Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Entschuldigung etlicher Zwingli unwahrlich zugelegter Artikel

3. Juli 1523
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 1 (Berlin: Schwetschke, 1905) (Corpus Reformatorum 88)


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Entschulgung etlicher Huldrychen Zuingli zuogelegter
articklen, doch unwarlich. An die edlen, strengen, frommen,
wysen gmeiner Eydgnoschafft radtsbotten in der statt Bern
uff den 6. tag höwmonats versamloten, sine gnädige herren.
Im 1523. jar.
Edlen, strengen, frommen, wysen, gnädige, günstigen, lieben
herren! Als üwer wyßheit uff vergangnem tag, zuo Baden Ioannis
teuffers gehalten, etlicher miner ungünstigen undertragen gehört und
in die abscheid heym ze bringen verfaßt, hett ich wol mögen lyden, daß
mir, vor und ee sölchs fürgenommen, der handel one hindersichbringen
fürgehalten wär. So nun das nit, aber doch vilicht imm besten beschehen
ist, hab ich nach befinden der sach mine gnädigen herren
von Zürich angeworben, das sy mir sölche klag nit verhalten
wöltind, welchs sy mich trülich gewärt und min antwurt gnädiklich vor
dem grossen radt verhört hand, der gstalt, wie hernach volgen wirt.
Welche min antwurt ich wol vertrüw, üwer wyßheit ouch lasse ein
antwurt sin und verstande die imm besten. Und damit üwer wyßheit
sehe min unschuld, wil ich zum ersten die wort des abscheids setzen:
"Es weißt ouch ieder bott, was fürtragen ist: Wie das der Zuingli
zuo Zürich predget hab, wir Eydgnossen verkouffind das christenlich
bluot und essind das christenlich fleisch etc.", mit vil mer worten.
Sol ouch uff nächsten tag darinn mit vollem gwalt entschlossen werden
ze handlen.
Gnädige, wysen herren! Ich gloub vast gern, das man mich bald
habe tür vor üch verklagt; aber fürbringen, des ich hie verklagt bin,
sol, ob got wil, ghein mensch mit der warheit vermögen. Wiewol ich
anred bin, daß ich die laster, so leyder zuo unseren zyten allenthalb
für und für zuonemmend, ernstlich straff, etwan ouch ruch beschelck,
vorus das laster des untrüwen gabennemmens und hindergangs

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der gemeinen regimenten vast an allen höfen und landen gebrüchig,
ouch das laster des kriegens umb gelt untugenlich anruer - doch nit
mit minem, sunder mit gottes wort -, so hab ich doch minen heren,
den Eydgnossen, mit so ungebrüchigen worten sölichs nie zuogemessen,
sunder, so ich ieman benamset hab, voruß unser Eidgnossen,
hab ich vätterlicher, früntlicher mas min red gefuert, vast
uff söliche gestalt: Wo unser vordren, die so schlechtlich und gotsförchtlich
glebt hand, das leben sehind, das wir ietz mit kostlichem
pracht fueren, so wurdind sy uns übel schelten und sprechen, wir
wärind ferr von iren sitten abggangen, oder derglychen. Ich hab
ouch etwan erzelt, was lastren man uns zuomesse und trüwlich ermanet,
das wir uns haltind, das man uns die nit mit der warheit
zuomessen mög. Wo ich aber vonn houptlastren, todschlagen, verraten,
verkouffen gredt, hab ich darzuo weder diß noch iens volck benamset,
sunder in einer gmeind geredet, als sich eim hirten zimpt; denn
Christus, unser erlöser, hatt im ouch also gethon. Er hat die
Phariseier, Schryber und gelerten in der gemeind bescholten
Matthei 23. und Luce 11. [Matth. 23. 2-33, Luc. 11. 39-52], wiewol
dero vil warend, die in inn gloubtend, und der lastren, die er schalt,
fry, als Nicodemus Ioannis 3. und 12. [Joh. 3. 1-21, 12. 42]. Also
hab ich mich miner herren, der Eydgnossen, halb gehalten. Hab
ich sy genempt, so hab ich den ruhen burst nit uffgerichtet; denn
mir von eim kind har wider gesin ist, wo man unserem vatterland
übel geredet hatt. So ich aber ie hertigklich hab wellen straffen
und uff die laster fürderlicher tringen, hab ich weder Dalmatier
noch Engellender benamset, und hab sölichs in einem stäten bruch.
Wiewol ich daby nit mithällen wil mit denen, die da sagend, man
sölle an der cantzel nieman nennen (das hatt gott nie gebotten, aber
der bapst), bin doch nüt des minder der meinung, das man das wort
gottes mit frävel nit verhaßt machen sol. Als ich aber imm 1522.
vergangnen jar in der vasten von dem fleischessen gepredget, hab ich
under andren worten ouch dise geredt: Es schiltet menger das fleischessen
übel und haltet es für ein grosse sünd, das doch got nit zuo

