Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Aktenstücke zur ersten Zürcher Disputation: I. Die 67 Artikel Zwinglis

Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 1 (Berlin: Schwetschke, 1905) (Corpus Reformatorum 88)


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17. I.
[Die 67 Artikel Zwinglis.]
Dis nachbestimpten artikel und meinungen bekenn ich,
Huldrich Zuingly, mich in der loblichen statt Zürich
gprediget haben, uß grund der geschrifft, die theopneustos
- das ist: vonn gott ingesprochen - heißt, und embüt
mich mitt dero genante artickel ze beschirmen und erobren.
Und wo ich ietz beruerte gschrifft nit recht verstuonde,
mich bessers verstands, doch uß egedachter
gschrifft, berichten lassen.
1. Alle, so redend, das euangelium sye nüt on die bewernus der
kilchen, irrend und schmähend gott.
2. Summa des euangelions ist, das unser herr Christus Jhesus,
warer gottes sun, uns den willen sines himmlischen vatters kundt gethon
unnd mit siner unschuld vom tod erlöst und gott versuent hat.
3. Dannenher der einig weg zur säligkeit Christus ist aller, die
ie warend, sind und werdend.
4. Welcher ein andre thür suocht oder zeygt, der irt, ja ist ein
mörder der seelen und ein dieb.
5. Darumb alle, so ander leeren dem euangelio glych oder höher
messend, irrend, wissend nitt, was euangelion ist.
6. Dann Christus Jesus ist der wägfuerer und houptman allem
mentschlichen geschlecht vonn gott verheyssen, unnd ouch geleistet.

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7. Das er ein ewig heyl und houpt sye aller glöubigen, die sin
lychnam sind, der aber tod ist und nütz vermag on in.
8. Uß dem volgt: Zuo eim, das alle, so in dem houpt läbend,
glider und kinder gottes sind, und das ist die kilch oder gemeinsame
der heyligen, ein hußfrouw Christi: Ecclesia catholica.
9. Zum andren, das, wie die lyblichen glyder on verwalten des
houpts nüt vermögend, also in dem lyb Christi nieman ützid vermag
on sin houpt Christum.
10. Wie der mensch toub ist, so die glider etwas on das houpt
würckend, rissend, wundent, schedigend sich selbs, also, wenn die
glider Christi etwas on ir houpt Christum understond, sind sy
toub, schlahend und beschwärend sich selbs mit unwysen gesatzten.
11. Dannenhar wir sehend der geistlichen genennet satzungen
von irem pracht, rychtagen, stenden, titlen, gesatzten ein ursach aller
unsinnigheit sin; dann sy dem houpt nit mithellend.
12. Also tobend sy noch, nit vonn des houpts wegen - denn
das flyßt man sich uß gnaden gottes zuo disen zyten harfür ze bringen -,
sunder das man sy nummen wil lassen toben, aber dem houpt einig
loßen.
13. Wo dem geloset wirt, erlernet man luter und clarlich den
willen gottes, und wirt der mensch durch sinen geist zuo im gezogen
und in inn verwandlet.
14. Darumb alle Christenmenschen iren höchsten flyß ankeren
söllend, das euangelion Christi einig geprediget werde allenthalb.
15. Dann in deß glouben stat unser heyl, und unglouben unser
verdamnus; dann alle warheit ist clar in im.
16. Im euangelio lernet man, das menschen lere und satzungen
zuo der säligkeit nüt nützend.

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[Vom bapst.]
17. Das Christus ein einiger ewiger obrester priester ist; daruß
ermessen würt, daß, die sich obrest priester ußgeben hand, der eer
und gewalt Christi widerstreben, ja verschupfen.
[Von der meß.]
18. Daß Christus sich selbs einest uffgeopfert, in die ewigheit
ein wärend und bezalend opfer ist für aller gloubigen sünd; darus
ermessen würt, die meß nit ein opfer, sunder des opfers ein widergedechtnuß
sin und sichrung der erlösung, die Christus unß bewisen
hatt.
[Von fürbitt der heyligen.]
19. Das Christus ein einiger mitler ist zwüschend gott unnd uns.
20. Das uns gott alle ding wil in sinem namen geben; darus
entspringt, das wir usserthalb diser zyt keines mitlers dörffend denn sin.
21. Das, so wir für einander uff erden bittend, das in der gestalt
thueend, das wir allein durch Christum uns alle ding gegeben werden
vertrüwent.
[Von den guoten wercken.]
22. Daß Christus unser gerechtikeit ist; darus wir ermessen,
daß unser werck so vil guot, so vil sy Christi, so vil sy aber unser,
nit recht, nit guot sind.
[Vom guot der geistlichen.]
23. Das Christus die hab und pracht diser welt verwürfft;
daruß ermessen, das, die rychtag zuo in ziehend in sinem namen,

