Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

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Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit

30. Juli 1523
Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 2 (Leipzig: Heinsius, 1908) (Corpus Reformatorum 89)


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Von götlicher und menschlicher grechtigheit, wie die
zemen sehind und standind. Ein predge Hyldrych Zuinglis
an s. Ioanns teuffers tag gethon im 1523 [jahr].
Herr Niclausen von Wattenwyl, propste zuo Bern
in Uechtland, gnad und fryd von got, unserem herren
Jesu Christo.
Glych wie alle Christen sich allenthalb freuwend des gloubens
des euangelii Christi, den din vatterland, o allerliebster bruoder in
Christo Jhesu, die fromm statt Bern, annimpt und täglich wachßt,
also freuwt mich in sunderheit din bekerd von der finsternus zum
liecht. Dann vil ding sind, die dich davon gehinderet hettind: Din
fürnäm gschlecht (denn din eigner vatter fürnäm ist mit vil und offt
gepflegnen schuldheiß- und andren ämpteren), rychtag, eigen tugend,
senffte und gnad gegen den menschen; und das aller zähest ist,

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von so vil bäpsten und bischoffen hoch und wärd geschetzt sin. Dise
dinge alle hettind dich one zwyfel zuo der fryen erkantnus des euangelii
Christi nit lassen kummen, wo nit got sunderlich gezogen hette dich
und alles volck by üch. O wie war ist das wort Christi: Es kumpt
nieman zuo mir, es habe inn denn min himelscher vatter gezogen
[Joh. 6. 44]. Der würckt alle ding in allen menschen; dem sollen wir
alle umb üwers gloubens willen lob und danck sagen in die ewigheit.
Amen.
Das ich, lieber bruoder, so frävel bin, das ich dich mit offner
gschrifft bekumm, der doch vorhar ghein besundere fründtschafft mit
dir gehept hab, ist ghein andre ursach denn der gemein Christus,
der uns brueder und glider eines lybs macht. Dann als die Heyden
in einem sprüchwort habend: Fromme kummen zuo frommen ungeladen,
also hat ein ieder Christ zuo dem andren ze werben glympffs gnuog,
so sy eines gottes, eines touffs und eines gloubens sind in Christo
Jesu [cf. Eph. 4. 5]. Als ich nun uff vergangnen Ioannis töuffers
tag gepredget hab von götlicher und menschlicher grechtigheit, und
demnach von vylen ersamen menschen erbetten, dieselbigen meinung
ze schriben, hab ich üwer frommen stat sölche meinung nit gdören
zuoschriben, wiewol ich deß ein starcke begird gehebt; dann ich gehört
hatt, wie ein red under den üwren geseyt wäre, das es by uns ze
Zürich so jämerlich stuende, das doch nit ist. Denn vil früntschafft und
liebe wachßt täglich under den glöubigen, got sy lob!, und nimpt nieman
nützid für, denn allein mit der obergheit heissen und entscheiden.
Es sindt ouch vil widerspäniger, die villicht anders ansehend
weder die leer Christi; die muoß man dulden, byß das sy gott ouch
zücht, damit die stercke sines wortes des erlicher gesige. Es muoß
widerstand haben, damit man sin krafft sehe. Wiewol ich ja sölche
meinung der kilchen by üch nit hab gdören zuoschriben, hab ich 's
doch dir, als eim ernstlichen, getrüwen diener gottes, wol gdören,
gwüsser hoffnung, du liessest dich sölchs nit frömd beduncken, sunder
empfiengest es im besten, als es beschen ist.

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Hie inn würstu sehen, daß das euangelium Christi nit wider
die obergkeit ist, daß es umb zitlichs guots willen nitt zerrüttung gebirt,
sunder ein bevestung ist der obergheit, die recht wißt und einig
macht mit dem volck, so verr sy christenlich vart nach der maß, die
gott vorschribt.
Hierumb liß sy mit den glöubigen üwrer kilchen. Und wo du
miner armen diensten bedörffen würdist, so schaff und gebüt.
Got, der uns alle in das wunderbarlich liecht siner erkantnus gefuert
hat, der bestäte in uns alles, das er hat angehebt.
Gruetz mir Thoman Wytenbach, Heinrich Lupulum, bede
mine underwyser, Sebastianum Meyer, Berchtolden Haller,
üwrer kilchen lerer, mine mithelffer im euangelio Christi, die edlen,
vesten etc., dinen vatter, minen herren, und J. Hansen Ruodolffen
Hetzel von Lindach, die strengen beschirmer christenlicher leer,
Valerium, den stattartzt unnd Lienhart Trempen, minen
kämmet und die gantzen kilchen by üch.
Geben Zürich am 30. tag höumonats 1523.
Huldrych Zuingli, din williger unnd aller Christen.

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Von götlicher und menschlicher grechtigheiten.
So sich zuo unseren zyten die götlich grechtikeit durch das gotswort
offnet mee denn in vil hundert jaren ie, wellen doch etliche menschen
die nit annemmen, als man solt; denn etlich dero, die ir schon losend,
sy zuo iren anfechtungen ziehen wellend. Die fürgesetzten sehend in
iro ein söliche schöne, das ghein mensch derselbigen zuokummen mag.
Als, da got nit wil, das man weder by im, noch himel, noch erd,
noch by unserem eignen houpt schwere [cf. Matth. 5. 34-36], da sehend
sy wol, das wir dem gebott nit nachkummen mögend. Hie meinend
sy aber, man sölle noch hinder sich halten mit dem verbott des
schwerens, bis es inen gefalle; denn es sygind etlich, die werdind
meinen, so sy glych uffrecht und redlich eyd gethon habind, sygind
sy doch nit schuldig, dieselbigen ze halten; denn man sölle gheinen
eyd schweren nach dem wort Christi Mat. 5. [Matth. 5. 34]: Dargegen
sind under der gemein doch vast wenig, die, sobald sy hörend, daß
Christus heißt: so man uns den rock nemme, söllend wir den mantel
ouch lassen [cf. Matth. 5. 40], wellend sy hie nun lernen nemmen,
und nit gedencken, das sölich gebott sy glych als wol beruert als alle
andre Christenmenschen, das sy ouch ee söllend rock und mantel
lassen, ee sy sich werind, ich gschwig, ee sy eim andren das sin
nemmind. Darumb mich not hat beduocht dise nachkummenden

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predge in gschrifft ze bringen, die ich von götlicher und menschlicher
grechtigheit an sanct Ioanns teuffers tag gethon hab, wie hernach
volgt, damit die, so me ruowen, dann ich yetz ze mal, habend, der
sach eigenlicher nachjagen mögind.
Und das man sehe, wie die götlich grechtigheit und die arme
menschlich grechtigheit zemen standind, wil ich zum ersten von der
götlichen sagen.
Got ist nit allein darumb grecht, das er eim ieden das sin gibt,
als die mentschen die grechtigheit beschriben hand. Denn so wir inn
by diser schnuor messen wöltind, so kämind wir dahin, als ob wir on
inn etwas wärind. Denn was ist unser? Nüts; es ist alles sin, das
wir hand und sind. Und darff er uns nit das unser geben; denn nüt
ist unser; sunder was er gibt, das ist alles das sin. Er ist aber einer
andren gestalt grecht, oder aber er gebe nieman nüt; denn er ist nieman
nüt schuldig. Er ist der gestalt grecht, das er der unversert
brunn ist aller unschuld und frommgheit und grechtigheit und alles
guoten; dann er ist die grechtigheit, frommkeit und alles guotes selb
wesenlich, also, das nüt fromm noch grecht noch guot ist, denn das
uß im kumpt. Glych wie er nit allein warhafft ist, sunder die warheit
selbs Jo. 14. [Joh. 14. 6], also ist er nit allein gerecht, sunder die unverserte
grechtigheit selbs, die so luter unnd eigenlich rein ist, das in
dero nüt vermischtes ist mit einigerley unsuberkeit der anfechtungen.
Denn ie das zemen gemischt ist, mag nit ewig sin. Und ist aber got
das ewig guot, daruomb muoß er, der die grechtigheit ist, unvermischt
sin, frömd von allen anfechtungen und eigennützigen begirden.
Dise also lutren, reinen, unvermischten grechtigheit gottes sehend
wir an sinem eignen wort. Denn glych als ein böser mensch uß dem
bösen schatz sines hertzens böß harfürbringt Luce 6. [Luc. 6. 45], also
bringt got, der allein guot ist Marc. 10 [Marc. 10. 18], uß sinem hertzen
nüt denn guotes, an welchem sinem ußfliessenden gerechten unnd guoten
wir den ursprünglichen brunnen erkennend; denn man erkent den
boum by der frucht [Luc. 6. 44]. Also erkent man gotes grechtigkeit
an sinen worten. So nun sine wort, als David redt psalmo. 11.
[Ps. 12. 7]: Die wort oder reden des herren sind rein; sy sind wie ein
silber, das gelüteret ist und gesübret von der erd, ja, das zum sibenden

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mal gelütret ist, von der erd so wol gereiniget sind: so muoß ie volgen,
das darinn nüts erfunden wirt, das nach den irdischen anfechtungen
schmecke. Dannen har wir wol ermessen mögend, das die götlich
grechtigheit verr über die menschlichen ist, so verr got über den
menschen ist. Darus volgt, das wir zuo siner grechtigheit nit langen
mögend, das ist: das wir die maß siner schöne, unschuld und reinigkeit
nit erlangen mögend.
Noch erfordret got, das wir sygind wie er, ob wir anderst by im
wonen begerind. Dann wie ein hußvatter in sinem xind gheinen dienst
duldet, der im nit glych gesitt ist, also duldet got noch vil minder
in sinem rych einen, der nit nach siner schöne und unschuld gestalt
ist, der nit so rein ist, als er den ersten mentschen geschaffen hat.
Welchs uns Christus bedüt in dem, der wol an das hochzyt gladen
was Mat. 22. [Matth. 22. 11-13]; aber do er nit ein hochzytlich kleid
anhatt, ward er hinußgeworffen. Und hatt doch der herr, der an das
hochzyt hatt geheissen laden, geheissen, die armen, krancken, blinden
und lamen berueffen Luc. 14. [Luc. 14. 21]. Noch muessend sy der
gestalt suber sin, die er erfordret. Denn got ist ein ewig verzerend
fhür, by dem nieman wonen mag, der ützid an im hat, das dem
fhür ungezäm oder wider ist; sunder was by im wonen wil, muoß
heilig unnd fromm und luter und rein sin, als ouch er ist. Das zeigt
Isaias an 33. [Jes. 33. 14-17]: Welicher under üch wirdt mögen
wonen by dem verzerenden für, oder welicher under üch wirdt wonen
by der ewigen hitz? Antwurt: Der frommklich wandlet oder gerecht
ist; der die warheit redt; der den gyt, der gemeinlich nachteilig
ist, hinwirfft und sin hand von aller gab oder miet erschütlet; der
sine oren verschoppet, das er nüt höre von bluotvergiessen reden und
sine ougen zuothuot, daß er das böß nit sehe. Der wirdt in den höhinen
wonen; sin überhöhen wirdt die veste der felsen übertreffen; spyß

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oder brot wirdt im ggeben; sine wasser sind luter oder getrüw; sy
werdend den künig in siner zier sehen und sine ougen werdend das
erdrych von verrem sehen. Mit disen worten wil Isaias anzeigen,
wie doch die sin muessen, die by got wonen wellind. Und ist die
summ darvon, das sy allenthalb har unschuldig syind. Als ouch
David imm 14. psalmen redt [Ps. 15. 1f.]: Herr, wer wirdt wonen in
diner zält oder wonung? oder wer wirt ruowen in dinem heligen berg?
Antwurt: Der, so on masen wandlet und würckt, das recht ist etc.
Redt David fast als ouch Isaias, wiewol David elter ist, also, das
man an den worten sehen mag, das es alles uß einem geist kumpt.
Diß alles hat Christus mit wenig worten vergriffen Mat. 5.
[Matth. 5. 8]: Wol denen oder sälig sind, die da sind eines reinen
hertzens; denn die werdend got sehen. Was ist nun ein rein hertz
oder weliches ist rein? Gheins uff erden; dann weliches hatt an im,
das es nit eigennützig sye, selbschätzig, oder das es allenthalb unvermaßget
sye? welchs doch got schlechtlich wil haben, wie bald
hernach volgen wirdt.
Hie muessend wir an einem fürgon das euangelium anzeigen.
Wir hand hie eigenlich gehört, daß gheiner zuo got kumpt, er sye
dann fromm, rein, grecht und unschuldig, wie got erfordret. Denn
er spricht Leuit. 20. [Levit. 20. 7]: Sind fromm, rein oder grecht; dann
ich bin rein. Sam er spräche: Ich bin grecht, rein, fromm. Darumb,
wellend ir min gsind sin, muessen ir ouch also sin (verstand hie
"rein" nit für: nit eeliche werck volbringen, sunder für: suber). An
diser grechtikeit muessen alle menschen erligen; denn welcher ist so
heylig, des hertz one anfechtungen und begird sye? Also mag ouch
keiner by got wonen; denn welcher by im wil wonen, muoß one masen
sin. Dis unser iamer und onmacht hat got gesehen und darüber erbarmt
und mittel funden, damit sin grechtigheit versuenet wurde für
uns, das wir by im wonen möchtind; und hat darumb sinen sun lassen
mensch werden, von der reinen magt Maria on alle sünd vom heiligen
geist empfangen, damit sin hertz, das on alle süntliche anfechtung was
- denn es nit in sünden empfangen was wie wir psal. 50. [Ps. 51. 7] -,

