Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Eine kurze christliche Einleitung

17. November 1523
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 2 (Leipzig: Heinsius, 1908) (Corpus Reformatorum 89)


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Ein kurtze und christenliche inleitung,
die ein ersamer rat der statt Zürich den seelsorgern
und predicanten in iren stetten, landen und gebieten
wonhafft zuogesant haben, damit sy die euangelische
warheit einheillig fürhin verkündent und iren
underthanen predigent.
Ußgangen uff den 17. tag novembris 1523.
Mandat.
Wir, der burgermeister, radt und der groß radt, so man nempt
die zweyhundert der statt Zürich, enbieten allen und ieden, geystlichen
unnd weltlichen, prelaten, äpten, dechant, lütpriestern, seelsorgeren,
pfarrern und des götlichen wortes verkündern in unsern stetten,
landen und gebieten wonenden unsern gruoß, gunst und alles guots zuovor.
Und als ir im letsten von uns an üch ußgangnem mandat unser befelch
vernommen unnd darinn verstanden, wie wir üch - sobald das
sin mög - verheissen haben ein kurtze inleitung, durch die gelerten
uß der götlichen gschrifft gezogen, in dem truck ze schicken, ist uff
unser verordnung sölich gschrifft gstelt, die wir verhört und unsers
bedunckens uß götlicher euangelischer gschrifft des nüwen und alten
testaments also krefftenklich ggründt, das wir üch die nach unserm
gheyß nit verhalten, sunder üch gmeinlich und iedem insunders
hiemit zuogeschickt wöllen haben etc.
Hierumb so ist unser erfordrung und meinung, das ir dem jüngsten
ob angezeugten mandat nachkummend und diß unser ietzige üch
zuogeschickte anleytung und ynfuerung trüwlich verlesend, die euangelischen
gschrifften, darinn angezeugt, in dero original mit flyß nach
der lenge besehend, guoter hoffnung, sy werdend üch und menglich
in erkantnuß warer götlicher gschrifft wyter fueren. Zuo dero wir üch

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mit allem ernst und umb gottes willen vermanend, wie dann eins ieden
ampt uß gottes ordnung und bevelch Christi ervordret, damit die war
erkantnus und eer gottes, christenliche lieby und eynikeit, ouch
besserung unserer sitten uß dem wort gottes gelernet werdend, ouch
für und für zuonemmend. Dann ie unser meynung ist, das üwer leer
mit dem euangelion in unsern gebieten allenthalb dahyn ernstlich
reiche und einhellig sye. Ob aber under üch iemants wäre, der
sümmig oder widerwertig sin wölte, und das on grund der heyligen
götlichen und euangelischer gschrifft handlete, wurden wir wider dieselben
dermassen uns erzeugen, darmit sy befunden, unrecht und
wider die leer Christi gethon haben. Und wie wir vor in gmeiner
verkündung und üwer aller zuosamenberueffung beder articklen, der
bilden und der meß halb, unser gnädig herren, die bischoff von
Costentz, Chur und Basel, ouch die universitet daselbs, deßglychen
unser getrüw lieb Eydgnossen von den zwölff orten, ouch ander
früntlich beschriben und erfordret haben, daß sy uns durch ir gelerten
botschafften in denen artiklen durch die war, götlich, euangelisch
gschrifft bericht ze geben hulffend etc.: also sind wir nachmals
begirig, wer uns durch die waren götlichen gschrifft bessers oder anders
berichten kan, das wir söliches mit sunderm danck und fröiden von
inen guotwillig uffnemen wöllent. Wir bittend ouch hieby abermalen alle
unnd yede, so uns iendert befundend wider got unnd sin wort deß
heyligen euangelii geirret haben oder unrecht daran ze sind, das sy
das umb der eer gottes, der warheit und christenlicher lieby willen
früntlich uß dem rechten wort gottes und euangelii wöllen anzeugen.
Sölichs werden wir zuo hohem danck annemmen und empfahen.

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Ein christenliche kurtze inleytung.
Annfangs, so ein ieder wol mercken mag, das die hütigen spän
allein uß etlicher unverstand entspringend, unnd aber alles menschlich
leren vergeben ist, es sye denn, daß got den mentschen ynwendig erlüchte
und ziehe, so sol ein ieder Christenmensch besunder und,
so man gmeinlich bättet, got engstiklich anrueffen, das er das liecht
sines wortes harfürlüchten und uns armen, unwüssenden menschen mit
siner gnad ziehen welle, das wir inn recht lernind erkennen, und, so
wir inn erkent, recht lieb gewünnint, und demnach uß liebe sin alle
unsere hendel nach sinem gevallen richtind, und nach disem zyt inn
dört ewigklich innemmind, niessind und besitzind. So wirt uns got
sölicher pitt gewären; denn er hat uns verheissen, worumb wir inn
anrueffind, welle er geben Mat. 18. [Matth. 18. 19]. Ouch spricht er
Luce 11. [Luc. 11. 13]: So ir, die böß sind, guote gaben üweren kinden
könnend geben, wie vil me würt üwer himelscher vatter ein heligen
oder frommen geyst geben denen, die inn anrueffend. Es spricht ouch
der heylig Jacob 1. [Jac. 1. 5f.]: Ob üwer einer wyßheit manglet, so
begere die von got; der gibt allen menschen luter und einvaltigklich
one uffheben, so wirt sy im ggeben. Er sol aber im glouben oder
vertruwen begeren, nüts zwyflende etc.
Demnach gebirt sich one zwyfel die leer gottes, dermaß Christus
angefangen hat, anzeheben. Nun hat Christus also angehebt:
Bessrend üch! Das rych gottes ist genahet Mat. 4., Mar. 1. [Matth.
4. 17, Marc. 1. 15]. Also söllend ouch wir one zwyfel in diser sündigen
welt schryen: Beßrend üch. Ja, als Johans töuffer darzuo hat geton
Mat. 3. [Matth. 3. 10]: Die ax ist schon an die wurtzen der beumen
gethon. Ein ieder boum, so nit guott frucht bringt, wirt abgehouwen
und in das für geworffen.
Damit aber ein ieder wüsse, warumb er sich doch bessren sölle,
ist not, das er sin schuld erkenne. Darumb ist not, am ersten den
ursprung der sünde ze wüssen, und nachdem wir den findent, so wirt
ein ieder by im selbs sich für einen sünder verurteilen und sich an
die erbermbd gottes ergeben.

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Die sünd lernet man zwyfalticklich erkennen: einist von der geburt
har; zum andren findend wir sy in unseren anfechtungen.
Von der geburt har sind wir alle sünder; denn wir sind alle von
Adamen geborn. Nun ist Adam, ee er ie gebar, in die sünd,
presten und tod gvallen. Also volgt ouch, das alle, die von im
kumend, sölchen presten von imm erbend. Denn als wenig ein mentsch
einen engel geberen mag, also wenig mag der gevallen, sündig Adam
einen unsüntlichen mentschen geberen. Adam ist also gevallen
Genn. 2. [Gen. 2. 17]: Als im got im Paradys das holtz der kunst
des guoten und bösen verbot, sprache er: Welches tags du davon essen
wirst, so wirstu des tods oder ze tod sterben. Nun mag got nit liegen
[cf. Hebr. 6. 18]. Und hat Adam die verbotnen spys gessen, so ist er
ouch ze tod gstorben. Hie habend wir den todten Adam. So aber
ghein todter einen lebendigen geberen mag, so ist ouch kundtbar, das
alle, so von Adamen har geborn, tod sind. - Adams tod ist nit allein
lyplich, wie wol derselbig ouch mit der zyt harnach kam, sunder heißt
er an dem ort "so wirstu ze tod sterben" das verlieren der huld und
fründschafft gottes, das verlieren des inwonenden und herschenden oder
fuerenden geysts gottes, das verlieren der wolgetonen insatzung mentschlicher
natur, und den val in die sünd, das ist: das Adam und alle
sine nachkomen nach der zerbrochnen natur nütz guotes vermögend;
denn sy sind presthafft. Und heißt hie "sünd" nüt anderst weder den
presten des vals und die anmacht unsers fleyschs Ro. 7. [Röm. 7. 17]:
Ich würck dasselb nit, sunder die sünd, die in mir wonet. Das ist
der prest, der mir anerborn ist. Us welchem val der sünd darnach
der tod in uns yngangen ist. Ro. 5. [Röm. 5. 12]: Die sünd ist durch
einen mentschen in alle mentschen yngangen und der tod durch die
sünd.
Also ist der erst tod Adams, das er die huld gottes verloren
hat. Wo die nit ist, da ist ghein heil sunder gantze verzwyflung. Das
ouch sin scham der nackende bedüt. Do im der herre ruofft, sprach
er: Herr, ich han din stimm gehört und han mir geförcht, das ich
nackend was, und hab mich verborgen [Gen. 2. 9f.]. Sich, was ist dise

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blösse Adams, so inn doch got nackend geschaffen hatt, und vor im
also gwandlet hat? Nütz anders, denn das er in den tod, sünd,
übertretten, jamer, presten und onmacht gevallen was, und an im selbs
nütz guotes sach, under welches schirm oder mantel er dörfte für got
kumen. Welcher lyplicher tod, meinstu, hette Adamen so wee gethon,
der inn schnell hette uß der scham genomen, als der tod des
unheils, schand und prestens, in dem er vor got hat muessen ston und
alle sine nachkomen? Und habend einigerley guotes nit, damit sy sich
bedecken oder schirmen möchtind. Darum ist diser erste tod vil der
schwärer.
Der ander tod ist der lyplich. Derselb ist als ein straff der
sünde uns von got angeton. Und so gwüß alle mentschen, die in
sünden empfangen werdend, sterben muessend, so gwüß sind sy ouch
Adams kind des übertrettens, sünd, onmacht und nackende halb.
Denn wir sind ein luter fleisch, als got redt Genn. 6. [Gen. 6. 3]:
Min geist wirt by dem mentschen nit blyben; denn er ist ein fleysch.
So wir aber alle wüssend, daß das fleisch nütz sol, nütz vermag, nütz
guotes gebirt, und aber wir nüt anderst denn ein fleisch sind, so volget,
das wir von natur har nütz vermögen, das weder recht noch guot sye
als wenig als Adam, sunder alle unsere neigung heldet sich nun zuo
bösem, als got selbs am vorigen ort redt: Aller gedanck des hertzens
was zuo dem bösen gericht zuo aller zyt [Gen. 6. 5]. Und darnach
Genn. 8. [Gen. 8. 21] spricht er: Die verstentnis unnd radt des menschlichen
hertzens ist böß von jugend uff. Ist sy nun bös von kindswesen
har, so muoß es von dem erb har uß Adamen kummen. Und ist
das die recht erbsünd: der val, das übertretten, die onmacht, der verlust
gottes, der präst, die sünd, oder wie du es nennen wilt. Also
ist klar, wie wir alle samen von natur har kinder des zorns sind
Eph. 2. [Eph. 2. 3]; ouch wie wir alle samen gesündet habend Ro. 3.
[Röm. 3. 12. 23]; ouch wie wir alle samen unnütz sind und gheiner guotes
würckt psal. 13. [Ps. 14. 1]; denn wir sind von natur har alle samen
Adams sün, und stond an der übertrettenden party, und mag

