Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Antwort an den Rat in Zürich über Johannes Ecks Schrift und betreffend den Anschlag der neun Orte in Frauenfeld

6. November 1524
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 3 (Leipzig: Heinsius, 1914) (Corpus Reformatorum 90)


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Zwinglis antwurt, dem ersamen
radt zuo Zürich ylendts geben, über
anzeigen Eggen geschrifft unnd
nüner orten anschlag, zuo Frowenfeld
beschähen.
Ggeben am 6. tag wintermonats 1524.
Streng, vest, ersame, wyse, getrüw etc. gnädig herren!
Ich sag gott lob und danck, daß er üch gmuet und geduldt gibt,
die vilvaltigen muey und arbeit, so üch umb sines worts willen zuostond,
so redlych und trostlich ze tragen. Der welle sin werck für und für
erziehen und fueren durch die wueste diser welt, daß wir zuo dem versprochnen
erdrich der läbendigen [cf. Matth. 5. 5] mit fröuden komind.
Demnach sag ich uwer wysheit grossen danck des anzeigens, mir
gester beschehen, der besundren gschrifft, die nebend der offnen Egg
oder sine mithafften uff nechst gehabnen tag zuo Frowenfeld unser
Eydgnossen botton zuogeschoben hatt. Dann ich sunst aller dingen
wäre unwüssend xin, ußgenomen, das ich die getruckten antwurt
Eggen wol besehen, und dero antwurt ze geben umb irer ungeschickte
wegen uß fürnemen und gmuet geschlagen hab. Denn was ich mit
imm red oder fürnim, so schelckt er so ungemäß und legt demnach
sölchen unglimpff uff mich, sam ich inn unverdienten angeruert
hab, der mich doch so unerberlich mit einer lasterlichen gschrifft
vor unseren Eydgnossen one alles warnen angfochten hat. Und so
verr ich imm lasterwort gegen lasterworten geben sölte, wurde lustlicher
sin zweyen schnöden wyben, kempfenden und scheltenden, weder
uns uffzelosen; dann sölch unser schelcken möchte one verletzen
der eren gottes und frommer conscientzen nit beschehen, wiewol
andre fromme redliche Christen - ist 's, als ich vernim - sölch
sin gschrifft ze widernieten unnd sin untrüw fürnemen harfür ze ziehen
schon volendet habend.

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Daß aber uwer wyßheit hören wil, was ich zuo dem gespräch, das
Egg an unser Eydgnossen begert, gen Baden oder Lucernn legen
wellind, sagen welle, red ich also:
Das ist ye ein seltzsamer radtschlag, daß bede byschoff von
Costentz und Basel, der ein zuo Abtzell, der ander zuo Basel, gespräch
umb der lere span ze halten so treffenlich gewert habend,
ouch alle keyserische regiment an allen orten gewert und verbotten,
an solche gespräch ze kommen; und unser Eydgnossen etlich erst
in vergangnem jar iren priesteren by verlieren irer pfruonden verschlagen
habend in das gespräch, hie zuo Zürich gehalten, ze kommen; ouch
mit ernstlichen geschrifften zuo Abentzell und Basel verholffen angesehne
gespräch ze hinderstellen, da doch in den beden orten träffenlicher
span zwüschend den lerenden, also daß ouch unruow darumb ze
entsitzen was; und aber ietz den Bäpstischen, den Keiserischen,
den Eydgnossen botten so wol ze muot ist, Eggen mit mir ein gespräch
ze halten und darüber richter setzen lassen, mit demm ich
doch nie nütz ze schicken noch schaffen gehebt hab, ouch umb sinunnd
minetwillen ghein span noch not ist, darumb billich sölch gespräch
sölte angesehen werden.
Zum andren, so Egg - er habe das uß eigner bewegnus beredt
oder versoldet anghebt, welchs nit allein Christen, sonder alle
wysen wol und offenlich mögend erkennen - überein hatt wellen
mit mir disputieren, hab ich imm christenlich erbott zuogeschriben,

