Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Handlung der Versammlung in der Stadt Zürich auf den 29. Januar 1523 (Erste Zürcher Disputation)

3. März 1523
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 1 (Berlin: Schwetschke, 1905) (Corpus Reformatorum 88)


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^@aHandlung der versamlung in der löblichen statt Zürich uff
den 29. tag jenners vonn wegen des heyligen euangelii zwischen
der ersamen treffenlichen bottschafft von Costentz, Huldrichen
Zwingli, predigers des euangelii Christi und gemeiner priesterschafft
des gantzen gebiets der egenanten statt Zürich vor
geseßnem radt beschehen im 1523. jar.
Dem wirdigen geistlichen herren und vatter, herr Johann Jacob
Rüsinger, apt zuo Pfäfers, sinem gnädigen herren enbüt meister
Erhart Hegenwald sin willig dienst und fryd in Christo.
Wirdiger, geystlicher herr und vatter. Ich vernim, wie üwer wird
und gnad uß christlichem gemuet die euangelisch leer und warheit
gottes zuo hören, ze lesen und zuo fürdern geneygt syg, welchs ich
under anderm uß dem tuon ermessen, das sich üwer gnad uff den tag,
so durch burgermeister unnd radt der statt Zürich von wegen zwitrachts
und zweyung der leeren oder predigen halben in ir statt sich
erhept, angesetzt, ze kommen understanden hat, doch uß gschäfften
unnd sunder zuofelligen ursachen üwer wirdt gewendt und verhindert.
Und wiewol zuo sölichen löblichem tag mit sampt allen pfarrern, lütpriestern,
seelsorgern, so in der von Zürich vorgemelt lantschafft und
gebieten verpfruendt, erfordert und beschriben, ouch vil ander frembder,
edel und unedel, prelaten, doctores, magistri, weltlich und geistlich
herren, deßglychen die lobwirdig bottschafft vonn Costentz darzuo
gesant vor geseßnem radt zuo Zürich erschynen, haben dannocht -
hör ich sagen - etlich mißgünner euangelischer warheit ein spott
daruß gmacht, fürgeben und gesprochen, es werd zuo Zürich nur ein
keßlertag und kummen nüts dann keßler zuosamen. Sölichs mich

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geursacht und bewegt, allen handel, red und widerred, in sölicher
löblicher versamlung der gelerten, redlichen, frummen mannen, geistlich
und weltlich herren, beschähen, zuo beschryben, uff das mengklich
sech und wyß, ob sölich handlung unnd reden von keßlern oder
pfannenpletzern ußgericht, gehandelt unnd tractiert syg, ouch ob die
widerparthy - so sich die sachen bhouptet haben ußerthalb beruempt
- die warheit fürgibt oder lugen. Dann ich selbst daby
unnd mit gesessen, gehört unnd verfaßt alles, so da geredt, eygentlich
behalten, nach dem in miner herberg das uffgeschriben, die anderen
ouch, so gegenwürtig der sachen gewesen, erkundt unnd gefraget,
wo ich vermeint mich nitt recht haben verstanden. Darff ouch das
mit warer kuntschafft und zügnus aller deren, so darby und mit gewesen,
mit sechshunderten oder meer erhalten, das ich nit vil ander
weniger noch minder worten, so vil die substantz ist betreffen, denn
wie die verloffen unnd beschehen sind, thuon beschryben. Schick unnd
schryb das zuo üwern gnaden. Bitt üwer gnad wol, sölichs guotwillig
unnd gnedig zuo dienst annemmen. Erman ouch als ein mitbruoder in
Christo üwer gnad wol fürhin, wie sy angefangen hatt, vestenklich
by der euangelischen warheit blyben, flyssig im euangelio unnd Paulo,
ouch andern göttlichen geschrifften - wie man dann das vonn üwern
gnaden ruempt - ueben unnd lesen, demselbigen ouch nach allem
üwerm vermögen glychförmig unnd christlich leben und den andern,
so üwer gnad in früntschafft oder sunst in christlicher geselschafft
verwandt, als dem wirdigen und geystlichen herren etc. apt zuo
Diesetiß, sölichs handlung zuo Zürich, uff dem tag beschähen,

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ouch zuo schicken zuo lesen, uff das die warheit erkant, das euangelium
gefürdert, die christlich lieb gemeert, die mentschen mit dem wort
gottes gespyßt, unser will unnd geyst mit Christo durch sin wort
vereiniget, in fryd, freud unnd einhelligkeit hie zytlich unnd dört in
ewikeit blybe. Amen.
Geben in der löblichen statt Zürich uff den driten tag des monats
marcii im jar 1523.
Uff das mengklich des handels baß bericht mag werden, hab
ich deren vonn Zürich mandat, so in aller iro lantschafft und gebieten
vorhin ußgangen, zuo eim argument, obgemelter versamlung ursachen
anzeygent, voran gestelt und verschryben:
Wir, der burgermeister, radt unnd der groß radt, so mann nempt
die zweyhundert, der statt Zürich, verkündent allen und yeden,
lütpriestern, pfarrern, seelsorgern unnd predicanten, so in unsern
stetten, graffschafften, herschafften, hohen oder nidern gerichten unnd
gebieten verpfruondt und wonhafft sind, unsern gruoß, günstigen und
geneygten willen und tuond üch zuo wissen:
Alsdann yetz ein guote zytt har vil zwitracht unnd zweyung sich
erhebt zwüschent denen, so an der kantzel das gotswortt dem gemeynen
mentschen verkündent, etlich vermeinend das euangelium
trüwlich und gantz geprediget haben, andere scheltens, als ob sy nit
geschickt unnd förmlich handlend; dargegen ouch die andern widerumb
die als irsäyer, verfuerer und etwann ketzer nennent, die aber
allweg mit götlicher geschryfft einem ieden des begerenden rechnung
und bescheyd zuo geben sich erbietend, harumb im aller besten und
voruß umb gottes eer, fryden und christenlicher einigkeit willen: so
ist unser bevelch, will und meinung, das ir pfarrer, seelsorger, predicanten
gemeinlich unnd yeder insunder, oder ob sunst sunderig

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priester hierzuo ze reden willens werent, in unser statt Zürich oder
usserthalb in unsern gebieten - wie obstat - verpfruendt, so dann
vermeintent den andern teyl zuo schelten oder anders zuo underrichten,
uff den nächsten tag nach keyser Karlus tag, das ist der nün und
zwentzig tag des monats jenner, zuo frueger radtszyt in unser statt
Zürich und daselbs in unserm radthuß vor uns erschynent und das,
so ir widerfechtend, mit warhaffter göttlicher geschrifft in tütscher
zungen und sprach anzeigen. Da wir mit allem flyß mit etlichen gelerten
- ob es uns guot bedunckt - uffmercken und, nachdem mit
götlicher geschrifft und warheit sich erfindt, werden wir ein yeden
heimschicken mit bevelch für ze faren oder ab ze ston, dardurch nit für
und für ein yeder alles, das in guot bedunckt, on grund der rechten
götlichen gschrifft an der cantzel predige. Wir werdent ouch unserm
gnädigen herren von Costentz sölichs anzeygen, damit ir gnad oder
dero anwalt, ob sy wellent, ouch darby sin mögend. Ob aber yemas
dannathin widerwertig sin und nit rechte götliche geschryfft erscheinte,
mit dem wurden wir nach unser erkantnus wyter handlen
das, des wir lieber entladen sin wöllent. Wir sind ouch guoter hoffnung
zuo gott, dem allmechtigen, er werde die, so das liecht der warheit
also ernstlich suochen, mit demselben gnädigklich erlüchten, und
das wir dannathin in dem liecht als sün des liechts wandlen.
Datum und zuo urkund mit unser statt secret hierin getrucktem
insygel bewaret samstag nach der bschnydung Christi und nach siner
geburt im dry und zwentzgisten jar der mindern zall.

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Als nun alle lütpriester, predicanten und seelsorger in der von
Zürich gebiet als gehorsame uff zyt und tag vorgemelt erschynen,
sind also in der grossen radtstuben zuo Zürich mer dann sechshundert
mit sampt inheymischen und frömbden versamlet mit der loblichen
bottschafft von Costentz, uff der von Zürich anbringen darzuo gesant,
und als zuo frueger radtszyt yedermann gesessen was, fieng
der burgermeister von Zürich
an zuo reden, wie harnach volget:
Hochgelerten, wirdigen, edlen, vesten, ersamen, wysen, geistlichen
herren und fründ. Nachdem sich ein zyt har in miner herren statt von
Zürich und irer lantschafften offt zwytracht und widerspen erhaben
vonn wegen etlicher predigen unnd leren, durch meister Ulrich
Zwinglin, unserem predicanten, hie zuo Zürich uff der cantzel dem

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volck fürgehalten, deßhalben er von etlichen ein verfuerer, von den
andern ein ketzer gscholten und hinderredt, daruß erwachßen, das
nit allein in unser statt Zürich, sunder ouch allenthalb uff dem landt
in miner herren gebieten söliche uneinigkeiten under den priesteren,
ouch under den leyen sich merent und täglich clag deßhalben für
mine herren kummen, hat ouch sölichs nachredens und schmützens
kein end sin wellen, derhalben meister Ulrich Zwinglin sich uff
offner cantzel offt erbotten, vor yedermann siner predigen unnd leren,
hie zuo Zürich beschehen, ursach und grund zuo geben, wo im ein
offenlich disputatz vor mengklich, geistlich und weltlich, zuo halten
vergönt wurd: uff sölichs meister Ulrichs begeben hatt ein ersamer
radt zuo Zürich verwilget, groß unruow und zwytracht abzestellen, im
vergunt, ein offenlich disputation in tütscher sprach vor dem grossen
radt zuo Zürich, so man nempt die zweyhundert, ze halten, zuo welicher
ein ersamer, wyser radt alle irer landtschafften lütpriester unnd seelsorger
hat thuon berueffen, ouch den hochwirdigen herren unnd fürsten etc.
bischoff von Costentz darumb begrueßt, welicher siner gnaden loblich
bottschafft hiezuo gegenwürtig gesant, des sinen gnaden ein ersamer
radt von Zürich grossen insunders danck saget. Darumb ob yemants
hie were, der etwas mißfallens oder zwyfels an meister Ulrichs
predigen oder leren, hie zuo Zürich uff der cantzel gethon, hette, wölte
ouch oder wüßte etwas zuon sachen ze reden, also, das sölich predigen
und leere nit als warhafftig, sonder verfuerisch oder ketzerisch werend
und sin solten, der mag hie vor minen herren den offtgemelten meister
Ulrichen der unwarheyt bewysen und in hie gegenwürtig sins irsals
durch götliche geschrifft entrichten, fry, sicher unnd on alle entgeltniß,
damit mine herren fürhin täglicher clagen, so von sölicher
zwytracht und uneinikeiten entspringen, überhebt syen. Dann mine
herren sind sölichs clagen, so sich für und für von beyden, geistlich
und weltlich, stetigs meret, mued worden.

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Uff söliche red unnd anbringen antwurt herr
Frytz von Anwil,
ritter, hoffmeister bischoffs von Costentz. Unnd was sin red der
meynung:
Hochgelerten, wirdigen, edlen, fürsichtigen, wysen etc. Der hochwirdig
herr und fürst, her Hug, von gots gnaden bischoff von
Costentz, min gnediger her, weißt wol und ist zuo guotem teyl siner
fürstlichen gnad wol kund, das yetz allenthalben in siner fürstlichen
gnaden bistumb vilerley und mengerley widerspen, zwytracht der leren
oder predigen halben schier an allen orten erstond. Und wiewol sin
fürstliche gnaden ye und ye des gemuets, des willens gewesen ist, ouch
fürhin, ob gott wil, sin wirt, in allem dem, das zuo fryd, zue einikeit
fürderen mag, sich in allweg gnedig, guetig und willig lassen finden,
hat doch sin fürstliche gnaden uff sunders begeren und anbringen
eins ersamen, wysen radts von Zürich, da nun etlicher maß widerspan
oder uneinikeit der predigen und leeren halben ouch ist erwachsen,
ir anwalten, bottschafft hie zuogegenwürtig: die wirdigen
herren, herr doctor Vergerhans, tuomher, siner gnaden vicarium,
herr doctor Martin von Dübingen, mitt sampt mir, siner fürstlichen
gnaden diener, hiehar verordnet, ze losen und ze hören sölichs zwytrachts
ursachen, hat ouch darby sin fürstlich gnad uns nüt anders
denn guetig in sölichen sachen ze handlen empfolhen, das best, so wir
ymmer mögen darzuo reden, was zuo eeren, zuo fryden und einigkeit
einem ersamen radt von Zürich, desglichen einer wirdigen priesterschafft
möcht erschiessen. Darumb, hochgelerten, wirdigen, ersamen,
wysen herren und guote fründ, red ich: Ob yemants hie zuogegen were,
der etwas inred oder beschuldigung der leeren unnd predigen halben,
so hie geschehen, wolt fürbringen, wellen wir uß befelch mins gnädigen
herren von Costentz, als siner fürstlichen gnaden gesante, willig und

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gern zuohören, ouch umb fryds und einigkeit willen, so ferr unser vermögen
ist, zwytracht, so etwas erstanden were oder entston sölte,
helffen richten, uff das fryd unnd früntschafft zwischen einer wirdigen
priesterschafft blybe, biß sich min gnädiger herr und fürst mit sampt
siner gnaden gelerten und prelaten diser sachen halben wyters tet
underreden und bedencken.
Das was summa siner gantzen reden.
Daruff redt meister
Ulrich Zwingli.
Und was sin red also anfengklich:^@{
Ir frummen brueder in Christo. Der allmechtig got hat ye und
ye von anfang der welt siner götlichen gnaden willen unnd gunst dem
menschlichen gschlecht erzeyget, guetig als ein allmechtiger, getrüwer
vatter, wie wir dann lesen und erkennen uß allen götlichen geschrifften,
also, das der ewig, barmhertzig gott sin götlichs wort, sinen willen,
dem menschen zuo trost allweg hat mitgeteilt. Und wiewol er zuo
etlicher zyt dasselbig wort, das liecht der warheit von wegen der
sündigen und gotlosen, der warheit widerstrebenden hat verhalten,
und die menschen, so sy irem eygnen willen und böser natur anleitung
nachvolgten, lassen in irtumb fallen, als wir des ware kuntschafft
finden in allen biblischen historien, so hat er doch allweg harwiderumb
die sinen mit dem liecht sines ewigen wortes erlüchtet und getröst,
daß, so sy ouch in sünd und irsal sind gefallen, widerumb
durch sin götliche gnad ufferhaben unnd dieselbigen nie gar verlassen
und von siner götlichen erkantnuß lassen kommen. Das red ich
darumb, lieben brueder: Üch ist zuo wissen, das yetz zuo unsern zyten,

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glich wie ouch vorhar menche jar, das heyter, luter und clar liecht,
das wort gots, mit menschlichen uffsetzen und leren so gar verblendt,
vermischt und verblichen ist, das ouch der meerteil, so sich yetz
Christen mit dem mund bekennen, nüts wenigers wissend den götlichen
willen, sunder durch ir eigen erdachte gotsdienst, heylikeit,
ußwendige geistliche anschouwung, von menschen harkummen und
uffgesetzt, irgangen, des ouch von denen, die man geleert und als
fuerer der andren achtet, überredt, das die andern, einfeltigen, vermeinen,
sölchen usserlichen erdachten geistlichen schin und selbst
uffgelegten gotsdienst zuo der sälikeit dienend als notwendig, so doch
warlich all unser sälikeit, trost und heyl nit in unserm verdienen,
ouch nit in sölichen usserlichen schynenden wercken statt, ja nur
allein in Christo Jesu, unserm säligmacher, dem der hymmlisch
vatter selbst zügnus geben hat, das wir in als sinen geliebten sun
sollen hören [Marc. 9. 7]. Welichs willen und rechten dienst wir
allein eigentlich uß sinem warhafftigen wort der heiligen euangelia
und siner zwölffbotten wissiklichen geschrifften erkennen mögen und
lernen, sunst uß keinen menschlichen gesatzten oder statuten. Sölichs
so nun durch die gnad und insprechung gottes heiligen geistes ettlich
frumme hertzen understond ze predigen und dem volk fürhalten,
thuot man dieselbigen nit als Christen, sunder als durchechter
christlicher kilchen, ja als ketzer beschuldigen unnd schelten, deren
ich ouch einer vonn vilen, geistlichen und weltlichen, allenthalben in
der Eydgnoschafft geachtet wird. Und wiewol ich weiß mich nüts
in diser statt Zürich geprediget haben nun schirr funff jar, denn
das warhafftig, luter und heyter gotteswort, das heylig euangelion, die
frölich bottschafft Christi, die götlich gschrifft, nit durch menschen,
sunder durch den heligen geist gerett und ußgesprochen: iedoch hat