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gheiner der natur halb nüt guotes noch versuenlichs weder für sich noch
für ander; denn wir sind all secher [Röm. 3. 23].
Zum andren mal so mögend wir der sünd, das ist: des prästens
der onmacht etc., in uns innen werden; denn wir empfindend an uns
selbs, das sy in uns wonet [Röm. 7. 18]. Denn all die wyl wir in dem
lychnam wonend, so gebirt der ererbt präst für und für böse frücht.
Nun ist der präst und val kummen uß unordenlicher begird, namlich,
do Adam ouch wolt wüssend und groß, ja got glych werden [cf.
Gen. 3. 4-6]. Also noch hüt by tag ist ein ieder mensch eygennützig,
zühet im selbs fürer zuo eer, namen, gwalt, rychtag, ruow; gevalt im
selbs bas, denn er wärdt ist; hat sich darfür, andrer menschen
arbeit sölle im dienen, und ficht darnach. Da hilfft ghein leugnen.
Verhör ein ieder mensch sin eygen begird, so sind sy so groß, das
sy nieman ersettigen mag. Wo aber der mensch in den stucken nit
verhergt, ist nit siner, sunder gottes krafft. Darvon würdt harnach
kummen. Wir redend hie von dem menschen und siner vernunfft,
anschlag und krafft; die sehend nach irer natur all weg uff sich selbs
zum ersten, zühend inen selbs zum ersten zuo. Kurtz: sy thuond nüt
rechts, sunder ytel eygennützigs. Also spricht Paulus Ro. 7. [Röm.
7. 18]: Ich weiß, das in mir, das ist: in minem fleisch, nüt guotes wonet.
Liß das gantz capitel; wirdt vil verstands der dingen gebären.
Darumb widerstryt der will des fleischs, das ist: des zerbrochnen
menschens, all weg wider got. Heyßt uns got sterben, lyden, dulden,
so befindent wir alle wol, wie sueß uns das dunckt! Kumpt alles von
dem prästen des ersten vals und eygennützige har.
Hie sprichstu: Ich weiß nit, ob eigennützige recht oder unrecht
ist. Wie kan ich denn empfinden, das die sünd in mir ist? Warumb
solt ich nit zum ersten mir selbs zuoziehen? die natur lert mich 's doch?
Es versehend doch die unvernünfftigen thier zum ersten inen selbs.
Antwurt: Du redst recht, das die unvernünfftigen thier inen selbs zuoziehind,
aber damit bewerstu nüt anders, denn, so du es ouch
thuost, das du nüt anders thuost denn ouch die thier, die nüt denn ein

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fleisch sind. Daran du denn sichst, das du für dich selbs ouch nüt
denn ein fleisch bist, wie Christus Jo. 3. [Joh. 3. 6] redt: Was von
dem fleisch geboren wirdt, das ist fleisch. Und sinnest nüt anders,
denn das fleisch ist. Hie offnet sich erst klar din präst. So du vernünfftig
bist, söltestu wol mercken, das du one zwyfel vil anders sinnen
und fürnemmen soltest denn die unvernünfftigen thier. So du aber in
den anfechtungen inen glych bist - psal. 48. [Ps. 49. 13]: Do der
mensch in eeren was, hat er es nit verstanden, sunder ist er den unwysen
thieren glych worden -, kanstu wol mercken, das der präst
neiwan von einer kranckheit har kummen muoß, die uns eygenlich anlyt
und anerborn ist; das ist der val Adams. Sydmal aber unser
sinn von im selbs das recht und götlich nit erkent, hat uns got das
gesatzt geoffnet, darinn wir sähind, was recht oder unrecht wäre. Denn
als Paulus Ro. 7. [Röm. 7. 7] spricht: Ich han die sünd nit erkent
denn allein durch das gsatzt. Denn ich wüßt nit, daß die begird sünd
was, das gsatzt redte denn also: Du solt nit begeren.
Damit aber dise meinung häller werd, ist not, das wir ouch von
dem gsatzt redind.
Das gsatzt ist nüt anders denn ein offnung des willens gottes.
Wie nun der will gottes ewig ist, also ist ouch das gsatzt ewig. Also
redend wir hie allein von dem gsatzt, das zuo frommkeit des inneren
menschen dient. Das ist ja nüt anders denn ein offnung des ewigen
götlichen willens. Byspil: Diß gsatzt "Du solt dinen nächsten als lieb
haben als dich selbs [3. Mos. 19. 18, Matth. 22. 39]" ist nüt anders denn
das gsatz der natur, das also spricht: Was du wilt dir gethon werden, thuo
eim andren ouch [cf. Matth. 7. 12, Luc. 6. 31]; unnd harwider: Was du
nit wilt, thuo ouch nieman [cf. Tobias 4. 16]. Ja, dis gsatzt der natur, das
got sueß hat gemacht mit der lieby, muoß allein von got kummen. Und ob
es glych die Heyden ouch annemmind, denocht kumpt es nit von des
menschen vernunfft, sy sagind, was sy wellind; dann dieselb sicht nun
sich selbs an und halt sich nit darfür, das sy andrer sölle sin, sunder
andre söllind iro sin und dienen. Darumb alle gesatzt, die den
inneren menschen fromm gestaltend, mögen von nieman sin denn von
got. Verstand aber also, das die gsatzt nit macht habend den menschen

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fromm oder gerecht ze machen, sunder sy zeygend im allein an, wie
der mensch sin sol, so er, nach dem willen gottes lebende, fromm
werden und zuo got kummen welle. Ro. 7. [Röm. 7. 12]: Das gesatzt
ist heylig, und das gebott ouch heilig. Nun mag es nit heilig sin, es
kumme denn von eim heyligen. So ferr es von uns keme, so were es
nit helig; denn wir sind nit heylig. Darumb spricht widrumb Paulus
bald darnach [Röm. 7. 14]: Wir wüssend, das 's gsatzt geistlich ist.
So aber wir ein fleisch sind, ist offenbar, daß das gsatzt nit von uns
sin mag. Diß reycht alles dahyn, daß das gesatzt, das die waren
inneren frommkeit lert, allein uß dem götlichen willen flüssen muoß.
Fürer: So wir nun das gsatzt hand, so sind wir darumb nit
grecht; denn, die das gsatzt hörend, werdend nit für fromm erkent,
sunder die, so das gsatzt tuond, werdend fromm gerechnet. Wozuo ist
denn das gsatzt guot? Antwurt: Ro. 3. [Röm. 3. 20]: Das man die
sünd erkent durch das gesatzt. Verstand das also mit dem byspil:
"Du solt niemans guot noch eegmahel begeren [2. Mos. 20. 17]" zeygt
dir on zwyfel an, daß, so du die ding bgerst, sündest. Und wer doch
die begird nach dinem duncken nit sünd; denn du meinst, so du dich
vor der that huetist, so habistu nit gesündet. Sich aber unseren schalck!
Wir sind allein der usseren that halb fromm, und ist aber das hertz
inwendig schon eebrüchig, schon zuo eim dieben, wuochrer oder reuber
worden; denn dörst er, so thät er. Nun ist unser got nit blind; er
sicht die hertzen der menschen. Findt er die begird oder anschlag
darinn, so ist er vor got schon vervallen. Es ist uns dargegen nit
möglich, das wir one anfechtungen und begirden syind, alle die wyl
wir den Adams balg tragend; denn das fleisch gebirt für und für
sine frücht. Also volgt, das wir alle an unserer frommkeit verzwyflen
mueßend; denn das gesatzt stat styff, lasst sich nit stürtzen noch
biegen: Du solt niemans guot begeren. Und mögend aber wir uß
unserer krafft on die begird nit sin, so sind wir ouch übertretter und
in den zorn und buos gottes gevallen. Diß alles wirt in den worten
Pauli Ro. 7. [Röm. 7. 8-10] clar: Die sünd was on das gsatzt tod,
das ist: man weißt nüt von der sünd, wo ghein gsatzt ist. Ich hab
ouch etwan gelebt on das gesatzt, das ist: die wyl wir noch nit mit
dem wort gottes bericht sind, als die kinder sind, so lebend wir on
das gsatzt. Als aber das gebott kummen ist, das ist: nachdem aber

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uns das gebott geoffnet wirt, do ist die sünd lebendig worden, das
ist: do hab ich gsehen, was sünd ist. Und bin aber ich gestorben,
das ist: do ich das gsatzt erkent, hab ich wol gsehen, das ich des
todes gesin bin. Also ist das gebot, das mir zuo guotem gegeben ist,
mir zum tod worden, das ist: das ich daran gsehen hab, wie ich des
tods wirdig bin, so ich es nit erfüllen mag etc. Bald darnach [Röm.
7. 14-20]: Wir wüssend, daß das gsatzt geistlich ist, und bin aber ich
fleyschlich; denn ich bin under dem presten oder sünd (verstand: den
wir von Adamen har bringent) hingeben oder verkoufft. Denn das,
so ich schon tuon, das gefallt mir nit. Denn ich tuon nit, das ich wil,
sunder ich tuon, das ich haß, das ist: für das ich das gsatzt und wort
gottes gehört hab, so wil ich denn die sünd myden, und laßt aber
mich das prästhafft fleisch nit dahyn kummen. So ich nun das thuon,
das ich nit wil, so mithäll ich dem gsatzt, das es zwar guot ist. Das
aber ich darwider thuon, das thuot die sünd, das ist: der präst, der in
mir ligt oder wonet etc. Bald darnach [Röm. 7. 21-25]: Also befind
ich, so ich guotes oder recht wil thuon uß bericht des gsatztes, das mir
das böß anligt. Denn ich hab ein lust an dem gsatz gottes nach dem
inneren menschen. Ich sich aber in minen gliden, das ist: in minem
lychnam, ein ander gsatzt. Dasselb widerstrytet dem gesatzt des
gmuets, und fuert mich gefangen hyn under das gsatzt der sünd, das
ist: des prästens, das in minem lychnam wonet. Ich armsäliger
mensch! Wer wirt mich erlösen uß dem cörper des tods? Ich sag
got danck, daß ich erlößt würd durch Jhesum Christum, unseren
herren. Sich, in der meinung Pauli ersehend wir und empfindend
unseren eignen prästen und onmacht. So aber nieman zuo got kummen
mag, denn der ghein masen hat, psal. 14. [Ps. 15. 1-3], und wir nit
one masen sin mögend, so volget, das wir an uns selbs zuo got ze
kummen verzwyflen muessend. Hie würt sich die gnad gottes, durch
Christum uns bewisen, uffthuon.
Und volgt ietz von dem euangelio.
Demnach wellend wir widrumb anzeygen, welchen weg das gsatzt
abgethon sye.
Euangelium.
Als nun der allmechtig got mit sinem volck von ye welten har
vil gehandlet und geredt hat, und aber daby die onmacht und präst
Adams so groß ist gewesen, das sinem wort nieman hat mögen

