie lieb er welle, er lere wie trülich er welle,
so falt es alles ze ruggen, wenn man hört, er leb nit frommklich
der unlutergheit halb. Was grossen schadens aber das bringe, mag

--241--

ein ieder vernünfftiger mensch wol ermessen. Ach wie blind ist man
doch, das man die schand nit hinnimpt, so doch gott darzu günet
und alle vernunfft?
Zum 11. schribt Paulus zuo den Hebre. 13. [Hebr. 13. 4]: Die
ee ist ein füruß kostbarlich ding, ouch ein unvermaßget bett, aber
die unküschler und eebrecher würt got richten. Diß wort Pauli
habend allweg die von der griechischen versammlung entgegen geworffen
den römischen fürmünderen der glychßneten reinigheit: die
ee sye ein ersam, kostbar ding. Zum ersten sye sy nit von eim gouggler,
sunder von got uffgesetzt; darnach so sye sy ein artzny des lasters,
das uns anerborn ist und on des anfechtung niemans ist, diewyl er
lebt. Und hat iren grund in dem gsatzt gottes: Du wirdst dinen
ebenmenschen als lieb han als dich selbs [3. Mos. 19. 18, Marc. 12. 31,
Gal. 5. 14]. Dann der allmechtig gott, ein erkenner und erbarmer
unser brästen, damit er denen ze hilff keme, hat er die ee mit dem
glouben und trüw verwicklet, also, das welicher glouben und trüw
haltet in der ee, dem sind die eelichen werck unschädlich, darumb,
das got den glouben, den wir dem nächsten haltend, uns verrechnet,
als wer er im gehalten. Ja, er ist im gehalten. Darumb spricht hie
Paulus "und ein unvermaßget bett" [Hebr. 13. 4]; dann was einer
sinem nächsten tuot, thuot er got. Ja, got schetzt sich nit lieb gehalten
werden, der nächst mensch werde dann ouch lieb gehalten [1. Joh. 4. 20].
Darumb heyßt er die gab, so man uffopfren welte, uff dem altar ligen
lassen, biß man sich mit dem ebenmenschen vereinbart hab [Matth. 5. 24],
unnd setzt sin eer nach dem guoten unsers ebenmenschen. Ouch hat
die ee einen grund in dem natürlichen gsatzt: Was du dir nit wilt
geschehen, das tuo eim andren ouch nit [Math. 5. 12, Luc. 6. 31]. Wiltu,
das din gmahel dir eynig blybe, laß eim andren sinen ouch unbekümmret;

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also von andren personen, tochteren, dienstmägten ze
reden. Und deßhalb haben sich die Griechen nie wellen lassen
zwingen under die glychßneten reinigheit; sind doch so guot Christen
hüt by tag als wir, ja besser, in dem, das sy sich vernuegend einiger
gemahlen, und wir muotwillend, wie es uns geliebt, unnd mögend die
hohen bischoff das, als ze besorgen ist, wol erlyden; es gybt speck in
die roswürst!, unbedacht, das es so grosse verergernus gebirt vor
den ebenmenschen, die aber sy vor allen dingen verhueten soltend nach
der meinung Christi Mat. am 18. [Matth. 18. 7]: Wee dem, durch
den verergernus kumpt. Nun kumpt die ietzig verergernus von niemans,
denn von den hohen bischoffen. Dann von gott ist reinigheit noch
von den heyligen botten nit gebotten, sunder von den bischoffen. Es
mag ouch hie nit gesprochen werden, die ietzig priesterschafft sye so
uppig worden; vor zyten habind die priester reinklich gelebt. Wir
sprechen: Nein. Denn so man das decret (ist alt bäbstlich recht) erliset,
findet man, das die diaconi unnd hypodiaconi allweg sind widerspänig
xin disem gebott; derglichen ouch die priester; denn der
helig Hilarius, zuo siner zyt ein liecht aller Christen, eelich wyb
und kind gehebt hat. Noch ein übels gschicht, das got gantz widrig
ist, in den schnöden unküschen der priesterschafft, namlich das die
kinder, so davon geborn werden, lasterhafft, uneerlich und verwürffling
geschetzt werdend gemeinlich. Wannen kumpt es? Da dannen,
das die menschen, das ist die hohen bischoff, davor sind gestanden,
das sy nit hand mögen eelich geborn werden, und sind die, so von
got recht geschaffen, erst vor den mentschen geschendt worden durch
das gebott der menschen, das aber Christus treffenlich verbüt Mat.
am 18. [Matth. 18. 10,6]: Huetend üch, das ir keynen der kleinen, die
in mich gloubend, geschendind; dann welicher einen deren geschendt
oder schmächt (denn also verstat an dem ort der heilig Chrisostomus
ouch das wort scandalon), dem were wäger, man hanckte im ein mülstein
an hals unnd versanckte inn in die tieffe des meeres. Ja die