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mich das alles nit mögen helffen, sunder bin von menchem ein ketzer,
ein lugner, ein verfuerer, ein ungehorsamer christlicher kilchen gescholten,
das minen herren vonn Zürich wol wissendt ist. Sölichs
han ich mich vor inen, als minen herren, erclagt, sy an offner cantzel
gebetten und vil ermant, mir zuo vergönnen, miner predigen und leeren,
so in ir statt gethon, vor allen mentschen, gelerten oder ungelerten,
geistlichen oder weltlichen, ouch vor unserm gnädigen herren, bischoff
von Costentz oder sinen anwalten, rechnung ze geben, des ich mich
ouch zuo thuon erbüt zuo Costentz in der statt, wo mir ein fry, sicher
geleit zuogeseit unnd gehalten wurd, wie dann yetz ouch hie denen
vonn Costentz. Uff sölichs min erbieten haben ir, mine herren,
villicht uß göttlichem willen mir vergönt hie vor einem gesessnen radt
ein disputation in tütsch ze halten, des ich üch als minen herren insunder
grossen danck sag. Hab also aller miner reden und predigen,
zuo Zürich gethon, meinung und inhalt in etlich beschlußreden verfaßt,
dieselbigen durch den druck zuo tütsch lassenn ußgon, uff das
menglich sehe unnd wyß, was min leer unnd predig zuo Zürich gsin
ist unnd fürhin sin würt, wo ich nit eins andren bericht wird. Verhoff
und vertruw, ja weyß ouch, das min predig und leer nüts anders ist
denn das heylig, warhafftig, luter euangelion, das gott durch mich mit
ankuchen oder insprechung sines geistes hat wellen reden. Aber
uß was meynung unnd willens got der almechtig semlichs durch mich
als sinen unwirdigen diener hat wellen beschehen, mag ich nit wissen;
dann er allein erkennt unnd weyßt die heimligkeit siner gerichten.
Darumb erbüt ich mich hie eim yetlichen, der vermeint min predigen
und leer gethon unchristenlich oder ketzerisch ze sin, ursachen, red
und antwurt ze geben, guetig und on allen zorn.
Nun wol har in dem namen gottes. Hie bin ich!
^@aUff sölichs red meister Ulrichs stuond uff
vicarius zuo Costentz,
zuo antwurten wie harnach volget:

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Wolgelerten, wirdigen, edlen, vesten, günstigen, wisen, etc.! Min
guoter mitbruoder unnd herr, meister Ulrich, zücht an unnd beklaget
sich, wie er allweg das heylig euangelium hie zuo Zürich offenlich
geprediget hab, das warlich by mir kein zwyfel ist; denn welicher wolt
nit das heylig euangelium und den helgen Paulum, so in gott zuo
einem predicanten versehen hette, trüwlich und warhafftig thuon verkünden.
Dann ich ouch ein seelsorger oder pfarrer bin, villicht unwirdig,
hab doch den minen, mir zuo underwysen in dem wort gottes
bevolhen, sunder so ich by inen bin, nüt denn das warhafftig
euangelium fürgehalten und gelert, weliches ich ouch mit warer

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kuntschafft möcht bewysen und fürhin, wo mich got nit mitt andren
geschefften mins gnädigen herren von Costentz in dienst verfasset,
dasselb zuo predigen in keinem weg wolt sparen; denn das heylig
euangelium ist ein krafft gottes, als der heylig Paulus schrybet
zuo den Römern am ersten capitel, eim yeglichen, der daran
gloubet [Röm. 1. 16]. Nun aber, so meister Ulrich anzücht und
beclagt sich, wie in etlich beschuldigen, als ob er nitt die warheit
geredt und prediget solt haben, doch sich erbüt unnd erbotten hat,
siner reden und predigen vor yederman, ouch zuo Costentz, antwurt
zuo geben, sag ich darzuo: Lieben herren! Wo meister Ulrich, min
guoter herr und fründ, zuo mir gen Costentz keme, wolt ich im als
minem guoten fründ und herren alle früntschafft und eer, so vil in
minem vermögen ist, bewysen, in ouch, wo das im geliebt, in minem
hußhaben nit allein als ein guoten fründt, sunder ouch als ein bruoder
tractieren; des sol er sich warlich zuo mir versehen. Wyters sag ich,
das ich nit kummen bin euangelische oder apostolische leeren ze
widerfechten, sunder die, so wider die leer des heyligen euangelii
redten oder geredt hetten, ze hören und guetigklich, so etwas uneinigkeiten
entstuend oder entstanden were, helffen entscheyden, wo das
ymmer gesin möcht, uff fryd und einikeit, nit zuo uffruor sölich ding
helffen richten. Dann euangelium unnd der götlich Paulus leeren
allein, was zuo gnad und fryd, nitt was zuo uffruor unnd unfryd dienet.
Aber so man wider alte, löbliche gebrüch und langer zyten harkummen

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gewonheiten wolt fechten oder disputiren, red ich, als ein gesanter
und diener mins gnädigen herren von Costentz, mich in sölichem fal
hie zuo Zürich nüts davon zuo disputieren und underwinden. Denn
mins bedunckens weren semlich sachen under einer gantzen christlichen
versamlung aller nation oder vor eim concilio der bischoffen
unnd andrer gelerten, so man findt uff den hohen schuolen, glych wie
ouch vor zyten by den heyligen apostlen zuo Hierusalem bschach,
ußzerichten, wie wir dann lesen actorum 15. [Act. 15. 1ff.]. Dann ob
man sölich sachen, den gemeinen, alten, harkummenden bruch loblicher
gewonheiten betreffen, hie wurde disputieren und ouch etwas darwider
beschliessen, so wer es villicht den andren Christgleubigen,
so an anderen orten unnd enden wonend, nit gefellig; würden on
zwyfel fürwenden, sy hetten nit in unser meynung verwilliget. Dann
was wurden die in Hyspania, die in Italia, item die in Francia,
item die in Septembrione darzuo sagen? Man mueßt warlich, sag
ich, wie vormals, söliche sachen vor einem gemeinen concilio, solt das
anders krafft haben, bestetigen und erhaltenn. Darumb, lieben herren,
red ich yetzund für min person. Als ein christlichs glyd und bruoder
in Christo bitt unnd erman sölich sachen wol zuo betrachten, damit
nit harnach wyters unnd grösser unfryd und schaden möcht erwachsen.
Deßhalben wer min trüwlicher radt, uneinigkeit oder zwytracht, so
under üch erstanden, weliche bäpstlich oder sunst geistlich constitutiones
mench hundert jor langwirig betreffend, anston lassen unnd
sunst on disputieren verrichten und uffziehen, ob man in mitler zyt
fürderlicher und glimpfflicher davon möcht handlen. Denn min
gnediger herr von Constentz ist des bericht, das zuo Nuermberg von

--492--

den stenden des rychs ist beschlossen, das ein gemein concilium in
tütscher nation in jarsfryst syg angeschlagen, in welichem, laß ich
mir sagen, der halb teil weltlich, der ander teyl geistlich richter verordnet
werden, die von den sachen, damit yetz schier die gantz welt
verirret ist, urteilen sollen und walten. Wo dann sölichs beschech,
möcht man vor denselbigen, als die autoritet oder gewalt hetten,
söliche anligende sachen fürwenden. Demnach ist mins gnädigen
herren flyssig begeren, wo das ymmer gesin mag, sölich zwytracht,
geistlikeit betreffend, früntlich üch unnd allen Christen zuo guotem
lassen richten on disputieren. Dann ob man glych wider sölich langharkomend
constitutiones, satzung und gewonheiten durch geschrifft
wurd reden unnd widerreden, wer wolte doch in den dingen richter
sin? Mins bedunckens solt man sölche sachen, so man ye disputieren

--493--

wölt, anbringen vor den hohen schuolen, als do ist Paryß, Cöln oder
Leuen; daselb fundt man vil der geschrifft bericht, do söllich groß
sachen zuo handlen etwas krafft hetten. Nit red ich das dorumb, das
ich yemants zuo nachteil siner eeren oder kunst geredt wil haben,
sunder ich meld sölichs als ein christlichs glyd und uß guotem gemuet.
Doch so ferr min ampt und befelch erfordert, hab ich vormals erzelt,
mich nit anders denn zuo ze hören und nit zuo disputieren gesandt sin.

--494--

Doruff redt meister
Ulrich Zwingli
also:^@{
Frummen brueder in Christo! Der wirdig herr vicarii suocht vil
ußzüg unnd intrags, damit vermeint üwer einfeltigkeit vonn sölchem
üwerem fürnemen zuo wenden mit künstlichen, rethorischen, ußzügigen
worten. Denn so er fürhelt und spricht, sich nit wellen wider alte

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lobliche gewonheiten oder wider langharkummen brüch, geistlich constitutiones
betreffend, disputieren, sag ich, das wir hie nit nach dem
fragen, wie lang das oder yens im bruch oder gwonheit gesin ist.
Wir wöllen reden von der warheit, ob uß götlichem gesatz ein mensch
schuldig syg ze halten, das durch langen bruch von den menschen
uffgesatzt gebotten wirt; denn wir vermeinen schlechts, als ouch des
bapsts eigen decret inhalt, gewonheit sol der warheit wychen. Daß
er aber fürgibt, sölich sachen sölten ußgericht werden vor einer
gantzen christlichen versamlung aller nation oder vor einem concilio
der bischoffen etc., red ich darzuo also, das hie in diser stuben on
zwyfel ist ein christliche versamlung. Denn ich hoff, es syg hie
under uns der meerteil, die uß götlichem willen und lieb die warheit
begeren ze hören, ze fürdern und zuo wissen, welches der allmechtig
got uns nit wirt abschlahen, wo wir das, im zuo eren, mit rechtem
glouben und hertzen sind begeren. Denn der her spricht: Wo zwen
oder dry in minem namen versamlet sind, bin ich mitten under inen
[Matth. 18. 20]. Ouch sind vor zyten nit bischoff glych den weltlichen
fürsten in conciliis zuosamen kummen, wie dann wir yetz fürgeben und
vermeinen, daß die frummen vätter vor zyten in christlichem handel
versamlet. Sind on zwyfel nit semlich gewaltherschig prelaten unnd
bischoff gesin, wie yetz - als sy sprechen - sin muessen, als sich
das warhafftig erfindt uß glöublichen geschrifftenn der alten. Und
bezügt das ouch eigentlich das wörtlin episcopus, welches, so manns
recht verdütscht, nit anders heißt dann ein wechter oder uffsäher, der
uffmercken und acht haben sol uff sin volck, im zuo underwysen im
götlichen glouben und willen befolhen, das ist uff guot dütsch: ein

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pfarrer. So nun hie in diser versamlung so mench frummer, redlicher,
christgleubiger mentsch nit allein inerthalb miner herrenn
vonn Zürich gebiet, sunder ouch annderswohar bürtig, ouch so
mencher gelerter, gotsförchtiger bischoff unnd pfarrer on zwyfel die
warheit gottes ze fürdern, die götlich warheit zuo hören und ze wissen
hie zuogegenwürtig sitzet, ist aber gar kein mangel deßhalben, das man
nit solt, wie min herr vicarius spricht, von sölichen sachen disputieren,
die warheit reden und beschliessen. Das man aber spricht: Die
andren nation wurden nit dorinn verwilligen, sag ich: Das ist doch,
das man täglich clagt, wie die grossen hansen, bischoff unnd prelaten,
das heyter unnd luter euangelium, die götlich gschryfft, dem
gemeinen man underston vorzehalten. Denn sy geben für, es gebür
sich niemants die geschryfft ußzelegen denn inen, glych als ob die
andren frummen menschen nitt ouch Christen und mit dem geist
gottes nüt ze schaffen hetten oder on erkantnus götlichs worts sin
muesten. Und sind ouch ir etlich, die dörffen sagen, es gezimm sich
nit, die heimligkeit der götlichen geschrifft ze offenbaren. Denn by
mir ist kein zwyfel, wenn by denen vorgemelten völckeren oder nation
die luter warheit Christi allein, nit mit menschen gesatzen vermischt,
geprediget wurd und nit durch bepstlich, keyserlich und bischoffs

--497--

mandaten hindergeschlagen, sy wurden als frumme, christliche hertzen
die warheit annemmen, gewonheit oder constitutiones, von menschen
entsprungen, faren lassen, mit den andren, durch das wort gottes erlüchtet,
einhellig sin und verwilligen. Aber des conciliums halben,
so man spricht, wie das zuo Nuernberg in jarsfrist angesehen, bedunckt
mich sölichs fürgehalten sin allein denn armen mann, gottes worts
begirig, uffzuoziehen. Denn ich sag üch, lieben herren, das mir kurtzlich
by dryen tagen brieff zuogschriben von Nuernberg, die ich ouch,
wo das not erfordert, zeygen möcht, in welchen wol etwas von eim
concilio gemelt wirt, aber ich vernimm nüt, das dovon etwas eigentlich
sy beschlossen. Denn bapst, bischoff, prelaten und grosse hansen
mögent kein concilium, dorinn götlich geschrifft luter unnd klar fürgehalten
wurd, erlyden. Ouch ist wol schin, das dis jars nüts dorus
mag werden, als ouch der gmein Christ mit ernst dorzuo thette, uß
der ursach: man möcht nit gnuogsam profand in sölicher kurtzen zyt
zuo sölicher grosser versamlung verordnen. Ich gibs ouch zuo, das
ein concilium mit der zyt wurd angesehen. Wie will man in mitler
zyt mit denen handlen, die irrige conscientzen bißhar gewunnen,
doch der warheit begyrig ze wissen? Will man dieselbigen dürstigen
seelen der warheit berouben, im zwifel lassen hangen, durch menschen
gebott erschrecken und also der warheit ungewiß leben lassen oder
sterben? Fürwar, ir frummen brueder, es ist nit ein klein ding. Got
wirt nit von uns erfordern, was bapst, bischoff, concilium statuirt
hab und gebotten; ouch nit, wie lang diß oder iens in loblichem alten
gebruch gsin ist, sunders er wirt forschen, wo sin götlicher will, sin
wort, sin gebott syg gehalten. Nun zum letsten, so fürgewendt wirt

--498--

der richter halben, die min herr vicarius usserhalb der hohen schuolen
nitt vermeint ze finden, sag ich: Wir haben hie unfälich unnd unparthysch
richter, namlich götliche gschrifft, die nitt kan lügen noch
trügen. Dieselbigen haben wir zegegen in hebreischer, kriechischer
und latinischer zungen; die wellen wir zuo beyder syten haben zuo
einem glychen und gerechten richter. Ouch haben wir hie in unser
statt Zürich - got syg lob! - so menchen gelerten gsellen, in den
dryen vorgmelten sprachen gnuogsam erfaren, als uff keiner der hohen
schuolen, so erst von dem herren vicario genempt und angezeigt. Ich
red aber von denen, die gmelte hohen schuolen regieren als obreste und

--499--

höpter; ich mein nit Erasmum von Roterdam und andre meer, die
sich zuo zyten als gest unnd frembde uff den schuolen enthalten. Ouch
sitzen hie in diser stuben doctores der götlichen geschrifft, doctores
in geistlichen rechten, vil gelerter uß mencherley universiteten. Dieselbigen
söllen die geschrifft, so angezogen wirt, hören und lassen
vorlesen, ob dem also syg, das man zuo beweren mitt göttlicher gschrifft
thuot probieren und fürwenden. Und ob das alles nüt were, so sind
in diser versamlung so vil christlicher hertzen, on zwifel durch den
heyligen geist gelert, so redlichs verstands, das sy lychtlich nach dem
geist gottes mögend urteilen und erkennen, welche parthy die geschrifft
uff ir meinung recht oder unrecht darthuot oder sunst mit gewalt wider
rechten verstand thuot zwingen. Deßhalben ist hie aber nüts, damit
man sich entschuldigen möchte. Darumb, lieben fründ, lond üch die
reden, so fürgehalten sind, nit erschrecken. Und insunder ir von
Zürich solt das für ein grosse gnad und berueffung gottes achten,
das sölichs in üwer statt, got und der warheit zuo lob und eeren, ist
fürgenummen, uff das nit fürhin wie byßhar die frummen underthonen
üwerer gebieten und lantschafften in zwyfel unnd uneinigkeit hangen.
Rueffen gott an mit demuetigem hertzen; der wirt üch sin göttliche erkantnus
- als ein epistel sanct Jacobs [Jac. 1. 5f.] verspricht, wo ir
das in warem glouben bitten - nitt versagen, und lond üch keinerley
wyß mit glatten, wolschynenden worten abreden und hinderstellen.
^@aUff semlich red meister Ulrichs schweyg iederman still ein guote
wyl und wolt niemants meer daruff reden, also, biß
der burgermeister vonn Zürich
uffstuond, ermant, ob etwar da were, der etwas darzuo reden wolt oder
wüßte, der solt harfürtretten. Aber do was niemants.