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nachkummen; daruß ouch volget, das nieman zuo got hat mögen kummen.
Denn wiewol er barmhertzig, ist er doch daby grecht psal. 111. [Ps.
111. 4]: Der her ist ein milter erbarmer; er ist ouch grecht. Deßhalb,
so wir glych in disem zyt sine gebott volkummenlich möchtind erfüllen,
dörfftind wir nüt deß minder siner lutren gnaden, das er uns das
ewig rych und fröid gebe. Dann wir groß joch der verdienst wer,
hett er dennocht ghein rechnung gegen den ewigen Ro. 8. [Röm. 8. 18]:
Die lyden dises zyts sind nit wirdig gegen der künfftigen eer, die in
uns eroffnet wirt. Wir wellend hie der grösse der eren und fröiden
gschwigen.
So wir aber nach dem allem das, so sin grechtigkeit erforderet,
nit allein nit erfüllen mögend, sunder gar nit erreichen vor den bösen
anfechtungen und prästen, und muoß doch der gerechtikeyt gottes gnuog
beschehen; nimm war, wie einen wysen radt hat die götlich wyßheit
fürgenommen, der so wunderbar ist, das er mentschlichem verstand
nit begrifflich noch gleublich ist, got erlüchte denn deß menschen
verstentnus, und nemme im sin hertz und mache das gleubig.
1. Adam hat uß hochmuot gesündet, der aber durch die götlichen
wyßheit, die der sun gottes ist [cf. 1. Cor. 1. 24], geschaffen ward.
2. Und wie er in den schwäreren tod der ungnaden gottes und
prästens, ouch in den lyplichen tod gevallen, darumb, daß er das gebott
gottes übertretten hatt, also sind wir alle, die sine kinder sind,
prästhafft, in ungnad gottes und ietweders tods als eygen als er.
3. Und ob wir glych fromm wärind und one unsere geprästen,
unnd dientind got allen unseren lebtag nach sinem gevallen, noch ist
des menschen lebtag der langen, ungemeßnen ewigkeit nit wirdig.
4. Ouch ist himelsche freud so wunderbarlich groß unnd heylig
und schön, das die ghein hyeig leben verdienen könd, ob wir glych
guote, nütze knechte wärind [cf. Luc. 17. 16]. Sich, wie warlich hat
Christus geredt, es sye den menschen unmöglich sälig ze werden
[cf. Matth. 19. 26].
Sich aber dargegen, wie wyßlich got alle unsere prästen in Christo
Jhesu ersetzt hat [cf. Jes. 53. 4].
1. Christus ist gedemuetiget biß in den schmächlichen tod des
crützes Philippen 2. [Phil. 2. 8]; unnd hat der das getragen, durch

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den wir geschaffen sind, umb unsertwillen. Also sind wir durch die
wyßheit gottes, durch die wir geschaffen sind, und wider die Adam
gesündet hat, widerumb erlößt.
2. Hatt Christus ghein schuld einigerley übertrettens nie uff
im gehebt [Hebr. 4. 15]; denn er hat ghein sünd nie gethon, und ist
ghein untrüw in sinem mund nie erfunden 1. Pet. 2. [1. Petr. 2. 22]. Er
hat ouch gheinen süntlichen prästen der zerbrochnen natur an im ghebt;
denn er nit in sünden und Adams vermaßgen, sunder von dem heyligen
geyst empfangen ist in den reynen lychnam der jungkfrowen Maria.
Darumb, so er, durch den wir geschaffen sind, sich für uns ggeben
hat [Gal. 1. 4], so bezalt er der götlichen grechtigkeit für den schwären
tod des vals, des prästens und ungnad gottes, und macht, das sine
vertruwten den lyplichen tod frölich uffnemmend umb sinetwillen.
3. Ewige säligkeit hat er allen mentschen erworben; denn sy sind
alle durch inn geschaffen, durch inn erlößt. Und wie er ein ewyger
gott ist, also ist er thür unnd wärd gnuog, aller menschen sünde in
die ewigkeit hinzenemmenn und in ewig säligkeit inzefueren Hebr. 9.
und 10.
4. Er ist ouch die schöne und anbild des vatters Heb. 1.
[Hebr. 1. 3], und hat sich aber so jemerlich lassen verspüwen, verspottenn,
verhergen umb unsertwillen [cf. Matth. 27. 29ff.]. Das
Isaias 53. [Jes. 53. 2] redt: Er hat weder gstalt noch zier. Und hat
doch er unser prästen und kranckheiten warlich getragen [cf. Jes. 53. 4];
der ouch das heyl ist, des sich die engel erfreuwend anzesehen 1. Petr. 1.
[1. Petr. 1. 12]. Ja, also ist er umb unser willen verjameret, das er
uns die ewigen fröid und zier erwurbe [cf. Jes. 53. 5].
Dise wenigen stuck gebend ein inleitung, die ewigen wyßheit
gottes, die er umb unser erlösung willen verhandlet hat, anzesehen
und ze verwundren; denn sust mag die nieman ergründen oder ussprechen
Ro. 11. [Röm. 11. 33-35].
Als nun der heyland aller menschen, Christus, von der heligen,
unbefleckten magt Maria geborn ist, wie Lu. am 2. stat, do hat
der engel zu den hirten gesprochen [Luc. 2. 10f.]: Sehend, ich verkünd
üch grosse freud, die das gantz volck haben würt; denn üch ist ein

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heyland geboren, der ist Christus, der herre etc. Dannen har würt
der gnädig handel gottes, den er mit uns durch sinen sun vollendet
hat, euangelium genennet, das in aller unser not, onmacht und verzwyflung
der sun gottes uns verkündt ist, kummen sin ein heyland, der
all unser prästen artznete. Und ist darumb Jesus genennet, das ist:
ein heiland, das er die menschen gsund gemacht hat von iren sünden
Mat. 1. [Matth. 1. 21]. Hie hand wir kurtzlich den gantzen grund
des euangelii, namlich das: Nachdem uns armen menschen uß unserem
verdienst unmöglich was zuo gott ze kummen, hat got sinen sun für
uns menschliche natur verordnet annemmen und für uns hinzegeben
in den tod; denn er, der allenthalb volkummen und on alle masen
was, mocht all unser masen hynnemen. Welcher den handel verstenklich
gloubt und sich in die thüren fruchtbarkeit des lydens Christi
verlaßt, der hat ietz dem euangeli ggloubt, der wirt sälig; der sich
daran nit laßt, der wirt verloren Mar. 16. [Marc. 16. 16]. Denn es
ist vor gnuog anzeygt, das wir nütz guots vermögend. Also mögend
ouch uns die werck des gebottes nit sälig machen; denn wir mögend
sy nit erfüllen, wie got erforderet. Gal. 2. [Gal. 2. 16]: Alles fleisch
wirdt nit grecht erkent uß den wercken des gsatztes.
Disen gnädigen handel, namlich, das wir uß unseren wercken nit
sälig werdind, sunder uß der lutren genad gottes durch den bezalenden
herren Jesum Christum, hand wir gruntlich im wort gottes.
Luc. 17. [Luc. 17. 10] spricht Christus: Wenn ir die ding alle thuond,
die üch gbotten sind, so sprechend denn: Wir sind unnütz knecht etc.
Johannes teuffer spricht Jo. 1. [Joh. 1. 29]: Sich, das lamm gottes.
Sich, das ist, der da hynnimpt die sünd der welt. Nimpt er sy hyn,
so nimpt sy der verdienst unserer wercken nit hyn. Christus spricht
Jo. 10. [Joh. 10. 10]: Ich bin kummen, das die menschen das leben
habind, und ouch rychlich habind. Jo. 5. [Joh. 5. 24]: Warlich, sag ich
üch, welcher in mich vertruwt, der hat ewigs läben. Jo. 3. [Joh. 3. 14]:
So ich erhöcht würd von dem erdrich, würd ich alle ding zuo mir
ziehen. Jo. 6. [Joh. 6. 50]: Das ist die spyß oder brot, die von himel
herab kumpt (verstand: die spyß des wortes des euangelii), und gibt
der welt das leben etc. Mat. 11. [Matth. 11. 28]: Kummend zuo mir
alle etc. Die wort Christi sind der meynung voll allenthalb. Darzuo
hat inn für andre all Paulus in der epistel zun 'n Römeren und

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in dero zun Galaten und in andren heyter fürglegt und erfochten.
Die sol billich ein ieder pfarrer ernstlich erduren.
Hie sind aber vil falscher oder blöder Christen, die sprechend:
So nun unsere werck uns nit sälig machent, sunder die einig gnad gottes,
die uns ggeben und versichret ist in sinem sun, so dörffend wir nütz
guotes mee thuon, sunder lassend uns sünden, oder wie Ro. 3. [Röm. 3. 8]
stat: Lasssend uns vil böß thuon, das got vil guotes thuege mit verzyhen
durch Jesum Christum. Oder wie Ro. 6. [Röm. 6. 1] stat: Lassend
uns in der sünd blyben. Antwurt: Welche also redend, habend noch nit
empfunden, wie sueß der herr ist; habend ouch die himelschen gab der
teylhaffte deß heyligen geystes nit versuocht Hebr. 6. [Hebr. 6. 4].
Dann welche iren prästen von Adamen har und den eygnen inneren
falsch, den ein ieder mensch by im selbs wol weyßt, erkennend, die
sehend ir jamer und onmacht zuor säligkeit. Und so sy dargegen die
gnad und heyl in Jesu Christo sehend und verlassen sich daran, die
sind ietz uß got geboren Jo. 1. [Joh. 1. 13]. Sind sy nun sün gottes,
so werden sy die art der sünen haben. Die flyssend sich des willens
ires vatters, nachdem sy widrumb uß der ungnad zuo gnad kummen
sind. Der verlorne sun Luc. 15. [Luc. 15. 21] sprach nit: Vatter, ich
weyß, daß du mir verzychst; darumb wil ich sünden unnd muotwillen;
sunder: Vatter, ich han wider got und dich gethon, das ich nit
wirdig bin, din sun genempt werden. Sich, im kumpt nit in sinn,
das er sich der vordrigen mißthat widerumb vermesse, in dero er sich
wider den vatter verschuldet hatt. Also reden ouch, die sich under
die sün gottes vestencklich gloubend gezelt sin: Vatter, so ärmlich
stat es umb mich, das ich nit wirdig bin, din sun genempt werden.
Aber, so du dinen sun für mich gegeben hast, zwar das höchste guot,
das in himel und uff erden ist, so mag ich gedencken, das du mir
nütz abschlechst Ro. 8. [Röm. 8. 32]. Dann wie? Hat uns got
nit alle ding mit im geben? So du nun den für unser sünd ggeben
hast, merck ich wol, das ich in den sünden nit me leben mag. Denn,
so ich vorhyn in den sünden so verzwyflet gestanden bin, warumb wolt
ich me darinn wandlen? So ich fro bin, das ich uß dem kat gelupfft

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und gewäschen bin, warumb wolt ich mich widrumb darin werffen?
Das ist die meinung Pauli Ro. 6. [Röm. 6. 2]: Wir, die in der sünd
tod sind xin, wie woltend wir fürer darinn leben? Und zücht demnach
gar schön harin, das, wie Christus gestorben und ufferstanden
ist, also ouch wir, nachdem wir in dem touff glych als mit im vergraben
sind, ouch wir darnach ufferstandind und ein nüw leben
fuerind etc. Denn sind wir uff Christum gelassen, so ist das mit
gottes krafft zuoggangen. Wo got ist, da ist alle arbeit, wie man von
den sünden kumme. Also volgt, das die, so also redend, in Christum
nit glassen sind, und ob sy glych mit dem mund reden, sy syend
Christen. Denn welches einiger trost und zuoversicht got ist, der mag
nit erlyden, nun zuo gedencken, das got übelthat gevalle.
So man aber hie spricht: Der gstalt möcht aber nieman zuo got
kummen; denn ob der mensch glych in got gelassen ist, so falt er
dennocht täglich in sünd, so verschüttet er darnach die gnad gottes
widerumb, antwurt: Das ist war. Diewyl wir lebend, so laßt uns
der schelm, der lychnam, niemar me frommklich leben der anfechtung
halb. So wir aber in got durch Christum vertruwt sind,
so mögen uns die frücht des fleischs nit in verdamnus fellen, sunder
wie Christus zuo Petro sprach [Luc. 22. 31f.]: Nimm war! Der tüfel
hat üch ersuocht, das er üch rytrete wie den weytzen. Aber ich
hab für dich, Petre, gebätten, das din gloub nit fellig oder prästhafft
werd. Also muessent wir vest in dem glouben blyben, die sünd
werde uns alle durch Christum verzigen, ob uns glych der tüfel
und das fleisch rytret und mit der sünd zuo verzwyflung reytzet; und
wie Peters ußwendig verleugnen inn nit in verdamnus gbracht hat,
also mag uns ouch kein sünd zuo verdamnuß bringen denn die einig
ungloubnuß. Hie sprechend aber die waren Unchristen: Ich gloub
vestenklich in Christum, und thuond aber nüt christenlichs; daran
man sicht, das sy Nitchristen sind; denn man erkent den boum by
der frucht [cf. Matth. 7. 16. 20]. Darumb merck zuo eygenlicherem verstand:
Welcher sich, wie vor offt anzeugt ist, nach erkantnus sines
prästens an die gnad gottes durch Christum sicher verlassen hat, der

