Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Antwort von Rat und Bürger zu Zürich an den Rat von Bern

(16. Dezember 1525)
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 4 (Leipzig: Heinsius, 1927) (Corpus Reformatorum 91)


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[Antwort von Rat und Bürger zu Zürich
an den Rat von Bern.]
Alß dann die fromen, fürsichtigen, wysen schultheiß, clein und groß
rätt der stat Bern, unser insonders guot fründ und getrüw, lieb Eidgnossen,
kurtz verschiner tagen ir loblich, ersam botschafft vor unß,
burgermeister, rat und dem grossen ratt in unser stat Zürich gehept,
welche anfangß mit vil frünttlichen worten unß anzögt, wie vormaln
die sechß alten und ietz siben ort, iro und unser getrüw, lieb Eidgnossen
vor inen, clein und grossen räten, erschinen und sy nach
langem und allerley fürtrag ersuocht und gepetten, sich von inen, den
siben orten, nit zuo sündern, insonders zuo inen ze stand und belyben
etc.
Uff söllichß mögent wir eigentlich nit wissen, in welcher gstalt
oder meinung sy, unser lieb Eidgnossen von Bern, zuo den gedachten
orten stan söltent. Und so ver ir beger were, by unß hinfür (wie
sy, die sechß ort) zuo tagen nit mer ze sitzen, ouch in iro und unsern
sachen nit mit unß ze handlen etc.
So ver nun unser lieb Eidgnossen von den siben orten sölliche
sündrung gegen unß suochen und bruchen wölten, alß ob wir unser
pünt nit gehalten und darwyder gehandelt, ist in unserm wissen nit
und in unser gedanck nie anders kommen, dann daß wir unser püntt
gegen menglichem (alß fromm Eydgnossen) halten wöllen, deß erbietens
und willens wir in die ewikeit sin werden.
Nun ist war, wie üwer ersam botschafft zum teil ouch anzogen:
daß der keisser sampt den fürsten tütscher und weltscher nacion
allenthalben ein Eidgnoschafft mit iren lantschafften umbhuse und

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unß niemer baß, dann so wir tzwytrechtig sind, beleidigen und
schädigen möge etc. Getrüwen, lieben Eidgnossen, wir habent lang
zyt har befunden und wissent, daß weder geistlich nach weltlich
fürsten unß Eidgnossen weder trüw nach hold sind, dann allein umb
irß eignen nutzes willen. Und ob sy schon unser vil verfüren und umbbringen
(alß bißhar, gott erbarms, beschähen ist), gat inen von unser
wegen gantz nüt zuo hertzen. Unß bedunckt ouch, daß ettlich der
fürsten daruff gangent, on gespart irß guots, wie sy tzwyschen unß
Eidgnossen tzwytracht machint, dardurch sy dester baß zuoletst
wyder unß Eydgnossen ingang und undertruckung haben köntten;
alß sich schon ettlich (wie wir bericht) berüment und fronlockent,
ietz tzwyschent unß tzweyung gemacht haben etc., daran sy aber (ob
gott wil) verfälen müssent.
Ob aber unser getrüw, lieb Eidgnossen von den syben orten vermeintten,
daß wir sachen, die wyder gott werent, handletend, darumb
sy by unß nit mer tagen wöltent, hierüber habent wir vor jaren und
tagen münttlich, im truck und sust gschrifftlich gnuogsam anttwurtt
geben und unß alwegen rechts und berichts erbotten: wer unß durch
die waren gottlichen gschrifft deß alten und nüwen testaments bewysen
könne, daß wir in unserm fürnemen irß gangen, so wollen wir unß
gern leeren lassen und volgen. Darby sölte man unß billich blyben

