Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Eine Epistel an die Gläubigen zu Eßlingen

20. Juli 1526
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 5 (Leipzig: Heinsius, 1934) (Corpus Reformatorum 92)


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Ain christenliche fast nutzliche und tröstliche
epistel Ulrich Zwinglins ann dye frommen, ersamen
glaubigen zuo Eßlingen von etlichen predigen,
so doctor Balthassar Sattler daselbß
vor unnd nach der disputation, zuo Baden im
Ergaw beschehen, gethan hatt.
Allenn Christglaubigenn der kirchen zuo Eßlingenn
empeüt Huldrich Zwyngli gnad unnd frid von gott
durch Jhesum Christum seinen aingebornen sun,
unsern hayland.
Liebstenn brueder, wir sagen got, unserm herrnn, danck, das er euch
in erkandtnus seines euangelii, das ist der gnad, die er uns in seynem
sun gibet, inmitten alles fürhs der durächtunge [cf. 1. Petr. 4. 12ff.]
ingefuert unnd erlücht hat; sind auch daby ungezwyffleter hoffnunge,
das er in euch angefangen, werde er nit widerumb sincken lassenn [cf.
Phil. 1. 6], ob er üch glych mit mancherley schräcken und radtschlegen
dero, die wider Christum, den sun gottes, überainkommen und zemen
verschworen sind [cf. Psalm 2. 2], last angefochten werdenn. Dann wir
wol wüssend, das es nach dem wort unnsers haylands muoß also zuogon
[cf. Marc. 13. 7]. Wir muessend kriegströwungen und uffruoren hören
und umb seines namen willenn für die fürsten und ire vögt gefueret werden,
und ist noch kain end da [cf. Marc. 13. 7ff.]. Aber die ding mitwirckend
alle und sein fürderlich zum guoten denen, die got lieb haben [cf.
Röm. 8. 28]. Wir befinden auch nitt anders, dann das warer christenlicher
glaub und die tugenden, dy er vermag, nie türer, heiliger
und unbefleckter gewesen sind, weder so die durächtung zum
schwerestenn geweret hat, als man offentlich sihet in den geschichten
der botten, da es nütz denn fahen, durchächten, tödten und

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fürbaßschicken was; wa ist aber daby meer zuofals zuo christlichem
glauben, meer ufwachsses christenlicher unschuld gewesenn? Darauß
wir, lieben brueder, klärlichen ermessend, das der glaube auch under
den unglaubigen kainen wege mee zuonimpt, weder so sy den wirckenden
got offenlich in uns sehend. Denn sehend aber sie den in unns, so
wir starck unnd unbeweget ston [cf. 1. Cor. 15. 58] wider die ungemässen
wind der durächtung, so wir nicht allein die zeytlichen
eer und habe, sunder auch diß läben umb gottes willen verschätzend
[cf. Joh. 12. 25], da sehend sy, das der schatz, umb des willen wir den
irrdischen verachten, vil der türer und besser ist, unnd würt damit
das wueten der tyrannen erschrocken und die schwachen, die sich uß
dem kot diser welt nit wol außwegen mögend, getröst. Es last uns
auch unser hauptman Christus Jhesus nymmer trostloß, der uns eintweders
innwendig durch seinen gayst, der unsern glaubenn enthalt,
oder aber ußwenndig durch vermanung der standthafftenn inn der leere
oder leyden, und durch unsere fygend uns trost gebend, eintweders
mit irem unmenschlichen gewalt und geböch oder mit iren fräveln,
unberatnen münden. Mit dem geböch; dann ye wirsch und unweger
sie thuend, ye neher wir erkennend die rach gottes sein [cf.
Röm. 12. 19], der sy ir maß erfüllen lasst nitt weniger weder der Amorreyer,
Genesis
am 15. [cf. 1. Mose 15. 16ff.]. Werden sy die bald
ufhuffen, so wirt sie dester ehe ußgeschütt. Mit irenn freveln münden
trösten uns die figend, so wir nütz annders hören weder gotslesterichs,
lügenhaffts, oder aber die warhayt wider irenn willen, als
Caiaphas beschahe [cf. Joh. 11. 49-51; 18. 14], auß ir aygnenn
münden kommenn. Was het euch, liebenn brueder, tröstlichers ab der
disputation von Baden zuogeschickt mögen werdenn von denen, die bim
euangelio gestanden sind, weder doctor Balthasar bey üch selbs
offenlich geprediget hat? und geredt, Christus hab gnuog gethan für
unnser sünd durch seynen tod; er sey auch nun einmal uffgeopfferet
für unnser sünd. Inn welchen worten ewer lieb erstlich abnemen
mag, das genanter doctor Balthasar vormals die warheit nit gepredigt,
do er gesprochenn hat, Christus hab nit gnuog geton für unnser sünd,

