Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Das Fabelgedicht vom Ochsen (dt.)

(Herbst 1510)
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 1 (Berlin: Schwetschke, 1905) (Corpus Reformatorum 88)


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Uolrichen Zwingli, priesters, fabelisch gedicht
von eim ochsen und etlichen tieren ietz louffender
dinge begriffenlich.
Von einem garten ich üch sag,
umzünt und bhuot mit starckem ghag,
mit bergen hoch an einem ort,
am andren flüsß man ruschen hort.
In welchem dickers cörpers wont
ein ochs, mit roter farw geschont,
einer gharenn, krusen, schönen stirn,
einer preiten prust, mit witem ghürn,
sin halß mit lempen, grossem lust,
vom kin gehenckt bys an die brust.
Der bruppft den gart und gruenes gras;
den etwen, so er türstig was,
loscht er sich selbs mit wasser kalt,
vihischer hab rich menigfalt,
vom blinden glück gehasst allein,
das usß untrüwem verbunst ghein
suesß lat ungemengt mit gallen.
Hat zum ochsen heissen vallen
katzen des ochsen listig hirt,
von den er allein werd gefuert
in aller sach (wie schwestren dry,
der ein Medusa hiesß gar fry,
gesahend nun mit einem oug).

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Ans ochsen syten hangt ouch
unabgewendt ein trüwer hundt,
Licisca genant, der tät im kundt
ufsätz der thier und hinderlist,
damit er dester baß gerüst
erstumpffen möcht ir scharpffen spitz
mit hilff der faunen, die mit witz
er eren hyesß im hertz mit danck,
dadurch sin stand wurd nymmer kranck,
wiewol in do anfiel villicht
der löw mit rügen grusamlich
und fil der thier beyd, grosß und klein;
doch kamends kum zerrissen hein.
Also der ruch stier ufferstuond
unüberwunden von dem grund.
Do nun die thier mit streich, mit wort
gantz schuoffend nütz, wie word betordt
diser ochsß, begundens jehen,
des törpf wir han guot ufsähen.
Do fuegt sich bald der leopard
mit list zum ochsen nach sin art,
ruempt im sin tadt und er gar hoch:
"Wenn er anderschwo ouch ein rouch
wurd machen uff frembdem erdtrich,
den wurd siner eren nyeman glych."
Schmützt bald katzen mit feister gab
(der katzen glust), das sy nit abliessend,
byss daß ins lechpards pund
der ochs kem. Do ball streng der hund,
doch on frucht; dann an eim angen
ward ochs nach den katzen gfangen.

--15--

Do nun mit list der lechpard bkam
den ochssen schlecht, daß er annam
sin bundt, fuort er in nach siner bger
hiehar, dorthin, beid wyt und ferr.
Also ward ingefuert der schlecht
ochsß von katzen, das er meynt recht,
wo er den lechpard mit siner sterck
erhöhen möcht und gflissnem werck.
Nympt an all schaden, klein und gross,
streych, schwertschleg, glich als ein amboss,
daß er den leopard rich mach;
ein schlangenzüchen was im gach.
Do nun des lechpards glück erblickt
der lew, zum ochssen er bald ficht
und redt in an, het schwantz und burst
niderglan, sagt ouch, wie in ducht
nach sinr geselschafft, batt in daby
früntlich, nit zwungen sunder fry
darin zegan. Dis offnet schnell
der ochs z' der katz. Die sprach: "Gesell,
(damit sy nit verlür die huld
und gab herr lechpards) hab geduld;
wann unsicher ist vertrüwen
dem, solt ouch nüt uff inn buwen.
Wiewol ein küng und höchster herr
er ist, mach dich von im ferr;
dan wo er wurde mangel han
an spiß, wurd er dich griffen an.
Du sichst sin mager angesicht,
hungrigen schlundt, drum bis bericht