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und one alles leichen, ableinen oder schühen geoffnet, mit was
form ich sölchs mit imm an die hand nemen well, und darinn offenlich
ußgetruckt, ob er unsere Eydgnoßen darby welle haben, sye mins
gevallen, und den platz genennet: Zürich, da ich gelert hab, da
sölle ich ouch bericht werden, ob ich unrecht gelert hab, damit die
verfuerten, wo imm also wär, widrumb gebessret wurdind. Ja, so die
bede stuck so offenlich beschehen sind, vormal gewert und ietz darwider
gestritten, und nütz des minder für und für zuo Abentzel und
Basel gewert wirdt, und ich mich mit so glychen waffen dem Eggen
ze Zürich uff den plan gestellet hab, so verhoff ich, eim yeden vernüfftigen
- ich geschwig gotzförchtigen - sye häll und offenbar,
was Egg, oder die inn uffrüstend, für sich genommen habind.
Zum triten weißt uwer wysheit, wie dockter Johanns Faber,
der zyt vicarius zuo Costentz, und sine mitbotten vor disem üwerem
radt einen gantzen tag unzalbarlich gebetten ward, doch einen einigen
artickel anzegryffen und widerfechten, das er sölchs all weg abgeschlagen
hatt mit den worten: es zimte imm da nit ze disputieren;
ouch zum letsten sich uß alenfantz dargab: er welte mit mir gespräch
halten, bapst und bischoff one nachteil, mit verding eines richters,
den ich imm gheins wegs hab wellen gestatten, wiewol ich imm das
gespräch gern bewilliget; denn das einig gotteswort hab ich für und
für zuo eim richter wellen haben über inn, mich und alle richter und
menschen. Do fragt er mich offenlich, ob ich nit üch, min herren,
welte für richter haben. Antwurt ich: Neyn. Ietz kumt Egg und
spricht: Ich hab üch, mine herren, für richter gehebt unnd tringe
allein für üch; ob nit die andren ort me sygind weder ir? Und hab
aber ich, unangesehen gunst und gevallen, vor üch selbs üch offenlich
für richter des götlichen wortes nit wellen annemen.
Zum fierden so verschupfft üch Egg offenlichen zuo richteren umb
üwerer christlichen gschrifften wegen, und wil doch dasselb verschönen
mit helen worten. Wie sol ich imm hie thuon? Ich

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muoß ye die warheit reden. Egg spricht: Zürich sye imm nit gelegen.
So muoß ich ye sagen, worumb mir nit gelegen sye an ein ort
ze komen, da Lucern, Ury, Schwitz, Underwalden, Zug unnd
Friburg gwalt habend oder richter setzen söllind, ob ich die glich
annem. Das offenbar ist, daß die sechs ort min schriben und leren
offenlich ketzerisch ußgeben, ouch also an ettlichen orten an den
kantzlen vorlesen, und all min gschrifft verbotten habend ze lesen.
Etliche habend mine buecher verschlossen, etliche habend sy verbrennt,
etlich min bildnus schmechlich verbrennt, mich zuo schand
unnd schmach als gefangen gefuert, welchs allen Tütschen ungebrucht
bißher gewesen ist, vorus einer loblichen Eidgnoschafft. So nun
Baden den genanten orten so vil verbunden, ist mir ie der platz ungemein,
vorus, so ich zum dickern mal gewarnet bin, ich solle mich
hueten vor etlicher lüten gleyt. Wie? Sol mir nit zimmen die ort,
so mir nit gelegen sind, anzeigen; und Eggen sol zimmen, mine herren
ze verwerffen?
Zum fünfften dörffend ir, mine gnädigen herren, darumb ghein
rechnung ze machen in dem Eggischen handel, daß ir üch gesprächen
all weg embotten, unnd wo ir unrecht daran sygind, gelert werden
begert habend. Denn von denen gesprächen haben ir all weg geredt,
da gmein Eidgnossen alle ire gelerten zemmenbrächtind an ein
gemein ort, on allen uffsatz und nachteil mengklichs. Nun ist ye
das nit ein gespräch der Eydgnossen und irer gelerten, sunder des
Eggen von Ingelstatt. Und welcher under uns beden darniderläg,
wär nüt dest minder der warheit weder uff- noch abgeholffen in einer