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sunder wir muessend die selbs buessenn und gnuogthon. Unnd so er von
Baden kumen und anderst predigen wurde, weder er vormal gethan,
soll man frölich sagenn, der teüffel rede uß im. Sehend ir, wie sich
der Antchrist mit seinem aygnen mund verrattet?
Zum andern werdent ir uß den wortenn, die doctor Balthasar
ab der disputation bracht und geprediget hat, ermessen, das alle die
babsts unnd antichristische mainungen, die uff disen tag inn span
stond mit dem wort: "Christus hat für unser sünd gnuog gethan mit
seinem tod", und: "ist nur ain mal uffgeopffert für unser sünd" - ja,
alle irrungen werdend mitt disem wort umbgestossen und zuo nüt gemacht,
und merckend das alles kürtzlich:
1. Erstlich falt hie der dichtet ablas hin; dann doctor Balthasar
vergihet selbs, das der todt Christi gnuog than habe für unser sünd;
so mag ye das goldt, das wir an des babsts mulesel hencken, für
unser sünd nit gnuog thon; dann hat naiswas leichters weder das
pluot Christi uns mueg von der sünd entladen, so hetent wir des pluots
und tods Cristi nit bedürfen. Aber nit also, die verpfendung und verfallung
der sünde ist groß und unzalbarlich; darumb sind auch wir
mit dem kostlichsten, das in himel und erden ist, erlöst 1. Petri 1.:
"Ir sind nit mit zerbrüchlichem silber und gold abgelöst von dem
eyteln stand oder wandel ewrer vordren, sunder mit dem kostlichen
pluot Christi, des unvermaßgeten und unbefleckten lambs" [1. Petr.
1. 18. 19]. Under dem wort "ablaß" sollen ir alle erdichte gespenst
des babstumbs verston, alls absolutionem der pfaffen, bezalungen
und beschätz der sünden, weyhwasser und saltz etc. und dergleichen.
2. Zum andern valt das dichtet vermögen der heyligen fürbittens
auch hin; dann kurtz: hat Christus für unser sünd genuog than, so
muessend uns die säligen im himel nicht erst mit irem fürbit gnuogthuon
erobern oder erwerben; wir muessen auch kainen andern namen, das
ist: gewalt noch vermuegen, erkennen, darinn wir sälig werden, weder
Jhesum Christum. Dann es ist kain nam under der sonnen, in dem
wir sälig werden mögend, weder im namen Jesu, Act. 4. [Ap.-Gesch.

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4. 12]. Es ist auch nur ein einiger mitler gotes und unser:
Jesus Christus, 1. Thimo. 2. und 1. Io. 2. [cf. 1. Tim. 2. 5; 1. Joh.
2. 1. 2]. Da doch das mitlen nütz anders ist weder den tod für der
gantzen welt sünd geliten haben, ob man gleich in der geschrifft die
wort nach menschlichem sittenn findt, als: mitlen, fürsprechen, fürmünden,
fürbitten; denn mit den worten wil die geschrifft nit sagen,
daß Christus nach menschlichem bruch niderfals, zuo versönen mit wörtlichem
fürbitt, sonder alles vertrawen in alle fürbitter, die wir neben
Christo uffwerffen, hinnemen und uns den bereitnen zu mercklichem
schatz der gnaden im liden Cristi zeygenn, also daß alle, die
zuo got umb gnad gon wöllend, dieselbenn allein durch Jesum
Christum herschynent.
3. Zum dritten falt aller verdienst unsrer wercken hin; denn
möchtind unsere werck gnuogthuon für unser sünd, so wär Cristus
vergebens gestorben, Gal. 2. [Gal. 2. 21]. So aber doctor Balthasar
vergicht, Christus hab für unser sünd gnuog gethon mit seinem tod,
so muoss aller versoldter dienst (ich nenn in nit gotsdienst, denn er
ist 's nit) von pfaffen, münchen, nonnen nit genuog thun für unsere sünd.
Auch unser eigne werck nit; denn sobald wir den verdienst unsrer werck
rechnen, so thuon wir die gnad ab, Rom. 4. [cf. Röm. 4. 4]; da sich nu
yetz die ler vom verdienst eintreit, von dem doch nit stat ist noch
noturfft ze sagen. Doch kurtz, wo got unseren wercken etwas verhayst
oder gibet, thuot er sinem eigen werck; denn er gibet uns den willen
darzuo und das volbringen Phili. 2. [cf. Phil. 2. 3]. Dann unser wesen,
leben und bewegnus ist in im, Actuum 17. [cf. Ap.-Gesch. 17. 27f.].
4. Zum fierden falt die meßs hin; dann hat uns Cristus mit
synem tod von der sünd erlöst, so mag uns die meß nit darvon erlösen;
dann Cristus stirbt in der meßs nit, mag auch nit meer denn
einest sterbenn, Romanos am 6. cap. [cf. Röm. 6. 9]. Das aber doctor
Balthasar herfürbringt vom Dionisio und Ignatio, ist vom
Dionisio langst durch Erasmum Roterodamum verantwurt, daß es
nit der Dionisius ist, von dem in geschichten am 17. stet [cf. Ap.-Gesch.
17. 34]. Darzuo habend die alten offt das nachtmal Christi