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allenthalb rhein wäre. Unnd so er aber, der unschuldig was, für uns
schuldigen sünder den tod leyd, bezalt er für uns die so schönen
grechtigkeit gottes, die sust ghein mensch vernuegen mag, das er uns
verdient hat, daß wir zuo got kummen mögend uß siner fryen gnad und
gab. Welicher das hört und gloubt ungezwyflet, der wirt sälig. Das
ist das euangelium.
Noch blybt für und für das, so got erfordret, namlich, das wir zuo
aller zyt schuldig sind, so rein, suber, unbefleckt, recht ze leben als
got haben wil. Denn Christus spricht Mat. 5. [Matth. 5. 48]: Ir
sollend volkummen sin, glych wie üwer himelscher vatter volkumen ist.
Unnd sind aber an der that nimmer also, ja, es ist uns nit möglich,
das wir, die wyl wir lebend, so rein sygind. Darumb muessend wir
zuo aller zyt durch den einigen, gerechten, unschuldigen Jesum Christum
zuo got kummen; denn der ist allein der fürstender und bezaler
für unser sünd in die ewigheit 1. Jo. 2. [1. Joh. 2. 1f.]. Also stat das
euangelium gegen unserer schuld und onmacht nach der kürtze. Wilt
du nach der lenge die gründ der gschrifft sehen, liß die ersten schlußreden
mit irem ußlegen, die wir kurtzlich habend lassen ußgon.
Das aber got ein so grosse unschuld von uns erfordret, lernet
man an sinem eignen wort, das ist: ein söliche unschuld, die aller
anfechtungen und begirden halb unvermaßget sye, wiewol er danebend
das heil und genad ggeben hat durch Christum Jesum. Derselb
ist aber nit uß unserem verdienst, sunder uß der lutren genad gottes
uns zuo eim heyl ggeben, das, nachdem wir unser onmacht erlernend
und an uns selbs verzwyflen muessend - dann wir ie der götlichen
grechtigheit nit zuo mögind -, nüt des minder heil findind in Christo
Jesu, damit wir all weg verworffen werdind, aber gottes genad und
erbärmbd groß werd und lieb. Dieselben sich, du gleubiger, all zyt
an, und laß dich nimmer darvon tringen. Sy ist gwüß; der sun
gottes ist das pfand darumb. Und ob du schon an dem, das got von
dir erforderet, verzwyflen muost, daß du im nit nachkummen magst,

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verzwyflest doch nit an dem, der all unser arbeit und prästen getragen,
bezalt und versuent hat, sunder du erlernest an dem wort des
götlichen willens, wie ein hohes guot got sye. Denn die frommgheit,
die er uns fürschrybet, die ist er an im selbs und halt sich, wie er uns
heißt; denn er nit den tyrannen glych ist, die treffenliche gsatzt fürschrybend
und sy aber nit haltend. Wie ouch Christus die Phariseier
und gelerten der Juden schiltet Luc. 11. [Luc. 11. 46]. Unnd
wirst demnach für und für fechten, das du dich ie mee und me glychförmig
machist dem götlichen willen und zuo eim volkummnen man
wachsen nach der maß Christi Ephe. 4. [Eph. 4. 13], und von dir
selbs nimmer verguot han, aber all din zuoversicht unverwendt in got
richten, und das du schon würckest, nit dir sunder got zuoschryben.
Du wirst ouch din werck erkennen, das es nüt ist und nüts werdt vor
got, und alles, das dir got bewyßt, daß es nit umb dinen verdienst,
sunder uß siner fryen gab bescheche.
Hie volget die götlich gerechtigheit, weliche allein billich ein
grechtigheit sol genempt werden.
Die götlich grechtigkeit ist so luter und schön an ir selbs, wie
sy uns ze sin anforderet.
1. Sy heisset verzyhen, glych als ouch wir wellind, das uns got
verzyhe [Matth. 6. 14]; und erfüllet das so rychlich, das sy uns nit
verzycht, als sy wölte iro verzigen werden; dann sy hat nüt, das verzyhens
dörffe; sunder so wir allein siner gnaden dörffend, verzycht
sy überflüssig one allen unseren verdienst. Ja, so wir in aller ungnad
sind und siner grechten rach wirdig, so verzycht er uns Ro. 5.
[Röm. 5. 6-11]. Christus ist für uns gestorben, die wyl wir noch
sünder warend.
2. Got heißt nit allein nit töden, sunder gar nit zornig werden
Mat. 5. [Matth. 5. 22]. Er wirdt ouch nit zornig; und wo zorn im in
der gschrifft wirt zuogelegt, bedüt es nüt anders denn sin billiche rach.
3. Got heißt, das wir nit rechten noch zanggen söllend, sunder,
so uns der rock genommen sye, söllen wir den mantel ouch verlassen
Mat. 5. Luc. 6. [Matth. 5. 40, Luc. 6. 29], und hat er das gethon; dann

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er hat sich sine fyend on alles rechtanrueffen lassen fürbringen und
töden, wie der prophet hat vorgesagt Isa. 53. [Jes. 53. 7]: Er ist zum
tod gefueret glych als ein schäfflin und hat sinen mund nit uffgethon.
Unnd Isa. 42. [Jes. 42. 1]: Er wirdt nit schryen und nit zanggen
Mat. 12. [Matth. 12. 19].
4. Gott heißt nit allein, das wir die ee nit brechen söllend, sunder
gheins eemenschen gar nit begeren Mat. 5. [Matth. 5. 28]. Er halt das;
dann er ist one alle anfechtung; ja, die menschheit Jesu Cristi ist
one alle süntliche anfechtung. Und heißt vater und muoter ee verlassen
weder den egmahel, und die got zemen gfuegt hab, sölle nieman entfuegen
Genn. 2. Mat. 19. [1. Mos. 2. 24, Matth. 19. 5f.].
5. Got verbüt alles schweren unnd heißt uns so styff sin, das
ja ja, nein nein sye on alles schweren Mat. 5. [Matth. 5. 37]. Er ist
ouch also; denn himel unnd boden muoß ee vergon, denn eines siner
worten nit erfült werde [Matth. 24. 35]. Das erfarend wir täglich.
6. Got heißt uns unser hab hingeben denen, von denen wir nüts
verhoffend und die uns nüts widergelten könnend Luc. 6. [Luc. 6. 35].
Er thuot im ouch also; denn er spyßt nit allein den menschen sunder
ouch die vogel des luffts Mat. 6. [Matth. 6. 26] on alles widergelten.
7. Got heißt nit allein guotes den frommen und unschädlichen
thuon sunder ouch den fyenden Mat. 5. [Matth. 5. 44]: Ich sag üch, das
ir lieb sollen haben üwere fyend unnd guotes thuon denen, die üch
hassend, und bitten für die, die üch durächtend unnd schmähend.
Er thuot im ouch also. Er schafft sin sonnen schynen über die guoten
unnd bösen und regnet über fromme und unfromme [Matth. 5. 45];
er gibt den ungleubigen und fyenden glych als wol frücht und narung
als den glöbigen.
8. Got heißt nit allein nit stelen, sunder des andren guot gar
nit begeren Exo. 20. [2. Mos. 20. 15, 17]. Denn er thuot im also. Es
ist so verr von im, das er ützid an uns erfordre oder zuo unserem
nachteil begere, das er wil, das wir an inn alle ding begerind und
wirt er uns geben und unsere prästen ersetzen.
9. Got wil, das wir nit allein nit übel oder hinderredind, sunder
gar ghein unnützes wort redind Mat. 12. [Matth. 12. 36]: Ich sag üch,

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das umb ein iedes unnützes wort, das die menschen reden werdend,
rechnung werden geben. Er thuot im ouch also. In sinem mund ist
nüt valsches, betroglichs oder ytels erfunden 1. Pet. 2. [1. Petr. 2. 22].
Er hat gelert nit mit unnützen, ytelen worten, als die Schryber und
Phariseier, sunder mit krafft, also, das sine wort starck warend und
behafftend in den hertzen der hörenden Mat. 7. [Matth. 7. 29].
10. Got wil nit vernuegt sin, das wir dem nächsten nitt schadend
oder das wir im erst ze hilff kummind, so wir uns vorhin wol bewart
habind, sunder wil er, das wir den nechsten ebnen menschen als
lieb habind als uns selbs Mat. 22. [Matth. 22. 39]; denn er hat im
ouch also gethon. Er hat sich für uns geben unnd uns zuo im genommen
als sine fründ, brueder und erben. Jo. 15. Mat. 23. Gala. 4.
[Joh. 15. 13, Matth. 23. 8, Gal. 4. 5].
Noch vil me stucken hettind wir mögen erzellen, die got von uns
erfordret mit dem wort und mit dem vorgon der that selbs, als das
wir umb sines worts willen den tod erlyden söllend, verachtung ouch
für einen ieden bruoder in Christo. Sind doch alle andre gheiß in
den eezelten vergriffen. Nun sind die gheiß gottes nit ein rat, als
die Bepstler sagend, sunder eigenliche gebott gotes, die er von uns
erfordret und zuo im nit laßt kummen, wir sygind dann so unschuldig,
rein und fromm, als sin will erfordret. Und ist der sin will uns nienen
kund weder in sinem gebott. Und ist sin gebott nüt anders denn ein
eroffnung sines ewigen willens. Biß aber all weg in denen gebotten
gottes ingedenck des euangeliums, das nüt anders ist, denn,
nachdem wir an dem, das got von uns erfordret, verzwyflen muessen
unserthalb, das got sinen sun für uns geben hat als einen volbringer
sines willens, der sinem gebott hat mögen nachkummen für uns und
alle unser sünd bezalen, und ist das gwüß pfand, durch das wir zuo
got kummend. Diser trost enthebt uns vor verzwyflung an got; an
uns selbs muessen wir verzwiflen; denn got erfordret von uns, wir söllind
nit begeren noch anfechten, welchs uns aber unmöglich ist. So

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ist uns ouch unmöglich zuo got ze kummen. Dann kurtz so erfordret
er sölche reinigheit und unschuld von uns. Aber daß Christus unsre
presten ersetzt und unser fürstender ist, das macht, das wir an got
nit allein nit verzwyflend, sunder wir sehend, das all unser heil an
siner erbärmbd stat, und erlernend an sinen worten, was er für ein
schön guot ist, wie rein, wie grecht, wie fromm. Und wie vil wir arbeitend
sinen wort gnuog ze thuon und nach ze kummen, so findend wir
all weg unser onmacht, und ist nüt des minder der gröste lust der
gleubigen sel sich ueben nach dem wort und erfordren gottes, wiewol
sy die gotswirdigen maß nit erfüllen mag; denn sy wil ye für und für
dem gevallen, der ir schatz, trost und zuoversicht ist.
Das aber die vorgezelten stuck und derglychen gebott und nit
ein radt sygind, bewäret das eigen wort Christi selbs, der sy Mat. 5.
[Matth. 5. 19] gebott nennet: Welcher eins der kleinsten dero miner
gebotten nit halten wurd etc. Sich, daselbst bedüt er uff die gebott,
die bald darnach volgend, und nempt sy gebott. Darzuo heißt er die
junger, das sy die menschen lerind halten alles, das er inen gebotten
hab Mat. 28. [Matth. 28. 20]. Ouch so sind alle vorgezelten gebot
in den zwey fürnemsten gebotten verschlossen [Matth. 22. 37-39]: Du
solt dinen herren got lieb haben uß gantzen dinen hertzen, seel, gmuet
und krefften, unnd dinen nächsten als lieb haben als dich selbs. Das
wir kein unütz, ytel wort reden söllind, empfindend wir imm ersten;
denn so ferr wir got lieb hettind ob allen dingen, uß allen krefften,
so vermöchtind wir uns gheiner ytelkeit. Ja, so wir das einig gebott
hieltind (das sy doch muessend lassen ein gebott sin; denn Christus
hat uns das fürgeschriben Mat. 22. [Matth. 22. 37-39], so tätind wir
nimmer wider got; denn ghein creatur möchte in unser hertz nimmer
mee kummen, wann wir gott darinn uß allen unseren krefften lieb
hettind. Dann da dannen möchte der creatur nüts verlihen werden,
oder aber die kreffte wärind nitt all an die liebe gottes gelegt, als
uns ouch warlich beschicht. Darumb sind wir nimmer me one sünd.
Für das ander ist das gebott, wie wir überein nit schweren söllen
[cf. Matth. 5. 34], under dem andren gebott vergriffen. Denn hielte ein
ieder dasselb, das er sinen nächsten als lieb hätte als sich selbs, so dörfft