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lassen. Zuodem vermeinen wir nit, daß in unsern püntten jendert erfunden
werde, ob ettwar dem waren gottlichen wort loßte, dem anhangte,
dem nachvolgte und daß, so gott heißt, tätte, daß die darumb
verachtet, gsündert und, alß ob sy nit cristenlich handletent oder
unser püntt nit haltent, ußgeschlossen söllent werden.
Und ob jemant über söllichß by unß zuo tagen in sachen, die unß
alß wol alß ander berürent, nit sitzen wölte, müssent wir got bevelhen,
dero hoffnung, der almechtig gott, in den wir allen trost und hilff gesetzt,
werde sampt sinem eynggepornem sun Iesu Cristo und dem heilgen
geist, in dero namen all unser püntt angfangen, von unß niemer wychen
und durch ir barmhertzikeit by inen zuoletst sitzen und blyben lassen.
Sodann, getrüwen, lieben Eidgnossen, alß ir unß durch die gedachten
üwer ersam botschafft zuo beschluß zum höchsten ermanet,
daß wir in unser stat daß sacrament und all tag nit mer dann ein
mesß halten wöllent, ungetzwungen, wer darzuo oder darvon gange etc.
Uff daß, frommen Eidgnossen, möchte gerett werden, schwär
und groß, ouch erschrockenlich ze sind, die mäsß und sacrament,
die so vil hundert jar gehalten, zuo verlassen, darin unsere frommen
vordern ir seel heil gsuocht und also gstorben, und darmit verloren
solten sin etc.
Söllich urteln setzen wir dem almechtigen gott heim und
achten, daß unsere vordern nüt anders dann in guotter cristenlicher

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meinung gethan, wie sy underwyßt, und nüt anders gewüsßt
haben, deß sy (ob gott wil) gegen gott kein nachteil iro seelen befinden.
So man aber findt, wie Cristus Iesus sin nachtmaln [!], mit sinen
jungern gehalten, uffgsetzt, wie eß ouch die appostel by iro zyten gehandelt
und darnach lang also geprucht ist worden, und aber niendert
erfunden, daß Cristus jetzige mäsß uffgesetzt, sonders die mäsß
sydhar ettlich hundert jar anders ingfürt, und zuo besorgen, umb gelts
willen, wie manß sicht, jetz umb vil, dann umb wenig gehalten, so
muoß man gedencken, daß unß gott umb unser sünden willen in söllich
irrung ze kommen verhengt.
Ir wissent ouch, daß wir all und unsere frommen vordern so vil
hundert jar durch deß bapsts abblaß, umb gelts willen erdacht, verfürt
sind und ouch geirret haben etc.
Nun ist nit minder, eß ist unß anfangß schwär und groß gsin, die
mesß zuo verlassen. So aber, wie vor stat, by keinen gschrifften
oder lerern beder testamenten erfunden, daß die Cristus, wie manß
ietz brucht, uffgesetzt, so wil eß unß zum höchsten schwär sin, darin
zuo beharren.
Unß tzwyfelt ouch nit: hette man daß war gottlich wort und die
heilgen ewangelion nach abgang der appostel für und für so heiter
und clar, alß eß ietz von gottes gnaden beschicht, geprediget und uff
die war gottes eer mer dann uff der pfaffen gyt, deß bapsts, der
mentschen satzungen und ceremonien gezogen, eß were by der uffsatzung
deß nachtmalß Cristi blyben und zuo der jetzigen mäsß, wie
die für ein opffer gehalten wirt, nie kommen. Welches alles unß zuo
erzellen ze schwär, sonders wellent wirß der gottlichen gschrifft und
dero verstendigen bevelhen etc.
Unß tzwyfelt ouch nit: wo die gelerten allenthalb ietziger zyt fry