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mag nit one die liebe gottes sin. Wer wolt den nit lieb haben, der
im sinen prästen so gnädiklich hynnimpt, und inn zum ersten hat anghebt
lieb haben 1. Jo. 4. [1. Joh. 4. 19] und zuo im ziehen? Wo
nun die liebe gottes ist, da ist got; denn got ist die liebe selbs; und
welcher in der lieby gottes ist, der ist in got und got in im 1. Jo. 4.
[1. Joh. 4. 16]. Ist nun got in dem recht gleubigen, und sündet nüt
dest minder, so volgt, das es zuogat, wie Paulus Ro. 8. [Röm. 8. 10]
spricht: So nun Christus in üch ist, so ist der lychnam tod von der
sünd wegen, und lebt aber der geyst oder die seel von der rechtwerdung
wegen. Dise rechtwerdung ist nüt anders, dann das sich
der mentsch in die gnad gottes gelegt und ergeben hatt, und ist der
war gloub. Also ist die meynung Pauli, das unser lychnam all weg
tod ist und tödliche oder süntliche werck gebirt; aber dieselben sünd
mögend uns nit verdamnen, so wir im glouben grecht sind, das wir
der genad gottes gwüßlich vertruwend durch den herren Jhesum
Christum.
Wir wellend hie zwen menschen zuo eim byspil setzen, damit man
verston könne, wie es doch mög zuogon, daß der gleubig, so er glych
sündet, nit verdampt wird, sunder die sünd sind im ein val zuo einer
urstende und besserung. Dann welche got lieb habend, denen mitwürckend
alle ding zuo guotem Ro. 8. [Röm. 8. 28]; dargegen, die sich
fromm schetzend us iren wercken, denen dienend ire guote werck zuo
argem. Nimm den Phariseier und den publicanen Luc. 18. [Luc.
18. 10-14]. Der Phariseyer schatzt sine eigne werck, und, wie er
sich bsach, meint, er were grecht, und sagt got danck, das er nit
were, wie die andren mentschen. Der publican hatt an aller siner
frommgheit verzwyflet, aber an got nit, sunder sprach er: Gott, bis
barmhertzig mir sünder. Diser ist von Christo frömmer geurteilt
denn der Phariseyer, nit, das er ordenlicher gelebt hette, sunder das
er got für so barmhertzig uud warhafft hielt, das er inn erhören wurde,
wie er uns hette zuogseit. Sich, hie wirt die war grechtigheit des
gloubens erschynen. Der Phariseyer vertruwt in sine werck;
darumb redt er nütz denn bare hochfart und buwt uff erdrich [cf.
Luc. 6. 49]. Herr, ich sag dir danck, das ich nit bin wie andre mentschen.
Sich, wie unsere grechttickeit zuo hochmuot dienet; dannenhar

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sy nit ein grechtickeit, sunder ein grusame schuld ist; denn eygenschatz
ist die recht sündig ard wider gott. Sich aber daby die grechtigheit
des gloubens, das sy nüt anderst denn sich selbs verwirfft,
schlecht sich hinder sich, und laßt sich allein an die erbermbd
gottes und buwt uff den felsen [cf. Luc. 6. 48]. Ietz nimm mir disen
publicanen, der so trülich in gottes barmherzigheit vertruwt, und laß
in noch lange zyt in dem lychnam leben, so ist er der anfechtungen
des fleischs nit on; er verzwyflet aber nit an inen, sunder, so offt
imm sünd zuovallend, so demuetigend sy inn, und spricht all weg:
O herr, wie leb ich so schnöd in dinem angsicht; noch halt ich mich
diner erbermd. Dis empssig zuo got louffen und klagen wert allen
lastren me denn kein andre huot oder gwarsame. Dann gotzhoffnung
zeigt alle sünd an, verrat den heimlichen schalck im hertzen innen, das
er sich nit für fromm gedar ußgeben, macht inn ye mee und mee
schamhafft, das er mit den alten lastren für got stätz kumpt.
Sich den empsigen, nötigen wächter: den glouben. Dise meinung
findstu Ro. 6. [Röm. 6. 12]. Da lert Paulus, das wir warnemmen
söllen, daß die sünd in uns nit hersche, das wir nit den süntlichen
anfechtungen underworffen werdind. Denn herschend die anfechtungen
des prestens, wenn wir sy ungehindert, ungrechtfertiget, unabgeschnitten
lassend wueten, und wöllend 's darnach mit unseren
wercken bezalen. Wo sölich fürnemen ist, da verhengt man den
sünden, und suocht man andre werck. Die wil man darnach got
ufstossen, er sölle sy für unser sünd nemen. Wo aber der trüwe
wächter, der gloub, ist, der in imm gotzhuld und forcht begryfft, da
strytet man für und für mit dem fleisch, da wacht man und crützget
das fleisch mit sinen anfechtungen Gala. 5. [Gal. 5. 24]. Sich, also
gat es zuo, das den glöubigen die sünd nit schadend. Und mag ouch
der allein selig werden, der sölche zuoversicht zuo got hat. Hieby erlernet

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man ouch, daß nieman geneigter wirt, sich von tag ze tag ze
bessren, denn der all sin zuoversicht zuo got hat. Der wächter huet
und manet stätz on underlas, so daby der selbsgrecht sine sünd anschrybt
und abrechnet, wie er wil; und ist ein ytele gotlose. Der
glöubig ist us dem geist gottes glöubig. Wo nun got ist, da wirt
ümmerdar guotes gemeret und wachsst. Und ob wir glych etlich sehend,
die dem wort gottes glouben gebend und bessrend aber sich nit, so
beschicht das eintweders, das sy nit glöubig sind und glychsend sich
aber vor den mentschen, als sygind sy glöubig; oder sy sind noch klein
im glouben, werdend aber zuonemen und wachsen, bys das sy das volkomen
alter nach der stercke Christi erlangend Eph. 4. [Eph. 4. 13].
Denn das ist kurtz: Wo die liebe gottes ist, da ist sy als wenig ungeton
als die unzüchtig lyblich liebe.
Zuo merer ercklärung und vestung des gloubens spricht Paulus
Ro. 8. [Röm. 8. 31]: So got uff unser syten ist, das ist: so uns got so
günstig ist, wer wil wider uns sin? Und daß wir sehen, wie er uns
günstig ist, spricht er wyter [Röm. 8. 32]: Er hat sim eygnen sun nit
übersehen, sunder inn für uns alle hyngegeben. Wie hat er uns nit
alle ding mit im ggeben? Als ob er spräch: Wie wär das eins, daß
er den höchsten schatz, sin eygnen sun, hette für uns geben, und wölte
ietz demnach uns etwas abschlahen? Damit lert uns got durch den
mund Pauli frölich und vertruwt zuo im ze kummen. Sind wir einvaltig,
könnend nit mit got reden, so ist es gnuog, das wir nun unser
vertruwen zuo got durch Jesum Christum im hertzen anzeygend; der
fürmündet für uns vor got mit süfftzen, die wir nit ermessen könnend
Ro. 8. [Röm. 8. 26]. Er ist wyß gnuog; denn er ist die götlich
wyßheit, und ist aber unser worden; darumb ist er unser wyßheit. Sind
wir ungrecht und wuest, so ist er grecht und rein, und hat für unser
ungrechtigkeit bezalt. Sind wir unheylig und sündig, so ist er heylig
und ist aber unser. Sind wir umb sünden willen versetzet, so ist er
unser rantzung und loßgelt. Sich also: Was uns anligt, das erwirbt
uns Christus vor got. Denn was er joch ist, so ist er unser.
Darumb aber Paulus 1. Cor. 1. [1. Cor. 1. 30] seyt: Er ist uns von
got gemacht oder ggeben, daß er unser wyßheit, unser grechtigkeit,

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unser heyligkeit und unser erlösung ist. Johannes spricht 1. cap. 2.
[1. Joh. 2. 1f.]: Mine sün! Ich schryb üch dise ding, das ir nit sündind.
Ob aber einer sündete, so haben wir einen fürstender oder fürsprechen
by dem vatter, den gerechten Jesum Christum, unnd der
ist die gnädigung für unser sünd, und nit allein für unser, sunder
für der gantzen welt sünd. Hie sicht mengklich, das alle zuoversicht
zuo got durch Christum Jesum gwüß ist.
Ietz wellend wir das wort Christi selbs hören. Mat. 11. [Matth.
11. 28]: Kummend zuo mir alle, die beschwärt und beladen sind; ich
wil üch ruow geben. Sich, mit so hällen leren und kundschafften
werden wir eygenlich bericht, das wir in allem truebsal, kummer und
anligen zuo got sicher und vertruwt söllend louffen, unnd er wirt
uns alle ding leisten durch den herren Christum Jesum. Darumb
alle, die durch andre mitler lerend zuo got kummen, die leerend wider
got; denn der ruefft uns zuo im. Ja, er spricht: Welcher ein andren
weg weder durch mich yngat, der ist ein dieb und ein mörder Jo. 10.
[Joh. 10. 1]. Widrumb: Es mag zum vatter nieman kummen dann durch
mich Jo. 14. [Joh. 14 .6]. Er ist ouch ein einiger mitler 1. Tim. 2.
[1. Tim. 2. 5]: Es ist ein einiger got, und ein mitler gottes und der
menschen, Jesus Christus. Was wellen wider dise wort gottes
alle menschen mögen harfür ziehen? Ja, ich gedar nit für got
kummen; ich bin torecht, sündig, schnöd, ungrecht. Hörst du nit
got, daß Christus unser wyßheit, unschuld, schöne, grechtikeit und
bezalung ist? Hörstu nit, daß er uns ruefft, so wir schwär beladen
sind? Ja, ich muoß ein andren mitler han; ich gdar nit richtig zuo
got kummen. Hörstu nit, daß nit me denn der einig Christus Jesus
unser mitler sin mag? Ja, ich muoß ein fürsprechen han. Hörstu
nit, das Christus alles tuot? Das gebrist dir, daß du inn noch nit
erkenst; denn du versichst dich nit zuo im als zuo eim vatter, und
rueffst im aber vatter; sunder du rechnest inn für einen tyrannen und
grusamen wuetrich. Darumb alle, die lerend, man gdör nit zuo got
kummen on andre mitler, die schmähend got unnd felschennd im sin
wort, und verschühend die gleubigen hertzen von dem unserem