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man keiner eyden. Dann wie ein ieder nit wil von eim andren betrogen
sin, also wurde er ouch nieman betriegen, und wurd nüts denn
ja ja sin und nein nein [cf. Matth. 5. 37]. Also sind ouch alle andre
gebott under denen beden vergriffen, als ein ieder wol für sich selbs
ermessen mag, der sy besicht. Dann Christus lügt nit, der da spricht
Mat. 22. [Matth. 22. 40]: In denen beden gsatzten hangt das gantz
gsatzt und propheten. Und zum aller letsten so sind die wort Christi
in den vorgezelten gebotten nit hinläßlich gesetzt, sunder sy gebietend
und heissend.
Also hoff ich, sye offenbar, das ein ieder, so durch sine werck
wil zuo got kummen, irre; dann er sicht glych an dem ersten gebott,
das er das nit erfüllen mag. Also gebütet uns got, das warlich siner
grechtigheit zimpt; aber uns ist nit müglich sine gebott ze halten.
Der selben unser onmacht mag aber nieman ze hilff kummen denn
der eynig got; der hat es geton durch sinen sun Christum Jesum.
So aber demnach vil gotloser mentschen sind, die nit allein den gemeinen
prästen habend, das sy got nit lieb habend ob allen dingen,
sunder nit gloubend, das ein got sye, der reche und widergelte alles
recht und unrechtes, so fallend sy demnach in grosse, unmenschliche
laster; und wenn der inen vor iren frävenen anschlegen nit wäre, so
machtind sy das gantz volck ze nüte mit irem fräven und muotwillen.
Denn sidtenmal sy got nit fürchtend - denn sy gloubend nit, das ein
got sye -, so wurdind sy eim ieden das sin nemmen, unnd so im das
nit gevallen, wurdind sy inn ze tod schlahen. Das hatt got vorgesehen
und hat gsatzt geben, damit man den gotlosen verheben und zwingen
möchte. Ob er glych nüt umb got gebe, mueßte er dennocht die
menschen ze fryden lassen und nieman nach sinem muotwillen verdutzen.
Hie wirt sich die arm, prästhafft, menschlich grechtigkeit
ufftuon. Dise gsatzt sind geben von der bösen wegen, wie Paulus
1. Tim. 1. [1. Tim. 1. 9-11] redt: Das gsatzt ist dem frommen nit geben
sunder den übellebenden, den ungehorsamen, den gotlosen, den
sünderen, den unfrommen, den wuesten, den vatter- und muoterschlechtigen,

--484--

den todschlegeren, den unküschen, den knabenbschläfferen,
den lütdieben, den lugneren, den meineiden und andren lastren,
die sich wider die grechten leer setzend, die nach dem euangelio der
eer des heiligen gottes lutet. Hie sichstu an dem hudelmansgsind
wol, das got etliche gsatzt geben hat von der bösten und gotlosen
wegen. Darus volgt, das, welicher schon in denen wuesten lastren nit
verschuldet ist, das er darumb nit grecht ist; denn es sind nun gsatz,
die aller grösten unbill zuo verhueten. Und welicher die halt, ist darumb
vor got nit grecht; er erlangt aber, daß man inn nit strafft. Als
Paulus Gala. 3. [Gal. 3. 12] redt: Welicher die ding thuot, die das
gsatzt heißt, der wirdt in inen läben; das ist: Welcher thuot, das inn
das gsatzt heißt, oder laßt, das im das gsatzt verbütet, der fristet sin
leben damit, das man inn nit nach innhalt des gsatztes verurteilet oder
strafft Deut. 4. [Deut. 4. 40].
Darumb sind zweyerley gsatzt, glych wie ouch zwo grechtigheiten
sind: ein götliche unnd ein menschliche.
Ein teil der gsatzten sehend allein den inneren menschen an, als
wie man got, wie man den nächsten sölle lieb haben. Und dise gsatzt
mag nieman erfüllen; also ist ouch nieman grecht denn der einig got,
und der, so durch genad, dero pfand Christus ist, grecht würdt gemachet
durch den glouben.
Der ander teil der gesatzten sehen allein den usseren menschen
an, und derohalb mag einer usserlich fromm und grecht sin, und ist
innerhalb nüt des minder unfromm und vor got verdampt. Byspil:
"Du solt nicht stelen" [2. Mos. 20. 15] ist ein gbott zuo dem usserlichen
leben und frommgheit. "Du solt eins andren guot nit begeren"
[cf. 2. Mos. 20. 17, Röm. 7. 7] ist ein gbott zuo der innerlichen götlichen
grechtigkeit; und reichend bede uff ein ding, das ist: wider die nam.
So nun einer nit stilt, ist er fromm vor den menschen (verstand
hieby alle laster, die man offenlich vor den mentschen verurteilt); er
ist aber by got ein schelm; denn er hat die begird und anfechtung
zuo frömbdem guot vilicht grösser dann einer, der gestolen hat. Noch
wirt der dieb gehenckt, darumb, das er ein wüssenlicher dieb ist.

--485--

Und der gotsschelm, der vil gytiger ist über zytlich guot, der ist für
einen frommen verruempt, darumb, das er nit ußgebrochen hat mit
der that, noch ist er vor got nit fromm. Darumb das ein klar wort
ist, da man spricht: Der ist ein wüssenlicher schelm, so verr man es
recht brucht. Denn es wil anzeigen: Wir sind vor got all schelmen;
denn hat einer nit die begird des zytlichen guotes innwendig, so hatt
er begird nach dem eegmahel eins andren oder begird der eeren oder
andre anfechtungen. Dannen har er vor got ein schelm ist, aber vor
den menschen halt man inn für fromm; denn sin hertz ist ze tüff,
die mentschen mögend nit darin sehen. Got erkent allein die hertzen
und urteilet der mensch erst nach der ußwendigen that. Aber wüssenlich
schelmen sind allein die, so frävel unnd gotlos sind, das sy mit
den inneren anfechtungen harus brechen, das sy der mensch ietz an
den früchten erkent [cf. Matth. 7. 16].
Also findet man, was götlicher gerechtigheit gesatzt sind, was
menschlicher grechtigkeit gsatzt sind.
An der götlichen grechtikeit sind wir all schelmen; und wie unsere
schelmery allein got bkant ist, also urteilt über die der einig got,
oder schenckt uns die durch sinen sun, so wir vestenklich gloubend,
das er für uns uß erbärmbd gestorben sye und bezalt hab.
An der menschlichen gerechtigheit werdend wir offt fromm erfunden,
wiewol wir gotsschelmen warlich sind. Welicher aber an der
menschlichen gerechtikeit erfunden wirdt also, das er ietz zuo dem, daß
er ein gotschelm, ouch ein wüssenlicher schelm ist, der wirt ietz dem
ze teil, der die übertrettenden verurteilet: dem gwalt oder dem richter.
Sich, dise menschliche grechtigheit nenn ich ein arme, prästhaffte
grechtigheit darumb, das einer wol vor den menschen grecht
mag gschetzt werden, der doch vor got nit grecht ist; dann gheiner
ist vor got grecht. Sich ouch hie an einem fürgon, was das für ein
grechtigkeit sye, die sich mit kutten, zeichen, kleideren vor den

--486--

menschen verkoufft, so findstu, das es nüt anders ist denn ein bare
schalckheit; denn es ist nit möglich, daß kein mensch innwendig nach
der götlichen grechtigkeit fromm, rein und suber sye. Und so er denn
erst über alle sin onmacht, wuost und prästen sich mit eim ußwendigen
schyn für guot verkoufft, muoß ie ein grosse gotsschelmery sin. Darumb
spricht Christus recht: Sy nemmend iren lon yn [Matth. 6. 5]. Denn
der mensch urteilt, nach dem er sicht, und schetzt sy nach dem schyn
[1. Sam. 16. 7]. Also, schynend sy guot, darumb werdend sy für guot
gehalten und nemmend das, darumb sy arbeitend, hie yn. Sind aber
etlich, die ir glyßnery nit erkennend, so ist sich über sy treffenlich zuo
erbarmen, das sy den gemeinen prästen noch nit erkennend. Denn
es hilfft nit sprechen: Darumb tragend wir kutten an, das wir für unser
sünd rüwend. Ursach: Rüwetend ir, so thätend ir das innwendig
imm hertzen mit eim betruebten geist, spiegletind den rüwen nit vor
den menschen. Darumb es kurtz ein glychßnery ist alles, das sich vor
den menschen schönt, und gehört nit under die armen menschlichen
grechtigheit; denn es ist ein betrug und sünd.
Wiewol dise menschliche grechtigheit nit wirdig ist, das man sy
ein grechtigkeit nenne, so man sy gegen der götlichen grechtigheit
besicht, so hat doch gott sy ouch gebotten, aber erst uff unser ungehorsame,
die er wol weißt hernach volgen. Byspil: Welcher sinen
sun dem schuolmeister empfilht, der spricht: Lerend inn diß oder das,
und schlahend den buoben unnd sparend im nüt! Hie ist die meinung
des vatters nit, das er inn schlahe, die wyl er recht lernet,
sunder weißt der vatter des buoben art wol, das er nit lernet nach
sinem sinn, man schlahe inn denn. Also muotet uns der himelsch
vatter zuo, daß wir on begird frömbder dingen sygind unnd all unser
begird zuo im habend; weißt doch daby wol, daß wir die frommgheit
und grechtigheit nit ervolgend. Daruff gibt er satzungen, die uns
nütz und guot sygind frölich unnd früntlich mit einandren ze leben.
Und spricht: Du solt nit stelen; du solt nit eebrechen; du solt nit

--487--

liegen, töden noch falsche zügnus geben etc. [2. Mos. 20. 13-16].
Welcher gebotten wir aller nit dörfftind, wenn wir das ander gebott
hieltind: Du solt dinen nächsten als lieb haben als dich selbs [Matth.
22. 39]. So aber das nit, so hat gott dise gebott ouch muessen ußgeben.
Und ist nit gnuog daran xin; er hat ouch muessen empfelhen, das man
den übertrettenden fitzt. Der dieb sol fünffvaltigs oder viervaltigs
widergeben, der eebrecher sol versteiniget werden etc., unnd ist dem
schuolmeister empfolht, das ist: der obergheit. Wie verr aber die
straffen sölle oder satzungen machen, wirdt hernach kummen.
Ietz wellend wir die 10. gezelten stuck gegen der menschen
grechtigheit heben und bsehen, wie sy gegen einandren ston mögind,
und wie got die menschlichen ouch gebotten hat; aber erst daruff, das
wir die ersten nit wurdent halten.
1. und 3. Gott heißt uns schlechtlich verzyhen, oder aber er
werde uns ouch nitt verzyhen. So wir aber überein das nit thuon
wellend, so sol sich dhein besundrer rechen; dann sölichs brächt
unruow und zwytracht, ja zerstorte den gantzen menschlichen fryden
und bywonung. Darumb hat er obre und richter verordnet, die
uneinung verhortind und zertruegind mit dem, das sy eim ieden gäbind,
das im gehorte Exo. 18. [Ex. 18. 21f.]: Gang us wyse und gotsförchtige
menner uß allem volck, die warhafft sygind unnd die dem
gyt fygend sygind (Reck die oren hie uff, o richter und obrer!),
und mach uß inen tusender, hunderter, fünfftziger und zechner, die
dem volk recht sprechind zuo aller zyt, und sy allein über die minderen
stuck richten. Darumb sehend wir, das got geheissen hat richten,
das vil nit verzyhen wellend, als sy begerend inen verzigen werden.
Das nun uß menschlicher bywonung nit ein mördery werde, sol aller
gwalt überein nit gstatten, das ghein besunder sich one recht
an ieman reche, sunder allein mit dem rechten alle spän werdind