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schand, denen armen kinden von den menschen angeleit, gebirt dick vil
args. Dann ists ein tochter, wirdts nit bald zuo den eeren bracht,
sunder, offt verzwyflend an den eeren, hebt sy an lyederlich leben und
blybt alle ir tag ein huor zuo einer ergernus aller menschen. Wellend
doch denen nit an ir eer geredt han, so frommklich lebend, ob sy
schon pfaffenkinder sind, deren, ob got wil, ein grosse zal ist, sunder
angezeugt, das diß geschenden ein grosse ursach ist der lastren, des
aber die gebornen kinder nüt vermögend, und inen von got nit, sunder
von den menschen zuogefuegt wirdt, die umb irs gyts willen die geschöpfft
gottes geschenden, für die sy aber, so sy sich selbs geschendt
hettind, billich fürmünden soltend, das inen die schand abgenommen
wurde von gott und den menschen. Ists aber ein man, so laßt man
inn an etlichen orten zuo gheinem eerlichen handtwerck kummen,
dannen er gezwungen wirt, das er ein unnützer boltz würt. Ouch
bringt söliche verzwyflung dick ein hynlässigheit an vatter und muoter,
die gedencken, du magsts doch nit zuo den eeren bringen etc. Summa:
Eerlich ist die ee und ein kostlich ding, ouch im alten testament, das
vil herter xin ist denn das nüw, der priesterschafft nie verbotten. Aber
die so witzigen bischoff, die witziger habend wellen sin denn got selbs
- der es wol hett können verbieten, so ers hette nutzbarlich und
erlich sin erkent -, die hand so ein lobliche reinigheit fürbracht.
Doch wellend wir sy das lassen by got verantwurten; würdt on zwyfel
schlechtlich zuogon. Dann Christus spricht Mathei 15. [Matth. 15. 9]:
Sy eerend mich vergeben und umbsust, so sy leerend leren und
gebott der menschen.
Dise und vil ander gründ der geschrifft haben uns bewegt, o
eerenveste, ersamen, wyse herren, üwer wyßheit anzelangen von der
ee wegen, die wir in willen sind ze beziehen, ja etlich under uns die
bezognen ze offnen, wo das üwer wyßheit nit treffenlich wider sin

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würt, angesehen die grossen schand, so wir bißhar unverschampt
über uns habend lassen gon, angesehen die grossen verergernus allen
menschen damit geben, angesehen unser verwundten conscientzen,
mit denen wir täglich die götlichen verwaltungen des gotsworts und
anderer sacramenten verhandlet, doch allweg unser unabläßliche
blödigheit erkent und ruow nie gehebt. Darumb ermanend wir üwer
wyßheit als unsere vätter - dann wir all uß einer loblichen Eydgnoschafft
erborn und die üweren und der üweren sind - by got,
unserem schöpffer, der uns alle von einem erdschollen gemacht hat,
das wir einandren erkantind als brueder, by dem bluot Christi Jesu,
das er für uns alle glich vergossen hat, damit im selbs nieman me
zuozuge denn eim andren, by dem geist gottes, der got ist und in allem
sinem erlüchten unnd insprechen der priesterschafft nie hat die ee
verbotten, ja geheyssen: Erbarmend üch über uns, üwere trüwen und
guotwilligen diener, dero etlich, wie erst gemelt, willens sind sich vermählen,
etlich vermähleten dasselb offnen; vergunnend uns dasselb,
damit das, so uns vor got nit süntlich ist, ouch vor den menschen nit
schantlich sye. Und so wir uns üwer eeren all unser tag an der
frömbdi und daheimen zum trülichsten geflissen hand, günnend uns,
das wir, von dieser schand der unkünschheit erlößt, ouch eerlich by
üch leben mögind. Denn das wer ie unfrüntlich, das die, dero eer
wir gemert hetind, zuo aller zyt uns eeren verbünnen weltind, nit nun
fründen und heimschen, sunder frömbden. Wir sind ouch, die nit
nun in einer not, es sy tod oder krieg xin, mit üch lieb und leyd
erlitten, und uns allweg als redlich, byderb lüt gehalten haben.
Namlich, so es nit uß muotwillen sunder uß liebe der eeren, frommer
eerlicher reinikeit von uns an üwer wyßheit anbracht wird. Denn so
es uß muotwillen geschähe, möcht unserem muotwillen vil bas dienen,
so wir ghein eewyber hettind. Wir wüssend wol, was mueyg, sorg