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inn größlich schmähend, so sy inn ein deckmantel irs gyts und muotwillens
machend.
[Vom spysverbott.]
24. Das ein yeder Christ zuo den wercken, die gott nit gebotten
hatt, unverbunden ist, gedar alle zyt alle spyß essen; darus erlernet
wirt käß- und anckenbrieff ein römische geschwindikeit sin.
[Von fyertag und walfärt.]
25. Das zyt und statt den Christenmenschen underworffen
sind und der mensch nitt inen; daruß gelernet, das die, so zyt und
statt anbindend, die Christen irer fryheit beroubend.
[Von kutten, kleidung, zeichen.]
26. Daß got nüt mißvelliger ist weder glychsnen; dannenhar erlernet,
das alles, so sich schönt vor den menschen, ein schwäre glichßnery
und verruochte ist. Hie vallend kutten, zeichen, platten etc.
[Von orden und secten.]
27. Das alle Christenmenschen brueder Christi unnd sy
under einander sind, keinen vatter uffblasen söllend uff erden. Da
vallend hin örden, secten, rotten.
[Von der geistlichen ee.]
28. Das alles, so got erloubt oder nit verbotten hat, recht ist;
dannenhar die ee allen menschen zimmen erlernet würt.
29. Das alle, die man geistlich nennet, sündend, wenn sy, nachdem
sy innen worden sind, das inen got reinikeit halten abgeschlagen
hatt, sich nit mit der ee verhuetend.

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[Vom glübd der reynigkeit.]
30. Das die, so reynigkeit verheissend, sich kintlich oder närrisch
ze vil übernemmen; darus erlernet, das, die söliche glübd innemend,
frävenlich an den frummen menschen farend.
Von dem bann.
31. Das den bann kein besunder mensch yeman ufflegen mag,
sunder die kilch, das ist gemeinsame dero, under denen der bann
wirdig wonet, mit sampt dem wächter, das ist pfarrer.
32. Daß man allein den bannen mag, der offenlich verergert.
[Von unrechtfertigem guot.]
33. Das unfertig guot nit templen, clöstern, münchen, pfaffen,
nonnen, sunder den dürfftigen geben sol werden, so es dem rechten
besitzer nit widerkert werden mag.
Von oberkeit.
34. Der geistlich genempt gewalt hat sines prachts keinen grund
uß der leer Christi,
35. aber der weltlich hat krafft und bevestigung uß der leer unnd
that Christi.
36. Alles, so der geistlich genempt stat im zuogehören rechtes
und rechtes schirm halb fürgibt, gehört den weltlichen zuo, ob sy
Christen sin wöllend.
37. Inen sind ouch schuldig alle Christen ghorsam ze sin,
niemand ußgenummen,
38. so ferr sy nüt gebietend, das wider got ist.

