Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Zwingli an der Eidgenossen Boten zu Baden

10. Mai 1526
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 5 (Leipzig: Heinsius, 1934) (Corpus Reformatorum 92)


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[Zwingli an der Eidgenossen Boten zu Baden.]
[E. II. 341, fol. 3330 a.] Gnad und frid von gott bevor!
Strengen, vesten, fürsichtigen, ersamen, wysen, gnädigen, lieben
herren! Ich hab von minen herren verstanden, wie üwer wysheit ab
minen erklärungen und antwurten an Fabern, Eggen und andren
sich ser klagt, sam ich die in minen gschriften mit schmach anruere
und zuo ufruoren reytze, ouch üwer volck über úch richte. Dess ich
mich gernn gegen üwer wysheit mit diser gschrift entschuldigen wil.
Erstlich úch umb gotzwillen bittende, ir wellind ungunst oder hass nit
hören, was dieselben angebind; dann sy die allerbösten ratgeben
sind und lassend das war nit so klarlich sehen, als es aber wil
besehen sin. Und wie schädlich irrung in allen dingen, ist doch
die irrung, die uss verblendung des hasses oder ungunstes kumpt, die
allerschädlichest. Dann die irrung one den hass lasst sich berichten;
wo aber die irrung mit hass vermengt ist, lasst sy sich nit underrichten,
sunder verkert ouch zuo argem, das imm allerbesten geredt und geton
wirdt, trachtet nun uff ungnad und nit, wie man billich ein yedes
ding zuo beden wegen betrachten sol. Darumb ich so ernstlich bitt:
sye under üwer wysheit yenen einer, der uss ungunst ein missvallen
ab diser miner gschrifft haben möcht, das er den bis zuo end des
verlesens temme und imm dazwüschend lasse sin, als ob er nit
wüsse, von wem dise gschrift köme, usgenomen, das er wol wüsse, das

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sy von eim allergetrüwesten fründ köme. Dann zimpt sich allen
menschen nútz uss anfechtungen ze tuon, so zimpt ye zum höchsten
und für all us den richteren und fürgesetzten, das sy nútz uss anfechtung
annemind oder verschupfind. Demosthenes oder Plutarchus
meint, das gheine nutzlichere reden oder wort sygind, weder die
früntlich und warlich geredt werdind; dann wo man nun früntlich
redt und die warheit spart, da wirt man verfuert, und harwidrumb wo
man die warheit allweg nun mit ungnad dartuert, wirt sy nit angenomen.
Also muoss früntliche nit ein schmeychlery sin, sunder
ein gstandne wys, die us liebe köm, und die warheit nit ein schalck,
sunder ein gstandne wys, die ouch us liebe köm. Us welchem ermessen
wirt, das warheit gemeinlich mit früntliche sol gemengt sin
und früntliche on warheit ein valsch und betrug ist. Welchs alles
Salomon mit gar wenig worten usricht Proverb. 27. [Sprüche Sal.
27. 4. 5] also: "Zorn hatt ghein erbermd noch das usbrechend wueten,
und wer mag aber erlyden den frävel eins bewegten (oder erzürnten)
gemuets? Offne straff ist besser weder liebe, die man verbirgt"
(oder verschwygt). Desshalb ich üwer wysheit wil antwurt geben
uff die untugend, dero man mich verdenckt, us warheit mit früntliche,
die nit uss verborgner, sunder anerborner liebe, so ich zuo einr
loblichen Eydgnoschaft hab, kumpt. Das red ich by dem gott, der
üns alle richten wirt; ich wil ouch ghein wort anderst reden, denn als
ob ich's vor sinem richtstuol muesste reden.
In miner ersten gschrifft, die ich an üwer wysheit von der disputation
wegen hab lassen langen, hatt úch verletzt, das ich in latin
geschriben hab: "Nolite margaritas spargere ante porcos", das ist: "Ir
söllend die bärlin nit für die süw schütten"; das doch üwer wysheit
gar nit dahin solt gemessen haben; dann [E. II. 341, fol. 3330b]