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barmhertzigen got und vatter. Das sind die rechten, waren Antchristen.
Denn alles, das sy Jesu Christo, unserm erlöser, zuolegen
und zuoziehen soltend, das nemmend sy im, unnd geben 's andren
creaturen zuo, falsch und lugenhafftiklich, one allen grund der gschrifft,
wider das häll wort gottes.
Kurtz ab: Hie sol sich nienman abfueren lassen, daß er by ieman
gnad suoche denn by got selb. Darumb hand wir das heiter wort
gottes. Der sich des nit halt, der ist nit ein Christ. Der unbefleckt
gloub mag nit erlyden, daß man by eim andren trost suoche weder
by dem gmahel der gleubigen seele: gott.
Von abthuon des gsatztes.
Vil sind, die gar ungeschicklich redend von abthuon des gsatztes.
Darus erwachßt, das demnach die unverstendigen, oder eigenlicher: die
muotwilligen, so unbescheidenlich redend, daß es ein schmach gottes
ist. Darumb, wie da oben verheissen ist, das abthuon des gsatztes hie
volget.
Christus spricht Luc. 17. [Luc. 17. 16f.]: Das gsatzt und propheten
hand bis uff Johansen gereicht. Dannethyn wirt das rych
gottes verkündt, und ein ieder truckt gwaltiklich darin. Aber es ist
ringer, das himel und erd vergang, weder das des gsatzts ein buochstab
oder tüpflin hinfalle. Hie hörend wir zum ersten heyter, das gsatzt
nun bis uff Johansen gereicht haben. Darnach: Es möge vom
gsatzt nit ein buochstab oder tüpflin hinvallen. Weliche zwo meinungen
uns bedunckend richtig wider einandren sin, und hat sy aber
der mund gottes selb gredt und zemengesetzt; daran wir wol sehend,
das es nit vergeben geschehen ist. Hie ist nit not, das man anzeuge,
wie die ceremonien altes testaments, das ist: die usserlichen opffer:
weschen, reucken, brennen, abgethon sygend mitt den kleydungen,
geschirren, form der tempeln. etc. Weliche ding nun ein bedütnus
gewesen sind uff Christum. Darumb sy ouch als der schatt, so das
liechte kumpt, hyngevallen sind, als Christus kummen ist. Sunder
man muoß hie sagen, wie das gesatzt, das den inneren mentschen antrifft,
abgethon sye, als: Du solt got uß gantzem hertzen, seel, gmuet
und krefften liebhaben [Matth. 22. 37], und: Du solt den nächsten als

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lieb haben als dich selbs [Matth. 22. 39]. So die gsatzt abgeton wärind,
so wer doch der gloub abgeton, der nüt anders denn ein unabgewendt
anhangen gottes.
Darumb ist ze mercken:
Das gsatz ist ein guot ding für sich selb; denn es zeigt den willen
gottes an, wie vor gesagt ist. Noch so tödt es uns, nit daß das gsatzt
von im selbs uns töden mög, sunder daß wir daran erlernent, so wir
im nit nachkummen, das wir des tods wirdig sind. Also töt uns der
buochstab des gsatztes 2. Cor. 3., Ro. 7. [2. Cor. 3. 6, Röm. 7. 10]: Also
erlernend alle menschen an dem gsatzt "du solt got uß allen krefften
lieb haben [Matth. 22. 37]", das sy des tods wirdig sind; denn nieman
ist, der nit eintweders andre ding lieber hab weder got, oder gottes
nit zuo merem zyt vergesse. Deßhalb ein ieder empfindt, das er billich
verdampt wirdt nach der grechtikeit gottes. So aber derselbigen
Christus genuog thuot vor got - denn er ist unser grechtigkeit -,
sich, so sind wir vom gsatzt erlößt, das ist: wir sind entschütt, das
uns das gsatzt nit töden mag; noch blybt das gsatzt in die ewigheit
styff. Also hat das gsatzt, biß das Christus ist kummen (wiewol
Christus uß zucht uff Johansen bedüt), alle menschen verdampt;
denn es was noch keiner kummen, der, so wir des tods schuldig warend,
für uns bezalte. Und ist die red Christi glych, als ob er
spräch: Die propheten habend vorgseit von miner zuokunfft und
wesen; das hat gereycht biß uff Johansen, an welichem und an
mir alles erfült, das vor von uns bedüt ist xin. Das gsatzt hat
alle menschen des tods schuldig gemacht. Aber nachdem Johans
mich hat anzeygt den heyland sin, hat es alle, die in mich gloubt
hand, nitt mögen zum tod bringen; denn ich bin die bezalung und erlösung.
Noch so blybt alles gsatzt, so vil es den inneren menschen
ansicht, in die ewigkeit unabgethon. Diß wirt mit einem byspil klar:
"Du solt nit stälen [cf. Ex. 20. 15]" ist ein ewig gebott. Noch so hat
einer gstolen, und du erlöst den by dem richter vom galgen; ietz
ist er vom gsatzt, das ist: von der straff des gsatztes, erlößt. Noch
ist er nit erlößt, das im fürhin wider das gsatzt zime ze stälen.
Und ob man in glych, so dick er stilt, vom galgen erlöst, denocht
wirt er nimmer fry gemacht, das er das gsatzt nit sölle halten. Also,

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obglych Christus für unser sünd in die ewiggheit bezalt, stat denocht
all wegen das gsatzt styff; aber, so wir in Christum vertruwend,
so mögend wir nit vom gsatzt verdampt werden. Dis ist ein teil des
abtuons des gsatztes, da wir von der straff des gsatztes erlöst sind, ja,
so wir in den herren Jesum Christum, unseren heiland, vertruwend.
Zum andren mal ist das gsatzt allein dem frommen abgenommen,
ja, es ist im nie ggeben 1. Tim. 1. [1. Tim. 1. 9]. Welicher heißt aber in
der gschrifft fromm? Nit, der nit sündet; denn keiner ist on sünd 1. Jo. 1.
[1. Joh. 1. 8]; sunder der, der gleubig, wie gschriben stat Abacuck. 2.,
Ro. 1. [Hab. 2.4, Röm. 1. 17]: Der glöbig wirt im glouben leben. Der
ist allein lebend, der sich selbs tod und ytel weyßt, und verlaßt sich
allein an die gnad gottes. In dem lebt ietz got, und er ist tod. Der
ist allein fromm oder grecht, der sin ungrechte erkent, und laßt sich
allein an den grechten Jesum Christum. Das gadt also zuo, wie
Paulus Gala. 2. [Gal. 2. 19] lert: Ich bin dem gsatzt durch das gsatzt
abgestorben, darumb, das ich got lebe. Ich bin mit Christo crützget,
und leb aber ich fürhyn nit, sunder Christus lebt in mir. Denn das
ich ietz lyplich leb, das leb ich in dem glouben und vertruwen des
suns gottes. Wie kan einer durch das gsatzt dem gsatzt sterben?
Antwurt: Wie vor offt gseit ist, das er das gsatz eigenlich ansicht,
und befindt im dasselbig unmöglich sin ze halten und erfüllen.
Und demnach volgt, das er siner wercken halb verzwyflet sälig ze
werden, unnd kumpt dahyn, daß er sich allein an die gnad gottes ergibt.
Ietz ist er der gnade gottes, und ist durch die erkantnus des
gesatztes dem gsatzt gstorben, und darumb lebt er ietz in dem einigen
trost der gnade gottes. Ietz ist er mit Christo crützget, so er an
verzwyflen sin selbs by im selbs gestorben ist. Ietz lebt er nümmen;
denn er ist by im selbs am gsatzt tod erfunden. Das er aber lebt
(das ist: trost und sicherheit hat der hulde gottes), das ist nüt anders,
denn das er in vertruwen Jesu Christi allen sinen trost gesetzt hat.
Der lebt ietz in Christo, und Christus lebt in im. Denn sölchen
glouben haben ist nit menschlicher vernunfft oder krefften, sunder der
hand und gwalt gottes. Sich, welicher ein sölicher gleubiger ist, der
darff keins gsatztes, sunder all sin leben sicht allein uff Christum,
der in im lebt und sin trost ist; wie ein rechtsinniger, danckbarer

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mensch uff ein andren menschen, der im all sin leben und noturfft
ersetzt, in allem thuon und lassen ansicht. Weliche ein sölichen
geyst Christi habend, die sind sin Ro. 8. [Röm. 8. 9]. Und ob wir
uns glych noch ferr von der volkummenheit wüssend, befinden 's wir
doch eygenlich, das in uns die maß des guoten wachßt nach der maß
des gloubens und verlassens in Christum. Und wie der gloub versuocht
wirt für und für, also gibt ouch das fleisch für und für sine
frücht. Die erleydend uns gheinen weg ee weder durch veste des
gloubens, der nüt anders ist weder ein vereinbaren unser in got durch
stäte zuoversicht und zuolouff zuo im. Also sind, die ietz im glouben
sind, das ist: in der gwüssen zuoversicht der gnade gots, nümmen
under dem gsatzt, sunder under der gnad Ro. 6. [Röm. 6. 15]: Welicher
in dero lebt, der lebt in got, und got lebt in im. Denn alles, das got
von im erfordret, ist im sueß, gnäm und gevellig nach dem inneren
menschen, ob er 's glych uß blödigheit nit erfüllen mag; denn er halt
sich der gnad gottes. Und was got gevalt, das gevalt ouch im, obglych
das fleisch nit nahyn gevolgen mag; denn also hat inn das
gsatzt des lebendigen geystes erlößt von dem gsatz der sünd und des
tods Ro. 8. [Röm. 8. 2]. Welchs ist das gsatzt des lebendigen geistes?
Antwurt: Das fueren und berichten, das uns got, so wir an inn gelassen
sind, fürgibt uß rechtem verstand sines worts, den wir von
nieman erlernen mögend weder von got Jo. 6., 1. Jo. 2. [Joh. 6. 45,
1. Joh. 2. 27].
Ietz hand wir zwo erlösungen vom gsatzt. Eine ist von ceremonien,
das ist: zünselwercken oder kilchengespänsten. Die ander
ist von der straff unser mißthat. Und so wir gar in got gelassen sind,
so dörffend wir keynes gsatztes me. Dann da ist got selbs, der uns
fuert; und wie got gheines gsatztes bedarff, also, in welchem got wonet,
der bedarff ouch gheines gsatztes; denn got fueret inn. Denn wo gottes
geist ist, da ist fryheit 2. Cor. 3. [2. Cor. 3. 17]. Also ist der, so in
got gelassen ist, ouch von den gesatzten, die den inneren menschen
betreffend, fry. Er würckt aber fry und frölich alle ding, die eim