--488--

ußgetragen. Denn sölte uns die arme grechtigheit erst ouch entgon,
wie uns die götlich entgangen ist, so wäre mentschlich geselschafft nüt
anderst dann ein leben der unvernünfftigen thieren: Welcher stercker,
dem wäger. Darumb sind die richter und obren diener gottes; sy
sind der schuolmeister; unnd wer irer grechtikeit nit gehorsam ist, der
tuot ouch wider got, er sye geistlich oder fleischlich, wie hernach volgen
wirdt. Und so er glych unsträfflich läbet, noch ist er vor got nit
gerecht, aber er verhuet sich vor dem tod oder straff.
2. Got heißt nit allein nit töden, sunder gar nit zornig sin
[Matth. 5. 21-24]. Verhuotind wir den zorn, so volgte kein todschlag
harnach. So wir aber deshalb an götlicher grechtikeit übertretten,
muoß got gebieten, daß wir nit ze tod schlahen; und das wir von dem
gebott ouch nit kummind, muoß der schuolmeister tod umb tod, leben
umb leben, oug umb oug, brand umb brand, wunden umb wunden,
streich umb streich widergelten. Welcher nun schon lebt, das er der
gstalt nit übertritt, ist er dennocht nit fromm, sunder verhuet sich
allein vor straff der oberkeit. Das ist leben imm gsatzt Gala. 3.
[Gal. 3. 10].
4. Got heißt eins andren emenschen nit begeren. So wir das
nit haltend (denn wir sind kurtz on die anfechtung nit), so heißt er,
wir söllend die ee nit brechen. Und so wir sy glych mit der that nit
brechend, thuond aber das mit der bgird, so sind wir wol vor den
menschen grecht, aber vor got sind wir eebrecher. Das wir aber in
die mißtat nit fallind und den vihen glych werdind, so empfilcht er
uns dem schuolmeister; der sol uns versteinigen Levit 20. [3. Mos.
20. 10]. Das aber wir Christen dise straff hand lassen abgon, kumpt
eintweders dahar, das anfengklich der eebruch so seltzam gewesen
ist, das man sich nit offt daran verbösret hat, oder aber, das die obren
vast eebrecher sind, und straffend die laster, in denen sy verhefft,
nit als tür als sy soltend. So man aber nun sicht, das der ebruch
so gmein unnd unverschampt ist, sol man billich die straff widrumb

--489--

tennen, damit wir von der armen gerechtigheit nit getrungen werdind.
Denn glich, wie man den diebstal herter strafft, denn inn got geheissen
hat straffen Exo. 22. [2. Mos. 22. 1-12] darumb, das dieben on zwyfel
nit ab derselben straff sind abgestanden, also muoß man ouch des
ebruchs straff widrumb uffziehen und tennen.
5. Got heißt so warlich reden und handlen, das wir nüt denn
ja und nein bruchind. So wir aber das nit tuond, sunder einandren
betriegend, heißt er uns by dem eyd zwingen Exo. 22. [2. Mos. 22. 11];
und so wir den felschend, ist der schuolmeister hie mit der ruot und laßt
uns, wie die zwen alten falschen zügen, die Susannen in 'n tod
bringen understuondend, versteingen [cf. Zusätze zum Buch Daniel.
cap. 1. Gesch von Susanna und Daniel]; denn der meineyd ist nüt
anders dann ein gotsverleugnen, und strafft got die abgötery mit versteingen
Deut. 17. [5. Mos. 17. 5].
6. Gott heißt uns unser hab den dürfftigen geben one widergelten.
So wir aber ie das nit thuond, so heißt er uns one wuocher
lyhen Exo. 22. und Levit 25. [2. Mos. 22. 25, 3. Mos. 25. 36]. So
wir das nit thuond, ist der schuolmeister hie und lert uns wuocher geben
und nemmen. Und ob die straff des wuochrers glych nit ist ußtruckt,
ist sy doch an den richteren gestanden, die darumb gesetzt warend,
das sy die infallenden mißbrüch und spän zertruogind Exo. 18.
[2. Mos. 18. 25-27]. Welcher nun nit wuocher gibt, ist deßhalb vor
den mentschen fromm; denn der gewalt mag im umb den wucher nit
zuo; aber vor got ist er dennocht nit fromm, er verkouffe denn all sin
hab und geb sy den armen Luc. 12. [Luc. 12. 33]. Thuot das gheyner,
so ist ouch gheiner nach der götlichen grechtigheit fromm. Also
wellend wir doch von dir verguot han, daß du dich einen sünder erkennist.
7. Got heißt den fyenden guots thuon. So wir das nit thuond,
so heißt er uns im ie nit schaden, ouch sinen schaden, der im unbekant
ist, wenden. Exo. 23. [2. Mos. 23. 4f.]: Ob dir das verirret

--490--

rind oder esel dines fyents gegnet, fuer inn widerumb an 'n weg. Ob
du den esel dines yfrers oder fyends wirst sehen under einer burdy
ligen, so wirstu nit fürgon, sunder inn uffrichten. So du das übersichst,
sol dich der schuolmeister straffen; denn du hast das nidrer
gebott gottes, das wir kümmerlich erretten mögend, und muessend es
aber beschirmen, oder aber es gienge als umb, übertretten. Ob du
es aber nit übertrittest, bistu dennocht vor got nit grecht, du verzyhest
denn dinem fyend, glych wie du wilt, das dir got verzyhe.
8. Got heißt des andren guot nit begeren [2. Mos. 20. 17]. Hieltind
wir das gebott, so bschähe weder roub noch diebstal. So aber
das nit ist, so gibt got das nidrest gebott, das menschliche gselschafft
und bywonung erlyden mag: Du solt nit stelen [Ex. 20. 15]. An
disem gebott sehend wir ouch (glych wie an dem "Du solt niemans
eemenschen begeren" und darnebend "du solt din ee nit brechen",
deren das nachgender ouch das nidrer ist), das got etliche gebott
geben hat, die wir haltende dennocht nit grecht sind, sunder allein
der straff endtrünnendt. Noch hat er sy ggeben, daß menschliche
fründschafft und bywonung nit entfuegt werde. Also, welcher eim
andren das sin nimpt heimlich oder mit gwalt, der ist eintweders ein
dieb oder reuber; über den muoß der schuolmeister, custos, virgam
machen. Es ist war: Wie uns got das erdrych und sine frücht fry
gibt one unser bezalen, also solt es fry sin. Ja, so wir das nit
thuond, so sind wir all zyt schuldner gottes und übel an im gevaren,
das wir eigen machend, das gottes ist. Noch weißt got, das wir
sölichs nit haltend, sunder wir sind eigennützig von Adamen har, und
zücht ieder im selbs zuo. Das nun uß dem unserem gyt nit
mentschliche geselschaft zerrütt werde, zemt er unseren gyt und gebüt
uns, das wir nit rouben noch stelen söllend. Und ist, der sich vor
roub und diebstal huet, darumb nit fromm, er sye dann des frömbden
gar nit begirig. Hie mercket man, das die nüts denn dieb und buoben

--491--

sind, die eim byderben man umb das sin nüt gebend, dem sy doch
das houptguot hand abgenommen, und sich mit der leer gottes beschirmen
wöltind. Ja, der rych ist schuldig das sin hinzegeben den
armen, das heißt: gott. Er heißt dich aber nit, das du im das
nemmen söllist, so er es nit thuot. Er heißt aber wol die obergheit,
dich, so du sölchs understuendist, straffen, und verhueten, das nieman
unbill beschech. Darumb, all die wyl ein obergheit Juden oder andre
wuocher duldet, so bistu ein dieb oder reuber, so du eim andren sine
schuld, zins oder wuocher, dero houptguot du im mit wolbedachtem
willen hast abgenommen, dieblich oder mit gwalt entragen understuendist;
dann got hat die eigenwilligen nam verbotten. Wie wol
daby der oberkeit uffzesehen ist, daß die brüch, die weder mit gott
noch mit der armen grechtigheit - die uns gott nun zuo komliche des
lebens gehengt hat - nit ston mögend, hinnemme, von welchem
hernach kummen wirdt. Darumb, welche sölichs undernämind, zwyvaltiklich
sündetind: zuo eim teil, das sy uß dem gemeinen prästen des
andren guot begertind, zum andren, das sy über das in die mißthat
ußbrechind, und unruow und verachtung des gewalts, den got verordnet
hat, gebärind. Denn ie wir arm grechten muessend styff an dem
zipffel der gerechtigkeit halten, oder aber unser leben wer ein mördery,
reubery und diebery.
9. Got wil, das wir dhein ytel wort redind [cf. Matth. 12. 36f.].
Also ist der nit grecht, der glych nit fluocht noch übel redt noch lügt,
denn er dennocht ytel redt. Noch hat die arm menschlich gerechtigheit
verguot, so man nit fluocht noch übel redet oder lügt. So er aber
überein sich vergat, unnd wil ie geredt, geschmächt, gelogen oder
falsch verzügt haben, so heißt er dem falschen oder lugner tuon, als
er dem wolt gethon haben, uff den er gelogen oder falsch verzügt hat
Deut. 19. [5. Mos. 19. 19]. So aber unser red ja ja, nein nein were,
so hette got des gebottes nit dörffen. Also volgt aber, daß gott

--492--

etliche gebott darumb ggeben hat, die wir muessend halten, und sind
dennocht nit fromm noch grecht. Sich, wel ein arm ding ist es umb
die, so sprechend: Ich bin ein frommer man; die ir frommgheit allein
erwegend uß dem, das sy die ding nit begond, darumb die oberkeit
strafft. Sich ouch daby, das alle menschliche wyßheit einen frommen
man eigenlich nit erkennen mag; denn der gloub, der allein fromm
macht, der ouch den prästen und das heil allein erkent, der ist allein
got bekant. Noch muoß man die armen nidren grechtigheit ouch
behalten.
10. Das wir das einig gebott "Du solt dinen nächsten ebnen als
lieb haben als dich selbs" [cf. 3. Mos. 19. 18, Marc. 12. 31, Gal. 5. 14],
nit haltend, darus entspringend alle andre gebott, die den nächsten
betreffend; denn diß ist das gebott der natur, ußgenommen, das diß
Christus mit der liebe gezückret hat; unnd zimpt das im eigenlich;
denn er ist die liebe 1. Jo. 4. [1. Joh. 4. 16]. Das gsatz der natur ist:
Das du wilt dir bschehen, das thuo eim andren ouch; und widrumb:
Das du dir nit wilt beschehen, thuo ouch nieman. Diß gsatzt macht
Christus mit der liebe sueß; denn hand wir got lieb, so ist gott in
uns. Ist got in uns, so ist ouch die liebe zum nächsten in uns; denn
got hat uns so lieb ghebt, das er sich für uns geben hat. Wo nun
got ist, da ist ouch ein sölich fürnemmen. Darumb ziert Christus
das gesatzt der natur mit disen worten: Du solt den nächsten als lieb
haben als dich selbs. Hie sind alle menschen prästhafft; ist uns allen
wol bekant. Hie gebrist ouch die mentschlich grechtigheit überal;
denn sy hat die eigenschafft so starck angenommen, daß sy nieman
zuo der gmeind bringen mag; ist imm Paradyß verbrueget. Darumb
strafft sy nieman, der diß gebott nit haltet; und sind doch alle
mentschen daran schuldig, wiewol sy etliche stuck, die under disem
gebott übertrettend, strafft; aber das gantz gebott richtet sy nit.
Darus man aber sicht, das es umb die mentschlichen gerechtigheit stat
als umb das vermaßget tuoch der zytigen frowen Isa. 64. [Jes. 64. 6].
Und so wir glych vor der welt fromm schynend, sind wir dennocht
gotsschelmen; noch muoß man das uffsehen der oberkeit han. Glych

--493--

wie ein vatter siner verfuerten dochter wert, daß sy nit gar gemein
werd, also weert die obergheit an der statt gottes, das unser leben
nit gar ein vihische unvernunfft werde.
Ietz hand wir, als ich hoff, gnuog verstanden, wie wyt die götlich
grechtigheit von der menschlichen underscheyden sye. Wiewol die
menschlich ouch von got gbotten, ist sy doch nit der volkummenheit,
die got erfordret, sunder ist sy erst gebotten uff unser zerbrochnen
natur, als got gesehen hat, das unser anfechtung und begird sinem
willen nit volgen noch nachkummen ward. Deßhalb sy nüt anderst
weder ein straff ist, und so wir die glych halten, werdend wir darumb
nit sälig noch gotsgevellig. Ezech. 20. [Ez. 20. 35]: Ich hab inen
gsatzt geben, die nit guot sind, und grichte, in denen sy nit leben, das
ist: nit sälig werdend. Wiewol dise wort fürnemlich von den zünselwercken
verstanden werdend, zeigt doch diß wort "grichte" an, das
sy ouch von der mentschlichen gerechtigheit oder obergheit verstanden
werden söllend. Das aber hie stat "wir werdind in denen grichten nit
leben" und Ga. 3. [Gal. 3. 12]: Welche die gebott des gsatztes thuond,
die werdind leben, hat den underscheid: So wir schon die menschlichen
gerechtigheit haltend, so werdind wir damit nitt die ewigen säligkeit
erobren, das ist dem Ezechiel: nit leben. Paulus aber meint:
So wir die gesatzt, die uff den menschlichen prästen geben sind,
haltind, so errettind wir das lyplich leben, das uns die obergheit nitt
töde. Deut. 4. [5. Mos. 4. 40]: Tödend wir nit, so werdend wir ouch
nit getödet.
Wie man sich in götlicher und menschlicher grechtigkeit
halten sölle.
Die götlichen grechtikeit sol man one underlaß allen menschen
offnen und predgen und die hut ee verlieren, ee man sich von dero
predigen und ußkünden lasse tringen, als Christus offt gebotten hat.
Mat. 6. [Matth. 6. 33] spricht er: Suochend vor allen dingen das rych
gottes und sin grechtigheit, so werdend üch die noturfften alle zuoggeben.
Hie hörend wir, das alle menschen gheissen werden die
götlichen grechtigkeit suochen, das ist: nach sinem willen der unschuld

