Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Zürcherische Ehegerichtsordnung

10. Mai 1525
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 4 (Leipzig: Heinsius, 1927) (Corpus Reformatorum 91)


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Ordnung und ansehen, wie hynfür zuo Zürich in
der statt über eelich sachen gericht sol werden.
Wir, der burgermeister, radt und der groß radt, so man nempt
die zweyhundert der statt Zürich, embietend allen und ieden lütpriesteren,
pfarreren, seelsorgeren und predicanten, ouch allen obervögten,
undervögten, amptlüten unnd sust mengklichem, so in unseren
stetten, gravschafften, herschafften, hochen und nidren gerichten unnd
gebieten verpfruendt, wonhafft und gesessen sind, unsern gruoß, günstigen
und geneigten willen; und thuond üch berichten, als ouch sust iederman
bißhar gesehen und befunden hat, wie vil und mengerley zuosprüchen
und irrungen ufferstanden sind in eelichen sachen, darumb die parthyen
für und für einandren gen Costentz oder andere frömbde
gericht geladet und mit mercklichem, grossen kosten gerechtvertiget.
Daselbs sy ouch ie zuo zyten, nachdem die lüt an zytlichem guot
hablich gwesen (unsers bedunckens), eben gevarlich unußgericht
uffgehalten sind, etc. Und damit sölicher grosser kost, muey und arbeit
zwüschend üch mans- und wybspersonen, so also der ee halb an
einandren ze sprechen habend und in unsern gebieten, hohen und
nidren gerichten gesessen und wonhafft sind, hingelegt, abgethon
und fürkummen, ouch mengklich unverzogenlich mit recht gefertiget
werde, so haben wir diß nachvolgend gemein satzungen,
von der ee wegen geordnet, angesehen, ouch die zuo minderen, ze
meren oder gar hyn ze thuon ein zyt lang ze üben angenommen.
Und ob von unsern getrüwen lieben Eydgnossen, uß welchem ort
das wäre, etwan parthyen kemind, die umb des minsten kostens willen
by uns in elichen sachen das recht suochen und bruchen weltind, wenn
dann dieselben bed parthyen, iede von ir oberkeit, brieff und sigel
bringend, das inen sölich recht anzenemen verwilliget sye, so söllend

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sy umb sunderer früntschafft willen angenomen werden, und man
inen das recht in aller gstalt, wie den unseren, ergon lassen, und
sust sich niemans, ussert unser statt Zürich gebieten gesessen, beladen.
[I. Von dem Ehegericht:]
[1.] Und damit sölcher gerichtshandel fürderlich, als die noturfft
höischt, geuebt werde, haben wir zuo richteren verordnet sechs man,
namlich zwen von den lütpriesteren in unser statt, die des götlichen
worts bericht, item zwen uß dem kleinen und zwen uß unseren grossen
rädt. Under denen allen sol einer zwen monat obman oder richter
sin, berueffen, gebieten, versamlen, anfragen, und sölichen gerichtshandel,
wie die noturfft erfordret, ueben und vollstrecken.
[2.] Was die nach ynnhalt der nachgeschribnen articklen und
satzungen richtend unnd sprechend, darby sol es blyben. Ob aber
etwar der unseren und anderer welte appellieren, das sol nienderthin
anders denn für ein ersamen radt in unser statt Zürich gezogen
werden.
[3.] die gerichtstag werdend und söllend sin am mentag und
donstag.
[4.] Des gerichts platz oder statt werdend die richter erwellen
und anzeigen. Also wenn es eins geschlagen hat nach mittag, das
dann die richter, notarius oder schryber, des gerichts weibel und wer
zum gericht dienet, by iren eyden daselbs sin söllend, und, wie sich
gebürt, helffen handlen. Ob aber etlicher der statt unnd andrer
eehafften sachen halb nit möchte da sin, denn sol unser burgermeister
durch den weibel einen anderen dargeben und gebieten lassen.

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[5.] Und welcher ie zuo zyten richter ist, der sol des gerichts
eigen ynsigel haben, und durch den weybel von mund oder mit
briefen tagsatzung und gebott thuon, all weg by guoter zyt.
[6.] Er sol ouch die sachen, so für inn kummend, und vorbetrachtung
oder beratens bedörffen, über acht tag nit verziehen
oder uffhalten, damit die lüt fürderlich zuo- oder von einandren gefertiget
werdind.
[II.] Hie volgend die artickel und satzungen,
die ee betreffend.
[1.] Für das erst ein gemeine satzung, das nieman in unser
statt und land die ee beziehen sölle one bywesen und gegenwürtigkeit
zum minsten zweyer frommer, ersamer, unverworffner mannen.
[2.] Erklärung diser satzung:
[2a.] Es sol aber nieman dem andren die sinen vermählen, verpflichten
oder hingeben one gunst, wüssen und willen vatter, muoter,
vögten oder deren, denen die kind stond ze versprechen. Wer
aber das übergienge, sol gestrafft werden nach gestat der sach, und
die ee nüt gelten.
[2b.] Damit nun die ee nit ungemeiner denn vor gemacht
werde, so sol kein ee hafften, die ein kind bezuge hinder obgemelten
sinem vatter, muoter, vögten oder verwalteren, wie die genempt
sind, ee dann es völlenklich nünzehen jaren alt sye. Geschehe
es aber vor disen jaren, so mögend 's die genanten, sin vatter etc.,
hinderen und vernütigen.
[2c.] Wo aber dieselben sümig wärind und ire kind nitt versähind
innerthalb den 19. jaren, so mögend sy sich darnach mit gots
hilff selbs, von yederman ungehindret und on alle engeltnus, verheinraten
und versorgen.