--500--

Da also yederman stillschweyg und keiner wider meister Ulrichen,
der vormals vonn menchem hinderrugs ein ketzer gescholten, ze reden
dürstig was, stuond erstgemelter
meister Ulrich
uff, rett also:^@{
Ich erman und bitt umb christlicher lieb und warheit willen
alle, so mir von wegen miner predigen zuogeredt habend, herfür ze
tretten unnd mich da umb gottes willen der warheit underrichten vor
so vil gelerten und frummen mannen. So ferr sy aber sölichs nit
thuon, sollen sy wissen, das ich sy unnd yeden insunders, deren ich vil
hie zuogegenwürtig weiß, will offenlich mitt dem namen zuo har rueffen.
Doch von wegen bruederlicher lieb will ich sy vorhin vermant haben,
das sy unberuefft von mir, sunder von inen selbst uffston unnd mich
einen ketzer zuo sin bewysen.
^@aAber da was keiner, der harfür wolt tretten oder etwas wider in reden.
Indem schrey
Guotschenckel,
stuond vornen by der thür, machtein lecherlichen bossen, sprechend überlut:
Wo sind nun die grossen hansen, die uff der gassen so dapffer
bochen! Tretten nun harfür! Hie ist der man! Ir künt all wol
hinder dem win reden, aber hie will sich keiner regen.
Des lachet alle menschen.

--501--

Also stuond
meister Ulrich
widerumb uff, ermant unnd batt zum andren wie vormals alle, so in
siner predigen halben gschmützt oder gescholten hetten, harfür zuo
tretten und in ein ketzer zuo sin bewysen. So ferr sy das nitt thetten
und selbst ungenant harfür kummend, wolt er sy zum dritten mal
offenlich berueffen etc., wie obstat.
Als nun iederman schweyg uff das anziehen und erforderung
meister Ulrichs, stuond uff ein priester mitt namen herr
Jacob Wagner, pfarrer zuo Nefftenbach,
also redend:
Wolgelerten, geistlichen, ersamen, wysen, sunder günstigen herren
und fründ! Sitmal niements ist, der uff das vilfaltig erforderung
meister Ulrichszun sachen reden wil, muoß ich als der ungeschickst
etwas darzuo sagen. Uch, minen herren, ist allen noch wol zuo wissen,
wie das in disem jar unser gnädiger herr von Costentz ein mandat
hat lassen ußgon; daby gbotten, daß man blybe und hielt traditiones
humanas, biß die durch ein gemein concilium abgestelt und verendert
würdent. Nun aber ietzzuomal niemants wider meister Ulrichs artickel,
die wider constitutiones humanas luten, reden wil, sag ich mins
teyls, hoff und vermein, wir sollen dasselbig mandat fürhin zuo halten
nit schuldig sin, sunder allein das wort gottes luter und klar on
menschengesatzung predigen. Ouch wissent ir, lieben herren, wie man
den pfarrer von Fyslyßbach nach inhalt sölichs mandats hatt angenummen,
gen Baden für die Eydgnossen bracht, nach dem eim
bischoff von Costentz überantwurt, zum letsten in gefengknus geleyt.

--502--

Sollen wir nun nach inhalt des mandats predigen und leeren, muessen
meister Ulrichs reden nit krefftig sin. So aber niemants hie zuogegen
ist, der wider die etwas darff reden und dieselbigen als unwarhafftig
beschuldigen, ist zuo besorgen, dem herren von Fyslysbach gschech
zuo kurtz. Das red ich darumb, denn der guot herr und pfarrer von
Fislysbach ist unser bruoder; und wolt ouch gern ein bericht han,
wie ich mich fürhin uff sölichs mandat des bischoffs halten solt.
Uff sölichs anbringen stuond widerumb uff
vicarius zuo Costentz
und rette also:
Lieben herren! Dise red will zuo eim teyl min gnädigen herren
von Costentz, zum andren mich, als siner gnaden vicarium, betreffen;
darumb mir gebüren will darzuo ze reden. Es hat der guot herr -
ich weiß warlich nit, wer der ist - erst also geredt, wie in disem
jar ein mandat, von unserem gnädigen herren vonn Costentz ußgangen,
inhaltent, das man by den constitutiones humanas, das ist by
menschlichen satzungen oder löblichen gewonheitenn, blybe etc. Sag
ich darzuo: Lieben herren! Es sind warlich vil unbillicher, ungötlicher,
unchristlicher meynung und irsal verhanden, welche offt und vil durch
ungeschickte priester nit sunder allein in der Eydgnoschafft, ja
ouch anderswo in mins gnädigen herren von Costentz bistumb dem
volck geprediget unnd fürgehalten werden, welchs, lieben herren, mer
zuo ungehorsame, meer zuo uffruor, meer zuo unfryden, dann zuo forderung
christlicher einikeit wil dienen. Denn man will uns ye

--503--

abdringen loblichen alten harkummenden bruch und gewonheit, von
den alten, frummen, christlichen vättern uffgesetzt vor mench hundert
jaren. Sölichs angesehen hat vilicht min gnädiger herr umb fryds und
einikeit willen in siner gnaden bistumb ein mandat lassen ußgon. Was
dasselbig eigentlich inhelt, ist mir nit grüntlich ze wissen; denn ich
bin derselben zytt, als mengklich kundt ist, nit im land und inheimisch
gewesen. Deßhalben, so vil dasselbig mandat betrifft, will ich nüts
wyters verantwurt haben. Aber diewil der guot, frumm herr - ich
weyß nitt, wo er sitzt; denn ich kan in nit gesehen - am letzsten
anzogen hat den gefangnen priester zuo Costentz, erfordert sölichs
min ampt daruff ze reden. Ir wissent all, lieben herren, wie derselbig
priester minem gnädigen herrn von Constentz von gemeinen Eydgnossen
uff dem tag zuo Baden als ein strefflich man überantwurt
ist. Demnach hat min gnädiger herr denselbigen gefangenen priester
durch siner gnaden darzuo verordnete lassen examinieren und verhören. Ist
derselbig erfunden warlich als ein unwissender unnd irrender göttlicher
geschrifften, und ich mich ouch selbst siner ungeschickten reden han
offt erbarmet; denn ich darff das by glouben sagen, das ich in selb
gefragt, uß christlicher lieb bin zuo im kommen, im etlich gschrifft
uß dem heiligen Paulo hab fürgehalten, hat er mir - was sol ich
sagen? - gantz unbescheidlich geantwurt. Ach, lieben herren, was
sol ich sagen vonn dem guoten, einfältigen menschen? Er ist warlich
ungelert und ist noch kein grammaticus. Dann ich hab im fürgewendt
und erzelt etlich geschrifft in christlicher, bruederlicher meinung guetig
und on allen zorn, als ouch, das der edel Paulus ermant zuo sinem
Timotheo [1. Tim. 4. 8], sprechend: Pietas ad omnia utilis, guetigkeit
und senfftmuetigkeit ist guot in allen dingen, hatt er mir so kindisch,
ouch so unchristlich geantwurt, das sölichs nit zimmlich in einer
Eydgnoschafft zuo sagen unnd zuo melden were. Damit ir aber, lieben
herren, eygentlich wissent, so hab ich mit im geredt von fürbittung

--504--

und anrueffung der lieben heiligen unnd der muoter gottes; hab ich in
in dem so ungeschickt unnd unchristlich erfunden, das ich mich
sines irsals tuon erbarmen. Er wil mir ye uß den todten lebendig
machen, so doch die geschrifft ußwyßt, das ouch vor der geburt
Christi die lieben heiligen für die andren gebetten und angeruefft sind
worden, als ich in am letsten des durch geschryfft nammhafft von dem
genesi, exodo, Ezechiel und Baruch überwyßt hab und überwunden,
ouch dahin bracht, daß er sin irtumb widerruefft hatt; wil ouch widerrueffen
alles, das er vonn der muoter gottes unnd vonn den lieben heiligen
hatt geirrt. Ich hoff ouch, er werd mir groß danck darumb sagen
und bald wider ußkummen. Darumb, lieben herren, des gefangen
priesters halben ist warlich nütt, darumb man min gnädigen herren
vonn Costentz oder siner gnaden anwalt möchte in dem fal beschuldigen.
Denn da ist nüts ghandelt anders, denn was zimlich,
billich unnd gebürlich ist.

--506--

Daruff antwurt meister
Ulrich Zwingli
also:^@{
Lieben brueder in Christo! Es ist on zwyfel nitt on sunder
geschick und willen gottes beschehen, das min herr vicari eben von
der anrueffung oder fürbittung der heiligen und der muoter gottes thuot
reden. Denn das ist nit der geringsten artickelen einer under den
andern, so von mir ußgangen, davon ich ouch etwan geprediget hab,
daran sich vil der einfeltigen menschen beschwären und glich als vor
einer unchristlichen reden erschrecken. Denn ich find und weiß

--507--

ouch das warhafftig uß der götlichen geschrifft, das Christus Jesus
allein ist unser säligmacher, welcher allein ist die gerechtigkeit - als
Paulus spricht - aller menschen, der umb unser sünd gnuog gethon
hat, unnd das derselbig, unser heil und erlöser, allein das mittel ist
zwischen gott, sinem hymlischen vatter, für uns gleubigen menschen ze
bitten, als das sant Paulus zuo den Hebreyern klärlich thuot erzellen,
wie ir von Zürich ouch von mir gehört hand, do ich üwer lieb die
epistel zuo den Hebreyern vergangener zytt geprediget hab. Nun
so min herr vicari fürgibt unnd sich des beruempt offenlich, wie er hab
den gefangnen priester zuo Costentz, pfarrer vonn Fißlysbach, mit
götlicher geschrifft überwunden, in dem, das man sol die lieben heyligen
und die muoter gottes anrueffen, also, das die unser fürbitter vor
got syent, beger ich von im umb gottes willen unnd umb christlicher
lieb, die ort unnd end, ouch die wort der geschrifft anzuozeygen, wo
doch geschriben stadt, das man die heyligen solle als fürbitter anrueffen,
uff das, ob ich villicht geirt hette und irte, eins besseren
underwyßt wurde, so doch hie zügen: die biblia in hebreischer,
kriechischer und latinischer sprachen, ligen. Die wöllen wir besehen
lassen durch die so hie zuogegenwürtig gnuogsam in den vorgemelten
dryen sprachen underricht. Darumb beger ich nit mer, denn
die capitel, an welchen sölichs - wie min herr vicarius fürgibt -
geschriben stat, anzezeygen; so wellen wir das suochen und hören
lassen, ob sölichs uß der geschrifft mag eygentlich verstanden werden,
das man sol die heiligen als fürbitter anrueffen. Wo dann dem also
ist und sich das warhafftig erfindt - wie vicarius ouch fürgibt, den
gefangnen priester überwunden haben -, will ich mich ouch, wo ich
geirrt hab, als ein unwissenden guetiklich lassen underrichten.
^@aAntwurt
vicari
uff die red meister Ulrichs:

--508--

Lieben herren! Ich sich wol, das spyl würdt über mich hinuß
gon. Ich hab vormals geseit, ich syg nitt hie, als ob ich disputieren
wölle, sunder als ein gesanter mins gnädigen herren guetiklich zereden,
ob etwas uneinigkeiten hie zuogegen der disputation halben entstuend.
So sich ich wol, mir beschicht, wie der wyß man redt: Der torechtig
wirt lichtlich in siner reden gefangen [Prov. 10. 14]. Aber es ist villicht
miner torheit schuld, das ich mich als ein unwyser ze reden undernummen
hab. Diewyl ich aber zuo antwurten durch meister Ulrichen angezogen
wirt, sag ich: Lieben herren! Es hat sich begeben vor etlich hundert
jaren, das ketzery und uneinigkeit in der kilchen sind erstanden, welcher
ketzery ursächer unnd anfenger waren Novaciani, Montanite,
Sabellii, Ebionite, Marcionite etc., under welcher falschen leer,
meinung unnd irsal ouch vil artickel, glich wie yetz by unsern zyten
widerumb ernüwert, in die menschen gepflanzt unnd durch ir leren vil
glöbiger menschen verirrt. Under welchen ouch etlich fürgaben, wie
das fürbittung und anrueffung der lieben heiligen, jo ouch der muoter
gottes, ouch das fegfür nüt were, sunder erdacht, und derglychen.
Söliche verfuerische weg unnd irsal abzestellen sind vil frummer bischoff
unnd vätter an menchen orten yetz in Asia, denn in Africa, darnach
etwann in Grecia zuosamen kummen, concilia unnd sinodes gehalten,
sölichen und derglychen vil ketzeryen ze weren und abzestellen;
darüber ouch harnach von den heiligen vättern und bäpsten constitutiones
- das sind satzung unnd beschluß - gemacht, verschriben
unnd gebotten sölichs - als von der christlichen kilchen verworffen -
nit ze halten. Und wiewol das vor langen zyten, durch die decreta
der bäpst unnd bischoffen, festigklich und unwiderruefflich bestetiget

--509--

und in der christlichen kilchen als irrisch erhalten, sind doch in mitler
zyt scismata, absünderung oder secten in Europa erstanden als mit
namen die Behem und Bigkharder, welche durch falsche ketzer,
als durch Wickleff und Hussen, verfuert wider der heiligen bäpsten
decreta und satzungen leben, wider die ordnung der christlichen
kilchen handlen unnd nüts uff fürbit der heiligen, ouch wenig uffs fegfür
thuon halten. Und wiewol söliche und derglychen ketzery und
irrung von allen christgleubigen menschen syderhar verworffen,
ouch die ienen, so in sölichem irsal leben unnd noch blybend, vonn
den heyligen concilia als abgesünderte glyder der muoter christlicher
kilchen geacht, erkent und verruefft sind; dennest findt man yetz, die
uff ein nüws söliches widerrueren erst widerumb understond in zwyfel
ze bringen, das vor vil jaren durch bäpst unnd bischoff als irrig unnd
unwarhafftig erkant ist unnd beschlossen; understond, uns vonn alten
gewonheiten zuo tryben, die nun schier sieben hundert jar löblich unnd
eerlich gewärt hand unnd gestanden, vermeinen alle ding umbzekeren
und umbzestossen. Denn am ersten sind sy kummen an bapst, cardinäl
und bischoff; nach dem haben sy alle münchen- und nunnenklöster
durchrumplet; darnach in das fegfür gefallen; unnd als sy das
erdrich verlassen, sind sy zum letsten in hymmel gestigen, an die
heiligen und grossen diener gottes, sant Petern mit sinen schlüsseln,
geraten, ja ouch unser liebe frow, die muoter gottes, hatt nitt vonn inen
ungeschendt mögen blyben. Nun weiß ich ouch schon ettlich ort,
da es byß an Christum ist kummen. Soll es nun also zuogon, das
man nitt allein die oberkeit unnd geystlichen uff erden, sunder ouch
gott unnd die usserwelten im hymmel will straffen, so ist es ein
erbermlich ding. Sol denn das alles nüt sin oder nüt gelten, was

--510--

die frummen, heyligen vätter, im heiligen geist gottes versamlet, gemacht
haben unnd einhellig beschlossen, so ist nitt on, es muoß zuo grossem
schaden und spot der gantzen Christenheit erwachsen. Denn die
heiligen vätter und all unser vorfarenden muessen geirrt han, und ouch
die Christenheit nun schier vierzehn hundert jar in irsal verfuert und
regiert sin, welches unchristlich were zuo gedencken, ich will geschwigen
zuo sagen. Nun ist ye durch bäpst, bischoff, vätter und
concilia fürbit der lieben heyligen als nütz und notwendig bestetiget
und sit der zytt des heyligen bapst Gregorii im bruch der gantzen
Christenheit blyben; bedunckt mich das gar frembd, so man erst
wider die christeliche ordnung sölchs für unrecht und einem irsal
glych wölt achten, so doch wenig menschen sind, die nit hilff der
muoter gottes und der lieben heyligen tuon empfinden, nit allein under
uns Christen, ja ouch under etlichen unglöbigen Heyden. Solten
wir nun hie zuo Zürich wider sölichen in aller welt bruch und sunder
by den Christen so lange zytt gewert, fechten unnd reden? Gedenck
ein yeder by im selbst, wie wurde das denen in Orient, denen in
Occident, vonn uffgang biß zuo nidergang der sonnen, item denen in
Hibernia, in Mauritania, in Syria, in Capadocia oder in Insulis
Cicladibus gefallen? Ich will geschwygen der anstösser nahent
unsern landen gelegen. Warlich, lieben herren, es wer wol zuo betrachten
vorhin, was gefärlikeit und span der Christenheit uß dem
erwachsen möcht, so man in sölichen dingen mit der gantzen gmein
nit einhellig unnd glychförmig sin würde. Denn ir sehent, als
ouch ein Heyd mit namen Salustius in Jugurti bezügt, das durch
einikeit kleine ding erwachsen, aber durch uneinigkeit grosse ding
zergon unnd abnemmen. Deßhalben wer min radt, so under einer
kleinen und besunderen versamlung nit vonn denen sachen, gantze
communion betreffend, zuo handlen, sunder uff ein gemein concilium