--494--

sich flyssen für unnd für, bis das wir die maß Christi treffend
Ephe. 4. [Eph. 4. 13], und nit gnuog haben, das sy nach menschlicher
grechtigkeit fromm sygind. Nun ist uns all weg nit ze vergessen, das
unser flyß an der götlichen grechtikeit nit zuokummen mag. Die unser
onmacht ersetzt aber rychlich der einig Christus. Das wort gottes,
darinn sin grechtigheit erschynt, ist ein liecht, das da erlüchtet einen
ieden menschen. Darumb sol das liecht nit under ein meß verborgen
werden [cf. Matth. 5. 15, Marc. 4. 21, Luc. 8. 16, 11. 33], glych als ouch
das lyplich liecht nieman verbirgt, sunder zünt man das darumb an,
das man daby gesehe und unser werck fueren könne. Also sol das
luter wort gottes on underlaß ußkündt werden; denn darinn erlernet
man, was got von uns erforderet, und mit was gnaden er uns ze hilff
kumpt. Es sol ouch nüt verschwigen blyben, das darinn vergriffen
ist; dann es hat ein andre natur weder des menschen wyßheit oder
wort, das sich anderst gestaltet, weder es an im selbs ist. Diß wort
gottes zeigt heiter an, was got wil von uns haben; erscheint uns
ouch daby, wie got an im selbs ist, das uns billich ob allen dingen
freuwt nach dem wort Davids psal. 18. [Ps. 19. 9]: Die gerechtigheiten
gottes sind schnuorrichtig und erfröwend die hertzen. Das
gebott gottes ist heiter und erlüchtet die ougen. Darumb wil es geoffenbart
sin; es wil lüchten und leren, das man nit in der finsternus
wandle; denn es hat nüt in im, das nit sölle geoffenbart werden;
sunder, wie got ein gemeines guot ist, also würcket ouch sin wort dem
gemeinen menschlichen gschlecht zuo guotem. Darumb sind nit recht
gleubig, die da vermeinend, man sölle das wort gottes nit wyter predgen,
dann inen die menschlich grechtigkeit oder oberkeit zuolasse.
Denn der gestalt wurde die götlich frommgheit verblychen und wurdind
alle menschen sich der lamen menschlichen grechtikeit vernuegen
und wurde uß der gantzen grechtikeit nüt anders denn ein glychßnery;
denn ein ieder wurde innwendigen gottes nit achten, sunder allein
uffsehen, wie er sich vor den menschen vor straff hueten könde, als wir
leider ein zyt har sehend beschehen sin von vilen. Hierumb, wie
Christus Mat. 10., Luc. 8. geredt hat, sol der verkünder des worts
gottes nüt verschwigen; denn uß welches verschwigen die schäffly verirrt

--495--

umbkemind, von des hand wurde ir bluot ersuocht Ezech. 5.
[Ez. 5. 5-17].
Christus spricht widrumb Luc. 9. [Luc. 9. 26]: Welicher sich
min und miner leer oder worten schemen wurde, des wirt sich ouch
der sun des menschen schemen, so er in siner eer und macht und
des vatters und der heiligen englen kummen wirdt. Darumb söllend
die botten gottes, das sy an der finsternus gehört hand, im liecht,
und das inen in das or gseit ist, uff den tachen predgen Luc. 12.
[Luc. 12. 3]. Denn ie das wort gottes wil geoffnet sin. Denn wie
der schnee und regen vom lufft herab falt und erfüchtet das erdrych
und macht es gruonen, also ist ouch das wort gottes Isa. 55. [Jes.
55. 10f.]. Das blybt nit ungethon. Darumb sol kein obergheit sich
underston wider das wort gottes ze kummen, obglych ir grechtigheit
darus erschynt, wie arm unnd ellend sy ist: Sy sind menschen und
hand den prästen der menschlichen onmacht gemein mit allen menschen.
Darumb söllend ouch sy hören, was got von inen und allen menschen
erfordre, damit sich nieman der armen menschlichen grechtigheit vernuegende
vor got verdampt werde. Denn kurtz, so sind wir die gebott,
dero wir einen teyl hand anzeigt, schuldig ze halten; denn es nit rät sunder
gheiß sind. Das hört man an dem wort Christi Mat. 5. [Matth. 5. 17],
das er spricht: Ir söllend nit meinen, das ich kummen sye, das gsatz
zuo entledigen, sunder ze erfüllen. Welchs dise meinung hat: Ich bin
nit darumb kummen, daß ich das gsatz, das nüt anders ist denn ein
offnung des götlichen willens und erforderens, hinnemmen welle, also,
das man sich des willens gottes nit me flyssen sölle; sunder ich bin
kummen, das ich das, das in dem gsatzt bißhar nit geoffnet ist, ze
offnen. Ir hand wol ghört, das imm gsatzt geheissen ist, man sölle
nit eins andren guot begeren, ouch nit stelen. Welcher nun eins
andren guot nit begeret, der hat vil unschuld erlangt des zytlichen guotes
halb. So verr er aber zytlich guot hat, so ist nit genuog, das er eins
andren guot nit begert, sunder muoß er ouch das sin den armen ußteilen.
Luc. 12. [Luc. 12. 33]: Verkouffend, das ir hand unnd geben 's
zuo almuosen. Sich, wie die volkummenheit, die got erforderet, sich hie
noch klärer uffthuot. Darzuo, damit hie nieman ützid gebräste, so hat

--496--

Christus das gsatzt erfült, daß er den willen sins himelschen vatters
für uns onmächtigen erfült hat, welchem nieman gnuog thuon mag, der in
sünden empfangen ist. Denn der mag die maß der götlichen grechtikeit
nit erfüllen. Aber Christus, der gheiner sünd noch prästens mag
beklagt oder behagt werden, der mag allein die maß, die got erforderet,
leisten. Darumb hat er das gesatzt erfült, zuo eim teil, daß er uns luter
gseit hat, was got von uns welle ghebt han, daran wir unser onmacht
erlerntind, und danebend sich selber für uns geben und hat erfült, das
wir nit vermögen (denn wir vermögend nüt!) und hat damit die götlichen
grechtigkeit erfült und vernuegt. Also hört man aber hie, das, so
Christus erfült hat, das es ein gsatz und gebott ist, alles, was got
von uns erfordret. Die zünselwerck (ceremonie) die tuond nüts weder
zuo götlicher noch menschlicher grechtikeit. Darumb sind dieselben
abgethon, als Christus Luc. 16. [Luc. 16. 16] anzeigt; darumb bekümer
dich nit darumb. Wiltu aber bis uff den boden darvon wüssen,
liß die gründ unserer schlußreden. Also ist das gsatzt durch Christum
ernüwret und ist ouch abgethon. Ernüweret: das Christus das, so
got von uns erfordret, noch eigenlicher ußgesprochen unnd geheissen
hat, dann vormals ie beschehen ist. Abgethon: das uns das übertretten
des gsatztes nümmen verdammen mag, so wir vestenklich
gloubend, das es Christus erfült hab und uns in die ewikeit als ein
pfand den zuogang zuo got bezale. Weliche sin barmhertzige that uns
nüwe menschen macht und got ergibt, indem das wir sehend unser
onmacht und sin gnad, und werdend dannethin niemer mee benuegig
an unns selbs, das wir immer thuegind, das gott an uns erfordret;
ouch könnend wir die gnad gottes nimmer gnuog erkennen und brysen,
die sich so gnädiklich gegen uns hat uffgethon. Diß alles reicht
dahin, daß man erlerne, das man die götlichen grechtikeit und gnad
styff sölle predgen und darumb dheinen menschen ansehen, ob der
glych sorgt, sin onmacht werde dadurch geoffnet; denn ie so muoß der
mensch wüssen, was got von im erfordre [cf. Mich. 6. 8]. Und wirdt
der gleubig an sinen wercken all weg darnider ligen, aber an gott all
weg unverzwyflet hangen, heil und uffrecht blyben.

--497--

Aber muoß man erkennen, das man die götlichen gerechtigheit
und gnad unghindret leren muoß, an dem, das got uns verdampt, so
verr wir dero nit gnuog tuond; denn Christus spricht Mat. 25 [Matth.
25. 41-45], das, die inn nit in dem armen gespyßt, getrenckt, ze herberg
genommen, bekleidet, heimgsuocht und getröst in kranckheit und
gefencknus habend, in das ewig fhür verfluecht werden. Weliche ding
von der mentschlichen grechtigkeit nit gebotten werdend; denn dhein
oberkeit zwingt ieman zuo almuosen, herbergen, kleiden und derglychen.
Noch, so wir das nit thuond, so werdend wir mit den böcken in die
ewigen pyn geworffen. Noch vil me der, dem sölichs empfolht ist ze
verkünden, so er das nit thuot, wirdt er under die verdampten gezelt.
Also ist nun gnuog von der götlichen grechtigkeit gseit und bewärt,
das man die schuldig ist by verdamnus ze leren, das ouch kein
obergheit vermag sölichs verbieten, so sy christenlich wil sin. Denn
die glöubigen habend nit gnuog, das sy allein die menschlichen grechtigheit
haltind, die sy erkennend ein unvolkomen ding sin, sunder
habend sy besundren lust, ie me und me sich nach der götlichen
grechtigheit gestalten. Und wiewol sy wüssend, das inen die erfüllen
nit möglich ist, noch würckt gott unglychlich in uns; ist nüt des
minder die begird in einem grösser denn in dem andren, nachdem
als got sin fhür in unseren hertzen anzündt. Dann er würckt in uns
alle ding 1. Cor. 12. [1. Cor. 12. 6].
Der menschlichen grechtigheit muoß man ouch uß dem gebott
gottes gewertig unnd gehorsam sin, wiewol sy so ein arme grechtikeit
ist, das sy nüt anders tuot denn vor dem grösten übel verhueten. Und
ist dennocht der mensch vor got nit grecht, so er glich nüt wider sy
tuot; so er aber wider die thuot, so versündet er sich wider got und
den menschen. Die menschlich grechtikeit oder obergheit ist ghein
andre weder der ordenlich gwalt, den wir den weltlichen gwalt nennend;
denn der geistlich genennet gwalt hat sines gebiets keinen grund uß
der götlichen geschrifft. Denn die geistlichen obren sol nieman
anderß wofür han weder für diener und botten gottes und ußteiler

--498--

der heimlichen dingen gottes [cf. 1. Cor. 4. 1], das ist: für ußkünder des
heilsamen worts gottes, das zuo den zyten Christi erst hat angehebt
allen menschen verkündt werden, vor aber verborgen gwesen ist den
Heyden. Darumb ist ir wesen nit ein gwalt oder obergheit, sunder
ein ampt des zuodienens des euangelii, als in dem ußlegen der schlußreden
wir gnuog gseit hand. Diser menschlichen grechtikeit oder oberkeit
heißt uns Christus gehorsam sin. Mat. 22. [Matth. 22. 21]:
Gebend dem keyser, das ir dem keiser schuldig sind, und got, das ir
got schuldig sind. Hie wil Christus nit heissen, das die gantz welt
dem keyser schuldig sye gehorsam ze sin, sunder den teil menschen,
der under dem keyser beherschet ward, den hieß er dem keiser gehorsam
sin. Hett er das jüdisch volk under dem babylonischen
küng funden, hett er gesprochen: Gebend dem babylonischen künig,
das ir im schuldig sind. Also sol man von einer ieden obergheit verston.
Lebst du under dem künig uß Franckrych, so gib im, das
du im schuldig bist. Also durch den banck hinweg. Denn Christus
nimpt darumb nieman von der obergkeit uß, das einer in inn gloubt.
Er weißt wol, das wir zuo lastren so fellig sind, das wir ein schuolmeister
haben muessent. Darumb hat er ouch den schatzpfennig geben
Mat. 17. [Matth. 17. 27], wiewol er den nit schuldig was, damit er nit
unruow oder ergernus gebär.
Petrus spricht 1. cap. 2. [1. Petr. 2. 13f.]: Sind gehorsam aller
menschlichen gschöpfft umb des herren willen. Ist üwer obergheit ein
künig, so sind im gehorsam als dem, der der höchst oder übertreffenlichest
ist, oder den fuereren oder vögten, die von inen gsendt sind, zuo
rach der übelthäteren, aber zuo lob und bryß der rechtäteren. Hie
hört man wol, das Petrus heißt alle gleubigen iren künigen oder obren
gehorsam sin, und seit nüt von sinem gwalt, sunder nun dem leylichen
gwalt, welchs allein der gewalt ist, den got verordnet hat.
Es sprechend aber die Bäpstler: Darumb sol man uns ouch gehorsam
sin, das Petrus spricht: Ir söllend gehorsam sin aller menschlichen

