Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Eine kurze Schrift an die Christen, vor dem unchristlichen Vorhaben Fabers warnend

30. Juni 1526
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 5 (Leipzig: Heinsius, 1934) (Corpus Reformatorum 92)


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Ein kurtze gschrift Huldrych Zuinglis an gemein
Christen, vorus in einer loblichen Eydgnoschafft,
warnende vor dem unchristlichen
fürnemen Fabers, der nit allein die nüwlich
getruckten buecher etlicher gleerten, sunder ouch
das nüw testament ze brennen sich undernimpt.
Allen christglöubigen, vorus denen, so in gemeiner
Eydgnoschafft all ir heil uff gott durch Christum
Jesum
, den läbendigen, waren sun gottes, gesetzt
habend, embüt Huldrych Zuingli gnad und frid
von got durch Jesum Christum, unseren herren.
Wir söllend, o frommen christenbrueder und landslüt, unser heil
und glouben so starck in den henden bhalten und bewaren, das uns
dasselb nieman einigen weg entfueren noch entrouben mög, als Paulus
die Colossen 2. capitel vermanet [cf. Colosser 2. 4ff.]; das unser yetlicher
für einn yeden schuldig ist, sorg ze haben, das er nienen in
abweg von der schar der schaffen Christi verfuert werd; dann wir sind
ye einer des andren glyder Ephes. 4. [cf. Ephes. 4. 16 u. 25]; darumb so
ein glyd in gevar bracht wirt, söllend alle glyder zuolouffen unnd retten
1. Cor. 12. [cf. 1. Cor. 12. 26]. So nun etliche fygend des euangelii als
Egg, Faber mit allem vermögen üch von dem trostlichen, läbendigen
wort gottes ze bringen understond, also das unsere nachkomen,
wo gott nit verhuete, möchtind deß beroubet werden, so bin ich das

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üch allen uß warem glouben unnd gemeiner Eydgnoschafft uß natürlichem
pflicht und neigung des vatterlands schuldig, das ich und ein
yeder so groossen schaden der seel unnd des lybs vergoume. Obglych
die, so mich hassend, mich daby so unmäßlich scheltend, das sy mich
ouch erger weder den tüfel achtend; dann wir söllend uns von guottuon
nit abwenden lassen [cf. Gal. 6. 9], so wir wüssenlich waarhaft sind,
obglych die widerwertigen uns verfuerer scheltend, 2. Cor. 6. [cf. 2. Cor. 6. 8].
Nun ist das die gefar, daruff Faber yetz gaat: er wirbt dahin, daß
man das nüw testament schaffe allenthalb verbrennt werden, ouch alle
andre buecher, die ze tütsch in kurtzen jaren ußgangen sind, ouch ze
latin, welche imm nit gevallind. Wiewol man nun aller buecher
brand schühen sol, ee und sy widerwisen werdend (dann daruß
vil grösserer unrat - als wir täglich sehend - erstat, weder so
man in eyner zytlichen sach einen teil verurteilt, so er noch nit verhört
ist, uß gunst des andren teils), so sol doch under christenem
volck sich nieman in die unsinnigheit bringen lassen, das er die geschrifft
des nüwen testaments in die schand und schmach des brands verhenge,
und das uß den ursachen:
1. Ist uns verbotten, das wir den fürsten unsers volcks nit schmähind,
Exod. 22. [cf. 2. Mos. 22. 28]. Vil minder söllend wir lyden,
das unnser himelischer fürst geschendt werd. Wenn wir nun sin wort
offenlich verbrennend oder ander weg schmehend oder gfangen legend,

