Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Ratschläge betreffend Messe und Bilder

10.-19. Dezember 1523
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 2 (Leipzig: Heinsius, 1908) (Corpus Reformatorum 89)


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Nr. 29. I.
Rattschleg und meinung von der mäß, durch den doctor
zum Frowenmünster, meister Huldrich Tzwingli und
meister Lewen, lütpriester zuo Sanct Peter, anzöigt.
Zum ersten ist ir meinung nit, daß dem fronlichnam und bluot
Cristi Jesu hie nüt gemindert oder abzogen sölle oder möge werden,
sonder daß er nach der uffsetzung Cristi und nüt anders geprucht
werde; dann eß nit ein ding ist, von dem fronlichnam und bluot Cristi
reden und von der mäß. Eß wirt ouch der nam der mäß und bruch
im wort gottes niendert funden. Aber der bruch deß fronlichnams
und bluots Cristi hat in dem offnen wort gottes grund und bruch.
Wo ouch der fronlichnam und bluot Cristi und die mäß ein ding were,
so volgte, daß ein ieder, so den fronlichnam und bluot Cristi nüsse,
ouch mäß hielte; daß aber nit ist.
Zum andern: So nun die mäß fürgegeben wirt, alß ob sy für
andere mentschen mit opffern bezale, und aber clarlich erfunden wirt,
daß eß nit also ist (dann daß ein bsondere schmach deß lydens Cristi
were, glych alß ob er, einest uffgeopffert, nütt f[^]ur der gantzen welt
sünd gnuog gethan hette), so muoß ie ein ieder Crist gereitzt werden,
daß, so ane grund deß gottlichen wortes, ja mit schmach gottes, uß
mentschlicher vermessenheit angesehen ist, abzethuon, hinzenemen und
gar zuo vernichten.
Zum dritten ist ir meinung, deßhalb by dem lutern wort gottes
zuo belyben, und demnach gott lassen walten. Dann wie man immer
ein meinung ansicht, muoß doch dieselbe, so verr sy wyder daß wort
gottes ist, abgethan werden; dann ein iede pflantzung, so nit vom
himelschen vatter gepflantzt ist, wirt ußgerütet [Matth. 15. 13]. Und
ob glych ander ordnungen wurdend angesehen, mueßtind doch wir für
und für wyder dieselben, so verr sy wyder gottes wort, mit dem wort
gottes fechten, uß wellichem täglich unruowen entspringen wurdent.
Zum vierden: Unnd ist diß die sum der meinung uß dem wortt
gottes, das man den fronlichnam unnd bluot Cristi mit beiden, win
unnd brottes, dem Cristenvolck reiche zuo einer widergedächtniß des

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lidens Cristi, also, das wir den tod des herren ußkündint, so offt wir
die spis unnd tranck gepruchent [1. Cor. 11. 26], wie dann sölliche
meinung Matthei am 26. [Matth. 26. 26-29], Marci am 14. [Marc.
14. 22-25], in der ersten epistel zuonn Corinteren am eilften capitel
[1. Cor. 11. 23-29] clarlich ußgedrückt ist.
Zuom fünfften: Embütend wir unns, desselbigen gebruchs ein uebung
offenlich uff den heiligen wienachttag zuo thuon, schlechtlich nach dem
insetzen unnd bruch Cristi, dann wir ye der welt den uffrechten gepruch
nümmen verhaltenn mögent; unnd ob man unns den glich nüt
erloubti, muessent wir beide, lichnam unnd bluot, brott unnd win, den
begerenden reichen oder aber lügenhafftig by dem wortt gottes stan.
Zuom sechßten: So aber die mentschlich seel täglich mit sünden
bekrenckt wirtt, ist ouch nott, das sy täglich mit dem wortt gottes
gesterckt werde. Darumb ist unnser erbietten, das wir ansähen
wöllind unnder einandern, das man alle tag zuo komlicher tagzytt ein
viertel oder halbe stund ein stucke unnd teil uß der göttlichen geschrifft
predge und demnach, ob yeman begerte, denselbigen spißen
und trencken nach inhalt des wortts gottes.
Zuom sybenden: Unnd ob sich hie yemand meinte beschwertt sin
mit der grossen menge der muessigganden pfaffen, sol derselb gedencken,
das es vil weger ist, wir lassen sy nach irem harkommen im fryden
absterben, weder das man sy zwinge, ze thuon wider die ordnung
gottes; dann es weger ist muessig gegangen, weder letz unnd übel
gewercket. Es were zuo besorgen, wo man inen gewonette ire bestetungen
ze brechen by irem leben, man wurd mit der zytt ouch
andere ding unnderstan anzegriffen, wellichs ein bärliche zerrüttung
wider gott unnd christenlichen fryden bringen möcht. So man aber
keine pfaffen von nüwem annemmen, württ die yetzige sum, ee unnd
wir selbs wenend, abgan; dann vil der chorherren und caplanen