--511--

ze sparen, unnd wiewol meister Ulrich sich uff die geschrifft der biblia
in hebreyscher, kriechischer und latinischer sprachen zücht
und vertröst, welche ouch die, so hie zuogegenwürtig sitzend, gnuogsam
der dryer sprachen bericht, besehen und geschrifft, so angezogen würde,
urteilen sollen unnd ermessen; sag ich doch zum ersten, das sölichs nit
ein kleine gab von got ist, die sprachen, so erst gemeldt, ußzuolegen,
deren ich mich zuo haben nit darff beruemen. Denn das sind besunder
gaben von gott, als ouch der edel Paulus spricht zuo den Corinthern
12: Unicuique datur manifestatio spiritus ad utilitatem, eim yetlichen
ist geben die offenbarung des geists zuo nutz, dem der gloub, dem
andren die wolredenheit, disem ußlegung der sprachen etc. [1. Cor.
12. 7-10]. Welcher gnaden oder gaben ich mich keiner beruemen darff,
so ich in hebreyscher sprach nit erfaren, in kriechischer nit wol
bericht, latin zimmlich verstand; denn ich bin kein orator oder
poeta, gib mich ouch nit darfür uß. Zum letsten sag ich, das euangelisch
unnd apostolisch gschrifft nit stadt in den kluogen, beruempten
oder gebluempten, glatten worten, sunder, als Paulus spricht, in der
krafft gottes [1. Cor. 4. 20]. Deßhalbens bedunckt mich, wie vormals,
nit gnuog zuo sin, das man geschrifft fürwenden unnd darthuon wölle,
sunder es gehört ouch darzuo, ob man die geschrifft recht verstand. Das
angesehen solt man villicht uff den hohen schuolen, als da ist Paryß,
Cöln oder Leuen etc. sölich ding ußrichten, wie vormals ouch erzelt izt.
Antwurt meister Ulrichs.^@{
Herr vicari! Es bdarff nit sölicher wyter ußschweiffen unnd
glatter worten. Ich beger allein vonn üch zuo antwurten uff das, mit
welcher geschrifft ir den gefangnen priester zuo Costentz, pfarrer
vonn Fißlysbach, als ein unchristlichen überwunden und zu
widerrueffung sines irsals bracht hand. Das ist das recht schützil,

--512--

daruff mann begert üwer antwurt guetig zuo hören. Zeygt unns nitt mer
denn an, wo doch geschriben stat in den buecheren, vormals vonn üch
citiert, vonn fürbittung und anrueffung der heiligen, das sy unser fürbitter
syen. Das begeren wir von üch ze wissen; darumb tuont das,
bitt ich üch umb christlicher lieb willen, mit heyter, luter, offentlichter
göttlicher geschrifft, wie ir dann üch dem gefangnen priester
zuo Costentz gthon beruempt hand. Zeyget an die capitel und gebent
antwurt ad spiesum mit einfeltigen, ußgetruckten worten, sprechend:
Da aber da ists geschryben, so wöllen wir dasselbig suochen, ob dem
also syg, und wo wir dann des überwyßt und eigentlich beredt werend,
wöllen wir uns guetigklich lassen wysen. Es bedarff nit vil langer
reden; denn sölichs üwers langs fürgeben unnd citieren mencherley
geschrifften der alten würt meer geacht, das ir lob und pryß von den
zuo hören begerent, dann die warheit zuo fürderen. Ich künd ouch
wol vil geschichten und uffsätz der alten inher ziehen; es will aber
nüts zuo der sach dienen. Wir wissen wol, das vil und mencherley
durch die vätter vor zyten in conciliis ist beschlossen uff ein zytt, das
harnach die anderen, ouch vermeint im geist gottes versamlet,
wyderumb abgethon haben unnd nüt lassen gelten, als das schinbar
ist unnd sich erfindt im concilio Niceno unnd Gangrensi, da das
ein den priestern die ee erloubt und alle, so darwider retten, verfluecht,
das ander aber glich das widerspyl thet beschliessen. Es

--513--

erfindt sich ouch, das menchmal constitutiones von den alten ouch in
conciliis ußgangen unnd geordnet, welche die nachkummenden gar nit
achten. Exemplum: Das die muoter gottes on erbsünd sy empfangen,

--514--

ist offentlich beschlossen im concilio zuo Basel, unnd ist dennest kein
Predigermünch so törplecht, er darff darwyder reden. Ouch findt
man vil constitutiones oder satzungen der alten, die harnach unnd
sunder by unsern zyten volendet und sunst nit gehalten, ja offt durch
gelt erkoufft, das sölichs erloubt wirt, das sunst vonn den vättern
eygentlich ist verbotten. Daruß z'ermessen ist, das concilia nitt allweg
durch den heiligen geyst in irer versamlung gehandelt, sunder nach
menschlicher anmuetigkeit und guotgeduncken etwann uffgesetzt, welches
doch die götlich geschrifft verbüt. Dann der heilig geist rett nitt hütt
eins, morn ein anders, sunder sin satzung und red muoß ewig und unverwandelt
blyben. Deßhalben die frummen vätter, so wir heilig
nemmen, nüts an ir frummkeit oder heilikeit geschmächt oder gescholten
sind (dann inen ist nüts meer lichtlicher oder uß angeborner
schweche der menschheit gemässer, denn irren); sunder, wo sy sich uß
blödigkeit oder geschwindigkeit der vernunfft uff ir selbstmeinung

--515--

und nit uff das richtschyt göttlichs worttes hand verlassen. Des alles
gibt uns kuntschafft, das ouch die sülen unnd stutzen vil der vättern,
als Augustinus und Hieronimus, in irem schryben widereinander
sind, daß offt der ein nit allein ein anders zuo sin vermeint, sunders
gantz das widerspyl etwann mitt geschrifft, wie sich dieselbige ruemen
mag, beschirmet. Das man aber spricht, es wär ein kläglich ding,
solten wir Christen, unnd sunder unser vorfarende, so lang in irtumb
gelebt haben, so doch syt der zyt Gregorii fürbittung der
heyligen und anrueffung in der Christenheit bestätiget und bewert
ist, sag ich zum ersten, das wir hie nit fragen, wenn es hab in der
kilchen angefangen. Wir wissen wol, das die letanii by der zyt
Gregorii uffgesatzt ist unnd bißhar gehalten, sunder wir begeren
allein geschryfft zuo hören, wie min herr vicari sich beruempt hat,
das man die heiligen soll annrueffend. Dann, hatt sölcher bruch erst
angefangen by der zytt Gregorii, so ist er ye vorhin nitt gewesen.
Unnd so die menschen vor sölcher zyt Christen gesin und selig
worden, die nit uff fürbit der heyligen gehalten, ouch vilicht wenig
davon gwyßt hand, wirt folgen, das die nit sündigen, die allein uff
Christum Jesum unnd nüt uff fürbitt der heiligen achten. Denn
das wissen wir eigentlich uß der götlichen geschrifft, das Christus
Jesus allein ist der mitler zwischen uns und gott, sinem himmlischen
vatter, wie vormals geseyt ist. Zum andern red ich, das menchmal
wider die constitutiones und sunder wider der geistlichen -
die man nempt - unnützen, überflüssigen brüch, grossen gewalt,
tyrannisch pracht vonn vil gelerten geredt und gefochten ist, aber

--516--

die grossen hansen, bäpst, bischoff, münchen und prelaten, haben
sölichs anrueren der eyssen nit lyden mögen, allweg dem ungelerten
huffen fürgeben, irs regiments ursprung syg vonn gott uffgesatzt unnd
also zuo herschen geheissen; von deswegen alle die, so darwider geredt,
ja ouch nur gedacht haben, nit allein als ketzer unnd usserthalb der
Christenheit abgesünderte glider, sunder als verfluechte und dem
tüfel eigen ergeben menschen verbant, verächt, verschriben unnd
zuoletst etlich zum für verurteilt unnd verbrent sind worden. Darumb,
lieben brueder, ob man üch fürhielt unnd spricht, villicht üwer lieb zuo
erschrecken, wie unser frummen eltern unnd vorfarend also geirt
hettenn unnd in sölichem mißglouben der säligkeit beroubt, sag ich,
die urteyl unnd gericht gottes sind unns menschen verborgen unnd
unbegrifflich; niemants soll sich darumb frevenlich bekümmeren.
Gott weißt uns allesampt brestenhafftig unnd sünder, ersetzt durch
sin barmhertzigkeit, das unns ouch zuo thuon manglet, ja ouch etwann
nitt möglich uß unseren krefften zuo thuon ist. Deßhalben zympt es sich
gar nit, das wir in sölichen dingen die heimligkeit gottes urteilen
wollen unnd richten. Er weyßt wol, wo er sol nachlassen unnd verziehen;
wir dörffen im nüts in sinen radt und barmhertzigkeit reden,
wie ers mit inen gehandelt oder gemacht hatt. Wir hoffen zuo im als
zuo unserem ewigen, guetigen vatter, der die sinen, als Petrus spricht
[2. Petr. 2. 9], wol behueten kan, unnd die gotlosen der ewigen pin
behalten. Es hilfft ouch nitt, das man spricht, es syen wenig menschen,
die nit durch fürbit der heiligen trost empfinden. Ich sag: Wo sölich
hilff von got beschicht, so wellen wir das nitt urteilen, warumb gott
dasselbig also laßt beschehen und dem menschen, wie er begert, thuot
also helffen. Beschicht es aber uß gspenst des tüfels durch

--517--

verhengknis gotes von wegen des mißglöbigen menschen, was wolten
wir denn sagen? Ir wißt wol, was sich menchmal durch den tüfel
an vil orten erhaben hatt, unnd wo es nit gewendt, wie es zuo grossem
betrug und beschyß aller Christenheit were erwachsen. Ouch ist
das ein schlechte inred, so man spricht, die andern nation wurden
uns nit als Christen achten, wenn wir uns nitt nach den constitutionen
- das ist: nach den gesatzen der alten - hielten; wie denn
das durch die bäpstlichen decret verschriben ist unnd fürgeben. Denn
es ist vil in den satzungen der römischen bischoffen oder bäpsten,
des ouch die vorgemelten nation gar nüts achten, und sind doch nit
dest minder Christenmenschen. Des wil ich ein kleine glichnus
sagen: Alle geistliche gueter sind - als sy sprechen - in des
römischen bapst gewalt, und mag er dieselbigen verlyhen und
günnen, wem er wil. Nun schow einer, wie fin das die in Hispania
oder die in Gallia halten; sy verlyhen ye keinem usserthalb irs lands
söliche geistliche pfruenden oder gueter; got geb, was der bapst darzuo
sag. Aber wir torechtenn Tütschen muessen lyden, das man uns ställmister
und eseltryber heruß vonn des bapst hoff thuot schicken, unser

--518--

pfruend unnd pfarren zuo besitzen, unser seelsorger sin muessen, die nüts
in der geschrifft wissend und künnen, unnd wo wir das nit litten, so
weren wir unghorsame der christliche kilchen. Aber die vorgemelten
nation achten des gebots nüt und sind on zwyfel ouch frumme
Christen. Darumb, herr vicari, wölt ich, das ir üch sölicher ußschweyffender
reden, die nit uff min frag, vorgethon, dienendt, nitt
gebruchten, sunder, wie ich vorhin gebetten hab, schlechtlich anzeygent,
wo doch geschriben stadt in der götlichen geschrifft vonn der
heiligen anrueffung oder fürbit der muoter gottes, wie ir üch vermessen
hand uß dem exodo, Baruch etc. Das begeren wir zuo hören. Darumb
so antwurt ad spiesum. Wir fragen nit, was in dem oder in
disem concilio ußgericht oder beschlossen ist; das dient alles nit zuo
den sachen, die man üch fraget; wir wölten sunst wol ein monadt
davon reden etc.
^@aAntwurt vicarius.
Lieben herren! Man gibt mir die schuld, ich trib vil umbschweyfender
reden, nüts zuo den sachen dienend. Ich hab mich vorhin
begeben, ich künd nit köstlich reden; ich hab doch üch, meister
Ulrich, ouch zuogehört. Das ir aber mich bschuldiget, ich suoch min
eygen lob meer dann die warheit zuo forderen, wolan, das muoß ich
lan beschehen. Ich wolt gern die sachen helffen zuo fryd unnd zum
besten richten. Aber so meister Ulrich fürgibt unnd spricht, es syg vil
unnd mencherley vor zyten etwan durch concilia beschlossen, das
harnach durch die nachkummenden verendert ist, sag ich, das zweyerley
concilia genempt sind. Etlich heissent concilia universalia, das
sind gemeine oder gantze versamlung, dorin vile der bischoff oder der
christlichen höupter zuosamen kummend, als dann in vier fürnemsten
conciliis, wie da ist sinodos, Nicena, Constantinopolitana,
Ephesina, Calcedonenß, ouch andere meer. Was in denselbigen

--519--

gemacht und beschlossen, ist nye durch die andren gantz verendert,
sunder glich den euangeliis byßhar gehalten. Etlich heissent concilia
particularia, deren vil geweßt sind, nit aller gemeiner lantschafften
vätter, sunder etlicher, als ouch gsin ist concilium Gangrense unnd
andre meer derglychen. In denselbigen ist wol zuo zyten gehandelt,
das harnach vilicht nit on mercklich ursach anders statuiert ist worden.
Aber es ist nie gwesen, das den priestern eewyber erloubt sind. Und
wiewol das die orientisch kilch, besunder in Grecia, als für gerecht
haben wolt, hand die frummen vätter der andern nation sölichs
nit wöllen beschehen sunder abstellen lassen, uß grosser ursachen ermessen,
das die ee der priester zuo nachteil der kilchen und nit fürderlich
zum dienst gottes sin möchte, als das ouch der heylig Paulus
anzeygt, do er schribt zuo den Corin. am 7. capitel in der ersten
epistel, sprechend [1. Cor. 7. 34]: Qui sine uxore est etc., welcher on
ein eefrowen ist, der bekümmer sich mitt denen dingen, die dem
herren zuogehörend. Item [1. Cor. 7. 27]: Solutus es ab etc., bistu ledig,
suoch kein eefrowen. Da redt er vonn denen, die dem euangelio
dienend als die priester. Item [1. Cor. 7. 20]: Ein yetlicher in der
berueffung, in welcher er beruefft ist, da blyb er. Söliche und ander
menche ursachen haben die heyligen vätter bwegt, die ee den priestern
nit zuo erlouben und gestatten. Es möcht ouch nit geschehen on zerteilung
der guoter in der kilchen.
Antwurt daruff Zwingli.^@{
Die verbottne ee der priester ist nit allweg gesin, wie man fürgibt,
sunder durch die menschen wider götlich unnd billich gesatz
uffgelegt. Das erfindt sich zum ersten durch sant Paulum, also zuo
den Corinthiern [1. Cor. 7. 2] schribend: Vonn wegen der huorery

--520--

sol ein yetlicher haben sin eewyb unnd ein ietliche frow iren eeman.
So er nun spricht "ein yetlicher" will er on zwyfel die priester nit
ußgeschlossen haben. Denn er bestetiget und zeygt an die ee der
priester in sunderheit, in dem, so er schribt zuo sinem Timotheo
[1. Tim. 3. 2-4]: Es soll ein bischoff - das ist: ein pfarrer - unstrefflich
sin, ein man einer frowen, wytzig, züchtig, gelert etc., der underthänige,
züchtige kinder hat, und der sin huß wol regiere. Deßglichen
redt er ouch von den diaconis [1. Tim. 3. 8ff.], die wir nennent euangelier.
Und zum Tito schribt Paulus ouch also [Tit. 1. 5f.]: Von
wegen hab ich dich in Creta gelassen, das du die presthafftige ding
besserst oder straffest und setzest durch alle stett presbyteros - die
heissen wir priester oder die eltestenn -, wie ich dir verordnet oder
befolhen hab, wenn einer ist on laster, einer eelichen frowen man,
der da glöbige kinder hat etc. On zwyfel der götlich Paulus, durch
den heiligen geist gelert, hatt wol ermessen unser unvermögen unnd
blödigkeit, das reinigkeit zuo halten nit stat in mentschlichem willen,
sunder in der gnaden gottes. Dann wiewol er spricht an vorgemelten
ort [1. Cor. 7. 7]: Ich wölt, das sy all weren wie ich, unnd [1. Cor. 7. 1]:
Es were guot einem menschen also zuo sin, dennest thuot Paulus zuohin
unnd seyt [1. Cor. 7. 7]: Aber ein yetlicher hat ein besunder gab vonn
gott, einer also, der ander also. Deßhalben setzt Paulus kein verbott
uff die ee der priester, ja er schrybt mitt ußgetruckten worten:
Ein bischoff - das ist: ein pfarrer - unnd ein diacon sollend
züchtige eewyber und wolgezogne kinder haben, wiewol er ouch sunst
die ee allen mentschen fry setzt und spricht [1. Cor. 7. 28. 7]: Nimpstu
ein wyb, du hast nit gesündet; aber yetlicher hat ein eigne gab von
gott etc. Uß dem wirt wol ermessen, das die ee den priestern durch
das götlich gesatz nye ist verbotten, und reinigkeit zuo halten nit in
unserm fürsetzen, sunder uß der gnaden gottes entstadt unnd gehalten
mag werden. Das bezügt unns ouch Christus, die rechte warheit
unnd wyßheit gottes vatters Mathei am 19. [Matth. 19. 10-12], da