--499--

gschöpfft umb des herren willen. Wir erforderend die ghorsame nit
uns, sunder got, daß man uns an der statt gottes gehorsam sye. Antwurt:
Besehend dem wort Petri den aser bas; es treit etwas anders
denn ir wenend. Ir söllend aller menschlichen gschöpfft gehorsam sin,
das ist: ir gleubigen söllend aller menschen sin, allen menschen dienen,
oder: ir söllend aller der menschlichen ordnung (ktisei [κτίσει]) gehorsam
sin, die üch für wirdt gesetzt, es syind künig oder ander
obren. Diß wort betrifft alle gleubigen an; darumb mag ein ieder als
wol zuo dir sprechen: O bapst oder bischoff, du söllist im gehorsam
sin, als du zuo im sprichst: er sölle dir gehorsam sin. Dann so vil
diß wort Petri die dienstbargheit und fründschafft der Christen
gegen einandren antrifft, so bist du glych als wol min schuldig ze sin
als ich din. So vil es sich aber darnach ußteilt uff die ghorsame,
die man der obergheit schuldig ist, so bistu so wol gheissen under
demm joch gon als ich, und hast des gheinen grund in der gschrifft,
das du mir einigerley fuerer söllist des regiments halb zuomuoten denn
ich dir. Denn glych wie du sprichst: man sol mir bischoff oder
bapst ghorsam sin; denn ich bin ein menschliche gschöpft, Petrus
redt also, also mag ouch ich sprächen: Du muost mir ghorsam sin;
denn ich bin ein menschliche gschöpft, Petrus redt also. Diß red
ich nit darumb, das ich inen das regieren, deß ich gar nüt beger noch
acht, verbunne, sunder das, wellen sy regieren als die fürsten der
welt, sy nit söllend den namen der botten, byschoffen, das ist:
wächteren, tragen. Wellend sy harwidrumb verkünder des euangelii,
botten und wächter Christi sin, so söllen sy nit herschen Lu. 22.
[Luc. 22. 26]. Und lert dise meinung nit unghorsame, als die pfuser
brallend, sunder ir obergheit und gebiet verwirret die rechten
menschlichen obergheit allenthalb. Und nieman ist der oberkeit, von
got verordnet, minder gehorsam, dann die genanten geistlichen. Dero
hat ein iede rodt, örden und secten einen besunderen reyen. Lebend

--500--

sy schantlich, das sich daran mengklich verergret, so gdar ein rechte
obergkeit nit darwider; sy hand eigen obren; die schlahend sy ietz
mit kappenzipfflen bald bindend sy 's an bratwürst wie iener den
hund, und wirdt die ergernus nit gebeßret. Die aber christenlich
lerend, die lerend der oberkeit gehorsam sin, die von got verordnet
ist. Wo dero alle, under irem zwang begriffen, gehorsam wärind,
wäre vil me ruow und einigkeit, weder so ein ieder, der ein wächter
und amptman gottes wil sin, ouch darzuo fürstlich prachten und gebieten
wil.
Paulus spricht Ro. 13. [Röm. 13. 1-7] also: Ein ieder lebender
mensche sol den übertreffenlichen obergheiten oder obren gehorsam
sin. Denn es ist ghein obergheit, die nitt von got sye. Die oberkeiten
aber, die sind, die sind von got verordnet. Also, welicher sich
wider die obergkeit legt, der ist der ordnung gottes widerstanden.
Welche aber widerstond, die werdend ir eigen urteil oder verdamnus
nemmen; denn die obren sind nit ein schrecken oder forcht guoter
wercken, sunder der bösen. Wilt du nun den gwalt nit fürchten, so
thuo recht, so wirt dich der gwalt brysen; denn er ist ein diener gottes
dir zuo guotem. Ob du aber böß wurdist tuon, so fürcht dir; denn er
treit das schwert nit vergeben; er ist ein diener gottes, der da richet
nach der rühe an dem, der übel thuot [cf. Röm. 13. 4]. Darumb muoß
es sin, daß ir gehorsam sygind, nit allein von der rühe der straff wegen,
sunder ouch von der conscientz wegen; denn darumb gebend ir stür;
dann sy sind diener gottes und sind geflissen daruff. Darumb gebend
allen menschen, das ir inen schuldig sind. Wem ir stür schuldig sind,
dem gebend 's; wem ir zöll, fuor, gleit schuldig sind, dem gebend 's;
wem ir forcht und eer schuldig sind, dem gebend 's.
Wiewol dise wort Pauli clar sind für sich selbs, wellend wir sy
nüt dest minder nach der lenge handlen; denn in inen wirdt nit

--501--

allein die ghorsame gelert, sunder ouch, was die obergheit gebieten
sol.
Zum ersten heißt got durch den mund Pauli, daß alle menschen
der obergheit söllend gehorsam sin; dann alle oberkeit sye von got.
Darus wir merckend, daß ouch die bösen, gotlosen obren von got sind;
doch gibt got söliche obren, damit er unsere sünd straffe. Isa. 3.
[Jes. 3. 4]: Ich wird inen kinder zuo fürsten geben, und die erwybscheten,
das ist: baben, werdend über sy herschen. Was wil uns
zuo unseren zyten beduncken? Sehend wir nit, daß junger, unbekanter
fürsten, obren und vögten die Christenheit voll ist? Wannen
soltend so vil rumoren, kriegen und embörungen anderst ufferston
weder von den jungen, hitzigen hertzen, denen nüts ze vil ist anzeheben,
des endes aber daby unbedacht? Also mögend wir ouch
empfinden, das die hand gottes da ist mit der ruot. Die wil uns
straffen umb unser sünd; dann die fürsten und obren, die glych anhebend
der jaren halb ryffen, sind dennocht zum meren teil noch unerkochet
und iro vil den baben glych. Also stat es umb all ir
zier, kleidung und hof, daß, wer sy ansicht, verwendt, sich ein schar
der gespiegleten frowen ansehen. Ich wil der vihischen prässen,
spilen, fluochen und andrer unmenschlicher unghande gschwigen. Dise
muotwiller sind ein straff gottes; denn Salomon spricht ouch Eccle 10.
[Pred. Sal. 10. 16]: O wee dir, erdrych, des künig ein kind ist, und
des fürsten fruey prassend. Also sehend wir unser wee vor uns; denn
kinder stellend allenthalb uff die regiment, und die jaren halb nit
kinder sind, die sind zum mer teil tag und nacht so voll, das sy böser
sind, denn wärind es kinder. Laßt man sy darzuo kummen, so wirdt
man ouch die frücht von inen schnyden. Noch, so sy ie darzuo
kummend, heißt uns got inen ghorsam sin; denn er wil unser sünd
mit inen straffen. 1. Petr. 2. [1. Petr. 2. 18]: Die knecht söllend

--502--

ghorsam sin mit aller forcht iren herren, nit allein, so die guot und
früntlich sind, sunder ouch, so sy anderst oder schelb sind.
Hie überhebend sich aber die muotwilligen obren und beßrend
sich in gheiner tugend umb ein har, darumb, daß die predgenden
muessend leren, man sölle inen ghorsam sin, wie böß sy joch sygind,
und hebend an iren gewalt und ihre hand an das wort gottes und
christenliche fryheit ze legen, verbütend, man sölle das wort gottes
nit predigen denn wie es dem bapst gevalle, unnd die armen conscientzen,
die so lange zyt jämerlich gefangen und gemetzget sind,
die aber ietz durch das wort gottes uffgelößt werdend, die wellend
sy nit fry lassen. Den pfaffen, der ietz erlernet hat, die meß sye nit
ein opffer, und wil darumb den lychnam und bluot Christi nümmen
verkouffen, den bezwingend sy zuo gunst des bapsts, das er muoß reden,
es sye ein opffer on alle gschrifft. Den münch, der bericht ist, das
sin orden ein glychßnery und richtig wider got ist und hebt sich an
mit der arbeit begon und christenlich leben, derglychen die nonnen,
die bezwingend sy widrumb in die klöster, in die gefencknussen der
conscientzen. Das stat in irem eyd oder ghorsame nit, daß sy über
die seelen der menschen und gewüßne herschen söllind; denn sy
vermögend es nit. Als wenig sy wüssend, was in dem gmuet des
menschen stecket, also wenig mögend sy das menschlich gmuet beherschen,
fromm oder bös, gleubig oder ungleubig machen. "Cesar
in hoc potuit iuris habere nihil" spricht ein heydischer poet. Der
keiser hat mir min gmuet nit mögen beherschen oder die gaben des
gmuets nemmen. Nun ist die leer Christi nüt anders denn ein erlösen
der conscientz. Jo. 8. [Joh. 8. 32. 36]: Wenn üch die warheit erlösen
wirdt, so werdend ir warlich fry. Das menschlich gmuet wirdt von
nieman erkent denn von dem einigen got. Also mag es ouch nieman
wysen weder der einig got. All die wyl got den menschen nit fry
machet imm gemuet, so ist er nit fry; so bald er aber fry ist, so mag
inn nieman me gefangen machen; und ob man inn glych zwingen wil
anderst ze glouben, beschicht es nit. Deßhalb muessend die wuetenden
beschirmer des bapstes tyrannen an inen werden, wie Nero und

--503--

Domitianus xin sind, ee sy ire gemuet verendren mögind. So sy aber
das thuon werdend, so sol man inen nit gfölgig sin; denn wir Christen
hand ein regel, daß wir ee den tod erlyden söllend, ee wir von der
erkanten warheit wychind oder sy verschwigind Luc. 12. [Luc. 12. 4].
Darumb sol noch mag dhein fürst gebüten, das wider das wort gottes
ist, oder das man das wort gottes nach des mentschen gevallen sölle
predigen. Denn so bald sy das thuond, söllend die botten gottes
sprechen: Man muoß got me ghorsam sin weder den menschen
Act. 4. und 5. [Act. 4. 19, 5. 29]. Und welche das nit thuond, als wir
etlich sehend, die uß forcht Christum und den Belial understond
zemmen ze knüpffen, die sind ware felscher des worts gottes, das
luter wil geprediget und nit mit dem wasser des menschentants vermischet
werden Isa. 1. [Jes. 1. 22]. Sobald nun die fürsten gebietend,
das wider die götlichen warheit stryt oder dieselben verbüt, so söllend,
die dem wort gottes glouben gebend, ee den tod erlyden, denn sy
davon wychend. Thuond sy das nit, so sind sy ouch nit nachgenger
Christi. Aber diß sye verr von üch, frommen obren, das ir üch
ienan understandind wider got ze fechten; denn das were gar vermessen
und möchte dennocht nit zuo sinem end gebracht werden.
Denn es were dem menschen möglicher den himel herab ryssen weder
das trostlich wort gottes ußrüten. Himel und erden vergond, aber
das wort gottes nit [Matth. 24. 35, Marc. 13. 31, Luc. 21. 33]. Darumb
sol sich darwider dhein obergheit legen, oder es würdt sy zerknisten.
Also findend wir hie ein stuck, darinn man der obergheit nit schuldig
ist gehorsam ze sin.
Von andren gebotten wirdt hernach kummen.
Zum andren volgt in den worten Pauli [Röm. 13. 3]: Die obren
sind nit ein schrecken oder forcht guoter wercken, sunder der bösen.
Hie hörend wir zum ersten, das die bösen gemuet, die aber nit offenbar
sind, von den obren nit mögend gestrafft werden; denn sy mögend
die nit erkennen, biß das sy mit den wercken ußgefaren sind. Darumb
spricht Paulus nit, das sy schreckind oder pingind die bösen gedancken
oder gmuet, sunder die bösen werck. Darus aber ermessen

--504--

wirt, das die menschlich grechtikeit ein arme grechtikeit ist, wiewol
man iro als noturfftig ist als essens; denn sy kumpt erst und strafft,
nachdem das übel ußgebrochen ist, das aber vorhin langest imm gmuet
volbracht ist, welchs doch got allein erkent. Weliche mord, verrätery,
andre derglychen uffsätz angeschlagen und nit volbracht habend,
werdend under die täter gezelt; denn das einer hat gedören anschlahen
mitt andren, das ist ouch ußgebrochen und der that ein anhab. Diß
hab ich von der hädrigen wegen gsetzt. Daß aber die obren nit ein
schrecken oder forcht guoter wercken syind, muoß ie dahar kummen,
das sy wüssind, weliches guote werck sygind, welches böse. Wo wellend
sy das erlernen anderst weder in dem wort gottes? Darinn findend
sy die unbetroglichen warheit. Darumb ghein leer bas zuo eim regiment
und oberkeit dient denn die leer Christi; denn die leret, was
guot, was bös sye; und lert nit allein ußwendigen fromm sin, sunder
den obren mit dem underthonen fuert sy zuo inwendiger frommgheit und
zuo merer volkummenheit, denn die menschlich grechtikeit erfordret,
und gibt inen beden für, was böß, was guot sye; macht sy ouch einer
meinung, nit das einer für guot habe, das der ander darfür nit haben
welle. Nun sicht man aber in dem: Vil spans kumpt allein da
dannen, das wir nit alle dem einigen wort gottes gloubend, nit allein
uß demselben lernend, was böß, was guot sye. Byspil: Das ein nonn,
münch oder pfaff die ee beziehe, das ist vor got und den menschen
recht und erlich; denn got redt durch Paulum 1. Cor. 7. [1. Cor. 7. 9]:
Welche nit reinklich leben mögend, söllen zuo der ee gryffen; und by
allen ungleubigen ist die ee ouch erlich. Die Bäpstler lassend es
nit nach.
Hie wirdt ein span.
Der bapst hat sine büch, die im bystond. Die ruemend die
reinigheit so schön (gebruchend aber sich offt daby einer so unmenschlichen
unreinikeit, das es ein scham ist ze gedencken), das
sy die oberkeit verwirrend, und durchächtend durch die die armen,

