Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

31

<< Nr. 30 | Index | Nr. 32 >> 

Anmerkungen zu: "Der drei Bischöfe Vortrag an die Eidgenossen"

(April 1524)
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 3 (Leipzig: Heinsius, 1914) (Corpus Reformatorum 90)


Jump to page 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85




--76--

[E. II. 341. p. 3285 a.] Uff der 3. bischoffen fürtrag.
1. Nüwer leren könnend sich die bischoff nit klagen; denn
Christus und die apostel habend also gelert gar noch vor 1500 jaren.
Das sind nüw leren, die über das götlich wort erdacht sind!
2. Ouch so lert niemann mit wort und tat me muotwillens und
geyle denn die aller höchsten bischoff, cardinäl und bäpst.
3. Die weltlichen wol regierenden obergheit ufnet das euangelium,
heisst inen ghorsam sin, inen geben, das man inen schuldig sye.
Darinn die bischoff unbillich die harin fuerrend, nun das sy zuo ungnad
und ungunst ziehind.
4. Wie gdörend die bischoff nun in iren mund nemen, das der
gotzdienst gemindret werd und die eer der userwelten jungfrowen
Marien, so das wort gottes einig gepredget wirt, das one zwyfel an
gheinem end zuo nachteil gottes noch der lieben helgen dienen mag?
Das mag aber wol sin, das dem verloneten singen und in das erdicht
fegfür gelt zuo erlöschung werffen abgange. Denn hettend die
muotwilligen geistlichen sölche erbermd mit den seelen, die sy üns
one gschrifft fürgebend im fegfür sin, so tribind sy mit dem, so daran
geben wirt, nit sölchen muotwillen, sunder hulffind ouch löschen, stalltind
den muotwillen ab, und hulffind ouch den armen.
5. Das sy bischoff heissind, ist war; wie sy aber wachind, wirt
wol gsehen. Sy hand gwachet, bis das sy rübis und tübis rychtagz
und gwaltz in ir hend gebracht. Wie vil sy aber gelert habind,
erfindt sich nit.

--77--

6. Sy wüssend nit, welches die helig christenlich kilch ist.
Darum redend sy alles uf sich selbs, sam sy die heilig kilch sygind.
Ocha! Schneggly der heligheit.
7. Es ist ouch des rechten ein rinstli, das die, die ware wolff
sind, die trüwen hirten wollf scheltend. Christus lert die wolff an
irem gsuech erkennen [cf. Matth. 7. 15f.]. So sähe ein ieder, was sy
suochend. So findt er, das sy schon den grösseren teil aller rychtagen
und wollustes, darzuo gebiet der landen funden habend. Und
das sy noch nit besitzend, ist eintweders so mager, das sy des nit
wunstend, oder hatt sich iro mit gwalt muessen erweren.
8. Es söllend ouch alle gemeinden sich billich vor den rechten
wollffen, die man an iren früchten erkennt, hueten, und die trüwen
hirten vor inen schirmen.
9. Das sy one gwalt nütz wüssend ze schaffen, ist ein gwüss
zeichen, das sy nit diener noch wechter Jesu Christi sind; denn derselb
hatt sine ler und glouben nit mit gwaltez hillff ufgebracht, sunder
mit dem lyden.
10. Durch concilia ist wol ze glouben, das sy hoffind, das wort
gottes sölte durch sy nidergelegt werden. Es ist me gschehen. So
aber die bäpst und bischoff so vil kriegen verwalten muossend, mag
nit zyt funden werden, das man concilia halt. Das kind ist noch nit
geborn, das erlebe, das ein christenlich concilium versamlet werde.

--78--

Redind die byschoff, was [E. II. 341. p. 3285f.] sy wellind, sy mögend
ghein concilium erlyden, darinn das gotzwort meister sye.
11. Warumb rueffend sy nit den gwalt an, in dem sy fürsten
sind? Was wellend sy ein fromme Eydgnoschafft wider einandren
hetzen!
12. Iren gwalt wellend sy fry gebruchen got zuo lob und Marię,
siner muoter. Wer hat in dem euangelio Christi ie muotwilliger und
lasterlicher gelebt? Darzuo, wie könnend sy die eer gottes vor inen
haben, so sy umb sin wort nütz gebend, dasselbe undertrucken begerend
und in den gwalt der bäbsten und irer vätteren ze zwingen,
die sy all weg höher denn gott achtend, und nun uff dieselben
tringend? Da hoffend sy gheins ze verlieren; denn sy da sächer
und richter wärind. Sy werdend erfunden die waren wollf sin. So
man sy dess schillt, wysend sy uff die concilia. Das sind aber sy.
Sich! Secher und richter!
13. In der Eydgnossen landen sind wenig hargeloffner, die
nit irer ler rechnung gebind. Sye aber ein ieder, wannen er welle,
wenn er zuo verantwurtung us dem götlichen wort gestat, was ligt
daran, ob einer frömbd oder heimsch sye.
14. Sy scheltend das einvaltig volck unverstendig, so doch sy
die waren blinden - als by den Juden ouch gschach - und die
waren tummen sind, die da sehend und hörend, aber nit verstand
noch glouben gebend [cf. Jes. 6. 9f.]. Christus danckt dem himelischen
vatter, das er die heimlicheit sines worts den verachten gegeoffnet
hette und den gelerten und wysen verborgen [cf. Matth.
11. 25]. Wer recht von got gelert ist, der ist inen ein narr.
15. Den predger sol die kilchhöre erwellen, darinn er predgen
wirt; denn dieselb wirt über sin ler urteilen, sust nieman. Denn
diss urteil hatt unser lieber herr Jesus Christus dem gemeinen menschen
ggeben, da er spricht: "Huetend üch vor den valschen propheten.
Ir werdend sy an iren früchten erkennen" [cf. Matth. 7. 15f.]. Das
ist zuo gemeinen Christen geredt.
16. Sol man der endrung bis uf ein concilium warten? Wie
wurd imm aber, ob ghein concilium niemer me wurde? Sol man