--650--

Christenmenschen zuostond. Welche der gestalt fry sygind, sicht
man an iren früchten. Sind sy demuetig, beschicht uß dem inwonenden
götlichen geist; Christus ist ouch also xin. Sind sy sorgveltig für
anderer mentschen heyl, so ist Christus ouch also xin; so muoß ouch
die sorg allein uß Christo kummen. Sind sy duldig, der glychen;
denn Christus ist ouch duldig xin. Sind sy frydsam, ist ouch uß
got; Christus ist ouch also xin. Sind sy dapffer umb die eer gottes;
Christus ist ouch also xin. Sind sy frölich in widerwertigkeit umb
der eer gottes willen, ist alles von got etc. Aber hie findend wir ein
grosse zal falscher Christen, die sich verkouffend, als ob sy wol in
got erbuwen und fry sygind, die doch ghein demuot an inen habend,
sunder wellend sy dadurch groß, rych oder hoch werden. Da sy für
andre menschen sorg tragen soltend, tragend sy allein sorg für sich
selbs; sy mögend nüts erlyden umb gottes willen, aber umb ires nutz
und namens willen alle ding. Sind unfridsam; ir ding ist nüt denn
mit allen menschen zerlegen, fechten, zerrütten, da joch die ursach
der eer gottes nit treffenlichen nötet. Ire thaten zuo beschirmen,
wie letz joch die sygind, sind sy glert und dapffer; aber die eer
gottes ze meren und den nächsten früntlich ze leren, sind sy nüt, wiewol
man den ouch zuo zyten mit rühe angryffen muoß, und umb eine
kleine widerwertikeit, da inen ein klein zytlich nützle abgat, vallend
sy gar hyn etc. Aber andre menschen ze recht ferggen, keinem
blöden nüt vorgeben, ire kunst ruemen und ir aber unglych sin,
bochen, wie man die pfaffen ze tod schlahen, münchen brennen,
nonnen ertrencken sölle, wie man die ding straffen sölle, dero sy sich
los vermeinend, kurtz, alle usserliche ding flux unberaten anzenemmen,
ja, hie sind sy guot Christen. Aber entlich, befindstu nit, das sy zum
ersten by inen selbs sygind Christen worden, so erkenstu sy denn uß
iren früchten wol. Darumb wirt hie von vilen schantlich gemacht
die leer gottes und übel verherget, die nun darinn guote Christen
sind, das den lychnam und usserlichen schyn antrifft; wiewol man
der dingen mißbrüch mit der zyt ouch muoß hynlegen. Aber die

--651--

inneren prästen wellend sy nit anrueren; wiewol ze hoffen ist, so ferr
sy anghebt hand dem wort glouben geben, sy werden sich mit der
zyt recht leyten.
Zum dritten sind wir Christen ouch von allen denen gsatzten
fry, die man uns hat uffgelegt der gstalt, als ob wir fromm oder guot
darinn werdind, als dann sind alle bäpstliche gsatzt, die in dem wort
gottes nit gründet sind: verbott der spysen, gebott der reynigkeit, der
glübden, der lüselbycht, der opfren, der geltbuossen, ablasses und das
gantz zöiter. Wir sind ouch fry der leren halb, die von dem mentschen
erdacht sind, als: von dem fürbit der heilgen, von dem fegfür,
bilderen, tempelzier, meßbstellen, vigilgenkouff unnd andrer dingen etc.;
denn sy sind in dem wort gottes nit gründt. Des alles grund ist das
einig wort Christi Mat. 15. [Matth. 15. 9]: Sy erend mich vergeben,
so sy leerend leren und gebot der mentschen. Kurtz: Alles, das sich
uß dem leren der mentschen lasst für guot ansehen, das ist vor got
ein grüwen Luc. 16. [Luc. 16. 15].
Zum letsten wellend sich etlich uß der ghorsame der waren obergheit,
die wir weltlich nemend, ußziehen mitt dem schin, das sy Christen
sygind. Und diss sind die aller schädlichesten fyend der leer
gottes. Denn zuo dem, daß sy wider das häll wort gottes tuond, verlündend
sy ouch vor andren mentschen die leer Christi und machend 's
unwerd. Got hat im alten testament den gwalt, der die mentschlichen
bywonung und grechtigheit zuo friden und ruow ufenthalt, ufgesetzt
Exo. 18. [2. Mos. 18. 21-26]; im nüwen hat Christus gheissen
dem keiser (under welchem wir ein iede oberhand verston söllend)
geben, das man imm schuldig sye [Matth. 22. 21]. Das heißt er ouch
durch den mund Pauli Ro. 13. [Röm. 13. 7]; liß das gantz capitel.
Durch den mund Petri 1. cap. 2. [1. Petr. 2. 13-15]: Ir söllend dem
regierer unnd sinen vögten oder houptlüten ghorsam sin etc. Bald
darnach [1. Petr. 2. 16]: Ir söllend die christenlichen fryheit nit zuo
eim fürwelben der bosheit rechnen etc. Fürchtend got, und habend
den regenten in eeren etc. [1. Petr. 2. 17]. Hebr. 13. [Hebr. 13. 17]:
Sind ghorsam üwren fürgesetzten, etc. Der kundschafften ist gnuog,
daran man sicht, das wir us götlichem gheiß der obergheit, die das
schwert treit, söllend ghorsam sin. Es sol ouch ein obergheit nüt

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gebieten, das wider die eer gottes ist und wider sin wort, oder aber
der ware Christ wurd sprechen: Man muos got me ghorsam sin weder
den mentschen act. 4. und 5. [Act. 4. 19, 5. 29]. Darumb zimpt inen
nit wider das wort gottes üzit ze gebieten, so verr sy Christen sin
wellend.
Welche nun zuo disen zyten sich understand von aller schuld der
zinsen und handköuffen oder zehenden (dann die in einen stäten gang
komen sind also, das ein ieder den boden, den er verzehendet, umb
so vil der betrifft, ringer koufft; wiewol man die missbrüch der zehenden
dennen tuon muos oder es gat alles ze schytren) und andren redlichen
schulden uswinden, die sind alle vellig in dem gebott: du solt
nit stälen [2. Mos. 20. 15]. Und sind so vil böser dieb denn andre, so
vil sy irem diebstal Christum zuo eim deckmantel machend. So verr
es darzuo kumen sölte, daß man under den Christen eim frommen das
sin nit geben sölte und danebend der obergheit nit ghorsam sin, so
wäre by den Türggen weger ze wonen denn by eim sölchen volck.
Man kan got grössere lestrung nit antuon, weder sölche schalckeit mit
sinem namen beschirmen. Luoge aber daby ouch ein iede oberkeit,
daß sy falsch, wuocher und varlicheit der zinsen hinnemmind; und
so inen got das schwert in die hand geben hatt, das sy nit umb ires
nutzes willen fechtind, sunder ein bösen damit straffind, den guoten
schirmind; sust wurde got glych als wol weg finden, wie er iro gebiet
ze nüte brecht als der pfaffheit gebiet. An welcher pfaffheit sich
ouch die mütwiller verstossend; dann besunder personen für sich
selbs die schmähen, erermen und ze tod schlahen understand, das
alles unchristenlich ist. Man sol iren handel also anheben: sy
irer irtumben berichten und dieselben dennen tuon, und sy inn friden
lassen sterben, wie sy har sind komen, so vil ufrechte schuld antrifft;
dann sy darumb ouch von unserer, das ist: weltlicher obergheit, versichrung
habend, die man nit brechen mag an denen, die daruf gewidmet
sind; aber demnach so widme man niemantz me daruff.
Ob aber etlich so halstarch sind, das sy dem wort gottes nit wychen

--653--

wellend, und könnend doch grüntlich nüt darwider, mit denen sol ghein
besundrer handlen, sunder die obergheit. Die wirt sich denn wol
gschicklich halten uß dem 18. Mat. [Matth. 18. 17] und 13. Deut.
Kurtz: Die wuetrich, die anders nüt könnend denn rouben und stelen,
sind so schädlich lüt, so sy es mit dem namen Christi verkluogen
understond, das wäger wär, wir hettind an iro statt so vil Türggen.
Derglychen sind wol so schädlich die uppige pfaffen, die alle ding mit
irem geböch und gwalt hyndurch trucken wellend. Darumb muoß sich
ein oberkeit in den dingen ernstlich halten, daß der bederley unfrommen
muotwill nit zuo nachteil der eer gottes reiche. Denn kurtz,
so sol ein ieder Christ eim ieden geben, das er im schuldig ist
Ro. 13. [Röm. 13. 7]. Das ist ein schuld, das ein oberhand für ein
schuld erkent und halt; daby sol sy aber eygenlich sehen, das sy die
schulden, so vor got nit redlich sind, verbietind oder verwandlind.
Und so man die pfaffheit glych inziehen wil bis uff ein noturfftige
zal, noch hört ir guot, das sy ietz besitzend, nit dir oder dem, sunder
den armen, und das nach verordnung einer oberkeit und einer ieden
kilchhöry. Hierinn ist ietz nit statt von eynet ze schryben. So ferr
ein verkünder des gotsworts ein luter, einvaltig oug hat, wirt er nit
gevarlich faren.
Dise kurtze inleytung, für die unberichten harfürgetragen,
mag ein ieder wol erkennen vergeben sin, wo die lerenden nit mit
ernst zum ersten an gott begerend, das er inen gnad verlyhen welle;
und demnach flyßlich die gschrifft erdurend, und tag und nacht darinn
wandlend; und zum letsten ein gmuet habind, die waren Hierusalem
ze buwen. So sy aber die eer gottes und nutzbarkeit der
selen, wie inen zuostat, ze fürdren vor inen hand, und sehend nit
uff das zytlich, sunder uff das ewig, so wirt inen got das wort der warheit
rychlich zuodienen. Er macht den hirten Amos zuo eim predgenden
propheten [cf. Amos 1. 1]. Darumb söllend sy im wort gottes
rych sin und das euangelium, das one das gsatzt nit verstanden mag
werden, der gstalt harfür tragen, daß guot und böß wüssind, welchen
weg man zuo got kümme. Es sind ouch vil unzamer, die muoß man

--654--

scharpff beschelcken. Die ruemend sich von dem gsatzt fry sin, und
dörfftind aber noch vil herterer gsatzten, damit man sy im weg behalten
möcht, und in gemein leren, welche werk gott am aller gevelligsten
sygind, namlich, die er lert Mat. 5. 6. 7., Ioannis 13. 14.
15. 16. 17.; ouch den überfluß des spilens, suffens, kleydens, schwerens,
kriegens, zanggens, gytes zam und ruch niderlegen. Das sind sölliche
bestien, das man mit inen genuog ze stryten hat, unnd darff man an
den cantzlen weder fablen noch sophistenkempff predgen.
So vil von dem ynleyten der leer gottes.
Von den bilden.
Der bilden halb, wie sich befunden hat, das die bild von got verbotten
sind, sol das billich ouch ein ieder leren, damit die blöden und
unwüssenden, bericht und erwachsen, bald das erlyden mögind,
das man mit inen handlen sol. Darzuo wirt wol dienen das buechlyn,
das kurtzlich ist ußgangen von abthuon der bilden; dann es vil kundschafften
der gschrifft hat. Welcher aber das nit hette, der lese an
disen orten: Exo. 20. [Ex. 20. 23] daselbst am end von den silberinen
götzen, exo. 34. [Ex. 34. 12-17], levit. 19. [Lev. 19. 4], levit. 26. [Lev.
26. 1], deut. 4. [Deut. 4. 3. 23-28], deu. 5. [Deut. 5. 7-9], 1. reg. 7.
[1. Sam. 7. 3-6], nu. 25. [Num. 25. 4f.], deut. 4. [Deut. 4. 3. 23-28],
deu. 7. [Deut. 7. 5. 25f.], deute. 11. [Deut. 11. 16f.], deut. 13. [Deut. 13.
6-18], deut. 27. [Deut. 27. 15], Jesue 24. [Jos. 24. 23], jud. 10. [Jud.
10. 6-16], psal. 96. [Ps. 96. 5], psa. 114. [Ps. 115. 4-8], Isa. 42. [Jes.
42. 17], Isa. 44. [Jes. 44. 9-20], Hiere. 10. [Jer. 10. 2-16], Hiere. 13.
[Jer. 13. 10], Ezech. 14., Ezech. 6., Mich. 1. [Micha. 1. 5-7], Abacuck
2. [Hab. 2. 18f.], 4. reg. 18. [2. Reg. 18. 4.33-35], 4. reg. 10. [2.
Reg. 10. 15-30], 4. reg. 23. [2. Reg. 23. 4-23], 2. para. 31. [2. Chr. 31.
1-7], 1. Cor. 5. [1. Cor. 5. 10f.], act. 15. [Act. 15. 20. 29], 1. Cor. 8.
[1. Cor. 8. 4f.], 1. Cor. 10. [1. Cor. 10. 19-21], 1. Cor. 12. [1. Cor. 12. 2],