--505--

prästhafften menschen darumb, das sy lieber hand wellen göttlich
und erlich leben weder schantlich. Wie sol man imm denn thuon?
Man sol nit dem menschen losen, sunder dem waren wort gottes.
Und so wir findend, das die ee von got gheinerley menschen verbotten
ist, so söllen wir die unschuldigen menschen mit unserem gwalt gar
nit bschwären. Levit. 19. [3. Mos. 19. 13]: Du solt dinem ebnen
menschen nit unrechtes oder schmach oder nachteil zuofuegen. Du
solt inn ouch nit mit gwalt undertrucken. Was ist nun: die ee den
bißhar verwenten geistlichen verbieten anders weder mit gwalt undertrucken?
Denn die ee ist gottes und der menschen halb erlich; aber
den bischoffen ist sy unlydenlich: der seckzoll gat inen damit ab.
Also muoß es ie gwalt sin, da weder got noch menschlich recht ein
ding verbüt; denn gang über din statt- und landbuoch, so findest es
nit; allein der bapst verbüt es. Darumb versündend sich alle obren,
die das straffend, das by got nit unrecht ist; denn sy söllend sich der
rechten wercken zuo straff nüts annemmen.
By disem byspil sol man alle andre hendel verston, von derowegen
man uff den hütigen tag zangget. Findt man das wort gottes
darumb, so sol dasselb allen span entscheiden. Findt man es nit
darumb, so sol sich des nieman bekümmeren, darumb man zangget;
denn wir söllend zuo dem wort gottes nüts tuon und nüts darvon thuon
Deut. 4. und 12. [5. Mos. 4. 2, 12. 32].
Hie sprechend aber die Bäpstler: Paulus spricht 1. Cor. 7.
[1. Cor. 7. 20]: Ein ieder sol blyben in der berueffung, in dero er ist.
Also söllend, die inn ördenen sind, darinn blyben. Sy hand reinigheit
verheissen; die söllend sy billich halten. Antwurt: Ir tuond
der gschrifft hie gwalt an, glych wie ouch an allen orten, das ir die
uff üwer anfechtung ziehend. Paulus redt daselbst nit von der
berueffung der conscienntz oder von der berueffung zuo christenlichem
glouben, sunder redt er von des lybvals und lybsgestalt wegen, als

--506--

die vordrigen und nachgenden wort eigenlich anzeigend. Lybsgestalt
verstand also: Welcher ein Jud was, der hatt an sinem lychnam die
bschnydung. Als nun die Heyden zuo christlichem glouben kamend,
vermeintend die Juden, sy mueßtind ouch nach irer lybsgestalt beschnitten
werden. Daruff redt Paulus [1. Cor. 7. 18]: Ist eyner unbeschnitten
zum glouben kummen, so darff er nit erst beschnitten werden, sunder
in was gstalt er xin ist des lybs halb, da er zum glouben kam, in dero
sol er blyben. Des lybvals halb verstand also: Was einer eines herren
eigen, so ward er durch den glouben der lybßeigenschafft halb nit
fry [1. Cor. 7. 22]. Also sind dise wort Pauli mer wider üch, lieben
Bäpstler, weder mit üch; denn Paulus spricht: Der unbeschnitten
sol nit beschnitten werden. Also söllend ouch ir die menschen all
weg in dem lybsstand lassen blyben, in dem sy zum glouben kummend.
Dann was ist ein orden oder kutt anders denn die beschnydung an 'n
Juden was, der gstalt sy hie von Paulo gbrucht wirt? Disen inzug
hab ich darumb gethon, das ich in dem entschliessen der articklen
des gegenwurfs vergessen hatt. Andre gegenwürff findestu daselbst
verantwurt.
Zum dritten volgt, das der gwalt den, der recht thuot, brysen
sol, glych wie er ouch den übelthueyenden strafft. Man hette zuo
unseren zyten verguot, das etlicher gwalt nieman brise, als ouch beschicht,
wenn er nun die rechtthuogenden beschirmpte. Also ist nach
minem duncken hie "brysen" für "uffnen, fürdren und beschirmen"
gesetzt. Denn ie so ghört dem gwalt zuo, das er die unschuldigen
beschirme und die blöden schar der witwen, weisen und undertruckten
Isa. 1. [Jes. 1. 17].
Zum vierden: Das die oberhand ein diener gottes ist dir zuo
guotem; denn er wil dennocht, das wir ein frydsam leben fuerind, ob
wir glych sust siner grechtigheyt nit glych eben lebend. Als Paulus
1. Tim. 2. [1. Tim. 2. 1f.] ouch leert, das wir ernstlich söllend bitten

--507--

für die oberkeit, damit uns got verlyhe, das wir ein frydsams, stilles
leben fuerind in aller gotshuld und ernst. Also dient die oberhand
got, wenn sy die stossenden wider temmend, vor denen die blöden
schäffly sunst nit möchtind hinkummen, das ist: vor denen, die in
iren anfechtungen und begirden so unsinnig sind und frävel, das sy
iren nächsten verunbillen gdörend, nun das iren anfechtungen gnuog
beschech. Also ist es ein dienst gottes, wo man die bösen strafft.
Zum fünfften: Ob du aber böß wurdist tuon, so fürcht dir. Es ist
vor gnuog gseit, welchen weg die obergheit erkennen mög, was
guot oder böß sye. Nun hörend sy abermals, das inen allein der bös
in ir straff empfolhen ist. Hierumb, frommen obren, enthebend
üwre hend von der straff der armen schäfflinen Christi. Wenn sy
nit wider got tuond, so tuond ouch ir nit wider got, das ir im sine unschuldige
schäffly unverdient antaschind und verkümmerind. Denn
aller obergheit würdt in aller geschrifft treffenlich getreuwt, wenn sy
die unschuldigen muegend oder straffend. Lis Michee. 3 und 7.
Zum sechßten: Denn er treit das schwert nit vergeben; er ist
ein diener gottes, der da richtet oder strafft nach der rühe an dem,
der übels tuot [cf. Röm. 13. 4]. Hie bestimpt Paulus den bruch der
obren oder richteren, das sy, zuo erzeigen, was ir ampt sye, das schwert
tragend, damit sy von den bösen gefürcht und von den guoten lieb gehebt
werdind. Sy straffend ouch nach der rühe, nit das sy rüher oder
herter straffen söllind weder die schuld verdiene, sunder "nach der
rühe" heißt hie als vil als: nachdem sich der mensch hat gdören mit
usserlicher unbill so unverschampt uffthuon, das er sinen nächsten
gschediget, so sol der richter ouch mit usserlicher rach an inn howen,
nit senfftlen, da man grosses übel begangen hat, als Heli thett
[cf. 1. Sam. 2. 22-25]. Man sicht ouch an disem ort, das dise meinung

--508--

von der obergheit den bapst und sinen fasel nit bedüt; denn
er treyt dhein schwert und sol ouch gheins tragen. Denn Christus
hat Petrum geheissen sin schwert instecken [Matth. 26. 52, Joh. 18. 11],
unnd den jungeren gebotten, daß sy keinen stab, damit sy schlahen
möchtind, mit inen tragen söltind [Matth. 10. 10, Luc. 9. 3]; wol hat er
inen einen stab erloubt zuo hilff des wegs Mar. 6. [Marc. 6. 8]. Das
er aber das schwert zuckt und damit fichtet, bedüt mir gwüß, das er
mit dem schwert sol umbkummen [cf. Matth. 26. 52]; got geb, wenn
das got fuegen werd. Denn Christus lügt nit.
Zum sibenden redt got wyter durch Paulum [Röm. 13. 5]: Darumb
muoß es sin, das ir ghorsam sygind, nit allein von der rühe wegen,
sunder ouch von der gwüßne wegen. Was könnend wider diß starck
wort alle Bäpstler? Got spricht: Es mueß sin, das ir dem gwalt,
der das schwerte treit, ghorsam muessend sin, verstand: in den dingen,
die das lyblich leben, geselschafft und fründschafft, ja überal die
menschlichen grechtigheit antrifft. Hörstu du nit, bapst unnd bäpstin:
"Es muoß sin". So gang ouch herab und bis dem wort gottes
ghorsam und hör, was dir der sag, der das schwert treit, und nimm
dich der menschlichen grechtigheit nüts an; Christus hat sich iro
ouch nüts wellen annemmen. Denn do einer zuo im sprach: Meister,
red mit minem bruoder, das er das erb mit mir teil, gab er im antwurt:
Wer hat mich einen richter oder erbteiler über üch gesetzt
Luc. 12. [Luc. 12. 14]? Ouch sprach er zuo Pilaten [Joh. 18. 36]: Min
rych ist nit uß diser welt. Wäre min rych uß diser welt, so wurdind
mine diener one zwyfel für mich stryten, etc. Hör aber, o bapst, das
Christus nit wil für sich gestritten haben. Darnach, was wellend ir
Bäpstler darzuo sagen, das got durch den mund Pauli redet, das ir
nit allein von forcht der straff wegen, sunder von der conscientz wegen
gehorsam sin söllend, darumb, daß es got geheissen hat und selbs
gethon. Christus hatt siner muoter namen angeben ze Betleem

--509--

[cf. Matth. 1. 21- 25]; er hat dem keyser den schatzpfennig geben [cf.
Matth. 17. 24-27]; er hat ouch geheissen: Gebend dem keyser, das ir
im schuldig sind [cf. Matth. 22. 21], etc. Welcher nun wider got thuot,
der verletzt sin conscientz; denn die conscientz oder gwüßne wirdt nit
verletzt denn allein, wenn sy weißt, das sy wider got gethon hat. Denn
weißt sy aber, das sy wider got thuot, wenn sy sinem wort nit volget; und
weißt aber das nit, sy gloube denn von ersten har in got, das ein gott
syge, und das er iro gott sye, unnd demnach gloubt sy sinem wort. Uß
dem ermessend, ir Bäpstler, das ir ungleubig sind. Denn gloubtind
ir in got und das er üwer got wäre, so gloubtind ir ouch sinem wort.
Gloubtind ir sinem wort, so wurde üwer conscientz oder gwüßne verletzt,
wo ir wider sin wort thätind. Also zeigt, das ir wider das wort
gottes menschlichen herschen wellend, an, das ir ghein gwüßne umb
got hand. Denn hettind ir gwüßne, die got förchtind, so beschirmtind
ir üwren pracht nit; denn ir sähind wol, das er got wider ist; sunder ir
ergebend üch, wie ouch ein ieder sünder thuot: Der sündet wol, aber
er bekennt sich einen sünder sin, und ist nit gotlos. Aber so ir gedörend
wider das häll wort gottes fechten, das zeigt eigenlich an, daß
ir gotlos sind. Aber, o alle Christenmenschen, sind der obergheit
ghorsam, die uns die menschliche grechtikeit uffenthalt, damitt wir ein
frydsam, still leben fuerind. Sind ouch, ir obren, so geflissen des
rechten und guoten, das ir nüt gebietind, das wider got sye; oder aber
ir wurdind die conscientzen wider üch verletzen und richten, die aber
sust verletzt werdend, so sy üch recht gebietenden nit gevölgig sind.
Summa: Es ist dir, bapst und bischoff, pfaff, münch, nonn sünd, wo
du der oberkeit mit dem schwert nit gehorsam bist. Das wort mögend
ir mit allen üwren krefften nit brechen.
Zum achten: Denn darumb gebend ir stür; dann sy sind diener
gottes und sind geflissen daruff [Röm. 13. 6]. Hie hörend wir, daß
wir denen, so die menschlichen grechtigheit schirmend, stür zuo irer
narung schuldig sind. Da prist der obergheit nüt; sy begrasend sich