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metonimies, das ist durch ein nachnennen, ein opffer genendt, aber nit
darfür gehalten, glich als wir noch hütbitag die uffart und die geburt
Christi begond, nit daß Christus geborn werd oder ze hymel fare,
sunder wir nennent die gedächtnus demnach, das einist beschehen ist.
Also haben die alten offt die widergedechtnus des tods Cristi ein opffer
genendt und doch nit für ein opffer gehalten; dann Christus mag nit
geopffert werden, denn da er tödt wirt, als wir vor langest in vil buechern
uß gottes wort unüberwintlich bewärt haben. Das die bäbstler uß der
epistel zu 'n Hebräern entgegen werffend, ist alles offenlich wider sy.
5. Zum fünfften felt auch hin, das Christus flaisch und pluot nit
lyplich im sacrament des nachtmals sye. Dann er ist darumb in die
welt kummen, das er mit synem tod die sünder hail macht, 1. Timm. 1.
[cf. 1. Tim. 1. 15]. So volgt, daß er allain getödt ein spyß der sel ist,
und nit lyplich geessen. Und macht doctor Baltazar die wort Io. 6.:
"Das flaisch ist gar nit nütz" [Joh. 6. 63] auch wider sinen willen klar,
nemlich das es allain getödt nütz ist unnd zuo essen gar nit.
6. Zum sechsten fellt auch die yrrig mainung hin, da etlich lerent,
in essen diß sacraments sye nachlassung der sünde. Dann doctor
Balthasar spricht, Christus hab mit sinem tod gnuog gethon für unser
sünd; so mag 's mit essen nit zuogeen, so es allein mit dem tod
erobert ist.
7. Zum sibenden zerfelt uns erst der allerbest kübel, darob
wir der rychen und armen säckel gemetzget und das bluot empfangen
habent: das fägfeur; dann ist die sünd durch den tod Christi bezalt,
so wirt sie nit mit pynlicher fäncknus des fägfeurs bezalt. Hette
got unser sünd mit unnser pyn unnd metzg wöllen rainigen, so het
er sinem sun das crütz nit lassen auff den rugken wachsen; aber er
hatt gelitten, das wir nytt lyden muessendt. "Er hat unser schmertzen
und weetag warlich getragen", Isa. 53. [Jesaia 53. 4].