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was grösserer schmach mag gott vonn uns beschehen? So ghein fürst
duldet, das sine gbot, die nun von wasserrünsen, recht buwen, überetzen
lutend, verachtet werdind, wie schön sol man nun gottes wort,
darinn das ewig heil bestimpt ist, vergoumen vor aller schmache?
Zum andren gebüt gott Deut. 6., das sin wort one underlaaß
imm hertzen getragen und in allem thuon und lassen angesehen werden
sol, ouch das wir's unseren kinden söllind vorzellen [cf. 5. Mos. 6. 5-9].
Das kan man aber nümmer baß, weder so man es ouch schriftlich
hat; denn obglych der gloub und liebe gottes allein von oben herab
kumpt, ist denocht die menschlich vergeßlicheit so grooß, daß wir oft
in eim träffenlichen handel, den wir wol verstond, der rechten,
wäsenlichen worten nit allein vergessend, sunder ouch anderst setzend
und ordnend, weder zuo der sach dienet, daruß denn missverstand und
zwytracht kumpt. Vil me ist 's in gottes wort not, das wir das von
wort ze wort in täglichem bruch also habind, daß wir daran nienen
velind, noch unsere kind andre verstend leerind.
Zum dryten merckend wir wol 1. Cor. 14., das in anfang der
Christen ein yeder gemeinlich die gschrifft vor imm hat [cf. 1. Cor.
14. 26], die man zur selben zyt vorlaß und lart. So nun das in anfang
der christenlichen liebe und hitz [cf. Offb. Joh. 2. 4] sitt was, daß
man buecher des alten testaments in 'n henden hat, vil me söllend win

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Christen, die des liechts sind, nit der nacht noch finsternus 1. Thes. 5.
[cf. 1. Thess. 5. 5], ouch das gschriben wort stät in 'n henden haben.
Zum fierden ist es zuo gheinen zyten nie gheim volck verbotten,
das es nit die gantzen biblischen gschrift dörfte, ja ein yeder in sinem
huß gwalt und bruuch haben. Denn sölchs verbüten wär nützs anders
verbüten, weder das wir nit allein gottes wort nit hortind noch verstundind,
sunder weder sinem wort, noch daß er unser got ist, gloubtind.
Denn was mag uns arme, katige menschen in aller unser finsternus
underrichten und wysen weder gottes wort?
Zum fünften: Wo wir uns lassend von der gemeinsame der geschrifft
dringen, werdend wir (dann got wirt 's verhengen umb unserer
läwe willen) widrumb under die concilia und vätter getrungen, die
allweg erfunden werdend vil uß anfechtung geton haben. Wo was
christener gloub und wie luter was er, ee und die vätter ye gebornn
werind? Darumb sind es vätter, aber nit der kilchen Christi, wo sy
wider gottes wort leerend. Aber wol sind es vätter, die das bapstuom
gebornn habend, die bösen antchristischen frucht, die uns nit allein
die seel vergift, sunder ouch die zytlichen hab abgewunnen hat. Verston
allein die vätter, die uß iren anfechtungen die gschrift buckt
habend.
Zum sechßten: Laßend wir uns das helig liecht des nüwen testaments
uß den henden nemen, so werdend die huorenpfaffen als vast
an den cantzlen lügen und sich bläyen als vormal ye.
Zum sibenden wirt aller flyß der warheit widrumb erlöschen, den