--79--

darumb des hällen worts gottes beroubt sin und üch und üwren
vätteren losen?
17. Sind des wortz wol ingedenck, das üch gar nütz zimme
one die concilia und üwer obren gwalt ze endren; das doch nit ist.
Denn wo hatt gott sin wort sölchem gwalt ienen gheissen underworffen
sin?
18. Wie glichförmig üwer ordnungen dem euangelio sygind, wirt
mit etlichen wenigen stucken hie clarlich erfunden. - Das euangelium
verbüt glychsnery; und ir bestätend alle glychsnery der örden, rotten
und bruoderschafften. - Das euangelium lert, das gott vergeben geeret
werde mit leren und gebotten der menschen [cf. Matth. 15. 9];
und ir tringend allein dieselben ze handtha [E. II. 341. p. 3286 a] ben.
- Das euangelium heisst alle geistliche zuodienung vergeben geben
[cf. Matth. 10. 8]; und ir verkouffends alles umb gelt. - Das euangelium
lert üns den fronlichnam und bluot Christi in win und brot niessen
[cf. Matth. 26. 26-29, Marc. 14. 22-25, Luc. 22. 19f.]; und ir gebend
üns nun das brot. - Das euangelium lert den fronlichnam und bluot
Christi ein spys der sel sin [cf. Joh. 6. 53-58]; so machend ir ein verlonet
essen darus und habend unzalbarlich guot darab gelöst. Und
zimt doch als wenig ützid darumb ze nemen, als wenig eim gemeinen
Christen zimt umb gelt zum sacrament gon. Denn gott hatt
es nun einen weg yngesetzt. - Das euangelium weisst von gheinem
fegfür nütz; aber ir hand allen üweren wollust in der armen selen
- also hand ir sy gedicht fürggeben - jamer geätzet. - Das
euangelium lasst die ee allen menschen fry; aber ir hand sy angebunden
und lösend vil ab dem huorenzoll. Demnach duldend

--80--

ir die schantlichen huory vor allen menschen, daran man wol sieht,
das üch die selsorg und goumen der verergernus träffenlich anligt.
Ja, wie dem hund der bengel!
19. Wie üwer ordnungen der heligen gschrifft glychförmig sygind,
ist ietz gehört. Dannenhar ouch ring gesehen wirt, us welchem geist
sy komen sind, von dem 3. reg. 22. [1. Reg. 22. 21-23] stat. - Ir
zühend ouch tusend jar an. Sagend an, lieber, ist christengloub nun
tusend jar alt?
20. Die von Zürich habend weidlich und christenlich an die
bischoff zuo Costentz gefaren; wie aber du an inen, wirt wol kund
werden, also: Irrend die von Zürich, muos allein us einvaltigheit sin;
dann sy nütz verborgens handlend, sunder all weg wyt usschrybend.
Ist ein warzeichen, das sy sich wöltind, wo sy irrtind, berichten
lassen. Sind sy nun so einvaltig, das sy den betrug nit verstand, und
du bist ir wechter, warumb gast nit zuo inen und zeigst inen ir irrtumb
an, so ir doch all vormals im 14. stückly anzeigend, wie die
einvaltigen verfuert werdind? Und nachdem du inen den irrtag zeigt,
predig inen das recht. Ja, sprechend ir, ir söllind nit disputieren,
noch on ein versamlung handlen. Was tuond ir denn da? Ist das
bischoffampt nun ufsehen, wo irtum sye, und die selbigen nit
widerfechten und sol der selbigen nun durch ein concilium geweret
werden, so darff man üwer nütz ze wachen. Denn was nützt ein
hirt, der nun wacht, und so der wolff kumt, so wert er nit? Gheinen
hirten haben und einen hirten haben, der nit wert, gilt glych vil.