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Galat. 5. [Gal. 5. 1. 20], 1. Thess. 1. [1. Thess. 1. 9], 1. Petri 4. [1.
Petr. 4. 3], 1. Jo. 5. [1. Joh. 5. 21]. Diser angezeygten orten verbietend
etliche die bild oder götzen, etliche verspottend sy, ettliche leerend,
wie man die abthuon sol. Darinn aber gevarlich ze faren ist, das nit
übels daruß entspringe. Denn, für das die Christenmenschen recht
bericht werdend, wie man inen ghein eer enbieten sol, so mag man
demnach deß bas geduld haben, bis das die blöden ouch harnach
kummend, das man sölchs mit merer verhellung volbringen mag.
Etliche ort ruemend, die sy abgethon habend.
Hie widerfechtend etlich sölicher gstalt: Diß gebott beruert allein
die Juden unnd uns Christen nit. Denen man also antwurt geben
sol, das dise zwey teyl: "Du solt nit frömbd gött haben [2. Mos. 20. 3]"
und "Du solt ghein bild noch glychnus haben [2. Mos. 20. 4]" glych
als ein huot und erklären sind des ersten gebottes: Du solt in einen
got vertruwen. Besich deut. 5. [Deut. 5. 6], so spricht got: Ich bin
din herr got, der dich uß Egypten gefuert hab, etc. Sich, das ist
das erst gebott, darinn sich gott harfür stelt für unseren got. Ietz
verbüt er die ding, die uns möchtind von im abfueren, und spricht glych
daruff [Deut. 5. 7]: Du solt nitt ander gött nach mir oder in minem
angsicht haben. Und das ist ein weg, durch den die kinder Israels
offt sind abgefuert und wir Cristen derglychen. Denn welcher hilff
und trost by einer creatur gsuocht hat, die der gleubig allein by got
suochen sol, der hat im selbs ein frömbden got gemacht; denn ie das
ein gott eins ieden ist, zuo dem er sin zuoflucht hat. Also ist das ein
stuck, das uns von got ziehen mag: frömbde göt. Das ander stuck,
das uns abfueren mag, sind bilder. Darumb verbüt sy got zum ersten
[Deut. 5. 8]: Du solt dir ghein geschnitzt bild machen, noch glychnus
oder contrafactur der dingen, die im himel, uff erd oder in dem wasser
sind. Sich, man sol schlechtlich nit machen. Und ob wir sy etlichen
weg ie mueßtind vor uns haben, als Danielen und andren beschach
Dann. 3., so spricht er [Deut. 5. 9]: Du solt inen ghein zucht -
weder mit biegen, neigen, eerenbieten; denn das heißt diß wort schahah
[‎‏שָׁחָה‏‎] - enbieten, und ouch ghein dienstbarkeit bewysen. Diß zeigend
die latinischen wort ouch gnuog an "du solt sy nit anbetten; ouch
inen ghein eer bewysen." Das man sy in den templen hat, das ist

--656--

ye den bilden eer enbotten. Und da man spricht "Ich bett sy nit
an; sy lerend mich und manend", das ist alles ein fabel. Got redt
hie nit von dem anbetten, das wir verston wellend: er ist darüber;
darumb, daß er wol weyßt, das ghein wyser ein bild anbettet. Er verbütet
aber hie alle eere, also, das man vor inen nitt nigen, biegen,
knüwen, zünden noch reucken sol. Eret man sy nit, was thuond sy
denn uff dem altar? Ja, man eeret sy nüt minder denn die Heyden
ire bilder der abgöten; die hand sy genempt nach dem namen des
abgots. Also hand ouch wir gethon. Wir nemmend die höltzer mit
dem namen der säligen. Ein holtz nennend wir Unsere Frowen und
die Muoter gottes, das ander nemmend wir S. Niclausen etc. Und
schryend, die sölichs thuond, man welle die eer der heyligen vernüten;
unnd sy vernütend die heyligen, so sy die götzen mit irem namen
nennend.
Daß aber die bild uns lerind, ist ouch letz. Wir söllend allein
uß dem wort gottes gelert werden, aber die tragen pfaffen, die uns
on underlaß soltend gelert haben, die habend uns die leer an die wend
gemalt, und sind wir armen einvaltigen der leer damit beroubt, und
sind an die bild gevallen und hand sy geert. Wir hand ouch angehebt
by den creaturen suochen, das wir allein by gott soltend suochen.
Und da sy uns offt soltend gelert haben, hand sy die leer lassen ston,
unnd habend offt darfür meß gehalten, das wir einvaltigen nit verstanden
habent und iro der merteil ouch, bis das es darzuo ist komen, das wyt
der merer teil der Christenmentschen nit gwüsst hat, in welchem
wesenlichen stuck doch der mensch sälig werd. Ja, etlich habend uns
erbärmklich mit iren fablen von den heyligen vom waren got an die
creatur gewendt.
Da man aber inredt, die bild sygind uns im nüwen testament
nit verbotten, ist ouch letz; denn wo man findet im nüwen testament
"idolum" oder "simulachrum", da solt man im tütsch lesen: bilder
oder glychnussen. Laß sich hie nieman irren, ob er in dem nüwlich
ußgangnen nüwen testament an den vorgezeygten orten findt dis wort

--657--

"abgöt" oder "frömbde gött"; es solt all weg darfür ston "bilder" oder
"glychnusen". "Idolon, hemoeon [!]" spricht Hesichius "ist den
Latinen simulachrum", tütsch: ein bild oder glychnus. Ietz bsich
1. Jo. 5. [1. Joh. 5. 21]: Lieben kinder, huetend üch vor den bilden!
und andre ort, und luog demnach, ob die bild ouch im nüwen testament
verbotten sygind oder nit. Act. 15. [Act. 15. 20] ist ein bericht
der Christen zuo Hierusalem, das sich die Christen söllind hueten
vor vermaßgung der bilden.
Darzuo so wir sprechend: "der heylgen bilder zeygend uns an, was sy
gethon und gelitten habend, das wir ouch also thuegind", hie sol man
uns fragen, wenn doch unser werck grecht sye. Muessend wir ie
sprechend: So es im glouben, der ouch die liebe gottes ist, beschehind,
so gevallend sy got 1. Cor. 13. Wyter fragt man uns: Uß was grund
hand die heilgen sölchs geton? Werden wir sprechen: Uß warem
glouben. Ietz sol man uns zeygen, wo man iren glouben gemalet oder
gebildet hab, so können wir inn nit zeigen, denn in iren hertzen. So
muoß ie volgen, daß ouch wir lernen muessend den glouben notwendig
in unseren hertzen sin, wellind wir ützid gotsgevelligs thuon. Den
mögend wir ab den wenden nit erlernen, sunder wir muessend inn allein
von dem genädigen ziehen gottes us sinem eignen wort lernen. Sich,
hie erfindend wir, daß uns die bild nun an usswendige blödigheit
fuerend, und mögend das hertz nit glöubig machen. Also sehend wir
wol usserlich, was die heiligen geton habind; aber den glouben, darus
alle ding bschehen muessend, mögend uns die bild nit machen. So wir
nun den glouben luter und unbefleckt habend, sich, so werdend wir
unser selbs spoten, das wir so einen unwüssenden, blöden glouben hand
gehebt, das wir gewennet, sy manind uns, so es doch alles ytel ist
on den glouben.
Hie tuot man noch einen gegenwurff: Also zimmte sich einem nit
ein gschicht ze malen in sinem hus, noch einigerley gstalt, gebluemt
oder usgestochen. Nun sehend wir die zwey cherub und die
gwürckten oder gestickten tuecher ouch mit den cheruben und den
erinen schlangen und die knöpff und gilgen und phialen an dem

--658--

liechtstock und gebluem am ephod im alten testament; ouch 3. reg. 6.
[1. Reg. 6.], das Salomon cherubin, palmen und menigerley gemeldes
im tempel hat lassen machen, so schön, als ob es uß den wenden
harus gewachsen wäre. Darumb uns one zwyfel ouch zimpt, sölche
gemeld oder bilder haben. Antwurt: Das ist gwüß, das got alle
gstalten und bilder nun darumb verbotten hat, das man nütz anhebe
eren nebend imm oder gheiner creatur eer embiete näbend imm,
als man deut. 4. [Deut. 4. 1-28] wol verstan kan. Darus wir nun wol
mercken mögend, das sölich gestalten, die nimmer für gött und helffer
angenomen werden mögend als gebluem und löwenköpf, flügel und
derglychen, nit verbotten sind; dann Salomon hette sölche böum und
gebluem in 'n tempel nit lassen machen, noch got an den liechtstock
gheissen machen, wo sy hettind die geverd der abgöttery mögen gebären.
Aber die bilder, die gemeld, die wir in den templen habend,
ist offenbar, das sy die geverd der abgöttery geborn habend. Darumb
sol man sy da nümmen lassen, noch in dinem gmach, noch an dem
merckt, noch ienen, da man inen einigerley eer anthuot. Voruß sind
sy in den templen unlydenlich; denn alles, so wir darinn habend, ist
uns groß. Wo sy in geschichteswyß ieman hette one anleytung
der eerenbietung usserthalb den templen, möchte geduldet werden.
So ferr aber man sich anhuebe darvor bucken und eer enbieten, sind
sy nienen uff dem erdrich ze dulden; denn sy kurtzlich ein hilff der
abgöttery sind oder die abgöttery gar.
Von der meß.
So man von der meß reden wil, sol man zum ersten anzeygen,
damit nieman verletzet werde, das niemans der meinung sye, das er
den fronlychnam und bluot Christi abthuon welle oder schelten, oder
leeren, wie es nüt sye, sunder das die meß ein ander fürnemmen
habe weder nun den fronlychnam und bluot Christi niessen. Namlich,
so habe man all weg gelert, die leyen und pfaffen niessind ein
ding, so sy den lychnam und bluot Christi niessind. Das nun war
ist; denn Christus hat darinn nun ein ordnung und uffsetzen geton.
Noch nüt des minder so habind die irrigen pfaffen vor vil hundert
jaren ein opffer daruß gemacht, das es aber nit ist. Denn kein ley

