Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Entwurf zu einer Schrift der Prädikanten von Zürich, Bern, Basel und Straßburg an die V Orte

Zürich, 5. September 1530
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 6.3 (Zürich: Theologischer Verlag, 1983) (Corpus Reformatorum 93.3)


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[Entwurf zu einer Schrift der Prädikanten von Zürich,
Bern, Basel und Straßburg an die V Orte]
[Seite 1] Buceri et Capitonis πραγματεία τῆς εὐχαρειστίας.
[Seite 3] Gnad und frid von gott bevor! Fromm, vest, ersam, wys,
gnädig, günstig, lieb herren!
Als sich leider span halt zwüschend den fünf orten und den stetten,

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so einander in der loblichen Eydgnoschafft mit eym christlichen
burgrechten verwandt, ist zwar über ünser ansehen, das wir üwer
ersamgheyt mit gschriften ansuochend. So wir aber üns selbs wol bewüßt,
das ünser anbringen uß guotem hertzen und liebe, die wir zuo eynr
Eydgnoschaft habend, kumpt, sind wir ungezwyflet, u[wer] wysh[ei]t
werde trüwliches und demuetiges ansinnen nit verungnaden.
Es ist üch, gnädig lieb herren, wol erkannt, wie mit einhälligheyt
kleine ding grooß werdend und mit zwytracht widrumb zergond.
Welches spruchs der erst teil an üwer ersamgheyt offenlich erfunden
wirt; dann ir mit einigheyt uß einem nit großen anfang in einen
großen ufgang durch hilff gottes komen, der welle verhueten, das der

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ander teil, das ir zergangind uß uneinigheyt, nit an üch erfüllt werde.
Nun ist aber die wurtz des zergons, der zwytracht, schon under üch,
deßhalb üch ernstlich ufzesehen ist, das die nit wyter wachse, oder
aber es wirt üwer übel ze sorgen sin. Dann ir wüssend, was üch die
gunnend, die üch villicht zuo zwytracht ziehend und reitzend, und
das sy (als ze sorgen) die zumm ersten begertind umbzebringen, denen
sy etwas hoffnung machend. Und deshalb hilff wider den andren
zuosagen nutzid anderst ist, weder so man das buobenhar schirmt;
da rupft gemeinlich der schirmer wirs weder die gyer. So nun zwytracht
die einig ursach ist, die üch in gev%<ar setzen mag, wel ein üble

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[Seite 4] sach ist es denn, das man nit alle arbeyt dahin richt, das
man die schädlichen wurtzen usrüte [Ezech. 17, 9]? Nun ist aber die
ursach des zwytrachts nützid anders weder eigener nutz; der hatt
von anfang der welt har nit allein alle rych, sunder ouch die ruewigen
fröid des paradises umbkert. Und mag aber der eigen nutz nit verlassen
werden, es sye dann die liebe des gemeinen nutzes größer dann
des eignen. Gemeinen nutz hatt nieman lieb, denn der die ard und
eigenschafft gottes hatt. Der hatt alle gschöpften der gantzen welt
so lieb, das er in allen versehen tuot one alles widergelten; dann wer
bezalt imm järlich nun ein körnnle? Wir nemends alles von imm, und
bezalt imm niemans nützid, wie wol es in liebe des gemeinen nutzes
by üns menschen ein andre ard hatt; dann welcher by den menschen
den gemeinen nutz schirmt, der hatt den eignen nutz beschirmt; dann
wer ist by dem synen sicher, wenn nit das gemein regiment mit
wolstand des gemeinen nutzes die besundren gueter schirmt? So aber
der gemein nutz ein eigenschafft gottes ist, so ist ye von nöten, das
man gottes erkanntnus hab, wil man sin ard und willen erlernen.
Nun kan man sinen willen nienert weder in sinem wort erlernen.