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aber got zuo diser zyt so wol angezündt hat, daß ouch alle bäpstler mit
der nasen über die gschrift zogen und zwungen sind. Denn was werdend
die jungen huorenbapstspfaffen anderst leernen weder huoren und
brettspilen, wenn der gmein mensch nit verstott, wenn sy lügend oder
dichtend? Ja, ich gdar das eigenlich mit got allen glöubigen verheissen,
daß, obglych die bäpstler gottes wort, so offt es inen gevallt,
buckend, brechend und velschend, es nütz deß weniger mit der zyt
recht von den glöubigen verstanden wirt; dann gott ist, der innwendig
leert; wenn nun der rechtglöubig mit dem rechten erdrich [cf. Matth.
13. 23], das ist hertzen, da ist ze hören, wirt imm gott ouch rechten
verstand geben, da glych der bäpstler gottes wort gwalt thuot; denn das
ist das urteil der kilchen gottes. Darumb sol man gottes wort gschrifftlich
unnd muntlich handhaben, damit man nit widerumb under das
antchristisch bapstuom köme.
Dahin tringt aber Faber. Er sicht, daß es nit hat wellen
helfen, die evangelisten hencken, erstechen, metzgen; sol er nun alle
die heissen töden, die testament habend, weißt er 's nit ze wegen bringen,
und muoß aber das nüw und alt testament hinweg, sol das bapstuom
gelten und imm sine verligenden pfruonden und die vätter und concilia,
vor gottes wort. Und lupft aber darzuo mit disen ursachen und
beredungen, dero er sich uff nechst sant Johanns töuffers gehaltnem
tag ze Baden offenlich hatt mercken lassen in sinen predginen:
man lasse yetz buecher ußgon, denen gebe man gheinen namen, und

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könne inen nieman antwurt geben, das sye buebery, ouch in 'n rechten
verbotten. Das schryt er da ze Baden uff mine buecher, die er gernn
brannte. Antwurt: Das ist glych ein klag, als wenn einer flücht und
synem fygend nit gston gdar, spricht aber denn: Ich wüßt nit, wie
er hieß. Was darff aber Faber deß gegen mir, so mine buecher alle
den titel mines namens an der stirnen tragend? Nun hat er doch zwey
grosse buecher ze Baden ghebt, eins unseren Eydgnossen überantwurt,
das ander imm selbs bhalten und offenlich ußgeschruwen, darinn
habe er etlich hundert irrungen, darinn der Zuingle irre. So laße
nun die buecher ußgon umb gotzwillen! Er darff dem truck nit erloubnus
vor unsern Eydgnossen nemen, als er des selben mals ouch
geton hatt, er werde schlechtlich die buecher lassen ußgon. Denn
was hab ich vil zyts har anderst geschruwen, weder daß er und
Egg offenlich wider mich schribend? Schry noch hütbytag darnach.
Und ist 's imm ze vil, das groß buoch ze trucken, so neme nun einen
einigen artickel für sich, welchen er welle, und bewyße er mich der
unwarheyt, wil ich imm nit allein gernn wychen, der der warheit von
eim ieden ze erlernen begirig bin, sunder den häsinen käs, den ich
imm vor jaren verheissen hab, darzuo schencken. Aber uß denen künstlinen
und vältaten merckt man offenlich, das Fabers part nit vor

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iro hatt, von der warheit ufrecht und redlich handlen (oder aber sy
wurbind ietz by unseren Eydgnoßen allein nach dem ußtrucken und
gemein machen der gschrifft, die uß der disputierenden münden sind
ufgezeichnet), sunder tringt allein dahin, das man allenthalb die buecher,
die inen wider sind, brenne; dann sy die mit der warheit nit widerfechten
mögend; dann hettind sy das ye vermögen, hettind 's nit
gespart, hett ouch inen grossen lon gulten. Und sölte daby dem
frommen volck in eynr loblichen Eydgnoschaft der mantel für die
ougen ghenckt werden: "ja, die buecher, die man brennt, sind ze
Baden uff der disputation kätzerisch erfunden", und arbeitend aber nit
vorhin, das dieselb geschrift ußgang im truck; dann wo das gschäch,
wurde mencklich sehen, was sy erfochten hettind, und wie vil lügen
Faber, Egg und ander fürggeben habend. Ja, dahin reichend
Fabers fule anschleg, die gott ze nüt machen wirt [cf. Psalm 33. 10].
Aber uff den brand des nüwlich vertütschten testaments tringt er
mit sölchen beredungen: es habe sich erfunden, daß vil hundert ort
darinn gefelscht sygind. Bin ich recht yndenck, so zelt er fierzehen
hundert. Antwurt: Ich hab wenig in dem vertütschten testament