--17--

in z' faren lan." Gehorsam was
der ochs und stier dem lewen, daß
er sin pundt nit annemen wolt.
Das zürnt der lew, gieng hyn und pruelt,
wuet, tröwt, erdenckt, durch welchen weg
er disen ochsen schedgen mög,
und bsinnt sich ye, daß ghein früntschafft
uß guotem grund mag gan, die ghafft
ist allein in dem nutz. Wie dan
der lechpard nun den ochsen gwan
um eigennutz, darum er mag
in faren lan on alle klag,
gürt sich damit für lechpards loch.
Er klagt sich groß, erzelt sin schmach,
er manet hilff von dem, der inn
verachtet hett und gschmächt vorhin
gar offt mit gmahelroub und sust
in ander weg, das als vertust
solt sin, allein, daß irer pundt
ein fürgang het und guoten grundt.
Der ward gemacht in kurzem zit
starck; den in allem erdtrich wit
entsitzen söltend alle thier.
Bald lüffends an das füchslygfier
mit spitzen scharpff, verlatztend ser,
vertrieben gantz was ir beger
uss allen hülin on genad.
Das füchsly do zum hirten trat,
uff dryen beinen kroch, und klagt
sin wunden tieff, ouch wie geschagt

--19--

es wer, und bgert genad mit gding
ze widerkeren vast gering,
was es im ie abzogen het
der huender; das es gnad erbät,
Der hirt (wiewol er etlich bschiss
enpfangen hett) ir gantz vergisst
und sagt im zuo sin hilff und trost,
damit er den zorn und grimm erloscht
leonis und lechpards, und ylt
zum ochsen, rüfft in an gar milt
umm hilff und spricht, er lyde zwang,
von pruedren grossen übertrang,
wie sy im sin vich und schaffstal
anlouffend, ryssend überal
in lemlis gstalt hinweg dieblich,
vertribend, metzgend erbermclich;
gedenckt daby des füchslis nit,
daran im licht zum meisten lit.
Nach fil ermanung neiget sich
der ochs gem hirten willenclich.
Von fröden darzuo hült der hund,
fröwt sich der sach uss guotem grund,
welch doch den katzen frasß ir hertz,
und pinget mir gar grossem schmertz.
Offt sahend sy zum leopard dar
mit rüw. Do des der ochs nam gwar,
kart er sich ouch ein klin widrum,
doch flux gestupft prach er die summ.
Do das der prüdernpundt enpfint,

--21--

vermarcktend sy den list gar gschwind
und sagend an dem ochsen krieg,
wo er von stund an nit entfueg
den knopff, damit er punden was
zum hirten, das er ouch ein hass
ann ochsen wurff, daß er verlan
wer allenthalb, bloß müste stan
iren zenen scharpff, und werden spiß
ir beyder schlund nach irer wyß. -
By disen dingen was ein bock,
der hat am kin des hars ein lock,
drumb er eins wisen stand verstat
(wiewol er wenig wissheit hat)
und rett: "Mich wundret nun, ob nit
ochs gschlagen werd mit sinem sitt
übel, der hirt beschirm den inn
mit sinem stab, oder zerrünn
der brüderen gunst, ald widerbring
sin gaben milt der lechpard ring.
Doch den der hirt ze fürchten ist.
Das netz ist uffgespent, gerüst
an allen orten überal.
Mich wirt nun sälgen diser fal,
die gruenen krüter byssen ab,
verachten alle muet und gab,
dan wo gaben stat mügen han,
mag kein fryheit nymer bestan.
Ein söllich gnade fryheit ist,
daß die Spartani, als man list,
dem Hydarny antwurt gaben,
sy ze bschirmen sin und z' haben

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nit nu mit spiessen sunder mit
axen. Wo nun die gab belyt
der thieren hertz, wirt all früntschafft,
fryheit veracht und guot geselschafft"
Verstand dis gedichts:
Durch hirt den babst, den pfaff durch hund,
den römschen küng do ich verstuond
durch lewen, den walch durch lechpard,
durch den ochsen gemeynes folck, ward
ich bericht. Wer katzen waren?
Wer zürnen wölt, mag wol faren.