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es das clar, häll wort gottes ist Mat. 7. [Matth. 7. 6]: "Ir söllend das
helig (verstat dadurch sin heligs wort) nit den hunden geben noch
üwre bärlin für die süw schütten, das sy die nit mit den fuessen
trettind und die hund sich umbwendind und úch zerrissind." Mit
welchen worten ünser herr Jesus Christus üns alle gemeint hatt, die
gottes wort nit hören wellend, und die junger gewarnet, das sy den
schatz des evangelii nit üns unglöibigen ruhen wellind fürlegen, an
denen sy nút schaffind. Desshalb wir nit zürnen könnend, so er
üns süw nennet darumb, das wir sin heilsams wort nit annemend,
sunder verspottend, ouch etwan durächtend. Also hab ich dise wort
uff die ersamen obergheit, ouch gemein volck einer loblichen Eydgnoschafft
gar nit geredt, sunder allein uff die, die sich nit wellend
berichten lassen, aber daby von muotwilligem gschrey einen unschuldigen
ze kätzren ouch nit lassen wellend, als die wort eigenlich
anzeigend. Und damit ich vergoumte, das mir ietz gegnet, hab
ich die wort allein latin gsetzt und nit vertútschet; dann ich ye
bewären wil, das ich bescheidenheit gehalten hab in allem, das ich
wider mine widersächer geschriben hab; ich gschwyg, so ich ein lobliche
Eydgnoschaft angeruert, nie ghein unzucht gebrucht hab,
sunder allweg von dero erlich gehalten und geredt. Dann wie wir
immer zuo diser zyt gesittet, sind wir doch von redlichen lúten hie,
und ist die gemein erbergheit noch hüttbitag erlicher, göttlicher
dingen geflissen. Darumb ich ouch offt in diser zyt offenlich gepredget
hab (da einer hie tröwt, wie ünser zyt hie sye, der ander
dört): ich gloube, das es noch nit hie sye, und das umb gemeiner
frommgheit eins erbren volcks willen.

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Demnach hatt úch verletzt, das ich also geredt: man schmecke
wol, mit was karrensalbs Faber den wagen gesalbet hab, ouch von
redlich zuotragen der schwären secken Costentzer batzen. Darzuo sag
ich erstlich, das ich mich dess hab muessen uftuon von des Fabers
wegen, damit mencklich sähe, das er mit lotterwerck umbgat und
imm nit umb gottes eer, sunder umb eignen nutz ist, umb den er
den herren diser welt dienet. Und hab daby aber ünser Eydgnossen
in allweg sölcher maass geschonet und die wort in sölche form gstelt,
das sich miner worten nieman gezwungen wirt anzenemen. Für's
ander wil ich üwer wysheit gernn harus sagen, das ich sölche wort
nit uff horsagen geschriben hab, sunder uff gwüss kundtuon fürnemer
lúten. Nun weisst üwer wysheit wol, das in den dingen
gevarlich ist, sinen ansagen ze zeigen; noch nútz dess minder,
wo ieman unruewiger sin wölt, weder imm min gschrifft ursach gibt,
embút ich mich, minen herren ze Zürich anzeigung sölcher dingen
mit so gloubhaftem schin darztuon, das sy und wemm der handel ze
vertruwen ist, offenlich sehen werdend, wovon ich geredt hab; doch
alles in still; dann ich glych als wol unrat ze vergoumen geneight
bin als ein einiger Eydgnoss. Für's dritt embút ich mich
nit, gheine besundren personen anzezeigen, die das gelt genomen
habind. Ich hab ouch nit daruf geredt, sunder allein anzeigt, das man
sehe, das mit gelt ze werben gwüsslich von denen, so Faber handlet,
fürgenomen ist.
[E. II. 341, fol. 3331 a.] Es hatt ouch üwer wysheit mine herren
verabscheidet, das sy mit mir söllind reden, das ich úch unangeruert

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und die üwren unverwirrt lasse mit schryben und buechlin schicken;
dann sölchs wider die pündt sye. Antwurt: Ich hab, lieben herren,
in anfang mich verdingt, die warheit früntlich ze sagen, wil ouch
das trülich tuon, und hab úch darumb allein mit geschrifft, nit imm
truck, begert ze antwurten, das ich dess fryer gdöre alle ding anzeigen
und nieman damit ze vil verlümdet wurd; wil ouch dise gschrifft
nit lassen in den truck komen, es wurde mich denn üwer ungnad darzuo
tringen, das ich nit hoff. Und sag also: Ich wil den man gernn
sehen, der sagen könn, das ich üwer wysheit von erst an ye ruch,
(ich gschwyg: mit schalck) in minen gschrifften hab angezogen, sunder
so offt ich in minen gschrifften gemeiner Eydgnoschafft oder besundrer
lúten gedacht, hab ich das allweg mit grosser eerembietung geton.
Das ich aber demnach etwan ruch geschriben, doch one schmach
und schalck, da sind ir an schuldig (nit zurnend, lieben herren,
dann ich bin der ding bas yndenck weder ir; der verletzt gedenckt
allweg bas weder der verletzer). Dann ir habend mich zum ersten
angetastet garnach uff allen tagen; ietz hatt ich diss, denn iens geton,
wiewol ir gemeinlich allweg valschen undertrageren ggloubt
hattend, die von mir gseyt hattend, das nit was. Verantwurtet
ich allweg tugenlich one offenen truck eintweders vor minen herren
und die vor úch, oder aber mit minen gschrifften. Also ward üwer
wysheit (das ist die, so zuo denselben zyten botten warend; dann man
wol weisst, das die botten andre und andre sind; darnach söllend mine
wort verstanden werden), ja, üwer wysheit ward so gar über mich
yngefuert, das ir ouch mine überschickten brief nit woltend vor úch