--521--

die junger zuo im sprachen: Gat es also zuo mit dem wyb, so gezimpt
es sich nit zue vermehelen. Antwurt inen der herr sprechend: Nit
all begryffen oder nemmen an dise reden, sunder die, denen es geben
oder verlyhen ist. Denn es sind etlich, die sich selbst beschnyden
vonn wegen des hymmelrichs, das ist: vonn wegen der euangelischen
leer. Welcher aber das begryffen oder annemmen mag, der nemm
es an. Hörent ir hie, das Christus spricht, reinigkeit sy nit allen
menschen möglich zuo halten, sunder allein denen, so von got gegeben
wirt. Deßhalben schlecht er ouch nitt ab den zwelffbotten zuo der
ee zuo gryffen. Gott hatt ouch nit vergebens dem Adam zuo einem
gehilffen ein wyb gschaffen; er het im sunst wol ein man zuo einem
helffer mögen setzen, wenn er hette gewollen in reinigkeit ze halten.
Er sprach aber [1. Mos. 1. 28]: Crescite et multiplicamini. Unnd wiewol
das alles mengklich zuo wissen ist, dennest darff der bapst durch
sin gesatz reinigkeit und on ee zuo sin von einem yetlichen priester
oder sunst geistlich genempt wider die nachlassung gottes erfordern
und die armen conscientzen, in sünden und schanden gefangen, beschwären,
ouch offenlich ergernus und laster wider das heyter und
luther gesatz gottes dulden. Ich sprich, das ich kein grösser ergernus
in der Christenheit weiß, denn das mann den priestern die ee thuot
verbieten (ich red von den pfarrern; die andern luogen, wie sy dem
thuon) und man laßt inen sunst nach offentlich huorery, wenn sy nur gelt
geben. Sy geben für, wenn die priester wyber hetten, die gueter der
kilchen würden zerteilt und zergon. Ach gott, was ist das für ein
ursach! Verthuond wir sunst nimmer der kilchen gueter unnützlich?
Wir vermachen doch sunst all unser guott unnd farende hab den uneelichen
frowen unnd kindern (so wir haben) wider den willen gottes.
Was möcht das der pfruend schaden, obglich ein priester ein liebe
eefrow und züchtige kinder hette, zuo gottes dienst vonn der pfruend
erzogen? Es möcht doch allweg die pfruend an irer zuogehörten
ligenden guetern unnd gülten, so sy hette, unverruckt blyben, so die

--522--

priester doch sunst zuo zyten übel hußhalten. Es ist ye nit allweg
gesin, das man den priestern die ee hab verbotten. Das erfindt sich
ouch uß dem Pelagius, als ir das hand in des bapst decreten
statuiert, das die subdiaconi Sicilie von iren wyben, die sy vor
sölicher satzung zuo der ee genummen, abstuenden und sich nit mit inen
vermischten. Welches statut harnach Gregorius, der erste des namens,
widerumb abstelt. Ist nun vor zyten den priestern keine wyber ze
han durch Pelagium uffgesatzt und harnach durch Gregorium
vorgemelt widerumb abgethon, so muoß das ye nitt allweg wie yetzund
gewesen sin, sunder uffgesetzt durch die mentschen, das von got nye
erfordert, ist ze halten.
^@aAntwurt vicarius, sprechend:
Es ist nie gesin syt der zyt Tertuliani, ouch syt dem concilio
Niceno, nun vor zwölfhundert jaren verloffen, das die priester eewyber
gehebt haben oder daß inen eefrowen zuo haben nachgelassen sy.
Daruff antwurt einer des radts zuo Zürich, sprach:
Aber huoren hatt mann wol erloubt.
Des erstunet
vicarius
ein wyl, redt doch wyters also:
War ists, das den subdiaconis eewyber zuo han, so sy vorhin
genummen hatten wider den bruch der römischen kilchen, in Sicilia

--523--

durch Gregorium vorgemelt ward nachgelassen. Aber so ferr, das
man fürhin keinen meer wyhen solt, er verbündt sich denn on eewyb
zuo sin und reinigkeit zuo halten. Als ouch das in concilio Carthaginensi
statuiert ward, das sich kein bischoff, priester noch diacon
mit wybern vermischen, sunder on eewyber rein solt blyben. Darumb
sag ich, das man nit lichtlich wirt bewysen, das den priestern ye die
ee sy nachgelassen.

--524--

Antwurt meister Ulrich Zwingli:^@{
Und ob ir ouch sprechend "syt der zyt der apostlen", so ist
dennach die ee den priestern uß dem göttlichen gsatz nit verbotten,
ja erloubt und nachgelassen, als ich vorhin bwyßt hab. Daß die
priester vormals eewyber gehebt, ist gnuogsam anzeigung, das vil
priesterssön bäpst und bischoff vor ziten sind worden, welches nit
beschähen wer, wenn sy nit in eelichem stadt werend geboren. Was
ists, das man immer menschlich satzung, menschentant fürhelt unnd
stätigs traditiones humanas dem götlichen willen fürsetzet, so sich
doch erfindt, das ouch die vätter wider vil satzungen selbst geredt,
als ir wissent, wie der frumm man Paphnutius so häfftig wider
sölich statut redt und nit wolt in die verbottne ee der priester verwilligenn.
Ouch schrybt Eusebius, das etlich aposteln ire eewyber
by in gehebt hand, welches alles gnuogsame anzeygung sind, das

--525--

sölichs durch die menschen mitler zyt angefangen, doch uß dem gesatz
gottes nyemants, weder leyen noch priestern, verbotten ist.
Unnd obglych im concilio Niceno - als ir sprechend - on eewyber
zuo sin den priestern uffgelegt ist, was ist das meer? Es was
doch ouch vor zyten der touff, bschehen von den ketzeren, lange zyt
gerecht und als tüglich von vil vättern geschetzet, wie Ciprianus
schribt; aber harnach im concilo [!] Carthaginensi ward das untüglich
erkent unnd abgestelt.
^@aUff semlichs vilfeltigs fürbringen meister Ulrichs thet
vicarius
anders nüt anfechten unnd bereden denn der ketzer touff, und das uß
der ursachen:
Meister Ulrich hat geseyt, wie der touff der ketzer wer vonn
etlichen als tüglich geschätzt, bezügt sich das uff Ciprianum. Aber
vicarius begert, man solt die wort meister Ulrichs uffzeichen. Vermeint,
in also in kleinem zuo fahen; denn meister Ulrich möcht wol in
sinen worten mißgeret han. Deßhalben begert er ouch selbst, man

--526--

solt ein Ciprianum bringen, so wurd man des kriegs entscheiden.
Aber vicarius sprach: Wie, wenn es stuend im Cipriano, wie ich sag
unnd nitt, wie ir meinent?
Und ward also ein zanck, der nüt zuo der fragen, darumb vicarius
offt zuo antwurten ermant was, dienet. Darumb hab ich des nit groß
acht genummen zuo behalten oder zuo schryben. Doch hab ich das recht
verstanden, so hatten sy beyd recht. Denn Zwingli redt von denen,
so von den ketzern getoufft: die solten, wie Ciprianus spricht, widerumb
in der kilchen getoufft werden, welches etlich vermeinten nit not
zuo sin; vicarius aber redt von denen, die vormals vonn Christen
getoufft, darnach erst in ketzery vilen, so dieselbigen widerumb zuo der
christlichen kilchen begerten, bedörfften sy keiner touff meer, allein
der penitentz durch ufflegung der henden etc. Darwider ouch etlich
warent, wie dann das alles Ciprianus in epistola ad Pompeium,
item ad Quintinum thuot bschriben.
Als sich nun in diser materi vil der reden hatten verloffen, stuond
uff doctor
Sebastian Hoffman von Schaffhusen, Barfuoßer ordens,
also redend:
Wolgelerten, geistlichen, ersamen, wysen, günstigen, gnädigen,
lieben herren! Es erfordert not, das ich ouch muoß zuo den sachen
reden. Ich bin in vorgangnem jar zuo Lutzern leßmeister gsin;

--527--

daselbst nach minem höchsten vermögen und flyß geprediget, als ich
hoff und weiß, nit anders denn das wort gottes der göttlichen geschrifft.
Under welchen miner predigen, zuo Lutzern gethon, hab ich offt
gmelt, wie ouch ander meer vil unnützer gewonheiten das fürbittung
oder anrueffung der heiligen und der muoter gottes; hab davon gerett
nach inhalt unnd leer göttlicher geschrifften. Vonn wegen sölicher
miner predigen, zuo Lutzern vorgemelt gethon, sind mir etlich artickel
uffgezeichnet worden, gen Costentz geschickt, under welchen ouch
der von anrueffung der heiligen einer ist, mich als ein ketzer verklagt,
ouch also gescholten und zum letsten ouch darumb von Lutzern
vertryben. Diewyl nun hie min herr vicarius vormals anzogen hat
unnd geredt, das fürbittung unnd anrueffung der heiligen in der göttlichen
geschryfft gegrünt syg und im alten testament gedacht, so bitt
ich hie umb gottes willen, dieselbige geschryfft, damit sich vicarius den
priester, zuo Costentz gefangen, überwunden haben beruempt, anzuozeygen,
wie vormals offt von im erfordert ist, so ich doch ouch von
wegen des artickels als ein ketzer vor minen gnädigen herren von
Costentz beschuldiget bin; will ich das zuo hohem danck annemmen
und mich lassen guetigklich leeren, ob ich villicht in minem predigen
geirt, die warheit nit geseit oder die geschryfft nit recht gelesen und
verstanden hette.
Darzuo redt
meister Ulrich:^@{
So wir doch uß dem alten und nüwen testament götlichs worts
nit meer denn allein ein trost, ein heil, ein säligmacher, ein mittler,
ein fürsprecher vor gott wissend: Jesum Christum, in dem und
durch welchen wir allein gnad, hilff und sälikeit mögen erlangen und
sunst von keiner creatur im hymmel noch uff erden.
^@aAntwurt
vicarius
lachend und sprach:
Ich weiß wol, das Christus Jhesus allein ist aller menschen
trost, heyl und sälikeit, ein fürsprech und mitler zwischen uns und gott,
sinem himmlischen vatter, die höchste staffel, durch welchen allein

--528--

der zuogang ist zuo dem thron götlicher gnaden und barmhertzikeit ad
Heb. 4. [Hebr. 4. 16]. Nit dest minder mag einer wol durch die
nydern staffel ouch wol zum höchsten kummen. Darumb bedunckt
mich, die lieben heiligen und die muoter gottes sind nit zuo verachten,
so doch wenig sind, die nitt fürbitt der muoter gottes und der heiligen
hand empfunden. Gott geb, was yederman sag oder gloub; ich hab
ein leyter an hymmel gstelt, gloub vestenklich an das fürbittung der
himmlischen, hochgelobten künigin, der muoter gottes; und ein ander
mag glouben oder halten, was er will.
Daruff redt
meister Ulrich:^@{
Das wer doch wol ein torechtigs stuck, so einer zuo dem obersten
staffel on die nydersten und on arbeit möchte kummen oder sunst
daruff were, daß er erst am nydersten anfieng. Herr vicari! Wir
disputieren hie nitt, wie man soll die heiligen anrueffen oder was
gloubens ir habent. Wir begeren allein die geschrifft anzuozeygen, wie
man das vormals offt vonn üch begert hat und gebetten.

--529--

^@aUff sölichs stuond uff meister
Leo Jud
und redt also:
Gnädigen, fürsichtigen, ersamen, wysen, günstigen, lieben herren!
Ich bin nun von üch, minen herren, hie zuo Zürich angenummen
- villicht ungeschickt - zuo eim lütpriester unnd pfarrer, üch das
wort gottes, das euangelion Christi, zuo verkünden, des ich mich, so

--530--

ferr mir die gnad gotes bhilfflich sin, und der geist gottes bystand
tuon wirt, zuo tuon in allweg flyssigen wil nach minem besten vermögen.
Nun aber so byßhar vil der mentschen gesatz, uß langer gewonheit in
der kilchen gehalten, mit dem euangelio sich vermischen, das sy offt
dem euangelio glich ze halten geprediget werden und gebotten, sag
ich yetzund, das ich sölcher menschlicher statuten wenig würd achten;
allein üwer lyeb, das heyter unnd luter euangelium und was ich mit
göttlicher geschrifft warhafftig darbringen mag, fürhalten würd und
leeren, unangesehen menschlich gebott oder langer zyt gewonheit; so
doch sölich menschlich satzung, vonn bäpsten oder bischoff gebotten,
hie zuogegen durch meister Ulrichs ußgangne bschlußreden dem
euangelio und der warheit gantz widerwertig zuo sin erkant unnd überwyßt
werden und doch ouch niemants hie ist, der etwas warhafftigs
oder grüntlichs darzuo reden wil oder weyßt. Desglychen ouch hie min
herr vicarius sich vermessen, anrueffung unnd fürbit der heiligen durch
göttlich geschrifft zuo beweren und anzuozeygen, aber sölichs noch nit,
wiewol offt ermant, ist beschehen. Bitt ich ouch, dasselbig vonn im
zuo hören unnd zuo wissen, wo geschriben stadt in vorgemelten biblischen
buecheren vonn anrueffung oder fürbittung der heiligen; denn
das wirt villicht ouch von mir durch mine predig - so mir got gnad
verlicht - angezogen werden und gemeldt, das man allein Christum
Jesum anrueffen sol, sich alles trosts, aller hilff, gnad unnd säligkeit
allein zuo im versehen; dasselbig sunst von keiner creatur gesuocht unnd
begert sol werden. Darumb, herr vicari, beger ich, ir wölt mich des,

--531--

ob ich irte, bescheiden unnd der geschrifft berichten, anzeigen ort
unnd end, wo geschriben ist, daß die heyligen von uns anzuorueffen sind
oder fürbitter syen. Sölichs wil ich zuo grossem danck annemmen
unnd mich vonn üch gern lassen underwysen.
Antwurt vicarius:
Ne Hercules quidem contra duos. Sol ich wider zwen fechten?
Das ist doch dem starcken Herculi, als by den alten im sprichtwort
was, zuo schwär zuo sin geschätzt worden. Lieber herr! Ich hab nüts
mitt üch zuo schaffen.
Antwurt Leo:
So hab ich aber mit üch zuo schaffen.
Sprach vicarius:
Ich weyß nitt, wer ir syet.
Antwurt Leo:
Ich wil gern üwer guoter fründt sin, so ferr üch das zuo danck ist.
Antwurt vicarius:
Das schlag ich nit uß; denn ich bin nit hie, mit yemants unfrüntschafft
zuo machen. Sind ir denn min guoter fründ, wie ir sagent,
so geschicht uns glich wie Socrati und Soloni, die ouch durch
disputation guot fründ wurden.
Antwurt Leo:
So hand ir doch eins fründts mer denn vorhin.

--532--

Sölichen und andern spetzlin zuo weren, fieng
meister Ulrich
an zuo reden:^@{
Wolt got, das der spruch: Ne Hercules quidem etc. so lichtlich
von menchem verstanden wurd unnd gehaltenn, als gemein er sunst
ist im bruch zuo citieren. Herr vicari! Wir begeren gschryfft ze hören
vonn anrueffung unnd fürbitt der heiligen, nitt sölicher unnützen reden
und tantmären.
^@aUff das antwurt
vicarius:
Wir haben das im bruch unnd gewonheit christlicher kilchen und
wirt von allen Christenmenschen also gehalten, mit der letany bestätiget
unnd canone misse, das wir die muoter gottes und die heiligen
anrueffen für uns zuo bitten. Des gibt uns die muoter gottes selbst kuntschafft,
da sie spricht, als der euangelist Lucas bezüget [Luc. 1. 48]:
Ex hoc beatam me dicent, sälig werden mich sprechen alle geschlecht;
und ir muom Elisabeth hat sy früntlich angeredt, sprechend [Luc.
1. 43]: Unde michi hoc etc., vonn wann kumpt mir das, das die muoter
des herren zuo mir kumpt? Item [Luc. 1. 42]: Sälig bist du under den
frowen etc. Das bezügt uns ouch das fröwlin im euangelio, schryent
[Luc. 11. 27]: Sälig ist der lyb, der dich getragen hat, und sälig sind
die brüst, die du gesogen hast. Item wir singen täglich: Sentiant
omnes tuum levamen, es empfinden alle die din hilff, die da eerent
din gedechtniß. Doch, so min red unnütz unnd ein tant sin soll,
will ich doch wol schwygen.