--659--

halte es für anderst denn für ein spyß der seel; das ist es ouch, und
hat es got darfür uffgesetzt und nit anderst, wie eygentlich harnach
kummen würt; so mag es ouch nüt anderst sin. Hie muoß man anzeygen,
was man damit gemeint habe, das man es ein opffer genennet
hat und was ein opffer sye. Kurtz, so wirdt diß wort "opffer" im
alten testament verstanden für ein gab, die eyner got bracht. Dieselbigen
namm darnach der priester und lupfft sy uff den altar und
zundt sy an oder huob sy uff, oder bewegt sy hyn unnd her, ie nachdem
es ein opffer was. Damit reynigetend sy do ze mal ire sünd.
Welichs doch alles nun ein bildnus ist gsin, das Christus kummen
ward, der ware priester; unnd ward nit ein vihisch noch vermaßget
opffer für aller welt sünd uffopfferen, sunder ein rein, unbefleckts.
Das mocht aber under allen menschen, on inn selbs, nit erfunden
werden. Darumb opfferet er sich selbs uff, do er an dem crütz den
tod für uns leyd, unnd reyniget mit dem einigen tod unnd bezalt der
gantzen welt sünd in die ewigheit. Diser warhafften meinung grund
findt man in der epistel zuo den Hebreern vorus 6. 7. 8. 9. 10. capitel.
Wie nun Christus nun einist den tod am crütz erlittenn hat,
also ist er ouch nun einest uffgeopfret. Sin sterben ist sin uffopfren
für uns, und sin uffopfren ist sin sterben; sin ufopfren ist die reynigung
unser sünd, unnd sin tod ist ouch die reinigung unserer sünd. Darumb,
wie er nun einist ist gestorben Ro. 6. [Röm. 6. 10], also hat er
ouch nun einest den tod erlitten, unnd ist nun einest uffgeopfret. Und
darumb, wo man in der gschrifft findt, Christus tod habe unser sünd
hyngenommen, unnd findt darnebend, sin opfferen habe unser sünd
hingenommen, und sin bluotvergiessen hab unser sünd hyngenommen,
als Col. 1. [Col. 1. 22], so ist es alles samen nun ein meinung,
namlich, das uns Christus erlößt hat und für unser sünd bezalt,
darumb, daß er sich für uns in den tod des crützes geopfret und hynggeben
hat. Wie er nun einest gestorben ist, also ist er nun einest
uffgeopfret.
Das aber demnach die pfaffheit sich darfür ußgibt, sy opfre
Christum für andre menschen uff, das hatt sy uß ir selbs erfunden
one grund des worts gottes, uß welichem zwo treffenliche schmahen
gottes und zwen grosse prästenn erwachsend.

--660--

Die erst schmach gottes ist, das die türe und schatz des lydens
Christi damit verduncklet wirt. Also Christus, der war got und
mensch, ist so tür, hoch und wärd, das sin tod, nun einest uffgeopfret,
rych und thür gnuog ist für aller welt sünd in die ewigheit
zuo bezalen; denn er ist ein ewiger got. So ist ouch sin lyden in die
ewigheit unabläßlich fruchtbar. Wenn nun die pfaffheit sich für die
sünd opfrens ußgibt, so muoß es ie dahyn langen, das es Christus
mit dem eynigen lyden nit volkummenlich vollendet hab, oder das es
nümmen krefftig sye. Denn so wir gloubend, das er, eynist uffgeopfret,
uns, das ist: die gleubigen, in die ewigkeit erlößt und bezalt
habe, so muoß ie ein schmach sin, welcher das widrumb understat,
glych als ob 's vor nit ußgemacht sye.
Die ander schmach und grüwen ist, daß nieman ützid höhers
mag uffopfferen weder sich selbs, welchs opfren Paulus Ro. 12. [Röm.
12. 1] lert: Ich bitt üch, lieben brueder, durch die barmhertzigheit
gottes, das ir üwere lychnam embietend zuo eim lebendigen opffer,
zuo einem heligen opffer, zuo eim gotsgevelligen opffer, und das üwer
dienst uß der vernunfft und gmuet kömme. Sich, das ist das höchste
opffer, das der mentsch uffopfren mag: sich selbs. Wenn er sich nun
undernimpt got uffzeopffren, so schmächt er inn; denn er macht sich
so groß, als ob er inn uffopfren mög. Und hat aber Christum nieman
mögen uffopfren weder er sich selbs. Denn wie das opffer muoßt
rein sin, also muoßt ouch der pfaff rein sin. So wir nun gheinen pfaffen
in allem menschlichen gschlecht habend, der one sünd sye, weder den
eynigen Christum, so mag ouch inn nieman uffopfren weder er sich
selbs. Und darumb, welicher sich für ein opfferer ußgibt, der nimpt
Christo sin eer, unnd gibt sy im selbs. Ist ein unlydenlicher
grüwen.
Die zwen presten sind die:
Der erst ist, das dir irrig meinung des opfrens alle laster getröst
und gepflantzet hat; dann alle röuber, wuochrer, verräter, bluotvergiesser,
eebrecher habend vermeint, so sy für ire mißtat lassind
meßhalten, so werde ir sach richtig. Und mag nit anders sin, denn
das sy daruff gesündet haben. Das sicht man an iren pfruonden styfften
und meßverdingen wol, die sy nit styfftind, wenn es nit ir letste zuoflucht
were. So lieb hand sy das guot wol!

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Der ander prest ist, das man mit der mess so groß zytlich guot
hat zemengeleit und es umb das erdicht opfer genomen. Unnd ob
sy glich ein opfer xin, were es dennocht ein grüwen, gelt und lon
der zytlichen guetteren darumb nemen. Noch ist es nit gnuog xin; man
hat mit den gueteren erst ouch gemuotwillet unnd den armen gar verschlagen,
das inen vor allen ghört; dann man den merteil aller almuosen
dahin gewennt hatt.
Zuo sölchem fürnemen hat man getruckt, wie man hatt gmögen.
Zum ersten hand sy das iro niessen ein meß genempt, das ist:
als vil als ein opfer oder ein gesandtes opfer, das es aber nit sin mag,
wie obstat. Denn Christus hat es nun einist und einen weg
yngesetzt, und hat es nit ein opfer oder meß, sunder ein testament und
widergedächtnus genent; darumb dem fronlichnam und bluot Christi
diser nam unbillich ist ufgelegt.
Man hat ouch darnach die einen gstalt, nämlich des bluotes, abgeschnitten,
das man sy dem gemeinen mentschen nit gegeben hat, die
doch Christus hat yngesetzt, als ze besorgen ist allein darumb, das
man das ein für ein opfer hette und das ander nit, mit vil andren
ceremonien, kleiden, crützen und seltzamen meinungen.
Damit aber mencklichemm offembar werde, wie doch Christus
dise spyß der seel habe yngesetzet, so sol man die wort Christi, die
Mat. am 26. [Matth. 26. 26-29], Mar. 14. [Marc. 14. 22-25], Lu. 22.
[Luc. 22. 19f.], eigenlich besehen und dem volck ze verston geben.
Dieselben werdend darnach vil clärer us den worten Pauli 1. Cor. 11.
[1. Cor. 11. 23-26], welche wir ouch hie für uns nemen wellend: Ich
hab es üch anggeben, das ich von got genomen oder glernet hab,
namlich, das der herr Jesus der nacht, an dero er hinggeben ward,
das brot genomen hatt, und nachdem er danck gseit, hat er 's gebrochen
und geredt: Nemend, essend, das ist min lychnam, der für
üch gebrochen wirt; das tuond zuo gedächtnuß min. Dis sind die wort
des fonlychnams. Hie sehend wir zum ersten, das Christus spricht:
der lychnam, der für üch gebrochen wirdt, das ist: wie ich üch ietz

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das brot fürbrich, also wird ich verhergt und getödt für üch. Darnach
spricht er: Das thuond zuo gedächtnus min. Sich, er nempt es
selbs ein gedächtnuß, und des mals, do er es selbs ynsatzt, daran wir
sehend, das Christus selbs nit geopfret hatt nach dem nachttmal, do
er den jungeren sin fleisch und bluot geben hatt, sunder erst morn
des, do er am crütz starb. Unnd sol aber sin fleisch und bluot zuo
einer widergedächttnus deß geschehen, das er geton hat, wie harnach
kummen wirt. Ietz volgend die wort des bluotes: Derglychen ouch das
trinckgschirr nach dem nachtmal, sprechende: Das trinckgschirr, das
nüw testament, ist in minem bluote. Das tuond, so offt ir es immer
trinckind, zuo gedächtnus min. Dann so offt ir essen werdend das brot,
und das trinckgschirr trincken, so verkündend den tod des herren, biß
das er kumen wirdt. Dis sind die wort des bluotes Christi, in welchen
wir zum ersten verstan söllend, das dis wort "trinckgschirr" für das
wort "tranck" hie wirt genomen. Darnach nempt er das tranck "das
nüw testament", das ist: den nüwen pundt und gmecht. Denn Christus
hatt uns, wie obstat, mit sinem bluotvergiessen widrumb mit sinem
himelischen vatter gefridet, und ein ewigen pundt gemacht, durch inn
zuo got ze kumen. Und so wir die eigenschafft des testaments besehend,
so ist ein gmäch erst denn ufgericht, wenn der gstirbt, der
es geordnet hat. Also ist das testament Christi erst am crütz in
sinem tod uffgericht. Als wenig nun ein mentsch sölch testament
mag ufrichten, als Christus hat ufgericht, als wenig mag er ufopfren;
aber wol mag er widergedencken, was Christus geton hat. Und so
er sich in sin lyden und erlösen verlasst, wirt er heil. Des hat er
uns ein gwüß, sichtbar zeichen gelassen sines fleischs und bluotes, und
heißt die bede essen und trincken zuo gedächtnus sin. Und wie die
gedechtnus sölle verhandlet werden, truckt Paulus hie eigenlich
us und spricht: Denn so offt ir das brot essen werdend und das dranck
trincken, söllend ir den tod des herren verkünden. Also erlernend
wir, das diß sacraments eelicher bruch also beschehen sol: Man
sol, so offt es der kilchhöre gevalt im jar, verkünden unnd predigen
das lyden und tod Christi; da erzellen, was es uns guotes und frydens
gebracht hat, und zuo vestigung deß mit dem lychnam und bluot Christi

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alle gleubigen, die des begerend, spysen. Diß ist kurtzlich der einvaltig
handel und meinung Christi.
So wir nun sehend, das die meß gheinen besundren insatz hat,
sunder von den menschen für ein opffer angesehen (dann dis sacrament
nüt anders ist weder das niessen des lychnams und bluots Christi),
so sollend alle menschen daran sin, das sölicher mißbruch, da
sich einer für den andren uffzeopfren fürgibt, hingelegt werd, doch
mit sölichem ernst und fuogen, das nit uffruoren darumb beschehind;
denn man guot weg findt, sy hynzelegen. Darumb söllend die predgenden
die gemeinen meßpfaffen allenthalb entschuldigen. Denn dise irtumb
nit von inen entsprungen ist; so söllend sy ouch des nitt engelten.
Söllend ouch alle mentschen ermanen, das sy die im fryden
wellind lassen hynkummen, wie sy harkummen sind; denn der meerteyl
dero sind versumpt, das sy zuo der arbeit nümmen gezogen
mögend werden. Unnd sol ghein Christ von der spyß wegen das
werck gottes entledigen Ro. 14. [Röm. 14. 20]. Wo aber etlich daby
sich so gar ungebürlich halten wurdind mit widerbefftzen one grund
des gotsworts, sol aber nieman besunderlich wider sy handlen, sunder
die einer obergheit verlassen; die wirt wol mit inen handlen, das
gschickt ist. Denn kurtz: So der allmechtig got sin wort offnet,
so muoß der mentsch sehen, das er im nachkumme, oder er wirt den
zorn gottes uff sich laden.
Beschluß.
Und so ir das, wie vorstat, von üch, als ir schuldig sind, und wir
von üch erforderend, volstreckt, so haben wir zuo got gwüsse hoffnung,
er werde sin wort fruchtbaren, und sin eer mit unser besserung und
frydlichem leben meren. Das geb uns got durch Jesum Christum,
unsern erlöser und behalter. Amen!
Datum uff den 17. tag novembris. Anno 1523.