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lassen lesen. Indem kam Egg, der ze Rom offenlich geredt, wir
Eydgnossen sygind (mit urlob) all kueghyer, das ich doch in gheiner
gschrifft so grob hab wellen lassen usgon, wiewol ich inn dess überzúgen
möcht, und er unverschampt lougnet, und schreyb so unerberlich
wider mich, das ich meint, wenn ich geschwigen hett, so
sölte ein Eydgnoschaft einen missvall an sölcher schmächlicher
gschrift gehebt haben. Was bschach aber? Eggen gschriften wurdend
mit grossem pracht in alle ort gefuert, ouch abgeschriben, wenn
sy nit mochtend getruckt werden; und mine gschrifften wurdend
verbotten, vorus in den fünf orten (sehend nun, lieben herren, wie
früntlich das mit mir gehandlet wurd, der ein gborner Eydgnoss bin!),
und mine gschrifften wurdend verbotten, die denocht allweg vil bescheidner
warend weder miner widersächeren; und dero wurdend
gelesen mit grossem schall. Bin ich daruf ruch gewesen, mag üwer
wysheit ermessen, das ich dess grösseren glimpf gehebt hab, weder
die mich darzuo gereytzt habend. Es ist ouch demnach an eim tag
miner herren botten schlechtlich gseyt: sy söllind mine gschriften
nun nit bringen, man welle sy nit läsen. Und in diser jarsfrist, als
die unchristenlich gschrifft Eggens und ietz Fabers usggangen sind,
hab ich üwer wysheit nútz zuogeschickt, sunder in offnem truck lassen
usgon. Hatt ye muessen sin; dann mine antwurten wolt man nit verlesen,
und soltend aber miner fygenden gschriften dürftig uff den
cantzlen verkündt werden. Nun sehend ir, wer [E. II. 341, fol. 3331 b]
ursach geben habe, das ir von mir sind angeruert. Das ich aber nit
sölte schryben, was wär das für ein gebott? Wo ich erfunden wär

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valsch oder unrat mit minem schryben bruchen, wär es etwas, das
man mich rechtfertigote. Das sich aber nit erfindt; dann alles, das
ich ye geschriben hab, möcht ich vor unpartyigen lúten lassen an einen
huffen tragen und lesen lassen; dann alle gschriften gebend got und
einr Eydgnoschaft eer und reichend zuo dero friden und wolfart.
Das ich aber útzid tuege, das wider die pündt sye, sol sich, ob
gott wil, nimmerme erfinden, aber wol, das mir uff etlichen tagen vil
geschehen, das offenlich wider die pündt ist, das ich doch tugenlich
getragen hab allein umb fridens willen. Als, das mich etliche ort für
einen kätzer usgeschriben, die mich doch nie habend wellen berichten,
und mich empfolhen ze vahen etc., welchs offenlich mit den pündten
strytet. Ich zell es ouch nit us zornn oder ufheben, sunder zeig's
üwer wysheit us gantzen trüwen an, das die erlerne mich nie anderst
geschriben haben weder zuo rettung dess waren gottesworts, das ich
predgen und nim on alles widrumbhinschlahen, on allen flyss der
ufruoren. Darumb, gnädige, günstige, lieben herren! ermessend umb
gotzwillen, das ich allein nach friden stell, aber nach dem friden, der
mit gott ist; dann wie vil habend mine herren von Zürich umb fridens
willen getragen, wie vil ich? Darzuo ermessend, das wir in gar gheinem
artickel des gloubens umb ein har voneinander stond, so ist ye aller
ünserer span allein von üsserlichen dingen, die von den menschen sind
yngefuert, ja vom bapst, dem waren Widerchristo. Ouch das Faber
mine herren von Zürich in siner gschrifft gar unsüberlich besprengt,
sam sy in die grösten kätzeryen gevallen sygind, und das allen,
denen Faber dienet, nút lustbarlichers gegnen möcht, weder das
wir miteinander zwitrachtig und zuo krieg kämind, welchs ich on zwyfel
sorg volgen wurde, wo ich gen Baden kem. Ir mögend den frävel