--81--

Sich, wie üwere fluchten grund habend zuo dem, das sy offenlich
wider das wort gottes 1. Tim. [1. Tim. 3. 2-7] strytend, da geheissen
wirt, das die bischoff zäy und widerhäbig sin söllend, damit sy mit
gsunder ler den widerbeftzenden mögind fuoshalten und sy harfür
ziehen. Hand nit der Hans Hayerle oder Schmid, vicarge,
wider das harfürgend liecht des euangelii und der GEgg und

--82--

der Kochlöffel, Caspar Schassger, küng us Engelland geschriben?

--83--

Nun ist es ein urteil von schryben und predgen: ja, das
schryben wäret [E. II. 341 p. 3286 b] lenger denn das predgen. So ir
nun wider das predgen gdörend reden on ein concilium, aber wider
das schryben nit, wie ist das eins? Oder zimt üch nit, die irrenden
mit worten on ein concilium ze überwinden und wysen? Zimt aber
daby denen besundren ir arme buecher uszetrucken, warum solt denn
nit bas eim zimmen das gotzwort, darumb er rechnung gibt, ze
predgen, namlich, so er all weg zuo antwurt gespannen stat und
üwre flüchtigen kempfer durend nit harfürtretten? Darum hillfft nit
reden: "Es zimt inen nit ze disputieren on ein concilium", so ir inen
zimmen lassend ze schriben, was sy wellend, on ein concilium. Wo
hat ghein man ie ein so närrisch, unglöubig volck gsehen, darinn nit
zimte, die irrenden abwysen? Es ist aber ein anders. Die schnider
und schuochmacher sind üch ze glert. Und erkennend ir nit, das die,
die üch so gross guot abnemend, nun iren nutz suochend, so sy üch

--84--

beredend, wie glert sy sygind, damit inen me gelonet werd, und doch
wider die ler, so Zürich und anderswo gepredget wirt, nütz vermögend?
Gand gen Zürich und sehend, ob ir predgen laster oder
muotwillen ziehe!
21. Üwer zuogeschlouffte antwurt zeigt wol an, was ir für gschickte
kunden sind. Hand ir ouch die vermanungen der frommen von Zürich,
die, als wol ze glouben, ernstlich und christenlich gewesen,
mitgeschickt? Ist das nit, so machend ir üch selbs argwönig, das
ir ein lobliche Eydgnoschafft wellind mit einander verhetzen. Denn
welcher nun sinen teil beschirmt, des andren ungedacht, muos sich
vorteilsuochens verdencken lassen. So nun vorteil by dem einen teil
der Eydgnossen gesuocht wirt, muos nun zuo zerruttung dienen.
22. Ein lobliche Eydgnoschafft wirt, ob got wil, nützid
handlen, das dem wort gottes ienen nachteilig sye; und denn
schlecht sy iren vordren nach. O, hettind dieselbigen das ietz
schynend liecht gesehen, sy hettind sich üwere alenfentz nit mit dem
hundertesten teil lassen beladen.
23. Wie könnend ir üch ützid embüten abzestellen, so es üch
gheins wegs gezimt on ein concilium, wie ir vor im 17. stückly anzeigt
hand. So ir aber sprechen wurdind: "Wir hand ouch nun
verheissen ze endren, das uns zimt", so hand ir doch vor geredt:
es zimme üch nütz ze endren. So volgt, das ir hie den herren, den
Eydgnossen, verheissend, das nütz ist.
Darum, o erenvesten, frommen, ersamen, wysen Eydgnossen,
lassend üch die bischoff, bäpst, äbt und pfaffen nit verfueren. Sy
gebend üch guote wort, damit sy üch in ire torheit yngefuerend. Sind
yngedenck, was üch für ein spil durch bapst Iulien, Leonen,
cardinalen von Sitten in kurtzen jaren zuogericht sye, daran nit

--85--

ir allein, sunder die gwaltigosten herren noch an ze küwen hand.
Gedenckend ouch, wie es üch mit Gotlieben in vergangnem
Schwabenkrieg ggangen sye, und kurtzlich, das üch der pfaffendienst
nie wol erschossen hatt. Und lassend üch nit wider einandren
verhetzen in dem handel der [E. II. 341 p. 3287 a] ler; denn, nachdem
man die ler recht under üch gemeinlich verston wirt, werdend
ir wol sehen, womit die hohen pfaffen umgand. Man seit üch
grusame, letze ding in üwren orten, vorus in den Vier Waldstetten,
das aber nienen weder gelert noch gehalten wirt.
Lassend üch die von Zürich und andre ort, die dem euangelio gehellend,
nit allein lieber sin denn die bäpst und bischoff, sunder
lieber denn alle fürsten und herren. Die helffend üch üwer fryheit,
fromgheit und er retten, so üch alle fürsten und herren begerend
drumb ze bringen. Und so ir üch einhälliklich zemenhaltend in eimbarung
des götlichen wortes, mag üch nit geschadt werden weder von
den fürsten der welt noch der hellen.
Sind hiemit got bevolhen und blybend daheimen wie die von
Zürich und luogend einmal ouch zuo, wie ander lüt einander schlahind
und verhergind, und sind wacker!