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8. Ja, auch die götzerey wirt mit der warhait, die ewr doctor
Balthazar geredt hat, hingenommen, uß zwayen ursachen. Die erst, das
man mit dem götzenkosten vermaint hatt, gott zuo dienen und die sünd
abzuolösen; yetzt aber sehent wir, das die sünd nit mit todtenbainzieren
und götzenuffrichtenn wirtt hingenommen, sunder mit dem vertrawen
auff das schmertzlich ufrichten Christi am crütz, der yetz an der
gerechten gottes sitzt, warlich geziert mit götlicher herrligkeit und
gewalt, Hebre. 2. [cf. Hebr. 2. 9], da er in die ewigkait theur und werd
gnuog ist, aller menschen sünd zuo bezalen. Die annder ursach ist, das
wyr die götzen erst habent angehabt machen, nachdem wir dye für
gött oder helffer gehabet, denen wir die götzen gemalet habent; so
sich aber yetz durch doctor Balthazars rede erfindt, das Christus
tod allain der schatz und pfandt ist, umb den unns got unser sünd
verzycht, so werdent wir dann nymmen götzen machen, durch die
wir yrrselich vermaint habent verzyhen der sünd erlangen.
9. Zum neündten fellt auch das falsch vertrawen inn dye lüselbycht
hin, da wir vermaint haben: so wir unser ungsüber der
sünd dem schlaffenden münch in das or geschleycht, habent wir
nachlassung der sünd erlangt. Aber yetz erkennet doctor Balthazar,
das die sünd allain durch den tod Jhesu Christi verzygen wirt, so
wirt er demnach auch bald leernen, das die bycht, so ferr sy recht
gebraucht, allain ayn radtsforschung ist.
Ja, lieben brueder, mit disem wort mügent ir euch wol trösten;
dann got hat es euch zuogefuegt, angesehen das ewr frommer, getrewer,
lieber hirt (dann der ist warlich eüwer hirt, der euch weydet; der
euch aber allain schindt und schabt und die sel darzuo metzget, auch
allayn nach ewer übelfart trachtet, sehent ir wol, das er der wolff ist)
Meister Frantz, des durchlüchtigen, hochgebornen etc. margraven predicant,
ain zyt durch emfruombdet, sampt andern, die euch christlich

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und wol gelert habend, unnd hat euch durch den mund das [!],
der es selbs nit gemaint noch erkennett hät, die tröstlichenn warhait
zuo aim Badenkrom geschickt, das ir, die kinder sind des lebendigen
gottes, in eüwer freüd, die ir in got durch Jesum Christum habent,
besteet und rychlicher dann vor ergetzt wurdent. Wölcher under
euch hett sich aines so schönen kroms vonn doctor Balthazar versehen?
Aber der die zungen gemacht hät, kan die wol zuo synem lob
biegen, da sy es selbs nicht außsprechen will. Was ist das euangelium
anderst weder das Christus Jhesus, der sun gottes, für uns armen
sünder der gerechtigkait gottes mit synem tod, ainigem opffer, gnuog
gethon hat? Ob demnach genanter doctor erst vil aber darzuo thuot
sprechende: "aber du muest selbs gnuog thuon; aber wyr opffrend in, Christum,
täglich; aber die selen im fägfeür werdent mit disem oder yhenem
erlößet", so lassent im den haber zuo synen sawen, er darff syn
wol, und haltend ir euch des raynen waitzens. Ja, ja, das in
Christo Jesu ist, 2. Cor. 1. [cf. 2. Cor. 1. 17-22], das ist, der rainen,
unbefleckten warhait des ewangelii, das unns lert in Christo Jesu alles
suochen, das uns nott ist; dann in im sind alle schetz des wyssens und
der weyßhait behalten, Coloss. 2. [cf. Col. 2. 2f.]. Und in unseren
worten ist nutz dann nain, das ist: betrug; dann aller mensch ist
lugenhafft, Rom. 3., Psalm 115. [cf. Röm. 3. 4; Psalm 116. 11]. Darumb
gilt unser wyßhait und wyssen nütz, got hat auch uns in anbegynd
unser schöpffung verboten, das wir im nit nachgangendt, unnd sprach
also: "Von dem baum des wyssens guottes und bösen essendt nit",
Genne. 2. [1. Mose 2. 17]. Der mensch laßt im nach beschloßnem
contract oder kauff nütz meer andingen; unnd wer sind aber wir, das
wir die außgestreckten, gnedigen hand gotes widerumb beschliessen
wöllent, daß er ja nit nach siner guete fry für und für würcke? Muoß
syn wort, syn gnad und krafft nun so vil wyrcken, als der mensch inn
verdingt? Also das wir sagen thörent: "Es ist war, Christus hat
mit dem opffer syn gnuog gethon für der gantzen welt sünd, aber wir
muessendt auch selbs gnuog thuon"? Oder: "wir opffrend in täglich"? und