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loblichen Eydgnoschafft. Darus aber ermessen wirt, das Eggen
werben ein offener uffsatz ist. Das ir all weg begert, man sölle üch
underrichten, ermesse hierinn ein ietlicher, ob ir all, min herren und
gantze gmeind, fruchtbarlich underricht wurdind, wenn von yedem ort
zwen oder joch dry botten by Eggen und minem kampff sässind ze
losen. Wil üch und mich Egg oder iemants anderer underrichten,
mag es nienen anderst beschehen weder hie ze Zürich. Und ob
er har nit kumpt, als sich wol ze versehen - denn es ist umb disputierens
willen nit angesehen; sunder, wer Zwingli under dem ys,
so wer denen uffruoren der Eggischen disputation der hals ab -.
Ob Egg ja nit kumpt, mag er uns gschrifftlich wol berichten, wo wir
nit recht daran sygind.
Aber damit ich allen frommen unpartyigen gnuog tueye, so wil
ich Eggen nochmals die alten waal uffthuon, das er uff sicher gleyt
uwer wysheit, des ich mich zuo üch ungezwyflet versich, hiehar gen
Zürich köme, und mit mir von allen den dingen, dero er mich
schiltet, die gschrifft ersuoche, und welcher etwas understande für
ze bringen one götliches wort, oder das götlich wort frevenlich mißbruche,
daß der an lyb und leben gestrafft werde. Spricht Egg:
Wer wil aber richter sin? Die warheit, die ir kundtschafft in der
geschrifft findt, daß die widerpart darwider nüts kan! Wer was
richter, das Moyses wunderwerck der zoubereren wunderwerck überwand
[cf. 2. Mos. 7. 10-8. 19]? Wer was richter, wenn unser lieber
herr Jesus Christus Saduceien, Phariseien geschweigt [cf.
Matth. 22. 15-46], das sy nümmen mit im reden gdorfftend, oder
do er zwölffjärig alle die überwand, die mit im disputiertend [cf.
Luc. 2. 46 f.]? Wer was richter, do Petrus den Simon Magum überwand
[cf. Act. 9. 20-24]? Oder wer was richter, do Steffanus mit
den Libertinen, Cyroneien etc. disputiert [cf. Act. 6. 9 f.], das sy
im nit mochtend wyderston? Oder wer was richter, do Paulus allenthalben
in den synagogen sine widersecher überwand? Und wil er

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unser Eydtgnossen botten daby haben, sol im minthalb gezimmen
nach mässigung miner herren unnd unser Eydgnossen.
Das were ouch ein seltzams, das ich eim ieden muoßte antwurten,
wo er wölte. Wer ist so torlich, der sich sölichs ye emboten hab?
Also mueßte ich im zuo Rom fürkommen. Egg wil an mich sprechen,
suoche mich, da ich sitz. Habend die Eydtgnossen etwas zuo mir,
suochind mich, da ich burger bin. Wil man gspräch haben, tueye man
das an gelegnen orten, da sich ghein frommer gevar muesse entsitzen,
wil ich mit allen fieren dar krüchen, und das sol mine herren, die
Eydgnossen, nit beduren; dann ich wol ermessen mag, das ein
fromme, eersame obergheit weder an mir noch anderen gevar bruchen
sol; aber für unghorsam lüt kan nieman.
Nun zum letsten ist min antwurt, gnedigen herren, das ich gern
wil antwurt geben miner leer allen menschen vor üch, minen herren,
und vor der gantzen kilchen zuo Zürich, wie ich mich all weg mit
ußgetruckten worten enboten hab. Und mag etwar zuo üch nit
kummen oder ich zuo im, handle der oder ich sölichs durch gschrifft.
Wyter zwingend ouch die bepstlichen recht nieman. Und wil ouch
sölicher gstalt gern mit Eggen disputieren. Nemme er von unseren
Eydgnossen etlich nach sinem willen. Bruche nieman gevär. Wil
ich ouch nemen, die mich zuo der sach tougenlich dunkend, unnd
das zuo glychem zuosatz. Die söllend das wort gottes nit richten,

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sunder vernemen, welcher das nach siner art recht bruche. Darumb
sol mir Egg dhein dahar setzen, denn der sich des wortes verstat,
der ein gelerter schryber ist, nüws und alts weißt ze erkiesen [cf.
Matth. 13. 52]. Das übrig sin schryen und schelten laß ich ston;
got wirt es alles recht richten [cf. Ps. 96. 10] zuo siner zyt. Uwer wyßheit
vernemme diß min antwurt im besten, und wo ich ungemeß gewesen,
sol mich die all weg berichten, wil ich volgen oder gebürlich
antwurt geben.
Ich bitt ouch hiemit, uwer wysheit welle unsere lieben Eydtgnossen
trülich warnen vor deren uffsatz, die uff unsere fryheit all
weg gestelt habend, unnd die nit mögen undertrucken, es fiele dann
zwytracht zwüschend uns. Nun ist die zyt mißlich unnd alle ding
gevarlich. So sicht man ouch, das unsere fyend nit schlaffen. Welicher
fahen wil, muoß etwas gesangs singen. Huete sich ein yeder,
und welle got alle blindtheit von unseren hertzen nemmen, daß wir
das war und recht mit lutren ougen ansehen und dulden mögind.
Bewar hieby got all weg die sinen!
Amen!