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gelesen, aber das ich gelesen hab, das ist nit allein nit gefelscht,
sunder ouch klärer und narhaffter denn die alt latinisch verdolmetschung,
darus vormal des nüwen testaments tütschung gemacht ist.
Das erfindt sich by allen verstendigen. Aber damit ouch der einfaltig
des frävenen lugs Fabers bericht werd, so ist ze mercken, das
sy sölch frävel reden fuerend uß dem fürgeben Hieronymi Emsers,
des großen bäpstlers und houbtesels; denn das er ein wenig latin
klaprens kan, aber sust nit so vil in der gschrifft genietet ist noch
in griechischer sprach, in dero das nüw testament erstlich geschriben
ist, das er die rechten, natürlichen sinn mög verston, ich gschwyg
andren ze verston geben. Ich hab sin beschelten ouch gesehen; ist
nütz denn ein calumnia, ein lesterung, nüt vests noch grechts,
sunder ein grosse verkerung der gschrift und gwaltigung dem bapstuom
ze dienst. Aber der einvaltig sol mit disen zwey stucken im nüwen
testament erfaren, ob er möcht yenen valsch darinn finden. Das
erst: besehe einer die vordrigen vertütschungen (dero man etlich;
dann man vil biblinen hin und wider hatt, die vor vil jaren vertütschet
sind), so wirt er durchuß einen sinn finden, aber in der
nüwen vertütschung klärer, ußgenomen gar wenig ort, die aber vormal
imm alten latin ouch übel uß griechisch vertolmetschet warend.
Das ander stuck ist, daß der einvaltig die täglichen euangelia, die man

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an der cantzel seyt, gegen der nüwen vertütschung erwege, unnd
so er einhälligheit im sinn erfindt, mag er demnach in dem übrigen
sich deß bas versehen der trüw unnd flys der warheit. Wiewol ich
daby nit wil abgeschlagen haben, das der dolmetsch etwa einn ding
unklärer, weder not ist, habe vertütscht, oder daß man etwa einen
sinn möge eigenlicher harfürbringen, aber das heißt nit gevelschet;
dann ghein mensch ist nie so glert worden, das er allweg in aller red
allein das best und klärest getroffen hab. Aber vil klärer ist die tolmetschung,
von dero wir sagend, weder alle, die man vorhin
gehebt hat im tütsch.
Doch so sye gott danck, es ist allenthalb, ouch da man sy nit gernn
hatt, so vil glöubiger menschen, das es nit not hatt, vil sorgen unnd
arbeiten ze bewären, das Faber und sin huff das nüw testament
anlügend; dann der glöubig sicht, welchs gottes meinung glychförmig
ist oder nit. Hierumb, frommen Christen und landslüt, tuond
umb gotzwillen die ougen uff und lassend üch die siben bösen tüfel,
die durch den Faber handlend, nit in einen ergren stand bringen,
weder wir vor gewesen sind [cf. Matth. 12. 45]. Dann vorhar der bapst
so frävel nie xin ist, das er yemannem die heligen gschrift verbutte
ze haben und lesen; so aber das durch Fabernn erobret wurde,
wurde ye böser denn vormal ye; dann unsere nachkomen wurdind under
das pfäffisch lügen schwärer gezwungen weder vor. Es sol ouch nieman
in einer gähe tuon, das inn nach dero gerüwen mög. Ir
werdend sehen, das in kurtzen jaren das euangelium also zuonemen und

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das bapstuom abgon wirt, das uns demnach übel gerüwen wurd, das
wir imm ützid ze dienst geton hettind.
Gott welle nach sinem wort Esaie 8. mit uns sin [cf. Jes. 7. 14;
8. 8] und dero, so wider inn zemen kuchet habend, radschleg ze nüte
machen [cf. Jes. 19. 3]! Amen.
Geben ze Zürich am letsten tag brachots im 1526. jar.