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und arbeit in der ee sind; wir wüssen ouch wol, wie wir gar lychtlich
möchtind all tag verlassen die wyber, dero wir uns leyder byßhar genietet
hand, darumb es nit uß muotwillen sunder uß scham unnd liebe
der seelen, so uns empolht sind, dieselben nit ewiklich ze verbösren,
geschicht. Wir haben der merteil die kindschuoch zerrent und sind
des meren teils 40 jaren näher dann 30. Ir wellind ouch nit hören
die, so unbillich darwider schryen werden mit mengerley gegenwürffen:
Wie gedören sy wyber nemmen; nun hand sy doch reinigheit geschworen!
Hie hören zuo, gnädigen herren: Unser keiner hat reinigheit
mit andren worten denn wie hernach stat, verheissen: So der bischoff,
der ze priester wyhen wil, fragt, ob sy rein syind, antwurt der fürsprech:
Ja, so vil menschliche blödigheit ertragen oder lyden mag.
Sehend, gnädigen herren, mit disem geding habend wir und nit
anderst geschworen; das wellend wir bezügen mit den herren bischoffen
selbs, wiewol es deß nit darff; es leugnet, als wir hoffen, des nieman.
So wir nun leyder gnuog sind innen worden, das wir uß blödikeit dick
gevallen sind, und uns deßhalb weder eyd noch gheyss bindt, ouch
das der heylig Paulus spricht [1. Cor. 7. 9], es sye wäger, man vermähle
sich, wie obstat im 5. artickel: so lassend üch bewegen, diß
unser offenlich verjehen, das wir vor üch tuond. Unnd wo begird der
eeren nit so groß wäre, wir hettind warlich unser schand nit also
endteckt. Ir wellen ouch nit hören, die da schryen werdend: Wer
wolt inen die kinder erzyehen; sy wurdind die ee brechen; man mueßte
ire wyber für gnadfrowen han; so wurdind uns mit iren kinderen
beherschen, und ander derglichen klagen. Wir wellend in den und
andren dingen uns halten, wie zum letsten mit articklen hierinnen
begriffen wirdt nach der ermanung. Hörend ouch nit die, so

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sprechend: Würdt das nit ein schantlich ding, nachts by einem wyb
ligen unnd morndes mäß han? Antwurt: Mag einer nit glich dasselb
och thuon, so er mit einr huoren huß hat? Hettend wir nit ander
conscientzen, denn das wir gots und unser so gar vergässend zuo sölichem
unrat geneigt werind, so dörfften wir diß ermanens nit an
üwer wyßheit. Es geschicht, das unser conscientzen ruewig werdind,
das wir on schand und verbösrung des gemeinen menschen eelich bywonen
mögen; die sorg der conscientzen mag nit erlyden, das man
sölich laster begang. Unnd darumb ermanend wir üch, wie obstat,
als unser vätter: Vergunnend uns eerlich by unseren frommen Eydgnossen
ze leben. Und ob es schon ghein grund in der gschrifft
nienen hette, versähend wir uns doch, ir übersähend oder nachliessend
uns die ee. Es muoß doch ein ieder vatter sinem sun etwan ein stuck
nachlassen und übersehen. Nun sind wir doch nun die üweren, üwers
gebluets und bodens, trüw und hertzens, und ist unser dheiner mit
keinen weltlich gemeinten uneeren nie befleckt worden. Und so wir
von der leer dörfftind on uppig eer reden, weltend wir uns noch me
dören bevelhen; doch sye uns genuog, das wir alle so gelert sind und
so beredt von den gnaden gottes, das wir die heilsamen leer unsers
herren Jesu Christi zimmlich kommlich ussprechen könnend.
Wo aber diß alles, gnädigen, lieben herren, nit helffen möchte,
als wir nit verhoffend, so bittend wir üch doch demuetigklich, ir
wellend uns vor gwalt behueten des babstes von Rom und aller geistlichen.
So wellend wir uns selbs beschirmen mit trost und zuoflucht
der gschrifft, also das, wo wir mit der gschrifft uns nit beschirmtind,
desselben engälten weltind wie billich wär. Und man welle offenlich
mit uns von der sach disputieren oder mit geschrifft wider uns
handlen, wellen wir mit gots hilff alle widerredenden warlich und