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39. Darumb söllend all ire gesatzt dem götlichen willen glychförmig
sin, also, das sy den beschwärten beschirmend, ob er schon nüt klagte.
40. Sy mögend allein mit recht tödten, ouch allein die, so
offenlich verergrend, got unerzürnt, der heisse denn ein anders.
41. Wenn sy recht ratt und hilff zuodienend denen, für die sy
rechnung geben werdent vor gott, so sind ouch dise inen schuldig liblich
hantreichung ze thuon.
42. So sy aber untrüwlich und usser der schnuor Christi faren
wurdend, mögend sy mit got entsetzt werden.
43. Summa: Deß rych ist aller best unnd vestest, der allein mitt
gott herschet, und deß aller bösest unnd unstätest, der uß sinem gmuet.
Von gebett.
44. Ware anbetter rueffend got im geist und warlich an, on als
geschrey vor den menschen.
45. Glißner thuond ire werck, das sy von den menschen gesehen
werdend; nemend ouch den lon in disem zytt in.
46. So muoß ye volgen, das tempelgesang oder gschrey on andacht
und nun umb lon eintweders rhuom suocht vor den menschen
oder gwün.
Von ergernus.
47. Lyblichen todt sol der mensch ee lyden, denn er einen
Christenmenschen verergre oder geschende.
48. Der uß blödikeit oder unwissen sich wil on ursach verergren,
den sol man nit kranck oder klein lassen blyben, sunder in starck
machen, das er nit für sünd hab, das nit sünd ist.
49. Grösser verergernus weiß ich nit, denn das man den pfaffen
ewyber haben nit nachlaßt, aber huoren haben umb geltz willen vergündt.
Von nachlassen der sünd.
50. Gott laßt allein die sünd nach durch Christum Jesum,
sinen sun, unseren herren allein.

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51. Welicher sölchs der creatur zuogibt, zücht got sin eer ab unnd
gibt sy dem, der nitt gott. Ist ein ware abgöttery.
52. Darumb die bicht, so dem priester oder nächsten bschicht,
nit für ein nachlassen der sünd, sunder für ein radtforschung fürggeben
werden sol.
53. Uffgelegte buoßwerck kummend von menschlichem radtschlag
- ußgenummen den bann -, nemend die sünd nitt hin, werdent uffgelegt
andren zuo eim schrecken.
54. Christus hatt all unser schmertzen unnd arbeit getragen.
Welcher nun den buoßwercken zuogibt, das allein Christi ist, der irt
und schmächt gott.
55. Welcher einerley sünd den rüwenden menschen nachzelassen
verhieltt, were nit an gottes, noch Petri, sunder an des tüfels statt.
56. Welcher etlich sünd allein umb gelts willen nachlaßt, ist
Simons und Balaams gesell und des tüfels gentlicher bott.
Vom fegfür.
57. Die war, heylig geschrifft weyßt kein fegfür nach disen zytten.
58. Das urteyl der abgescheidnen ist allein got bekant.
59. Und ye minder unns gott darvon hatt lassen wissen, ye
minder wir uns darvon ze wissen undernemen söllend.
60. Ob der mentsch für die gestorbnen sorgfeltig gott umb gnad
inen zuo bewisen anrüfft, verwürff ich nit; doch davon zyt stellen und
umb gewüns willen lügen, ist nit menschlich sunder tüfelisch.
Von der priesterschafft.
61. Von dem character, deß die priester in den letsten zyten
sind innen worden, weyßt die götlich gschryfft nüt.

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62. Sy erkennet ouch kein priester, denn die das gotswort verkündend.
63. Denen heist sy eer embieten, das ist: lyblich narung zuodienen.
Von abstellung der mißbrüchen.
64. Alle, so ir irrung erkennend, soll man nüt lassen entgelten,
sunder sy im fryd sterben lassen, und demnach die wydem christenlich
verordnen.
65. Die sich nit erkennen wöllend, wirt got wol mit inen handlen.
Darumb man mitt iren lyben keinen gewalt fürnemen soll, es wäre
dann, das sy so ungestaldtlich fürend, das man deß nit embären möcht.
66. Es söllen alle geistlich fürgesetzten sich ylentz nyderlassen
unnd einig das crütz Christi, nit die kisten, uffrichten, oder sy gond
umb. Die ax stat am boum.
67. Ob yemand begerte, gespräch mitt mir ze haben von zinsen,
zehenden, von ungetoufften kindlinen, vonn der firmung, embüt ich mich
willig zuo antwurten.
Hie undernem sich keiner zuo stryten mit sophistry oder menschentandt,
sunder kömme die geschrifft für ein richter ze haben, damit
man die warheit oder find, oder, so sy funden ist - als ich hoff -
behalt. Amen.
Des walt gott.