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die warheit der recht gottlichen gschrifft, zyttlicher vorcht und straff
halb, dörfftent sagen, eß wurde in dem und anderm der will gottes in
der mentschen hertzen anders dann bißhar erschinen.
Dann so Christus Iesus selbs gerett: "Daß fleisch ist kein nütz"
[Joh. 6. 63] und: "ob man üch Cristum hie oder anderschwa zögt,
so gand nit dahin" [cf. Matth. 24. 23 ff.], dann ir findent inn nit. Eß
hat ouch Cristus im letsten mal nit geret: daß ist min fleisch, sonders:
daß ist min lyb, welches ein andern verstand hat, weder unß die
pfaffen fürgeben haben. Er hat ouch in siner uffart zuo sinen jungern
gerett: Ir werdent den sun deß mentschen nit mer sehen, biß er wyderumb
kumpt zuo richten über die lebenden und todten etc. [cf. Matth.
26. 64; 2. Tim. 4. 1].
Also uß rechten, waren gründen, so vilfaltenclich uß gottlicher
gschrifft so heiter an den tag gepracht mögent werden, habent wir
im namen deß allmechtigen gottes daß heilig göttlich wort, daß die
recht war spyß der seel ist, und den waren insatz deß nachtmalß Iesu
Cristi an stat der mäsß angenomen. Wir wöllent unß ouch hiemit nit
fürschiessen nach besser dann ander achten und mit hilff deß almechtigen
nüt fürnemen und handlen, dann daß wir (ob gott wyl) am
jüngsten gericht, da alle warheit an tag komen wirt, wol veranttwurten
mogen.
Dann ob wir schon nit mer weder ein mesß alle tag in unser stat
hielten, sind wir in sorgen, daß daruß under den einmüttigen ein tzwytracht
ufferstünde.
Ob wir ouch mit üch und andern, üwern und unsern getrüwen,
lieben Eidgnossen, mit einandern in daß veld zuo rettung unser landen
ziehen müßtent, wurden wir daß gottlich wort frünttlich üben und
sust jederman mäsß halten, dero losen und glouben lassen, wie ein
jeder vermeinte siner seel sälikeit ze sind, und deßhalb mit niemant
weder tzwytracht nach unwillen anfahen; dann der gloub fry, ouch
niemant darzuo anders dann mit dem waren gottlichen wort genöttiget
sol werden.

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Und ist uff daß alles an üch alß unser (für ander) getrüw, lieb
Eidgnossen unser frünttlich pitt, mit höchstem flyß und ernst daß
sin mag: Ir wöllent üch von sollichen cristenlichen, ouch andren
deroglych ursachen willen von unß weder in gottlichen nach zyttlichen
dingen nit sündren, sonders alß üwere frommen vordern an unß für
und für beharren, alß ouch wir by üch beharren und von üch unß
nieman zertrennen und scheiden lassen.
Und wie wir vor zuo merem mall unß gegen menglichem rechts
und underwysung mit dem waren gottlichen wort zuo erwarten erbotten,
also erbütten wir unß uff huttigen tag, von der mäsß und aller handlung
wegen, so wir bißhar uß dem gottlichen wort geübt: wer unß uß
der waren göttlichen gschrifft einß bessern berichten und underwysen
kan, eß sye mit worten, gschrifften oder sust, dem wöllent wir güttlich
losen und frünttlich unß wysen lassen.
Wir erbiettent unß ouch, unsere püntt an üch und allen andern
üwern und unsern getrüwen, lieben Eidgnossen frommclich und erlich
für und für ze halten, keiner andren zuoversicht, dann daß ir daß wie bißhar
an unß ouch halten und niemants gestattnen nach bewilgen, wyder
unser püntt mit unß oder den unsern ze handlen. Wir wollent ouch
üch und ander üwer und unser getrüw, lieb Eidgnossen umb keiner
zyttlichen sachen, ouch umb keiner mentschen willen, waß standß und
wäsens joch die syent, übergeben und hiemit daß gottlich wort und
waß daß wyßt (mit der gnad deß almechtigen) nit verlassen.
Beschlossen und bestättet samstag vor Thome anno etc. 25
praesentibus herr burgermeister Walder, clein und groß rätt.