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[2d.] Es sol ouch weder vatter, muoter, anwalten, noch nieman
ire kind zwingen oder nöten zuo keiner ee wider iren willen zuo keinen
zyten. Wo aber das geschähe und rechtlich geklagt wurde, sol es
nüdt gelten, und die übertretter gestrafft werden.
[2e.] Die ee ze beziehen oder gmachte ee, wie recht ist und
obstat, sol hinfuer nüt mee hinderen noch zertrennen, keinerley
grad, glyd noch ander sachen; denn die in der götlichen gschrifft
Levitici 18. [3. Mos. 18. 6-18] klarlich ußgetruckt werdend.
[2f.] Und was bißhar mit dispensieren und umb gelt erlangt
worden ist, sol alles uß sin und nit me irren.
[III.] Ußnemung von dem gesatzt.
[1.] Wenn zwey einandren nemind, die fry wärind und nieman
hettind, dem sy zuo versprechen stuendind oder der sich iren annem,
und sy einandren giichtig sind, die söllend einandren halten, doch
sol das meitly über 14. und der knab über 16. jar sin.
[2.] Wo sy aber einandren abred sind unnd kein kundtschafft
hand nach lut des obgeschribnen gesatztes, so wirdt es nüdt
gelten. Darnach wüsse sich iederman ze bewaren, sorg ze haben und
sich vor schanden und schaden ze hueten.
[3.] So aber einer ein tochter, magt oder jungfrow verfelt,
geschmächt oder geschwecht hette, die noch nit vermächlet were,
der sol iro ein morgengab geben und sy zuo der ee han. Wend

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im 's vatter unnd muoter, vögt oder verwalter nit lon, so sol der
secher die tochter ußstüren nach der oberkeit erkantnus.
[4.] Und ob ieman sich des andren gefarlich und zuo uffsatz
beruemen wurd, und sich sömlichs offenlich erfunde, das sol hoch
gestrafft werden.
[5.] Item argwon, hinderred, betrug ze vermyden, so wellend
wir, das ein ietliche ee, die rechtlich bezogen ist, offenlich in der
kilchen bezügt und mit der gmeind fürbitt zesamen werde gegeben.
Ouch sol ein yeder pfarrer sömlich personen all anschryben und uffzeichnen,
und keiner dem andren sine underthonen zuofueren one sinn
gunst und offenlichen, kuntlichen willen.
[IV.] Was ein ee zertrennen mög oder scheyden.
[1.]. Es zimpt einem frommen eemenschen, das kein ursach
darzuo geben hat, das ander, so an offenlichem eebruch ergriffen wirt,
von im ze stossen, gar verlassen und sich mitt einem andren gemahel
ze versehen.
[2.] Diß nennend aber wir und achtend ein offnen eebruch, der
vor dem eegricht mit offner, gnuogsamer kundtschafft, wie recht ist,
erfunden und erwyßt, oder an offner that so bärlich und argwenig
wirt, das die that mit keiner gestalt der warheit mag verleugnet
werden.
[3.] Diewyl aber dem eebruch nitt gelimpffet werden sol, und
nieman ursach suochen, zuo einer nüwen ee durch eebrechen ze kummen,
wirt not sin, das man ouch ein herte straff uff den eebruch setze;
denn er ouch imm alten testament by versteinung was verbotten.
[4.] Uff sölich werden die pfarrer, denen das gotswort und uffsehen
bevolhen ist, sömlich übertretter mit der christenlichen

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gmeind bannen und usschliessen, aber die lyplich straff und mit dem
guot ze handlen der oberkeit heimsetzen.
[5.] Das aber nieman uß sölichen ursachen ab der ee schühen
welte unnd in huory sich verligen, söllend dieselben ouch, als ietz
gemeldt, gebannet werden.
[6.] So nun die ee von got yngsetzt ist unküschheit ze vermyden,
und aber dick erfunden werdend, die von natur oder anderen gebresten
ungeschickt oder unmügend sind zuo elichen wercken,
söllend sy nüt dest minder ein jar früntlich by einandren wonen,
ob es umb sy besser wurde durch ir und andrer biderber lüten fürbitten
willen. Wirt es nit besser in der zyt, sol man sy von einandren
scheiden und anderschwo sich vermählen lassen.
[7.] Item, grösser sachen denn eebruch, als, so eines das leben
verwurckte, nit sicher vor einandren wärind, wuetende, unsinnige, mit
huory tratzen, oder ob eines das ander unerloubt verliesse, lang ußs
wäre, ußsetzig und derglychen, darinn nieman von unglyche der
sachen kein gwüß gsatzt machen kan, mögent die richter erfaren
und handlen, wie sy gott und gestalten der sachen werdend underwysen.
Dise satzungen söllend alle pfarrer flyßlich unnd zum dickeren
mal den iren verkünden und warnen.
Datum zuo Zürich uff mitwochen am 10. tag des monats mey
anno 1525.