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derglichen erdicht list zuo gwyn gericht? Hat er 's mit eim opffer
außgericht, so sind unsere opffer nütz; sind aber unsere opffer neyßwas,
so muoß sins unvolkommen syn; das sye ferr! So wyt hab ich ewer
lyb doctor Balthazar kromm ußbraiten und zuo versteen geben wöllen.
Demnach, lieben brueder, so ist not, das ain yede kilch yren fleyssigen
wächter oder bischof hab. Tit. 1. spricht Paulus zuo Tito:
"Darumb hab ich dich in Creta gelassen etc., das du in allen steten
wächter oder bischoff setzest" [Tit. 1. 5]. Diße wächter sind on zwyfel
darumb in ayner yeden kilchen nott, damit das wort gotes gefuert und
getriben werd und wache gehalten wider die wölff [cf. Act. 20. 29] und
die bösen wider und böcke [cf. Ezech. 34. 7], die in der härd sind.
Darumb wir billich mit grossem ernst got biten und ir darzuo allen
fleyß anwenden söllent, das euch gott aynen guotten, frommen, gotsförchtigen,
frydsamen hirten und verkünder der unbefleckten warheit
zuosenden wölle; des söllendt ir kayneswegs geratten noch manglen; dann
ir sehent, das es guotter wach baß darff weder ye, so sich der
Antchrist so frävenlich empört und sich auch in so vil krumm buckt,
daß er die anhängig macht, die zuovordrest wider in syn soltent.
Dann was soltend alle fürsten lieber gehört haben, weder das mit gottes
wort das bapstum umbkert mag werden, damit inen und yrem volck
die allerschwerest roll abgenommen wurd, die auff erden ye gewesen
ist? So aber daz [!] Antichrists vorher verborgnen schätz sich yetz
offnent, und ye das nit sin will, das billich bey allen das erst sin solt,
muessent wir des mee mit wackrem gebet und stetem treyben des worts
alle ding bewaren und starck halten, biß der Antchrist under uns dannen
kumpt, 2. Thess. 2. [cf. 2. Thess. 2. 3 ff.]; dann die haimlich boßhait
ruert sich. Ir werdent wol bey euch fromme, redliche männer finden,
dero ir nit grossen kosten haben dörffend; wo aber das nit wer,
wöltend wir euch vonn uns wol geschickte männer wol mügen mitteylen;
und ob das auch nit fuog haben und euch etwas irren wurd,
daß unser schlechte verrichten künd, söllent ir gwalt haben, uns zuo
hayssen und gebietten; dann kurtz, ye mee die gefar wachßt, ye mer wir

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dero haben söllent, die unns hert zuo gott sammlent und von sünden
ziehent; dann so got unseren glauben und zucht sicht, dörffent wir
nit umb hilff oder schirmm sorgen; er wirt alle sachen wol eben
machen, allain wir haltent uns seyn.
Das sich Balthasar sovil grosser sigen ußthuot, lassendt euch nit
kümern, sunder sehent auff gottes wort, und das darinn grundt hat,
nement an; was nit, das lassent fallen; wenn die schrifft der disputation
ußgeet, werdent ir wol sehen, wölcher tayl in gotes wort gegründt
ist. Laßt man dye nit außgeen, so lassendt Fabern, Egken und alle
thönen, was sy wöllent, und haltent ir euch für und für gots wort;
dann sölte der doctren radtschlag fürsich geen, also daß sy die
gschrifften nit außgeen lassen wöltend, aber daneben diß und das gebieten:
"man soll meß halten; es ist ain fägfewr" etc., so werent wir
tyeffer under dem Antchrist weder vormals ye. Dann sie wurdent
durch alle Christenhait hin, nit in klaren, hällen stetten, sunder in
wincklen disputationen halten und, was da geredet und fürbracht wurde
mit gottes wort, undertrucken unnd aber oben drauff also gebieten:
"Auff der disputation hat sich erfunden, das ain fägfeur sey, unnd
darumb gebietten wir, das es yederman glaube und mit silber und gold
lauff zuo löschen" und derglychen. Aber nit also! Das urtayl ist nit
weniger nit der gelerten, nit der gewaltigen, nit der verpfruendten, nit
der versölten, gemieten unnd zerrütten, sonder der gantzen kirchen,
die soll urtailen die ler unnd die lerenden; so soll auch die nit urtaylen
on zweyffel, ehe und sy die ler gehört hab. Darumb lassent noch vil
grössere, dann Egk und Faber sind, sagen und böldren, was sy
wöllent, und gebent in kaynen glauben, biß das ir die grundt selbs
in gotes wort sehent; den weg werdent alle kirchen ains; aber mit
bochen und gebietten wirt man nit ains; denn man mag den glauben
nit gebieten, oder aber wir hettend alle langest das glaubt, das der
bapst mit seynem anhang gebotten hatt; er hatt wol so vil manda remanda,
gebot und widergebot, lassen außgeen.
Das trewen, ruemen und außkunden, das Faber unnd sein hauff
thuet, achtend etwas rynger weder den staub, der an der straß ligt;

