Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Wahrhafte Beschreibung, wie es zu St. Johann ergangen

Zwischen 23. und 28. September 1528
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 6.2 (Zürich: Berichthaus, 1968) (Corpus Reformatorum 93.2)


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[S. 76a] Waarhafte beschrybung, wie es zuo Sant Johann in
Toggenburg ergangen, 14. tags septembers [1528]
Es sind etlich jüngling, uff 10 oder 15, am abend, ist 13. tag septembers
gwesen, in das münster gangen, und als die münch gsungen,
habend sy ein pürisch lied gsungen und die münch verirrt, demnach
das sacramenthüslin ufgeton und etlicher dryn gluoget, aber nützid
angeruert noch verendret. Sind doch des abends rätig worden, nützid
anzeheben, damit man der trunckenheyt sye nit verdencken mög.
Mornndes am 14. tag, was des heligen crütz tag, rust der abt zuo
mit äbtlichem pracht, umbzekrützen und messhalten, als sy
beduocht one not und zuo tratz. Kamend in die kilchen und griffend
die götzentaflen und älter an. Do der abt das geböl erhort, kam er
under die kortür ze sehen, was es wär. Gabend imm die jüngling ghein
unzüchtig wort, weder das einer sprach: "Herr, wellend ir's mit üns

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haben?" Also floch der abt in 's closter und empfal allen dieneren:
wenn die jüngling kämind (denn man schenckt allweg imm closter
win), söltind sy inen ze essen und trincken geben, was sy hieschind,
und bezaltind sy, wäre wol und guot, wo nit, söltend sy inen nützid
höischen. Also werchetend sy die götzen uff und die älter, und
entfloch der abt. Aber nachdem sy, die jüngling, vernomen, das es
glych vergeben imm kloster zuogangen wär, habend sy nit eines
hallers wert weder geessen noch getruncken noch entfuert; und dem abt
nach embotten, man sagt ouch: sin pferd nachgeschickt, sy sygind
nit da, das sy imm weder an lyb noch an guot schaden wellind, mög
dess halb heim oder fürer faren. [S. 76b] Aber er habe die silbrinen
götzen hinweg geton, so wellind sy der hültzinen ouch nit.
Uff das sind mär durch die grafschaft hinab komen, wie man das
kloster geschleytzt. Hatt man ylends einen landsrat versamlet und
davon ein ernstliche botschafft by tag und nacht hinuf geschickt und
erfunden, das die jüngling, wiewol fräch gnuog, doch nit gehandlet, als

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das gschrey komen was, und uff 17. tag septembers darnach ir bottschafft
gen Schwytz und Glaris gschickt, alle ding erzellt und
anzeygt, das sy den frävel straffen, wie sich das gebüre, doch besunder
ünseren Eydgnossen von Schwytz anzeigt, das sy des gotzworts
halb nienen hinder sich ston, und, so es anders nit sin möchte, das
recht, wo das gebürlich, mit inen annemen etc.
Als nun unser Eydgnossen von Schwytz ir ruhe meinung anzeigt
und fürgenomen, die von Doggenburg mit der hand darzuo ze wysen,

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dann die unzucht sye in iren hohen gerichten beschehen, ist diss der
bericht:
Das sy von den höhen gerichten sagend, muoss nit verstanden
werden, das sy, ünser Eydgnossen von Schwytz, weder hohe noch
nidre gricht in der grafschaft habind, sunder es ist ein sölches regiment,
das ein landsrat, der allein us den grafschafteren erlesen wirt, über's
bluot und all ander sachen richt und handlet mencklichs ongeirret,
usgenomen das in den grichten und räten ein landvogt in namen eins
abts von Santgallen der ob- oder gemein man ist one zug.
Als nun Sant Johanns klosters gotzhuslüt vor hundert jaren ongevarlich
zur fryen grafschaft komen, sind zuo Sant Johanns stock
und galgen dennen geton, und habend sidhar die ding in gemeine
grafschaft dienet.

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Es ist ouch allweg ein herr von Doggenburg [S. 77a] schirmherr
zuo Sant Johanns gwesen, und so die grafschaft in 's abts von
Santgallen hend komen, ist er des klosters S. Johann schirmherr
sid dem kouff har gewesen, und habend weder die fryen grafschafter
noch Sant Johanner gotzhuslút nie mögen erlyden, das Santjohann
einen andren schirmherren weder den herren der grafschaft hette.
Es lutet ouch der schirmbrief, den ein abt von Santgallen über
Sant Johanns hatt: das er, so lang er herr zuo Doggenburg sye,
ouch schirmherr zuo Sant Johanns sye. Uff das habend inn die landtlüt
vermanet, dass er den schirmbrief nit hinus gebe; hatt aber nit
gholffen etc.
Als aber in der ietzigen zyt den beden äbten die fründschaft

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Schwytz, Glaris und Doggenburg beschwärlich, hatt der abt
von Sant Gallen (als übel ze besorgen: uss anschlag und mitwüssen
des abts von Sant Johann) dem abt von Sant Johann den
schirm abgeseyt ietz vor dry oder fier jaren, ursach: er möge inn nit
schirmen. Do hatt der abt von Sant Johann die von Schwytz und
Glaris hinder den gotzhuslüten zuo schirmherren angenomen (da
ein ieder vernünftiger wol merckt, wemm das bettet), und sind bede
ort in ein dorff komen, den eyd von inen ynzenemen als schirmherren,
und inen zuogseyt, by iren fryheiten, grechtigheiten und harkomen
etc. lassen blyben; habend doch darnach nit können bergen,
sunder usgelassen (hatt Joseph am Berg, bot von Schwytz,
geton), wie sy stock und galgen widrumb ufbuwen etc. Do habend
inen die andren Sant Johannser gotzhuslüt nit wellen schweren, und
ist der span 2 gantze jar ghanget. In vergangnem frueling oder
summer habend Schwytz und Glaris einen ufschlag gemacht:

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5 jar sölle der handel von Sant Johann still ston und die gotzhuslüt
fürfaren wie von alter har mit gricht, recht und radt und andren
dingen ze verwalten.
Jetz ruemend sich die von Schwytz allein der honen obergheyt
und gedenckend weder des verstands, erst gemacht, noch unser
Eydgnossen von Glaris, one die sy nützid hettind, noch das der
schirm nit uffgericht; und ob er glych ufgericht, wäre doch die obergheit
des abts und nit iro; und hatt die der abt ongevar in 100 jaren
nümmen inngehalten etc. Aber es ist alles fürwitz.
[S. 77b] Mag es sin, lasse man mir min gschrifft wider werden.