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einiger zyt verbotten hat; aber menschenfleisch verkouffen unnd ze tod
schlahen halt er nit für ein grosse sünd. Und hab darzuo weder
Eydgnossen noch landsknecht genempt. Das wil ich wysen mit
eim ersamen grossen radt Zürich, den ich darumb erforderet hab, ob
im darumb ze wüssen wäre; hat er sich nit erinneren können, das
er sölichs von mir gehört hab, sunder ist er miner worten ingedenck,
wie ich sy erst erzelt hab. Und ob ich glych also geredt hette, wie
üwer wyßheit ist fürtragen, sol sich doch imm predgen der unschuldig
nit annemmen, so man in die gemeind redt. Man spricht offt "ir
wuochrend, ir brechend üwer ee" in die gmeind hinyn, da, ob got wil,
der grösser teil unschuldig ist. Als ouch Paulus redt zuo den
Corinthiern 1. cap. 5. [1. Cor. 5. 2]: Ir sind uffgeblasen. Das redt
er der gantzen statt zuo, und warend aber der hochmuetigen, uffgeblasnen
gar wenig. Also geschicht noch hüt by tag imm predgen. Noch hab
ich über das alles in eim stäten bruch, daß ich in aller straff red:
Frommer man, nimm dich des nit an. Ich weiß wol daby, das ich
der entschuldigung nüts dörffte vor üwer wyßheit; denn nit gethon
haben ist die sterckest entschuldigung. Noch, sitenmal die sach ußkünd
ist worden, unnd wo sölichs also beschehen, wäre es dem wort
gottes, der frommen statt Zürich unnd mir nachteilig. So hab ich
diß min entschuldigen in geschrifft offenlich gestelt, nieman zuo nachteil
oder widerdrieß, sunder zuo guotem, früntlichem bericht der sache;
denn ich ein zythar ungleubliche lüg hab lassen über mich sagen und
hab daran wenig trurens ghebt, sunder allweg gedacht: Der junger ist
nit über den meister. Hat man Christum angelogen, ist ghein
wunder, ob man dich anlügt [Matth. 10. 24f.]. So ich aber ietz sich,
das, die mir ungnädig sind, mich so bärlich vertragen gdörend
allein darumb, daß sy die leer gottes hindrind, so wil ich ouch alle
namen, die ich sol, redten, unnd verhoff eigenlich, üwer wyßheit
werde mir darab me günstig weder ungnädig. Denn ie so ist min
und eins ieden christenlichen predgers ampt, das er den lastren