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uff pfarren gewidmett werdend; ouch sind vil mer anderer wägen,
durch die man täglich sy mindern mag.
Demnach, ob üwer lieby unnd wyßheit söllichen weg nit wölte
annemen, wüssten wir kein andern wäg, der dem gotswortt so mithellig
sye. Darumb byttent wir üwer ersam wyßheit, die wölle doch zum
aller wenigisten ansehen, das man keine pfaffen zuo meßhalten welle
zwingen; dann ye dises sacraments nun ein insatzt ist. Nun liesse
aber sich kein ley zwingen, so dick zum tisch gottes ze gan; also
sol man ouch billich keinen Cristen, so der schon pfaff ist, darzuo
zwingen; dann wir schlechtlich diß unnd andere sacrament nach
dem inhalt des worts gottes zuo bruchen genöttett werden.
Darumb ist unnser ernstlich meinung umb der eer gottes willen,
üwer wyßheit welle sich trüwlich unnd unerschrockenlich an das
wortt gottes lassen; dann alle, die sich des ye gehalten habend, sind
von gott nit verlassen. Ir hand üwers ratschlags ein grund, namlich:
das häll wortt gottes; unnd die darwyder fechtend, hand nüt dann
das wortt des mentschen. So nun gott uff unser sytten ist, wer wil
wyder unns syn [Röm. 8. 31]? Lassend gott in sinem gsind hußhalten,
unnd was er heißt, dem gand nach als die gehorsamen
sün, so werden ir nüt mögen irren noch überwunden werden.
Amen.

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Nr. 29. II.
Die ander meinung [von der mäfs].
1. Die vordre meinung, durch die dry lütpriester anzeiget, ist one
zwyfel die aller richtigost und dem wort gottes die aller glychförmigost.
Dannenhar hierinn nüt sol fürgenomen werden, das nit dahin
lange, das man mit der zyt schlecht uf den bruch des lutren worts
gottes kume. So aber noch zuo diser zyt die hertzen und gloub der
menschen unglych - dann vil noch so blöd sind, als wir all gemein
vor unlangem zyt ouch gewesen sind -, wirt not sin, das man etwas
den blöden nachggeben werd, bis das sy zuo dem alter und stercke
der vesten spys kumen mögind [Hebr. 5. 15, 1. Cor. 3. 1f.]. Hierumb
hatt uns nit unguot beduocht ein meinung anzeigen, die den vesten nit
nachteilig und den blöden nit vorteilig oder ergerlich wäre, sölcher
gstalt, in hoffnung, der almechtig gott werde unser gmuet gnädiklich
ansehen, das wir ze buwen und nit abzebrechen geneigt sind.
2. Das die lütpriester allen denen, die diss helig sacrament des
fronlychnams und bluotes Christi mit dem win und brot begerend,
geben söllend; denn der mund gottes hatt es selbs sölcher meinung
anggeben und yngesetzt, deshalb man es nach der ordnung gottes
nieman abschlahen kan. Und wie ioch ietz und mit der zyt in dem
messhalten gehandlet werde, so sol doch nieman der bruch dess
sacraments nach dem ynsatz Christi abgeschlagen werden. So wirt