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Hierumb, ir gnädige lieb herren von den fünf orten, wellind umb
gottes willen ünser getrüw, demuetig pitt nit usschlahen, sunder gedencken,
das getrüw vermanen der propheten nie one straff verachtet
ist worden, und wellind das clar, häll wort gottes warhaftig by üch
nach allem vermögen nüws und alts testaments fry predigen lassen;
dann ir by gottes zornn, den wir einig ze fürkomen noch ein mal verwarnend,
das ze hören verschaf-[Seite 5] fen schuldig, über das ir uß
dryen fürnemen ursachen darzuo billich söllend gereytzt werden.
Die erste ist, das sich üwre frommen vordren über gottes wort nie
gsetzt noch meister gemacht, also das sy das in den zwang gesetzt
habind: Das predig, du pfarrer, und das predig nit, als aber leider
ietz beschicht, da man uß ferfuernus der bäpstleren gebütet vom
fegfhür, von götzendienst, von ablas, und was der glychen ungegrundter
leren ist, damit die armen selen von dem waren brunnen,
das ist: von dem lebendigen gott [vgl. Jer 2, 4ff, bes. 2, 13], von der

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gnad synes eingebornen suns, und von rechtem vereren der muoter
Iesu Christi und aller userwelten abgefuert werdend uff dienst und
hoffnungen, die gott nit gefallend und üns zur zyt des truebsals (wie
der prophet sagt [Ri 10, 13f]) nit helffen mögend. Ja, sölche irrtumb
zwingt der bapst ze predgen. Und ist aber by üwren altvordren har
allweg fry gewesen, gottes wort ze predgen, und hatt sich deß nieman
angenomen in meisterschafft ze halten. Als ouch in den christlichen
stetten und landen uff den hütigen tag offembar ist; dann die pur,

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luter leer hatt allein den weg gewurtzet, das man wider gottes wort
nit hatt wellen tuon, und das nit ynzwingen nach ünser armen menschen
unverstendig guotduncken. Deßhalb u[wer] wysheyt und ersamgheyt
wol anzemuoten, das ir gottes wort fry wie üwre vordren
lassind predgen, damit es üch gang wie üwren vordren. Und sind ouch
on zwyfel, wenn ir darinn üwren vordren nach das fry lassend predgen,
es werde der erst artickel imm landsfriden, darob sich der gröste
span hallt, das twedrer teil dem andren synen glouben nit sölle
weder vehen noch hassen, nit allein vereimbart und us span genomen,
sunder ouch vil fründschafft und liebe by den stetten ernüwren.

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Die ander ursach ist, das ghein regiment nie gewesen ist, es hatt
erkennt, das die götliche krafft allen wolstand mues[Seite 6] se schirmen
und erhalten; und das man gott (und als glych die heiden redend:
die gött) nit sölle erzürnen mit pflantzen der luge, mit undertrucken
des rechten und mit muotwillen, sunder inn, mit und uß der warheyt
mit unschuld und zucht vereren, oder aber er kere die selben stend
mit sinem zornn umb. So nun warheyt, grechtigheyt und zucht nienen
ernstlicher weder in gottes wort gelert wirt, und aber ghein
regiment one gottes vorcht bston mag, ist aber ze vordrist not,
das das helig gotzwort, das ein liecht [Ps 119, 105] ist, das allen unverstand
hinnimpt, das ein trost ist aller zwyfelhaftigen und schwachen
[Jer 15, 16] und ein gartner und pflantzer [Jer 1, 10] aller tugend,
flyßig by üch gepredget werde.
Die dritte ursach ist, das ouch zytliche eer und gueter eym volck von
gott geschirmt werdend, so es sich gottes, wie vor gemeldt ist, haltet;
dann er spricht also durch den propheten Ieremian [Jer 22, 3f]
zue dem küng und synem hof, das ist zuo allen fürgesetzten und richteren:

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<<Haltend grechtigheyt und billicheyt, entschüttend den beroubten
von dem gwalt des fräfnen; den frömbdling, das weisle
und die witwen bekummrend und erermend nit, und vergießend nit
unschuldig bluot im land. Und so ir das styff haltend, so werdend durch
dise porten deß hofs küng wandlen, die in dem stuol Davids sitzen,
und uff wegnen und pferden gefuert werdend, sy und ire diener und ir
volck etc.>> In welchen worten, und ouch sust an vil andren orten der
gschrifft, herrlicheyt und frid, sampt wolhab und gnuege verheißen
wirt denen, die sich gottes willens und worts flyßend. Und glych darnach
tröwt harwidrumb gott, wo man imm nit ghorsamen, werde er
die selben usrüten, als da man einen wald ushout etc. [vgl. Jer 22,
5-7].
Uff das wellend ouch ze hertzen vassen, vererende herren und lieb
fründ, das üch gott die eer und fryheyt, die er üwren vätteren gernn
[Seite 7] gunnet, noch hütbitag gunnen wil; allein wir sehin zuo
beden siten uff sin wort; dann wir warlich in den stetten gar nit
anderst findend, ob glych etwas zwytrachts wider üch möcht gsehen
werden, denn das es nit ein fyendschafft, sunder ein frundsbl%<ast

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ist, der von stund an und ir gottes wort fry lassend predgen, annemend
und üwer sitten (die ir leider nit verlöignen könnend etwas
von ünserem harkomen abvellig worden sin) darnach verbeßrind,
hingenomen wirt. Darnach denn ze hoffen, das üch gott, wie ir vast
in der christenheit mittel ligend, werde zuo eim bispil, fryheyt und
zuoflucht machen aller dero, die der warheyt begirig sind.
Nun muotend wir üch gottes und üwers heils halb große ding zuo, aber
deß halb, das ir verlassen söllind ein gantz klein ding; dann was ist
kleiner und schwecher weder ein menschlicher ratschlag oder fürnemen?
Dann wir sehend, das der höchsten küngen ratschleg, so gott
nit wil, in einem ougenblick ze nüte und umbkert werdend. Ja, wir
muotend üch zuo, das ir üwer gmuet niderlassind und gott ergebind und
alle ungnad gegen den stetten hinlegind als gegen denen, die mit der
ler gottes worts gar vil bas weder ir gefasset sind. Nun louffend

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doch zwen tropfen quecksilbers von stund an und das, so darzwüschend
glegen ist, dennen geton wirt, zemen und wirt widrumb eins,
das vor zwey, ja etwan tusende gewesen ist. Also wellind allein das
dennen tuon, das üch zwüschend den stetten teilt, das ist: den mangel
gottes worts; so habend wir so vil zuoversicht zuo dem allmechtigen
gott, er werde gnad geben, das ir widrumb eins in aller [Seite 8]
liebe und fründschafft werdind wie üwer aller fromme vordren. Es
werde ouch üch an allen oren ufgon: an zytlichem nit presten,
und werdind allen frommen ein trost, allen unfrommen ein schrecken
und imm ufgang des euangelii nit die letsten zuo kunftiger zyt usgeschriben,
und nach disem jamertal zuo allen gottes fründen in ewige
fröid gsetzt. Amen.
Vernemend dis ünser schryben us gheiner arglistigheyt, sunder liebe
und eer gottes und gemeiner Eydgnoschafft geflossen sin. Und
das die warnungen gottes, die glych ze mal ruch und sträfflich
durch die propheten gschehend, nit söllend varläßig in den wind geschlagen
werden, wie vil me, so wir von gott dahin gewisen, das wir
üch mit sölcher einträchtigheyt und senftmuot ansinnend, sol gheins
wegs veracht werden.

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Es wäre ouch unser beger und bitt, wo es ü[wer] ersamgheyt nit ze
wider, dise gschrifft wurde früntlichster meinung vor üwren räten und
gemeinden offenlich verlesen; dann wir ye ünser ler, dero wir in der
warheyt und gschrifft us gottes gnaden vergwüsset sind, rechnung
ze erhalten, und üch darinn mit trüw ze dienen und alles das ze tuon,
das zuo frid und suon dienstlich sin mag, urbüttig sind.
Hiemit sind dem allmechtigen herren gott bevolhen, der welle üns alle
sines willens underrichten und nach synem gefallen förmen und gstalten.
Geben ze Zürich, fünften tags Septembris, do wir versamlet warend.
1530.
Ü[wer] ersamen wysheyt undertänige prędicanten ze
Zürich Straßburg
Bernn
und Basel.