--534--

Also schweyg vicarius still unnd saß nyder.
Stuond harnach uff doctor
Martin von Dübingen,
also zuo den sachen redend:
Lieben herren! Es ist hie vil geredt wider den bruch unnd
satzung der christlichen kilchen, so vonn den heiligen conciliis unnd
vättern, im heiligen geist versamlet, gesetzt unnd geordnet ist, welchs
ouch in löblichem bruch und langer gewonheit byßhar unstrefflich gehalten.
Dasselbig zuo widerreden unnd zuo schelten, ist ein frävenlich
sach. Denn was die heyligen concilia unnd vätter, nemlich in
den vier conciliis, uffgesatzt unnd beschlossen ist, das soll man in der
christlichen kilchen glich den euangeliis halten, als wir geschryben
hand dist. 15. [Corpus iur. can. c. 2 Dist. XV]. Dann die kilch,
durch die concilia im heiligen geist versamlet, mag nitt irren. Deßhalben
gebürt sich niemants wider decreta und ire satzung ze reden,
als das im heyligen euangelio Christus bezüget, do er spricht
[Luc. 10. 16]: Qui vos audit, me audit, welcher üch hört, der hört
mich, und welcher üch verachtet, der verachtet mich. Da redt
Christus zuo sinen jungern und zuo denen, die an der zwelffbotten
stat als bischoff und bäpst die christliche kilchen regieren, wie
dann die römisch kilch nun vil hundert jar ein muoter aller andren
ist, unnd durch die wort Christi Math. 16. [Matth. 16. 18f.] bestätiget,
als uns das beschriben wirt Dis. 10. et 12. ca. in nova et cap. quamvis.

--535--

Uber das wirt hie geredt unnd gefochten, wyder das anrueffen der
lieben heyligen, glich als ob sölicher eerlicher unnd götlicher bruch
in der Christenheit mench hundert jar gehalten, nit grünt uß der
geschryfft hette, so doch der heilig Hieronimus ad Iovinianum
vil vonn fürbittung der heiligen schribet unnd dasselbig uns fürderlich
zuo sin bewert mit heyteren götlichen geschryfften. Des wir ouch warhafftige
kuntschafft nemmen uß dem canon der götlichen meß vonn
den alten bäpsten, bischoffen gemacht unnd durch die letany vonn

--536--

Gregorio uffgesetzt, in aller Christenheit gesungen, überwyßt, das
fürbittung unnd anrueffung der lieben heyligen unnd der muoter gottes
nit vergebens ist angesähen. Ouch sehen wir das uß täglicher erfarnuß
der wunderzeychen, so beschehend allenthalben. Darumb bedunckt
mich unbillich, sölichs als unnütz unnd wider die geschrifft ze sin
achten unnd schätzen etc.
Antwurt meister Ulrich:^@{
Der guot herr vermischt sich ouch ze reden, wendt hie für vil
der satzung unnd brüch der kilchen, vonn den vättern unnd conciliis
durch den heiligen geist versamlet, geordnet; vermeint, man solt darwider
nitt reden etc. Sprich ich: Er wirt noch lang nitt bewysen, das
die concilia alle im heiligen geyst zuo allen satzungen, durch sy beschehen,
versamlet sind, als vormals erwyßt ist, das sy offt wider einander
statuiert haben unnd hüt eins, morn ein anders beschlossen,
gemacht unnd widerumb abgethon, unnd aber der heilig geist im
allenthalben selbst glich ist, nit wider sin wort, einmal gebotten, thuot
reden. Das er aber spricht: Was durch die concilia und vätter beschlossen
ist, soll man den euangeliis glych halten, sag ich: Was der
euangelischen warheit glichmessig ist und nach dem geist gottes, nit
nach mentschlichem geduncken gesatzt, ist man schuldig dasselb zuo
halten. Was aber über das by einer todtsünd ze halten durch bäpst
oder concilia gebotten ist, wellen wir nit schuldig sin, dasselbig dem
euangelio glich zuo leysten; wir wellen fry in dem sin, unser conscientzen
damit nüt zuo beschwären. Exempli gratia: Wenn der bapst
oder concilium unns gebüt by einer todtsünd zuo fasten oder kein eyer,
kein ancken, kein fleisch zuo essen, das unß doch got nit zuo thuon gebotten
hatt, sunder erloubt unnd fry gesetzt, wellen wir darumb nit
glouben, das söliche und andre meer satzung, so vonn den conciliis

--537--

beschehen, uß dem heyligen geist sy unnd glych dem euangelio zuo
halten. Wie können wir dazuo, das sy uns wolten gebieten kein keß,
kein eyer, kein milch, sunder stinckends öll zuo essen, damit sy kum
zuo Rom ire schuoch thuond salben, sunst huener und copunen ässen.
Spricht man aber: Es stadt also verschryben in den geistlichen rechten
unnd haben also gsetzt die vätter, sag ich: Es statt anders geschriben
im Paulo, unnd hatt uns vil ein anders und lichters gesatz
geben Christus. Nun syen wir ye gott oder dem heiligen geist meer
schuldig gehorsam zuo sin dann den menschen acto. 5. [act. 5. 29]. Das
er aber fürwendt: Die kilch hatt sölichs gebotten, die mag nit irren,
frag ich: Was heißt die kilch? Meint man den bapst zuo Romm mit
grossem, herrischen gewalt und pomp der cardinäl unnd bischoffen
über all keyser unnd fürsten, so sag ich, das dieselbig kilch offt irt
unnd geirrt hatt, als das menigklich weißt, wyl sy landt und lüt verderbent,
stett verbrennen und das christlich volck verheren unnd
vonn wegen irs zytlichen brachts zuo tod schlahen, on zwyfel nit uß
befelch Christi unnd siner aposteln. Aber es ist ein ander kilch,
die wellen die Papisten nüt lassen gelten; dieselbige ist nüt anders,
denn die zal aller recht Christglöbigen, in dem geist unnd willen

--538--

gottes versamlet, welche ouch ein festen glouben und ein ungezwifelte
hoffnung in got iren gesponß setzet. Dieselbig kilch regiert nit nach
dem fleisch gewaltig uff erdrich, herscht ouch nitt uß irem eignen
muotwillen, sunder hangt unnd blybt allein an dem wort unnd willen
gottes, suocht nitt zytlich eer, groß land und lüt under sich ze trucken
und den andren Christen ze herschen. Die kilch mag nit irren.
Ursach: Sy thuot nüts uß irem muotwillen oder was sy guots bedunckt,
ja suocht allein, was der geist gottes heißt, erfordert und gebütet. Das
ist die rechte kilch, ein unbefleckte brut Jesu Christi, durch den
geist gottes regiert unnd erquickt. Aber die kilch, die von den Papisten
wirt so hoch geworffen, irt so fast unnd so grob, das ouch die
Heyden, Türcken und Tattern wol wissen. Das er aber inhar
zücht den spruch Christi Luce am 10. [Luc. 10. 16]: Welcher üch
hört, der hört mich, und welcher üch verachtet, der veracht mich,
dütet denn uff bapst, bischoff, regenten römischer kilchen, sag ich,
das sölichs nit der sinn ist Jesu Christi, das wir in allem dem, so
sy uns gebieten, inen ghorsam sin sollen. Dann Christus der herr
wüßt wol, das sölich groß hansen uff dem stuol Moysi wurdenn
sitzenn, die dem armen untregliche oder schwere bürden uff den
halß legten, die sy mit dem finger selbst nit anruerten [Vgl. Matth.
23. 2-4]. Darumb wirt diser spruch: Welcher üch hört, der hört ouch
mich etc. nitt dahin dienen, wie in die Papisten und Sophisten
thuond düten, sunder das ist der recht verstand, wie ouch das uß dem,
das vorstadt unnd nachvolget, erkent wirt: Do Christus sine junger
ußsandt das euangelium zuo predigen in die land und stett, sprach er
[Matth. 10. 7]: Ganget hin und prediget, sprechent, das rych gottes
nähet sich etc. Unnd harnach sprach Christus: Welcher üch hört
oder üch uffnympt, wie Matthäus [Matth. 10. 40] spricht, der hört
mich etc. Vermeint: Sy sollen sin wort predigen unnd dem volck
fürhalten, nit mentschentant unnd gesatz. Denn man dient dem

--539--

herren vergebens, so man menschen leer unnd gebot fürwendt. Nun
laßt sich der guot herr ouch mercken, wie Hieronymus vonn anrueffung
unnd fürbittung der heyligen ad Iovinianum schrybe, das er
doch nit recht besehen hat; denn es stadt ad Vigilantium. Doch
wie Hieronymus die geschrifft von anrueffung oder fürbitt der heyligen
büget, wie er dann sunst offt thuot, das ist allen denen ze wissen, die
Hieronimum mit guotem urteil lesend. Zum letsten von dem canon,
der in der meß wirt gelesen, darinn anrueffung unnd fürbitt der heyligen
anzeygt ist, sag ich: Man sicht wol, das der canon nit vonn einem
allein gemacht, sunder vonn vil zesamengesetzt ist; dann es sind vil
übriger wort darinn, als: hec dona, hec munera etc.; uß welchem
ermessen wirt, das er nit vonn eim gelerten gemacht ist. Es haben
ye die aposteln nit also meß gehalten; ouch findt man, das an etlichen
orten der canon nit wie by uns im bruch ist, das ich - ob gott will -
anzeygen und in kurtzen will bwysen. Von den wunderzeichen, so von
den heiligen beschehen, ist vorhin geseyt. Wer weißt, vonn wem
oder warumb gott das verhengt? Wir sollen das nit so lichtlich
den heyligen zuomessen durch unsern mißglouben, so wir an Christo
verzagen unnd zuo der creatur louffen umb hilff zuo begeren. Das
alles zeygt an ein schwachen glouben unnd kleine hoffnung zuo Christo
Jesu, dem wir nitt recht und gantz tuond vertruwen. Warumb fliehen

--540--

wir von im und suochen hilff von den heiligen, so wir doch nit gwiß
uß der geschryfft erkennen, daß sy unser fürsprecher sind.
^@aNachdem stuond uff doctor Sebastianus von Schaffhusen,
Barfuserordens, fieng an ein gesessnen radt zuo ermanen, das sy
hanthaben und beschirmen wolten euangelische leer fürhin wie bißhar,
so doch niemants da were, der etwas grüntlicher geschryfft uff menchs
erfordern dar möcht bringen. Aber er kundt nit ußreden.
Vicarius
fiel im in sin red unnd sprach:
Doctor Sebastian! Ir solten schwigen unnd nitt also reden.
Ir wissent wol, was ir minem gnädigen herren verheissen hand; es
gebürt sich nitt eim man also beweglich ze sin, wie ein ror vom wind
sich laßt bewegen; ir hand das vormals nit verheissen.

--541--

Antwurt vorgemelter doctor Sebastian:
Liebe herren! Was ich dem bischoff verheyssen hab, dasselb
han ich trüwlich unnd redlich gehalten. Aber mir ist vonn den sinen
nit gehalten unnd geleystet, das sy mir hand verheyssen. Das bezüg
ich mich hie offentlich geredt haben.
Uff semlich red stuond uff ein ander doctor, leßmeister unnd
predicant zuo Bern, Barfuoserordens; ermant ein wysen radt von
Zürich, also redend:
Ersamen, fürsichtigen, wysen, gnädigen, günstigen herren von
Zürich! Üwer fürnemmen und meynung, so von üch durch offne
brieff, dem euangelio zuo hilff, in all üwer landtschafft ußgangen, gefelt
mir wol unnd lob gott, das ir die sind, die das wort gottes fürderen
unnd nit verhindern. Bit ouch got, das er üwer wyßheit vonn sölichem
göttlichem fürnemmen nitt well wenden unnd fallen lassen, und das er
üch krafft unnd macht, sterck unnd trost geb unnd verlych, das ir ab
keinenn weltlichenn gewalt bapsts, bischoffs oder keysers erschreckend,
sunder in der sachen handlent, das gott zuo vorab und üch zuo ewigem
lob werd gemessen unnd achtent nit, das üwer ein kleiner huff unnd
wenig syend. Nit red ich das üch zuo verachtung, sunder ich meins
also, daß ir nit ein gantz künigrich vermögent unnd zuo rechen gegen
so vil völckeren, ein kleine zall geschätzt. Gedenckent, das gott allweg
durch die kleinen unnd schwächsten sin göttlichs wort und willen
hat lassen in die welt kummen, dasselbig verborgen vor den grossen
wysen diser welt. Darumb fürchtent nitt, die den lyb mögent verderben,
den seelen können sy nüts schaden. Achtent nitt, das wyder
die euangelische warheit yetz sind bischoff, bäpst unnd Sophisten.

--542--

Also ist das von gott angesehen, das er die wysen diser welt unwissend
machte unnd die warheit durch die einfeltigen würd geoffnet.
Darumb bitt ich üwer wyßheit, bestendig in dem wort gottes zuo blyben,
das ich ouch minen herren von Bern, deren predicant ich bin - nit
im Münster, sunder zuo den Barfuosern ein lector -, trüwlich will
ruemen, üwer eer unnd lob brysen. - Also saß er widerumb nider.
Nachdem ermant ein burgermeister von Zürich abermals, ob
yemants meer wolt zuo den sachen reden, der möchte das thuon. Mine
herren, sprach er, sind mued zuo sitzen. Es wer ouch bald zyt zuo
morgen zuo essen.
Do stuond uff ein korherr von Zürich, mit namen meister
Jacob Edlibach,
also sprechend:
Nun losent, lieben herren! Min guoter fründ unnd mitbruoder,
meister Ulrich, hat vorhin ermant by christlicher lieb alle die, so
wider in etwas hetten, zuo reden. Nun bin ich etwann mit im in span
gesin von wegen etlicher sachen und reden. Ist aber dasselbig zuoletst
durch uns beyd an ein capitel gsetzt; daselbst darinn handelt, das ich

--543--

vermeint, es wer überhin und solt von nyemants meer angezogen
werden. Nun aber, so meister Ulrich so offt durch got ermant die
wider in geredt herrfür zuo tretten, hab ich gedacht, er möcht
mich ouch meinen. Darumb sag ich: Wil meister Ulrich dasselbig,
so zwischen mir unnd im gehandelt, by der erkantnus miner herren
vom capitel lassen blyben, bin ich zuofryden; wil das wyter nitt anziehen.
Dann die sach ist schlecht unnd nüts; ich weiß ouch nüts
von meister Ulrichen, denn als von einem guoten fründ und capitelbruoder.
So ferr er aber das nit will und mich ermant, so will ich
das hie vor üch, minen herren, anziehen; dann sy stond da hinden,
reytzen und spotten, man dorff nüt reden.
Antwurt meister Ulrichs:^@{
Lieben herren! Ich hat mir ernstlich fürgesetzt alle die zum
dritten mal mitt namen harzuo zuo rueffen, die mich ein ketzer unnd
derglychen beschuldiget haben, aber ich hatte warlich des nun vergessen
unnd wer mir ouch der guot herr meister Jacob Edlibach
nye zuo sinn kummen. Es ist nit minders: Ich hab etwas mit im vor
minen herren, dem probst unnd capitel, gehandlet, das ich vermeint
nit not zuo sin, ouch nimmer meer gedacht hette, hie fürzewenden.
Diewil er aber selbst unberuefft uffstadt und sölichs hie wil anziehen
unnd ußrichten, bin ich wol zuofryden.
^@aAntwurt meister Jacob:
Die sach ist nüt. Ich bin zuo meister Ulrichen kummen in sin
huß, hatt er mich bescheiden, wiewol nit gantz, doch bin ich wol zuofryden.
Ich weiß nüts von im denn alles guots; er ist mir ein guoter herr
und mitbruoder. Deßhalben will er sölichs lassen blyben, wie es dann
vor minem herren, probst und capitel, gemacht, bin ich wol benuegig.
Anwurt meister Ulrich,
sprechend:^@{
Ir mögent das wol hie anziehen. Es ist mir wol gefellig unnd ist
mir lieber hie vor minen herren, diewil ir das selbs thuond melden.

--544--

^@aDoch waren etlich da, villicht meister Jacobs vorgemelt verwanten,
retten und vermeinten, meister Ulrich tet wol hübschlicher,
diewil man meister Jacob kumm ze reden gereytzt hette.
Verantwurt das meister Ulrich: Er hett des eegenanten meister
Jacobs nye gedacht, wer im ouch nitt zuo sin kummen, das er solt
davon reden etc.
Also wart ein span. Ettlich der ratdsherren wolten, man solt
das vor dem capitel ußrichten, do es angefangen hette; die andern
vermeinten, man solt das in gegenwürt der gelerten und herren verhören.
Doch wart zuoletst der sach nit mer gedacht unnd also gestilt,
villicht für capitel behalten unnd blyb ye also unangezogen. Das
meld ich darumb, wiewol nit vil zuo der sachen dienent, das man nit
möcht sprechen und mich beschuldigen, ich hette nit alle red und
widerred, dazuomal beschehen, anzeyget oder begriffen.