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doch der fronlychnam und bluot Christi all weg harren und vest
nach dem ynsetzen Christi muessen gebrucht werden.
3. Wiewol nun die mess nit ein opfer sin durch die heligen gschrifft
häll und clar ist, und doch der blöden oder unwüssenden noch so vil,
das man die mess one ergernuss der blöden nit gech abstricken mag,
ouch dargegen die, so messhalten bishar gebrucht, wol wüssend sind,
das der fronlychnam und bluot Christi nüt anders denn ein spys der
glöubigen seel ist, so habend wir die beden gebresten gegen einandren
erwegen: der ein wil die mess nit lassen, der ander kan sy nit
halten. Und uff das ist das unser meinung, das man hierinn nieman
zuo messhalten zwingen, ouch dargegen die, so messhaltend, nit mit
schmechworten beladen sölle, sunder alle den allmechtigen gott ernstlichen
bitten, das er alle menschen an das liecht der warheit fueren
welle, damit man fürderlich uff den luteren, einvaltigen bruch
Christi köme.
4. Hieby aber ist unser ernstlich bitt und beger an alle prelaten
und lütpriester, ouch an alle pfaffheit, das sy sich mit dem messhalten
der gestalt haltind, das sy nieman bärlich ursach zuo unfrid
und unruow gebind, sunder ernstlich ufsehind, das das wort gottes
styff, ouch etwan an statt des messhaltens gefuert werde, und zuo dem
kleinsten zuo sunntagen noch ein zyt die mess nit underlassen

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werde, es wäre denn sach, das die kilchhörinen so wol bericht
werind, das sy ghein verergernus davon empfiengind, und das, wo nun
einer oder wenig priester sind. Wo aber etliche zal ist, hoffend wir,
sy werdind, wie Paulus spricht [1. Cor. 13. 7]: "die liebe duldet alle
ding", us liebe christenliches friedens nieman zuo billicher klag und
mangel kumen lassen und sich dess fürer us guotem glouben zuo sölichem
schicken. Und diss alles wirt mit dem einigen wort gottes
ring gemacht und alle beschwerden zuo beiden syten also gmindrett,
das wir hoffend, das nütz denn frid und suon under uns gepflantzet
werd.
5. Wie man aber mess halten sölle, setzend wir eim ieden seelsorger
heim, der sich, nachdem er von dem fürpitt der säligen, und
wie die mess nit ein opfer ist, us der heligen gschrifft wol bericht,
wol weisst ze halten.

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Nr. 29. III.
Von der bilden wegen ist dis ein einhällige meinung
aller zuogesatzten xin:
1. [Erstens] ist unser meinung, das man ietz angeends die
tafeln zuo und nümmen uf tueye bis uf wyteren bescheid. Man tuot
sy doch in der vasten zuo und verhenckt die andren bild. Aber die
silbrinen, guldinen oder sust zierlichen bild, die sol man nit me harfür
tragen weder zuo hochzytlichen noch andren tagen, sunder man
sol den höchsten schatz des worts gottes in die hertzen der menschen,
nit die götzen in die gsicht tragen.
2. Demnach lassend wir 's by letst usgangnem gbott blyben, also,
das nieman ghein bild weder yn noch us den templen tuon sol, er hab
sy denn zuovor darin geton, oder so ein gantze kilchhöre mit merer
hand sy erkannte darus ze tuon, und das alles ohne schmach, spott
und allenfantz und alles, das muotwilliklich ieman verergren mag.
[3.] Zum letsten: Sidmal es sich ietz offt erfunden hatt mit dem
wort gottes, das die mess nit ein opfer ist, ouch der bilden halb, das
man die nit haben sol, und aber daby etliche pfaffen in unser statt
für und für mit ufruerigen, irrigen, ungegründten worten darwider
fechtend, ist unser entlich meinung etc., mit denen ze reden der oder

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diser gstalt, mit pęnen oder berouben der pfruonden etc., nachdem sy
us dem wort gottes nütz harfür bringend etc.