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mannlich mit der gschrifft überwinden. Erschräck nun niemans darab,
obschon der widerredenden ein große vile ist. Das wort gottes und
fryheit und gunst siner gnaden stat uff unser syten. Wir meinend
ouch (das wir aber on allen hochmuot redend), ir syind uns sölichen
schirm schuldig. Wir sind die üweren und hand alle unsre vordren
von ie welten har allweg bystand ton denen, so wider recht geschehen
wolt, dannen har einer Eydgnoschafft ein hoher ruom in allen landen
uffgewachsen ist. Wie vil me söllen ir uns ouch schirm wider die,
so mit uns gwalt bruchen weltind, nit abschlahen, deß wir uns gentzlich
mit vertruwten hertzen zuo üch versehend, namlich so in mengen
orten der Eydgnoschafft von alter har der bruch ist xin, das die
biderben lüt, so ein priester annemmen woltend, im andingetend, er
sölte ein eygen wyb haben, und inen die iren unbeschissen lassen,
das dick vor etlichen närrisch geschetzt ist worden; aber sy hand
warlich wyßlich thon, wo sy nun das hinzuo hettind ton, das sy inen
hettind ingebunden söliche wyber zuo der ee ze nemmen, sust hand
sy nit gar früntlich an inen gefaren, das sy inen nachgelassen hand
in dem laster ze blyben. Got geb üch söliches inn sinn. Denn warlich
unnd by dem lebendigen gott schwerend wir, by dem heil unserer
seelen, das es üch götlich und eerlich, uns eerlich und heilsam sin
wirt; wir wellend ouch mit so getrüwen flyß üwer wyßheit zuo aller zyt
dienstig sin, das die clarlich sehen muoß nit übel gefaren sin. Got
syg mit üch. Amen.
Diß sind erbietungen, dero wir uns begebend zuo guotem fryds
und ruowen, die wir vestenklich halten wellend mit got.
Item, daß weder unser wyb noch kind üwer wyßheit rechten noch
grechtikeiten söllend enzogen sin, sunder nach leylichem bruch recht
geben unnd nemmen, wie eins ieden bidermans gsind ze thuon pfligt.
Item, wo unser einer erfunden wurde - wie recht ist - die ee

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gebrochen haben, wellend wir uns ietz ergeben und entzogen haben,
das wir on alle widerred wychen wellend, ob man uns von der pfruond
stoßt.
Item, wir wellend niemer me anfechten, das wir die pfruonden,
so wir besitzend, unseren kinden übergebind, noch dheinerley eygnind,
das der pfruonden oder kilchen eygen syge.
Item, wir wellend ouch, ob ieman in andren dingen mit unser ee
sich vermeinte beschwärt sin oder werden, uns gen einer obergheit,
vernünfftig bericht, lassen wysen also, das sy nieman schädlich noch
nachteilig sye.
Item, wir wellend ouch hie nieman vorgefochten han, sunder das
ein ieder priester, so sich gern vermählete, mit articklen vor mit sinen
herren stelle, daran sy wol kummen mögind.
Hie, ersame, wysen herren, habend wir willen ghebt unser namm
underschriben und doch nit gton von vil ursachen wegen, die wir
aber zuo syner zyt offnen unnd harfür tragen wellend, dann in dem
buechly vil gschriben stat, das die namen wil erforderen. Nit me
dann: Gottes willen geschehy uff erden wie in dem himel!
Geben am 13. tag höumonats 1522.