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widerston sol und die offnen, oder aber das bluot der umbkummenden
würdt ersuochet von sinen henden. Es sol ouch ein guoter hirt sin
leben für die schaff setzen [Joh. 10. 11]. Darumb würd ich, ob got
wil, üch unnd allen menschen ein gevallen thuon, so ich die warheit
mannlich ann tag trag, ob mich glych mine ungünner daby einen
kätzer scheltend; denn darzuo mögend sy mich nitt machen mit der
warheit. Denn hettind sy das ie vermögen, sy hettind es warlich nit
gespart. Darumb kerend sy sich zuo der unwarheit, die sy nit allein
mit einem stuck uff mich erdichtend, sunder mit vilen. Sy haben
etwan uff mich geredt, ich entere die muoter gottes, unsers herren
Jesu Christi. Hab ich offentlich widerfochten mit einem eignen
buechlin. Wyter hand sy uff mich geredt, ich habe geredt, man sölle
weder zins noch zehenden geben. Item, so ein frow schwanger sye
und lust zuo einem andren man habe, möge sy ir ee brechen. Item,
ich halte von dem fronlychnam und bluot Christi nüt und habe so
ein unzüchtige, schantliche meinung von dem fronlychnam Christi
gepredget, daß ich die nit sagen wil, als sy mir zuomessend, das die
frommen christlichen hertzen nit verletzt werdind. Denn by got,
minem erlöser und heil, ist mir all min tag ghein so schnöder gedanck
von dem fronlychnam und bluot Christi in minen sinn nie gevallen,
als aber etlich hand gdören uff mich reden, wiewol usserhalb der
Eydgnoschafft doch unferr, da ich aber dem namen übersich von
der frommen burgeren wegen, daß dieselben nit verdacht werdind.
Und derglychen vil andre stuck schwerend sy tür mich gepredget
haben, das doch alles, üwer eer vor, erstuncken und erlogen ist.
Darnach reden sy uff mich, ich hab in disem jar 4 kinder ghebt; ich
gange nachts uff der gassen umb, hofieren; ich sye ein spiler; ich
gange offenlich mit den buoben in die frowenhüser; ich sye von fürsten
und herren mit pensionen vermietet und derglychen, das ouch alles,
üwer eer bevor, erstuncken und erlogen ist. Das muoß sich mit aller
warheit styff erfinden. Nun hette ich dise stuck, die mine sitten
antreffend, abermals nit gesetzt, wenn sy nit der frommen statt

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Zürich nachteilig wärind; denn ein treffenlicher spott were das der so
herlichen christlichen statt, wo sy einen andren buoben, der sölich
untüß an im hette, duldetind, ich gschwig einen, der dem gotswort
und gemeinen heil der menschen fürgsetzt ist. Hierumb, strengen,
vesten, fürsichtigen, eersamen, wysen, gnädige herren, wellend fürhin
nit ein ieden, der uff ander oder mich redt, das er wil, glouben geben;
denn die zyt sind gevarlich. Der tüfel, der ein fyend der warheit
ist, hat allweg sin künst gebrucht, die ze nidren oder verderben;
also thuot er noch hüt by tag. Darumb sich allen menschen wol ze
umbsehen ist; denn so got sin liecht erscheint und wir armen
menschen das nit wellend annemmen, sunder die finsternus lieber
haben, so werdend wir billich verdampt Jo. 3. [Joh. 3. 19]. Es wirt
ouch ein ieder ze nüt, der sich an den felsen Christum Jesum stoßt
[Matth. 21. 44]. Denn wie in anfang der Christenheit ghein gwalt
darvor sin mocht, daß dem wort gottes nitt ggloubt wurde, also ist
es noch hüt by tag nit möglich, das man das undertrucke. Die menschen
mag man wol umbringen, aber das wort gottes blybt ewig, und muoß
himel und erd ee krachen, denn eins der worten gottes möge vergon
[Matth. 5. 18]. Demnach ist min demuetig pitt an üwer wyßheit: So
fürhin die, welche etwas an mich ze sprechen hette oder ieman
ützid wider mich hette, das er sich nit geruochen möchte, der oder
die suoche mich vor minen herren von Zürich, da ich als ein korherr
burger bin, dazzuo ein erborner Toggenburger und landtman
zuo Schwytz und Glaris, und hab nach der sorg des gotswortes
für kein volck ernstlichere begird, daß es in gots hulde bracht werd
und lebe, denn für ein lobliche Eydgnoschafft, mit dero ich etwan
ouch in gevärden gestanden unnd noch bereit bin ze ston, wo das
die noturfft hiesche. So vil aber die leer Christi antrifft, beger ich
gheinen andren schirm von ieman, denn das man mich vom heytern

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wort gottes nit lasse tringen. So sol mengklich, ob got wil, sehen,
daß ich nie nüts gelert hab, sid ich das euangelion Christi ergriffen,
deß grund ich nit vor wol besehen hab, so vil mir denn got gunnet
hat. Und verstond diß min einvaltig, ylends schryben mit tugend imm
aller besten; denn es one argenlist beschehen. Lassend es ouch
hindersich an üwer herren langen, damit mencklich min unschuld
sehe, und welle der almechtig got üwren stand in siner huld und in
eeren erhalten. Amen.
Geben zuo Zürich 3. tag höwmonats 1523.
Huldrych Zuingli, üwer wyßheit williger diener.