--545--

Nach dem erloubt ein burgermeister von Zürich yederman, so
nit des rats were, an sin herberg zuo gon, zuo morgen zuo essen, biß uff
wyter erforderung; dann es was nachhent mittentag. Aber den
radtsherren gebot vorgemelter burgermeister ze blyben, villicht wyters
darinn sich beraten. Also stuond man uff und gieng mengklich von
den frembden an sin herberg.
So vil ist vor mittag gehandelt.
Als nun yderman gässen hatt, wart verkünt, widerumb uffs
radthuß ze kummen, den abscheyd, vonn eim wysen radt von Zürich

--546--

beschlossen, ze hören. Unnd da mengklich sich versamlet, wart
vor radt offentlich gelesen, wie harnach statt:
Als ir dann im namen des herren unnd uff die beschribung eins
burgermeisters, radtes unnd des grossen radts der statt Zürich und
uß den ursachen, in denselben üch zuogesanten briefen begriffen, als
gehorsam erschynen etc. unnd aber, gar nach ein jar verlouffen, unsers
gnädigen herren von Costentz erwirdig bottschafft sölicher sachen
halb, wie ir uff hüt gehört, allhie in der statt Zürich vor einem
burgermeister, klein unnd grossen räten gewesen, und hierumb allerley
gerett worden ist, dannzemal vorabscheidet: Das unser gnädiger herr
vonn Costentz daran sin wolte, in sinem bistum die gelerten, darzuo
an den anstossenden bistumben und prelaturen die predicanten zuo
berueffen, raten, helffen unnd mit denselben handlen, darmit einhelliger
beschluß beschehe unnd mengklich sich wüßte ze halten; so aber
bißhar von unserem gnädigen herren von Costentz, villicht uß mercklichen
ursachen, deßhalb nüt besunders volendet ist und die widerwertigkeit
sich für und für under geistlich unnd weltlichen erhept;
daruff habent abermal ein burgermeister, ratt unnd der groß radt der
statt Zürich in dem namen gottes umb fryden und christlicher einhelligkeit
willen disen tag angesetzt und zuo dem unsers gnädigen herren
vonn Costentz lobwirdig bottschafft vermögen, des sy iren gnaden
hohen und flyssigen danck sagent, ouch hiezuo alle lütpriester, predicanten,
seelsorger gemeinlich und yeden insunders durch ir offne
brieff, wie obstat, uß aller iro landtschafft in ir statt für sy beschryben,
beruefft und beschickt, unnd die, so einandern beschuldigen

--547--

unnd ketzer gescholten, gegen einandern zuo verhören. Diewyl aber
meister Ulrich Zwingli, zuo dem Grossen Münster in der statt
Zürich chorherr und predicant, vorhar vil hinderredt und siner leer
gschuldiget worden, so hat sich uff sin erbieten unnd offnen
siner fürgehaltnen artickeln nyemants wider in erhept oder mitt der
göttlichen geschryfft in understanden zuo überwinden, als er ouch die,
so in ein ketzer geschuldiget, zuo meerem mal harfür ze gon erfordert,
unnd aber nyemant einicherley ketzery siner leer bewyßt: habent
daruff die obgemeltenn burgermeister, radt und der groß radt diser
statt Zürich, unruow und zwytracht abzestellen, nach irem hierüber
gehaptem verdanck unnd radtschlag sich erkennt, entschlossen, unnd
ist ir ernstlich meinung, das meister Ulrich Zwingli fürfaren unnd
hinfür wie bißhar das heylig euangelium unnd die recht götlich geschryfft
nach dem geyst gottes sines vermögens verkünde. Es söllent
ouch all andre ire lütpriester, seelsorger und predicanten in iro statt
und landtschafften unnd herschafften annders nütt fürnemmen noch
predigen, dann was sy mitt dem heyligen euangelion unnd sunst rechter
göttlicher geschrifft bewären mögen. Deßglychen söllent sy einanderen
hinfür keiner gestalt schmützen, ketzeren noch andere schmachwort
zuoreden. Dann welche hierinn widerwertig erschynent unnd dem
nitt gnuog thätent, dieselben wurde man dermassen halten, das sy
sehen und befinden mueßten unrecht gethan haben. Actum in der
statt Zürich uff den 29. tag januarii anno 1523.
Uff sölichs stuond uff meister
Ulrich Zwingli,
redt also:^@{
Gott syg lob unnd danck, der sin heyliges wort in hymmel unnd
erden will herschend! Unnd üch, minen herren von Zürich, wirt

--548--

on zwyfel der allmechtig, ewig gott in andrem ouch krafft und macht
verlyhen, das ir die warheit gottes, das heylig euangelium, in üwer
lantschafft handthabend und zuo predigen fürdert. Hand des kein
zwyfel. Der allmechtig gott wirt üch deß in anderm ersetzten unnd
belonung geben. Amen!
^@aOb dem vicario vonn Costentz sölicher abscheid gelesen gefiel
oder nit, weiß ich nit eygentlich; dann er sprach also:
Lieben herren! Es ist hüt vil geret wider die löblichen, langharkummenden
brüch, gewonheit und satzung der heiligen bäpsten unnd
vätter, welcher constitutiones und geschrifften in der gantzen Christenheit
warhafftig, gerecht unnd unstrefflich byßhar gehalten. Sölichs
zuo beschirmen und erhalten hab ich mich erbotten vor den hohen
schuolen. Nun aber, so ich erst hüt meister Ulrichs artickel fürgehalten
übersehen - dann ich sy nästenn nitt gelesenn hab -,
bedunckt mich warlich, das dieselben gantz und gar wider die ceremonias,
das ist: wider die löblichen herligkeit oder pracht der
kilchen, gott zuo lob unnd eeren beschehen und gesatzt, fechten unnd
stryten, zuo nachtteil der götlichen leer Christi. Das wil ich bewysen.

--549--

Antwurt meister Ulrich:^@{
Her vicary, das thuont! Daß wöllen wir gern hören!
^@aRedt vicarius:
Es statt geschryben Luce 9. [Luc. 9. 50]: Qui non est adversum
vos etc., welcher nit wider üch ist, der ist für üch oder mit üch. Nun
sind ye söliche löbliche gotsdienst oder herlikeiten der kilchen vonn
den heyligen vättern - als da ist: fasten, bichten, hochzitliche tag
begon, singen, lesen, wyhen, meßlesen und ander glichen - uffgesatzt
unnd gebotten nit wider got, sunder beschehen allein zuo lob unnd ere
gott dem almechtigen; will mich gar frembd unnd unrecht beduncken,
das selb sogar, glych wie unrecht, verachten und verwerffen.
Antwurt meister Ulrich:^@{
So min her vicarius fürwendt und spricht uß dem euangelio:
Welcher nit wider üch ist, der ist mit üch, sag ich: Das ist war. Nun
sind die brüch und satzung der kilchen, durch die menschen gebotten
unnd uffgesetzt, nit wider gott etc. Herr vicari, das thuond bewisen;
denn Christus verachtet ye menschlich satzung unnd gebott, als wir
das haben Math. 15. [Matth. 15. 1-9]: Do die Juden und Phariseyer
den herren beraffleten unnd strafften, warumb sine junger nit hielten
die leer und satzung der alten, sprach Christus zuo inen: Warumb

--550--

übertrettent ir das gebott gottes von wegen üwer leeren und satzung etc.
Unnd rett der herr wyters: Wol hat vonn üch betruogner der prophet
Esaias gseyt: Das volck eret mich mit den lefftzen oder mit dem
mund, aber ir hertz ist wyt von mir. Dann sy eerent mich vergebens,
so sy leerent menschen leer unnd gebott. Hie hört man, das got
unser satzung und leer, so nit von im kumpt, nit wil haben; verachtets,
spricht: Wir dienen im vergebens, welches uns ouch anzeygt der heylig
Paulus, do er also schribt [Col. 2. 8. 16f.]: Lieben brueder! Luogent,
das üch niemants verfuor durch menschlich wyßheit und betrug nach
der leer oder satzung der mentschen, nach den leeren diser welt und
nit nach dem Christo. Niemants sol üch bereden oder urteilen
in der spyß oder im tranck oder in den hochzytlichen festen oder der
fyrtagen; die ding sind nur ein schatten etc. Gott will allein haben
vonn uns sin gesatz, sinen willen, nitt unser guotgeduncken. Gott dem
herren ist meer gelegen an der gehorsame siner worten - wiewol
sy das wörtlin "gehorsam" uff die menschlich gehorsamkeit ziehent -,
denn an allen unsern opffern unnd selberdachten kilchbrüchen, als
wir das hand in aller götlichen gschrifft der propheten, zwölffbotten
und heiligen. Die gröste unnd rechte eer, got zuo erbieten, ist, so
man haltet sin wort, lebt nach sinem willen, nit nach unsern gesatzten
und guoter meynung.
^@aVicarius:
Christus sprach Joannis 16. [Joh. 16. 12f.]: Ich hab üch noch
vil ding zuo sagen, die ir yetz nitt all mögent tragen oder behalten.
Wenn aber kumpt der geyst der warheit, der wirt üch alles leeren.
Es ist vil dings von den heiligen vättern durch den heiligen geist ußgesetzt
unnd insunders die fasten, ouch der samstag durch die
zwölffbotten, das doch im euangelio nit ist beschriben, weliches sy
on zwyfel der heylig geist gelert unnd underwyßt hat.

--551--

Antwurt Zwingli:^@{
Herr vicari! Das bewäret mit götlichen geschrifften, das den
samstag unnd die fasten die zwölffbotten uffgesetzt haben. Christus
sprach am erstgemelten ort: Der geist gottes würdt sy alle warheit
leeren, on zwyfel nit mentschentant; dann er sprach Joannis am 14.
[Joh. 14. 26]: Der heilig geist, welchen der vatter sendt in minem
namen, derselb wirt üch - vermeint die zwölffbotten - alle ding
leeren und würt üch ingeben, raten oder erinnern alle ding, die ich
üch wird sagen, als ob er sprech on zwyfel: Nitt was üch guot dunckt,
sunder was der geist üch leert in minem namen, nach der warheit,
nit nach menschlichem geduncken. Nun haben ye die heiligen aposteln
nüts anders gelert, uffgesetzt, geheissen unnd gebotten, denn was
ynen Christus im euangelio hat empfolhen. Dann Christus sprach
zuo inen [Joh. 15. 14]: Ir sind mine fründ, wenn ir thuond die ding, die
ich hab geheissen oder gebotten. Dasselb haben ouch die lieben
junger ernstlich gehalten und nüt anders uns geleert, denn wie sy der
recht meister zuo leeren ußgesant hatt unnd underwysen. Weliches
sich erfindt durch sant Pauls unnd Peters episteln. Deshalben
söliche üwer argument mögen nüts verfassenn; dann ich darff das mit

--552--

der warheit sagen, das ich deren ob die sechtzig wüßt zuo nemmen in
diser stuben von minen herren, leyen, der geschrifft nit gelert, die all
üwer argument, bißhar fürgwendt, könden umbstossen unnd mitt dem
euangelio niderlegen oder solvieren.
^@aRett vicarius:
Wolan, meister Ulrich! Gebent ir das zuo, das man allein sol
halten, was im euangelio ist verschryben und sunst nüts? Wolt ir
mir das nachlan?
Antwurt meister Ulrich:^@{
Herr vicari! Ir erbarment mich, das ir so mit sophistischen,
spitzfündigen oder nachgültigen reden komment. Ich künd ouch wol
sölich obligationes machen; ich habs ouch wol vor zyten in der sophistery
gelesen; darumb will ich nit mit sölichen geschwindikeiten oder
stricken gefangen werden. Antwurt und fechtent mit luter geschrifft,
sprechend: Da stats geschriben. Das ghört eim gelerten zuo, mit
geschrifft sin sach zuo bewären.
^@aDarauff redt vicarius:
Ir hand uß dem heiligen Paulo, das er traditiones, underwisung
geben hat und geleert, daß nit vorhin geschriben im euangelio. Dann,
do er by den Corinthiern den bruch des sacraments, wie er vonn
dem herren empfangen hatt, insatzt, sprach er unnder anderen
[1. Cor. 11. 34]: Cetera, cum venero, disponam, die andern ding, so
ich kumm, will ich verordnen. Da zeygt sant Paulus an, das er sy
wyters die ere unnd bruch des sacraments underrichten wolte. Das
aber sölichs war sy und die zwölffbotten underwysungen, die durch das
euangelium nit verfaßt sind, per traditiones fürgeben haben, will ich
uß dem heiligen Paulo bewysen zuo den Thessalonicenßern.

--553--

Redt dorinn meister Ulrich; fraget:^@{
Wo stats geschriben?
^@aAntwurt vicarius:
Ir findent das am andern capitel.
Sprach Zwingli:^@{
Wir wellens besehen. Doch es statt nit da. Wir wellens suochen
in der letsten epistel. Nun wolan, farent für.
^@aAntwurt vicarius:
Also spricht sant Paulus [2. Thess. 2. 13-15]: Nos autem debemus
gratias agere etc., wir söllen aber got danck sagen allweg für üch,
lieben brueder etc., das er üch erwelt hat zuo der sälikeit etc. in dem
glouben der warheit, in welchem er üch beruefft hat durch unnser

--554--

euangelium etc. Darumb, ir brueder, blibent stanthafftig und behaltent
die traditiones - das sind underwysung -, die ir gelernet hand, es
sy durch die red oder durch unser epistel. Hie spricht sant Paulus,
das mann blyben soll unnd halten traditiones, durch die reden oder
durch sin epistel ußgangen. Ist ein zeichen, das er gelert unnd underwyßt
hatt, das vorhin nit geschriben, klerlich unnd offenlich erfunden ist.
Antwurt meister Ulrich:^@{
Zum ersten, so er spricht, sant Paulus hab traditiones denen
vonn Corinthien geben, die vorhin nit verschriben, sag ich: Nein;
dann er spricht am selbigen ort [1. Cor. 11. 23]: Ich hab das vom
herren empfangen oder verstanden, das ich üch gelert oder underwißt
hab. Das er aber spricht [1. Cor. 11. 34]: Die andern ding, so ich
kumm, will ich verordnen, dienet nit dahin, wie das vicarius fürgibt,
sunder er strafft die Corinthier vonn wegen des mißbruchs unnd
irsal in nemmung unnd niessung des hochwirdigen sacraments. Dann
die rychen, so sy vonn wegen deß sacraments in der kilchen zuo
nemmen zuosamen komend, überassen sich ein teyl unnd wurden voll,
die andren armen litten zuo zyten hunger, hatten nüt zuo essen
[1. Cor. 11. 21]. Deß strafft sy sant Paulus, schrybend [1. Cor. 11. 22]:
Hand ir nit daheim hüser, zuo essen unnd zuo füllen? als ob er spräch:
Das sacrament ist nit zuo noturfft des lybs, sunder zuo einer spyß der
seelen. Darumb beschlüßt sant Paulus [1. Cor. 11. 34]: Die andern
ding, so ich kumm, will ich verordnen. Nit das er etwas anders wöll
leeren dann im Christus bevolhen hab, sunder iren mißbruch abzestellen
und zuo besseren, spricht er das, weliches anzeigt das wörtlin:
Tradidi vobis etc.
Zuo dem andern, so min herr vicarius fürgibt, die menschlichen
gesatz unnd underwysung sind zuo halten ouch nit im euangelio
verschryben, bezügt sich das uff sant Paulum, zuo den Thessalonicensern
schrybent [2. Thess. 2. 15]: Darumb, ir lieben brueder, blybent

--555--

stanthafftig und behaltent die underwysung, die ir gelernet hand durch
die red oder durch unser epistel. Sag ich: Paulus hat nüt anders
geredt, gelert, gschryben noch underwyßt, denn was im der herr befolhen
hat. Denn er bezügt sich [Röm. 1. 1f.] allenthalben, erfindt
sich ouch, in nüts anders geschryben noch geprediget haben dann
das euangelium Jesu Christi, weliches got vorhin durch die propheten
in der heiligen geschrifft vonn sinem sun verheissen hat.
^@aVicarius redt wyter also:
Meister Ulrich! Ir sprechent in üwern conclusionen, die meß
syg kein opffer. Nun will ich bewären, das vonn 14. hundert jaren har
missa für ein sacrificium gehalten ist oder ein opffer genant. Dann
missa ist ein hebreysch wort, heißt by uns sacrificium; ouch haben
die aposteln missam sacrificium geheissen.
Antwurt meister Ulrich:^@{
Herr vicari! Das bewysent.
^@aSprach vicarius:
Hüt rett ich als ein vicarius, yetz red ich als ein Joannes.
Antwurt Zwingli und sprach:^@{
Ey, hetten ir dann hüt vorlang das vicarisch huetlin abzogen,
es wer üch hüt by zytten wol angestanden, so hett man mit üch als
mit einem Johannes können reden. Ich sprach also, das ir solt

--556--

bewysen uß der geschryfft, das die meß ein opffer syg, so doch
Christus nit meer dann einmal - als Paulus spricht [Hebr. 9.
12. 25. 26] - uffgeopffert ist, nit durch frembdes sunder durch sin eigen
bluot einmal ingangen in die heilikeiten etc., uff das er sich selbst nitt
offt mueßte uffopferen, glich wie der oberst priester im alten testament
für die sünd des volcks thuon mueßt; Christus muoßt sunst ouch offt
sterben. Item: Der hat nit meer - spricht Paulus [Hebr. 10. 12] -
dann ein opffer in ewigkeit uffgeben, sitzt nun zuo der gerechten
sines vatters. Item [Hebr. 10. 14]: Mitt einem opffer hat der erfült
die geheiligten in ewigkeit. Item [Hebr. 7. 11-28]: So vil übertrifft diß
opffer die uffopfferung im alten testament, durch den obersten priester
beschehen, so vil das krefftiger zuo sin angezeygt wirt, in dem, so es
einmal für die sünd aller menschen gnuogsam gewesen ist. Welcher
ist so unverstanden, der nitt mercken kan, das man Christum
nymmer als ein opffer umb unser sünd in der meß uffopfferen sol, wenn
er hört, das der heylig geist spricht uß der geschryfft, er syg nitt