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dann der mag dennocht den leyplichen augen etwas schaden; aber
Fabers nebel mag dem hellen lycht nit schaden. Er muoß aber denen,
die er milckt, dennocht ainen schyn darthuon, oder aber sy wurdent
mit letzem fuoß in kübel schlahen. Aber in der warhait so hat sich,
got sie lob, der glaub bey allen, die dem euangelio glawbt habendt,
treffenlich ab der disputation gesterckt, und geet das euangelium in
den vernampten steten bey uns herumb auffrecht herein.
Deßhalb ich mich wol versich, es gelte ir lyegen noch weniger
bey euch, so ir hohes geböch by uns dem euangelio nu fürgemündet
hat.
Es sol auch ain yetlicher Christ bey dem euangelio blyben und
Christum unerschrocklich bekennen; dann wir ye den sun gottes verjähen
muessent vor den menschen, sol er uns beym vater verjähen
und erkennen; stondt wyr von im, wirt er unser auch verleugnen
[cf. Matth. 10. 32. 33]. Wir wyssent, auff wen wir vertrawent [cf. 2. Tim.
1. 12]; wer wirt uns dann mügen ziehen von dem lebendigen gott,
der alle ding geschaffen hat? Kündent wir auch hoffen, so wyr in
schupfftend oder leugnetent, das wir ainen bessren fundent? Darumb
so ist es am letsten und am hafftknopff; den sol und mag nieman,
der hayl werden wil, von handt lassen, sunder ehe vater, muoter,
kind, schwester, brueder, hüser, äcker muessend wir übergeben weder
got [cf. Matth. 19. 29]; dann die ding muessind wir sunst lassen, yeder zuo
siner zyt, aber die hab, die uns by gott beschert, ist ewig; wol dem,
den got zuo sinen ehren verbruocht [!]! Aber es wirt, ob got wil, zuo solcher
gestaltt nit kommen, daß den frommen Christen in tüdtschem land
die letsten ding zuo fürchten sygind, so verr und sie sich nun
gotes styff unerschrockenlich haltend. Gedenckend, wie schwer es
die botten, die von Mose ze spähen gesandt warend, beducht, das
verhayssen land ze erobern, und got macht 's inen alles bar, das sie
nit dorfftend hoffen, Num. 13. 14. [cf. 4. Mose 13 u. 14]. Wie vil
starcker küngen und völckern machten sich zemen wider sy, wurden

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doch alle überwunden! Got ist, der den syg gibt [cf. Sprüche Sal.
21. 31] und nit unser wyßhait; wie vil grosser, starcker radtschläge haben
wir zuo unserer zyt gesehen ze nüt werden! Ich geschwig, das es umb
die fygend gottes worts, auch des irdischen regiments halb, stadt, als
es ötwann umb Philippen, den macedonischen künig stuond, darvon
Demoschenes in oratione ad epistolam Philippum also spricht: "Wenn
die regiment mit guotwilligkeit zemen bunden sind, so stat es alles vest;
so man aber die mit untrüwem uffsatz, gyt, betrug und gewalt beyeinander
ze halten vermeint, so mag ein lychte ursach den regierenden
bald entwegen und ußmachen" etc.
Hierumb uns, liebsten brueder, der einig ze fürchtenn ist, der lyb
und seel in die gehennen werffen mag [cf. Matth. 10. 28]. Darumb
sind unerschrocken und wachend nach dem wort Petri [cf. 1. Petri
5. 8] im gebet; got muoß es alles thuon, darumb muessen auch wir mit
warem glauben und emsigem fleiß der unschuld nymmer vor im
dannen kummen, hert schryende und bittende, daß er sein gsind
recht laiten und beschirmen wöll. Die anligend angst aller kilchen
würt uns leren, was recht gebetet ist, und wirt uns got mit syner hilff
ze verston geben, wie er unbetrogen ist. Er last uns angefochten
werden, daß er uns bewär und von lastern ziehe; man lauft gar
schnell zuo got in truebsal und ist in dem gar träg zuo üppikeyt.
Got bewar üch! Amen.
Geben ze Zürich 20. julii 1526.
Ewer williger Huldrich Zwyngli.