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ünsers kriegsvolcks in eynr Eydgnoschaft erwegen, der leider durch
mengerley muotwillens so gross ist, das imm ouch nút ze vil wurd.
Was wär es, das ich glych mit so vil knechten ze Baden wär, als
miner herren gbiet vermöcht? Ich wurd mich dess übel schemen, und
reytzend sölche wäpner ouch alle fygend me ze rumoren weder ze
friden. Wie vil wäger ist es dann, ir erkiesind einen andren platz,
als dero ich mich embotten hab ein'n; dann gen Baden kum ich
gheins wegs. Und ob man mir glych sölche sicherheit in die ougen
stalte, das ich daran gheinen zwyfel könd haben, denocht wölt ich nit
dar; denn ein so ernstlicher handel ist, diewyl die welt gstanden,
nie an ein so kleinfueg ort verfuegt. Es ghörend grosse, namhafte,
starcke stett zu sölchen dingen. Ze Baden hat man gewonet, wollust
ze haben und frölich sin und nit so ernstlicher hendlen warnemen.
Wo aber die stett, die ich fürgeschlagen hab, ye gheinswegs angenomen,
ouch die artickel, die ich anzeigt hab von nöten sin, muoss
ich ye darab nemen, das die sach [E. II. 341, fol. 3332 a] an etlichen
enden presthafft sye. Dann söllend darumb alle ort, vorus mine
herren von Zürich, die so gemeine gspräch allweg gernn hettind in
irer statt gehebt, gen Baden verlifret werden oder aber nút (das
sölchs wenig ort angeschlagen habend), so ist guot ze mercken, das
die angst an andrem ligt, weder wir vor zuosehend. Ich schlach
die zwey vordresten ort und stett für und verding, one welche ghein
christenliche disputation gehalten werden mag, und demnach die wytberuempten,
fryen statt Santgallen. Und giltet alles nútz, so muoss
ich miner herren oder minethalb ye mercken, das etwas meinens darby
ist, vorus so die zilstatt gen Baden ouch nit von allen denen orten,
die in die disputation verwillgot habend, sunder mit eim vorgricht

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etlicher orten gelegt ist. Ja, die ding alle erman ich üwer wysheit
mit ernst ze betrachten, damit nútzid so schimpflich gehandlet werd,
das zuo spott oder unfrid diene. Ich warn ouch die, das, so offt Egg
und Faber mich der disputation, die mir der fünf orten halb so ungemein
ist, anrueren wurdind, das ich die warheit für und für an'n
tag bringen und wider ire understend ze fechten genötet wurd. Desshalb
ich mich nit lass verdingen ze schwygen gegen den gottes und
eynr loblichen Eydgnoschafft fygenden, und sölt ich inen in einer
hüle antwurt schriben, der doch sust gernn alle menschen zuo friden
und ruowen reytz und mich nútz me bekümret, denn wo ich sich,
das widerspan wirt fürgenomen mit nachteil der warheit. Mine herren
noch wir ze Zürich dörffend gheiner disputation. Es hatt ouch
vicarius zum túresten anzeigt, es zimme den bischoffen gheins wegs
disputationen ze halten. Hatt sich nun ir ler geendret, so ist sy nit
uss gott; denn hatt es inen dozemal nit zimpt und zimpt inen ietz,
muoss eintweders ir ler oder sy geendret sin. Noch embüt ich mich
mit mässigung miner herren an frömde ort denen, die minen herren
da nit hand wellen ze willen werden, da sy es billicher weder
an gheim ort uff erden geton hettind. Und so das alles nit helffen
mag, muoss ich gott lassen walten; der wirt's alles schlecht machen.
Den bitt ich alle tag, das er üwren stand, o gnädige herren, welle in
sinem willen und gnaden erhalten und sines liechts nienen entrouben.
Also hab ich üwer wysheit fry anzeigt, woran alle mine anligen hangend.
Es ist ouch guot under fründen, das man die warheit harus sag. Versehe
sich üwer wysheit zuo mir gheins andren, denn das zuo eer gottes
und eynr loblichen Eydgnoschaft sampt gantzer Christenheit diene,
so lang gott gnad gibt. Verzyhend mir und vernemend alle ding imm
besten, darinn sy ouch beschehen sind. Dann ich gheins wegs ursach
geben wil zuo ungnad und unfriden.
Geben 10. tags mey 1526.
Üwer ersamen wysheit williger
Huldrych Zuingli.

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[E. II. 341, fol. 3332 b.] Ich hab nach volendung diser gschrifft
erst vernomen, das uff den tag allein die acht ort zemen kömind.
Uff das ist min ernstlich pitt, üwer wysheit welle dise min gschrifft
ouch imm anfang der disputation verlesen lassen in bywesen dero
orten, die da sin werdend.