--557--

meer denn semel - einmal - durch ein uffopfferung ingangen in die
heyligkeit: er mueßte sunst offt sterben etc. Noch ist es dahin
kummen, das die Papisten uß der meß haben ein opffer gemacht für
die lebendigen unnd für die todten wider die heyter geschryfft gottes;
wöllen ouch das beschirmen, uff das sy iren gelerten namen oder
gytz mögen bedeckenn. Wir wissen ouch wol, das missa nitt vom
latin oder vonn kriechischer sprach kumpt; aber ir thuont kein
geschryfft dar.
^@aAntwurt vicarius:
Ich wil das thuon unnd bewären vor den hohen schuolen, da gelert
richter sitzend. Unnd erwelent üch ein ort, es sy zuo Paryß, zuo
Cöln oder zuo Friburg, weliches üch geliebt, so will ich die artickel,
so vonn üch fürgehalten, umbstossen und unrecht zuo sin bewysen.
Sprach meister Ulrich:^@{
Ich bin bereit, wo ir wölt, ouch - wie ich hüt mich erbotten
hab - zuo Costentz antwurt zuo geben, wo mir ein sicher geleit,
wie üch hie, versprochen wirt und gehalten. Aber keinen richter will
ich anders haben denn die götlich geschrifft, wie die ist durch den
geist gottes gerett unnd gesprochen, keinen mentschen, er syg, wer
er well. Und ee ir mir einen artickel umbstossent, ee muoß das erdrich
brechen; dann sy sind das wort gottes.
^@aSprach vicarius:
Das ist ein seltzams ding! Wenn nur zwen umb ein acker oder
umb ein matten zancken, so wyßt man sy für ein richter; denselben
nemmen sy ouch an; unnd ir weerent üch, der sachen uff die richter
zuo kummen. Wie wer dem, wenn ich üch mine herren vonn Zürich
zuo richtern fürschluege? Wolten ir dieselbigen ouch nitt annemmen
und lassen urteilen?
Antwurt meister Ulrich Zwingli:^@{
In weltlichen sachen und hendlen weiß ich wol, das man der
widerwertikeit halben sol für die richter kummen und ich ouch mine

--558--

herren vonn Zürich gern, als die der billikeit byston, zuo richtern
erwellen wolt unnd haben. Aber in denen sachen, die götliche wyßheit
unnd warheit betreffend, will ich niemant dann die göttlich geschrifft,
den geist gottes, uß der geschryfft redend, zuo richter und zuo
zügen anemmen.
^@aRedt aber vicarius:
Wie, wenn ir ein richter erweltend unnd ich ouch ein, beyd unparthysch,
es wer denn hie oder anderswo, wolten ir nit zuofryden
sin, was dieselbigen zwen erkanten und als warhafftig urteil sprächen?
Uff sölichs rett herr Fritz von Annwil, hoffmeister bischoffs
vonn Costentz:
Muessen dann wir all denselbigen zweyen glouben und nüts anders
halten, denn was sy erkanten?
Des ward ein glächter, also das vicarius verstunet und redt nüt
darzuo. Da es aber widerumb gestillet ward,
thet vicarius also reden:
Christus im euangelio spricht [Matth. 28. 20], er wöll by uns
blyben biß zuo end der welt. An eim andren ort spricht er [Matth.
26. 11]: Die armen werdent ir allweg by üch haben, aber mich werden
ir nitt allweg haben. Wenn nun nyemants were, der unns thet us
denen sprüchenn entscheyden, welcher möcht wissen, wie man die
zwen sprüch, so wider einander, verston solt? Nun muoß mann ye
haben ein richter.
Antwurt Zwinglius:^@{
Der geist gottes uß der geschryfft urteilt selbst, das der herr vonn
zweyerley gegenwürtigkeit thuot reden: vonn der lyblichen unnd geistlichen.
Die geschryfft nempt offenlich die liplichen gegenwurtikeit
oder das lyplich bywesen Christi, zeygt an, das Christus syg

--559--

gestorben, begraben, am dritten tag erstanden, uffgefaren zuo den
hymmlen, sytzend zuo der gerechten sins vatters. Darumb merckt man
lichtlich uß der geschrifft, wie mann das verston sol, so der herr
spricht: Mich wärent ir nitt allweg by üch haben. Desglichen so er
spricht, er wöl by uns blyben byß zuo endt der welt, leert die geschryfft,
das Christus sy das wort gottes, die wyßheit, der wil sines himmlischen
vatters, die warheit, der weg, das liecht, das leben aller
glöbigen menschen. Daruß man eigentlich bericht nimpt, daß er by
uns blybet geistlich byß zuo end der welt. Darumb bedarff man keins
annderen bescheyders denn die göttlich geschryfft. Allein ist der
mangel, das wir die nit mit gantzem ernst erforschen und durchlesen.
^@aDaruff redt doctor
Martin von Tübingen,
sprechend:
Ir verstond die gschryfft also nach üwerem sinn, ein ander
verstats ein andern weg. Nun muoß man ye lüt haben, die sölichs
entscheiden unnd den rechten verstand der geschrifft ußsprechen,
als das figuriert ist durch die reder Ezechielis [Ez. 1. 15-21].
Antwurt meister Ulrich:^@{
Ich verston die geschrifft nit anders, dann wie sy sich selbst
durch den geist gottes ußlegt; bdarff keins menschlichen urteils. Wir
wissen, das gesatz gottes ist geistlich [Röm. 7. 14], wil nit von fleischlicher,
menschlicher vernunfft ußgelegt sin. Dann der lyplich oder
fleischlich mensch verstat nit die ding, die des geists gottes sind
[1. Cor. 2. 14]. Darumb will ich keinen mentschen zuo einem richter
über die geschrifft haben noch zuolassen.

--560--

^@aSprach vicarius:
Arrius und Sabellius giengen noch uff erd oder herschen noch
embor, wenn man die sachen nit uff die richter stellen solt.
Antwurt Zwingli:^@{
Ich will thuon glych wie die vätter, die ouch nur [durch] göttliche
geschrifft, nitt durch menschlich urteil überwunden haben. Dann da
sy mitt dem Arrio disputierten, haben sy nit die menschen, sunders
die gschrifft zuo richter angenummen, als sich das erfindt. Da Arrius

--561--

sprach, bewärt ouch das uß der geschrifft, wie er vermeint, der gottes
sun wer minder dann der vatter [Joh. 14. 28]: suochten die lieben vätter
die geschryfft, liessent die urteilen, zeygten an, das geschriben statt
[Joh. 10. 30]: Ich unnd der vatter sind ein ding. Item [Joh. 14. 9f.]:
Welicher mich sicht, der sicht ouch den vatter. Gloubst du nit,
daß ich im vatter und der vatter in mir ist? Item: Der vatter, in
mir blybend, der thuot die werck. Söliche kuntschafft der gschrifft
hielten die lieben vätter für, zeygten an, das in Christo zweyerley
natur, menschlich und götlich, wer, bewysten uß der gschryfft, nit
nach urteil der mentschen, das der spruch, den Arrius fürwendt:
Der vatter ist meer denn ich, nach der menschheit Christi verstanden
unnd die nachkummenden sprüch vonn der gottheit, durch
die geschrifft selbst ußgelegt, gesprochen waren, und legt geschrifft
die geschrifft uß unnd nitt die vätter die geschrifft. Also überwindt
Augustinus Arrianos, Manicheos etc., Hieronimus Iovinianos,
Pelagianos, Ciprianus sine widersecher unnd ketzer zuo
derselben zytt mitt furgelegten buechern angezeigter gschrifft, also daß
die gschrifft, nit sy, richter warent. Die göttlich gschrifft ist ir selbst
allenthalben so glych, der geist gottes flüßt so richlich, spaciert in ir
so lustlich, das ein yeglicher flyssiger leser, so ferr er darinn kumpt
mit demuetigem hertzen, entscheyden wirt durch geschryfft, von dem
geist gottes in die geschrifft gewyßt, byß er kumpt zuo der warheit.
Denn Christus, so offt er mit den gelerten Juden und Phariseyern
disputiert, zücht er sich uff die gschryfft, spricht [Joh. 5. 39]: Erforschent
die geschrifft etc. Item [Luc. 10. 26]: Was ist geschryben
im gesatz, und derglychen. Darumb sprich ich: Die sach bedarff nit
menschlicher richter. Das aber vor etlichen zyten sölich sachen gemeinlich
für menschlich richter und für die hohen schuolen gestelt, ist
ursach, das die priester nit meer haben wellen studieren, grösser flyß
uff wollust, zuo zyten uffs bretspyl geleit, denn uff die biblia zuo lesen.

--562--

Daruß erwachsen, das man die, so nun ein schin oder namen der
wyßheit an sich gezogen, welchen sy zuo zyten ouch erkoufft habent,
gelert geschätzt unnd zuo richtern erwelt hatt, die nüts minder denn
vom rechten geist gottes oder vonn göttlicher geschryfft gewüßt hand.
Aber yetzund ist durch die gnaden gottes das heylig euangelium unnd
göttlich geschrifft durch den druck, bsunder zuo Basel, in die welt
unnd an das liecht kummen, das man das in latin unnd tütsch findt;
daruß sich ein yetlicher frummer Christenmensch, der lesen oder
latin kan, lichtlich berichten mag und den willen gottes erlernen.
Ist darzuo kummen - gott sy lob! -, das yetz ein priester, der flyß
wyl haben, in zwey oder dryen jaren wol so vil in der götlichen geschrifft
mag bericht werden und wyssen, als vorhin mencher in zehen
oder funffzehen jaren. Deßhalb will ich ermant haben alle die priester,
so under minen herren vonn Zürich oder in iro lantschafft verpfruendt
sind, das ein yetlicher sich flyß unnd arbeit, die göttlich geschryfft
zuo lesen, unnd insunder die, so prediger unnd seelsorger syent, kouff
ein yeder ein nüw testament in latin oder in tütsch, wo er das
latin nitt recht verstuend oder ußlegen möchte. Dann ich mich ouch
nitt schäm, das tütsch zuo zyten ze lesen vonn wegen lichtlicher dargebung.

--563--

Fach einer an ze lesen am ersten das euangelium Mathei,
insunders das 5., 6. und 7. capitel. Darnach leß er die andern
euangelisten, daß er doch weyßt, wovonn sy schryben oder sagen.
Nach dem nemm er für sich acta apostolorum. Darnach epistolas
Pauli, sunder am ersten ad Galathas. Nach dem sant Peters
epistel und ander götliche geschrifft. So mag er lichtlich ein rechts
christlichs leben in sich bilden, geschickter werden, die ander ouch
des baß zuo leren. Darnach schickt sich einer in das alt testament,
in die propheten unnd ander buecher der bibly vergriffen, welche, als
ich vernimm, bald durch den truck latin und tütsch ußgon sol.
Sölich buecher kouff einer unnd laß der andren Sophisten oder leerer
gschrifft, ouch das decret unnd papistenwerck underwegen, sag unnd
predige dem volck das heylig euangelium durch die vier euangelisten
und aposteln verschriben, so wirt das volck des geneygter und geschickter,
ein fridsams christlichs leben zuo fueren. Denn es ist darzuo
kummen, das ouch die leyen und wyber mer von der göttlichen geschrifft
wissent, denn ettlich priester unnd pfaffen.

--564--

^@aDaruff redt ein priester, decan
von Glattfelden:
Sol mann aber Gregorium oder Ambrosium nit lesen oder uff
der cantzel ir geschrifft citieren? nur allein euangelion?
Antwurt Zwingli:^@{
Ja, ir mögent sy lesen, unnd wenn ir etwas darinn verschriben
findent, das dem euangelio glych oder uß dem euangelio fürgeben ist,
so bedarff man weder Gregorium noch Ambrosium nemmen,
sunder man geb am ersten Christo die ere unnd sprech: Das zeygt
uns an das heilig euangelium oder die götlich geschrifft. Unnd ist
das nit allein min verstand, sunder diser meynung ist ouch Gregorius
oder Ambrosius. Dann die lieben vätter beweren ir gschrifft
selber durch das euangelium unnd mit götlicher geschrifft, unnd wo
sy uff irem eigen beduncken blyben, so irren sy gern unnd gemeinlich.
^@aFraget ein ander priester mit namen herr
Hanß von Schlieren:
Wie soll aber einer thuon, der ein kleine pfruond hat unnd nit so
vil, das er söliche buecher, das testament, mag kouffenn? Ich hab ein
armes pfruendlin; es thuot mir ouch not zuo reden.

--565--

Antwurt meister Ulrich:^@{
Es ist, ob got will, kein priester so arm, wenn er sunst gern
lernen wil, er mag ein testament kouffen. Etwo findt er ein frummen
burger und ander menschen, der im ein bibly koufft oder sunst gelt
fürsetzt, daß er eine mag bezalen.
^@aNach dem fieng
vicarius
ruch an zuo reden. Sprach also:
Wolan, meister Ulrich! Ich sag, das üwer bschlußreden, wie
dann dieselbigen verschriben stond, wider das euangelium und wider
den Paulum sind, ouch der warheit nit glychförmig. Das erbüt ich
mich zuo bewysen, geschryfftlich oder mundtlich, wo ir wölt. Erwelent
üch richter in der sachen, darinn zuo urteilen, an welchem ort üch das
gelegen ist, so will ich bewisen, geschryfftlich oder mundtlich, üwer
conclusiones, ußgangen durch den truck, unwarhafftig unnd wider das
euangelium zuo sin.
Antwurt meister Ulrich:^@{
Das thuond, wenn unnd wo ir wölt, und ye schneller und ee, ye
lieber und gefelliger mir das ist. Schrybent wider mine conclusion
oder beschlußreden, wenn ir wölt oder disputiert darwider, wo es üch
geliebt. Warumb thuond ir das nit yetz ouch hie? Griffent doch
eine miner reden an, so ir doch sprechent, sy sygen wider das
euangelium und Paulum; vermessent üch, dieselbigen unnrecht unnd
felschlich sin zuo bewisen. Sag ich, vicari, wenn ir das thuont unnd
einer miner conclusion falsch machent mit dem euangelio und götlichen
geschrifften, so will ich üch ein häßene käß schencken. Nun
lond hören! Ich wils erwarten!

--566--

^@aRedt vicarius:
Ein häßene käß? Was ist das? Ich bedarff keins käß. Es stat
ouch nit als im euangelio verschriben, was unrecht und wider
Christum ist. Wo findt ir im euangelio, das einer nit sin dochter
sol haben oder schwesterdochter?
Rett Zwingli:^@{
Es stat ouch nit, daß ein cardinal 30 pfruend haben soll.
^@aRedt meister Erasmus von Stein,
chorherr zuo Zürich. Sprach:
Es stat levitico und ist verbotten.
Antwurt vicarius, sprach:
Erasme! Ir findent nit, wenn ir glychs lang suochent. Man
möcht dannocht früntlich, frydsam und tugentlich leben, wenn glych
kein euangelium were.

--567--

Antwurt meister Ulrich:^@{
Ir findent levitici am 18. [3. Mos. 18. 6-18], das verbotten ist
magschafft und wyter ußhin denn die schwester. Ist nun das ferrer
und usserlicher glid in der sygschafft oder libplichen früntschafft
verbotten, so ist vil meer des nechst verbotten und nit nachgelassen,
wie ir das lesent leviticus am 18. [3. Mos. 18. 17]. Ir erbarment mich,
daß ir so mit torechtigen oder unfruchtbaren, unverfaßten reden
komend und machent also ein ergernuß under dem volck. Das heißt
ein rechts scandalon, ergernuß geben dem nechsten. Des hettent ir

--568--

wol geschwigen und hettent mit ander gschryfft wider mich gfochten.
Wär üch baß angestanden!
^@aIn dem stuond yederman uff, ward wyters nit meer dazemal geredt.
Gieng yeder, da er hat ze schaffen.
Es ward ouch gerett von eim
burgermeister von Zürich,
wie harnach stat:
Das schwärt, damit der pfarrer von Fyslißbach, zuo Costentz
gfangen, erstochen ist, will nit harfür.
Vermeint vorgemelter burgermeister, vicarius het noch kein gschrifft
anzeigt, mit welicher er sich beruembt, vorgmelten herren von Fislyßbach
überwunden haben.
Es redt ouch der wirdig herr N. etc.,
apt von Cappel, sprechend:
Wo sind nun die, die uns wellen verbrennen und holtz zuotragen?
Warumb tretten sy yetz nit harfür?

--569--

Das ist summa und inhalt aller handlung und reden uff dem tag
zuo Zürich etc. vor gesessnem radt durch die lobwirdig bottschafft
bischoffs von Costentz und meister Ulrichen Zwingli, chorherr
und predicant im Grossen Münster zuo Zürich, ouch ander doctores
und herren da zuogegenwürtig beschehen uff zyt und tag, wie vorstat,
im 1523. jar des 29. tags januarii.^@{