--510--

in aller welt so redlich uß dem wort, daß me sorg ist ze haben, das
etlich ze vil heuschind weder ze wenig. Und sind vil obren, denen
man billich ein mas gebe, so ungemäßlich haltend sy sich gegen iren
armen bevolhnen. Die sind glych wie die Bäpstler gotlos. Noch
sol man sy dulden, bis daß got ein vernuegen an uns hatt. Er wirdt
es wol können schicken.
Sy sind geflissen daruff, das ist: sy sind darumb fürgesetzt, das
sy die bösen straffind unnd die frommen schirmind; daruff sehend sy
ernstlich. Sehend ir obren nit ernstlich uf, das die bösen gestrafft,
die frommen geschirmpt werdind, und wellend dennocht die stür und
schoß unnd hilffen styff haben, so laßt sich das seil tennen, bis
es nüt me erlyden mag. Demnach ist ze besorgen, die katz werde der
beste hußrat. Es sind under vilen obren mißbrüch, die straffens und
beßrens so wol dörffttind als ettliche geistlichen. So sy aber ie sich
nit besseren wellend, sunder ires geböchs trösten, wirdt got wol umb
einen richter sines volcks sehen; er wirdt inn ee von verren landen
bringen; er hat über die kinder Israels ouch all weg gefuert, die
inen iren lon ggeben habend.
Zum nünden redt got durch Paulum [Röm. 13. 7]: Darumb
gebend allen menschen, das ir inen schuldig sind. Hie höret man den
muotwillen der fyenden Christi, die allenthalb schryend, man lere mit

--511--

dem euangelio, das man nieman sölle bezalen; und heißt aber got, man
sölle einem ieden geben, das man im schuldig sye. Nun kundt die
schuld dahar, das wir das gebott gottes nit haltend: Du solt dinen
nächsten als lieb haben als dich selbs [3. Mos. 19. 18, Matth. 22. 39].
Denn wo wir das hieltind, so hulffe, der etwas für hat, von im selbs
dem manglenden. So wir aber das nitt haltend, so sind die frücht
und hab diser welt in der menschen eigenschafft kummen, und haltend
die inn, das got fry unerkoufft hat geben. Denn was gebend wir im
umb die frücht, die er uns täglich gibt? Darumb nun alle ding sind
in eigenschafft kummen, so lernend wir alle, daß wir sünder sind; und
ob wir von natur nit wuest wärind, so were doch die eigenschafft ein
grosse sünd gnuog, darumb uns got verdamte; denn das er uns fry gibt,
das machend wir eigen. Vor diser sünd ist der betler nit sicher;
denn es ist ein ieder mentsch eigennützig etlichen weg. Darumb
nun uß der eigenschafft nitt unruow oder übels kömme, gbüt got uff
unseren prästen: Du solt niemans guot begeren [2. Mos. 20. 17]. Hie
sehend wir wol, daß dis gebott erst uff die eigenschafft muoß kummen
sin. Und ist uns dis gebott ouch ze schwär: unser fleisch halt es
nit; darumb gibt got das letst gebott von des zytlichen guotes wegen:
Du solt nicht stelen [2. Mos. 20. 15]. Hieltind wir das: "Du solt niemans
guot begeren", so dörffte man des "Du solt nit stelen" nüts.
Welicher aber die übertritt, der bricht die armen aber noturfftigen
menschlichen grechtigheit und bricht ouch die götlichen; darumb falt
er in die hend der menschen als wol als in die hend gottes. Das
nun joch die hand der menschen vermitten werde und menschliche
fründschafft gehalten, so heißt uns got allen menschen geben, das wir
inen schuldig sind.
Ich wil hie von viererley schulden sagen: Von schuld, die uß
kouffen und verkouffen kumpt, von schuld der zehenden, von schuld
der zinsen, von schuld des wuochers.
Von schuld, die uß ufrechtem kouffen und verkouffen kumpt,

--512--

ist, ob got wil, ghein Christenman, der da meinen wölte, das er da
nit sölte leisten und bezalen, das er verheißt und wärd darumb nimpt.
Denn welcher der meinung wär, der wölte ein reuber oder dieb mit
gwalt sin, und viele billich in die hend der obergheit, zuo dem, das
er vor gott ein dieb wäre. Wo aber betrug in dem kouff beschehe,
weißt ein iede obergheit wol, wie sy den aberwandel heißt thuon.
Es wäre ouch lang hie ze sagen de contractibus, das ist: von handlung
des verkouffens, verstellens, verdingens etc. Die schuld ist man
vor got und den menschen schuldig.
Zehenden. Von zehenden, die der leyen sind, also, daß der boden
iro eigen ist xin unnd habend den verlihen umb den achtenden,
nünden oder zehenden, ja ettlich umb den fünfften teil, nimm ich mich
hie nit an ze reden. Aber von den zehenden, die der geistlichen sind
oder von inen erkoufft (wie wol die falschen bäpst wider ire eygnen recht
hand gethon, das sy die zehenden hand in der besundren leyen hend
lassen kummen, 16. q. 1. c. Quoniam [Corpus iur. can. c. 68. Causa
XVI quaestio 1.] und 16. q. 7. Decimas quas [Corpus iur. can. c. 1.
Causa XVI. quaestio 7.]. Noch hand die biderben lüt ir houptguot

--513--

darumb ggeben und gloubt, wie es der bapst lasse bschehen, syg im
recht; deßhalb man inen den uffrechter schuld schuldig ist; denn sy
hand inn erkoufft. Was aber ein obergheit darinn vermöchte, wirdt
bald hernach kummen), sag ich also, das die ein ieder schuldig ist ze
geben, so lang das ein oberkeit gemeinlich heisset. Es mag ouch
den unghorsamen die obergheit straffen, so er den nit geben wölte;
denn es ist ein gemeine verhällung der oberherren, unnd sind uff die
verhällung alle keuff beschehen, also, das die gueter, nachdem sy
zehendes fry sind xin oder nit, ouch darnach wolfeil oder tür verkoufft
sind. Welcher nun wider diß gemein verhällen der obergheit für sich
selbs den zehenden nit geben wölte, der wölte wyter reichen, denn im
mit uffrechtem, redlichem kouff ggeben wäre, welchen kouff die obergheit
für grecht und fertig halt. Also widerstuende ein sölicher der
obergheit; und welcher der oberkeit widerstuende, der widerstuende got,
wie vor ist anzeigt. So ver aber ein gantz regiment, das sölchs
bschirmen möchte, nachliesse, das man die zehenden nit me geben
sölte, so mueßte dasselb regiment vorhin ouch erkennen, das denen,
die zehenden hand, gnuog darumb bschähe, oder aber die, so die gueter
hettind, hieltind inn, das sy nit erkoufft habend. So lang aber sölichs
nit geschicht, sol ein ieder den zehenden geben, wie die oberhand
heysset, unnd gheiner für sich selbs ützid gewaltiklich fürnemmen,

--514--

oder aber er viele in das urteil der reuberen oder dieben. Es ist aber
hieby der oberhand eigenlich uffzesehen, das die zehenden nit mißbrucht
werdind, und wo das beschähe, das sy dasselb beßre. Denn
kurtz: Strafft sy die mißthat nit, so ist sy ein unredliche oberkeit.
Darumb sol sy sich nieman lassen irren. Es mag ouch ein ieder
ermessen, das, wo man ewiklich sicht ein ding mißbrucht werden, da
findt man zum letsten weg, dadurch der mißbruch wirdt abgethon;
und beschicht sölichs etwan me mit ungestueme und unordnung weder
mit zytigem rat. Dise kurtze meinung enbüt ich mich ze erhalten
mit der gschrifft.
Das aber hie ghein hitziger könde sagen: Das du hie an ein
obergheit, die sölichs mit irem schirm erobren mag, setzest, das zeigte
an, das man die meß für ein opffer mueßte han, das man zum pfaffen
umb nachlassen der sünden mueßte louffen, das man das euangelium
mueßte nach des bapsts muotwillen predigen, und derglychen andre
stuck also bruchen mueßte, bis daß es ein obergheit hiesse anderst
bruchen. Antwurt: Nein. Man bedarff die obergkeit darumb nit ersuochen;
denn die ist nit über das wort gottes und christliche fryheit
gesetzt als über das zytlich guot, wie vor gnuog ist anzeigt. Sunder,
ob die obergheit glych wurde reden, als die Juden mit den botten
Christi Act. 5. [act. 5. 28]: Wir hand üch hoch verbotten, das ir disen
handel nit leren söltind, etc., so söllend die predger des worts gottes
sprechen: Unser herr Christus Jesus hat uns vorgseit, das wir umb
sinetwillen werdind für künig, fürsten, vögt oder obren gfuert [cf.
Matth. 10. 17f., Marc. 13. 9, Luc. 21. 12], aber hat daby gheissen, das
wir sy nit fürchtind, ob sy uns glych den lychnam nemmind; denn sy
mögind der seel nit schaden [cf. Matth. 10. 28, Luc. 12. 4]. Hierumb
stond wir hie und redend mit den apostlen: Wir muessend got me gehorsam
sin weder den menschen [act. 5. 29]. Got heißt uns sin wort eigenlich
predgen und darinn nüt verschwigen, doch zuo rechter zyt. Also, wellend

--515--

ir obren Christen sin, so muessend ir uns das heiter wort gottes lassen
predgen und es demnach lassen würcken; denn ir sind nit herren über
die selen und conscientzen der menschen. Wellend ir das nit erlyden,
so werdend ir den ungleubigen Juden und heydischen tyrannen glych
werden, etc. Also merckend wir wol, das der gwalt, den die obergheit
über unser zytlich guot und lychnam hat, über die seel nit reichen
mag. So nun zehenden geben das zytlich guot antrifft, so stat es an
einer obergkeit, die recht ze heissen bruchen und geben oder ein
andren weg ze verwandlen, doch allein one verletzung gemeiner
menschlicher fründschafft und grechtigheit. Laß abermals ston, uß
was rechten man den zehenden geb; und so das ein gnuog gwaltige,
ordenliche oberkeit erfordret, wil ich dasselb gern helffen ergründen
und erjagen uß der gschrifft.
Zins ist man ouch schuldig ze bezalen by dem gbott gottes
[Röm. 13. 7.]: Ir söllend allen menschen geben, das ir inen schuldig
sind. Denn für das die eigenschafft ingebrochen ist, so mag ein
obergheit nieman zwingen, das er das sin one trost des widergeltens
oder nutzes ußlyhe [cf. Luc. 6. 35]. Und sind aber wir nüt des minder
sölichs uß dem gebott gottes schuldig; dannenhar Christus die rychtag
unrecht oder unfertig nennet Luc. 16. [Luc. 16. 9], das on zwyfel
der boden unnd die frücht der erden gottes sind psal. 23. [Ps. 24. 1],
und laßt uns die on vergolten besitzen und niessen. Wir machend
aber unser eigen, das gottes ist. Das laßt got der gestalt nach, das
wir dennocht sine schuldner darumb sind, und sind ouch daby schuldig,
das zytlich allein nach sinem wort unnd gheiß ze bruchen. Dise schuld
gadt nimmer me ab. Darumb ein ieder, der das zytlich nit brucht
nach dem willen gottes, vor gott ungerecht ist, ob er es glych nit
brucht wider die mentschlichen gerechtigkeit. Darumb Christus die

--516--

rychtag billich ungrecht nent, zuo eim teil, daß wir eigen machend,
das gottes ist, zum andren, daß wir, das gottes ist, darüber er aber
uns laßt schaffner sin, nit nach sinem willen bruchend. Also sind
ouch alle zins ungötlich.
Zum ersten: das alle rychtag ungrecht sind; darus wir ermessend,
warumb Christus geredet habe [Matth. 19. 24, Marc. 10. 25, Luc. 18. 25],
das es ringer sye, das ein kemel durch ein nadelloch geschleufft
werde, weder das ein rycher ingange in das rych der himlen. Verzage
aber hie nieman; die gnad gottes ist grösser dann unsere missethat.
Doch muessend wir schlechtlich die rychtag gottes sin erkennen,
und sy all weg bereit haben zuo dem willen und dienst gottes, und sin,
glych sam wir sy nit habend; oder ich kan nit verston, wie der rych
gleubig sye, so er sin hertz by dem zytlichen schatz hat. Nun hat
er 's aber darby, wenn er den nit nach dem willen des herren all zyt
gerüst hat unnd inn nitt nach dem brucht. Kumpt ie da dannen,
das er den schatz höher halt weder got. So er nun der gstalt nit
gleubig ist, so mag er ouch nit sälig werden.
Zum andren sind die zins nit götlich, das uns got heißt lyhen
oder wechsel geben und nüts darvon hoffen Luc. 6. Exo. 22. [Luc.
6. 35, 2. Mos. 22. 25]. So nun die menschen die ding, die sy eigen
habend gmacht, dem dürfftigen nit hand one nutz oder widergelten
wellen fürsetzen, da dannen ist kummen, das die arm menschlich
grechtigheit nachglassen hat, das der entlyhend dem lehner ab dem,
daruff er im glihen hat, nach anzal der summ frücht liesse werden,
ouch nach anzal der gewachsnen früchten. Also: Ist das guot hundert
guldin wert, und der entlehner nimpt 50. daruff, so ist er schuldig
halbe frücht dem lehner ze lassen. Hat er 5. und 20. daruff entlehnet,
so ist er den vierteil früchten schuldig etc. Also muessend es
die juristen verston, wenn sy den zins beschirmen wellend, er sye
ein früchtkouff. Und wärind warlich nach menschlicher grechtigheit
die zins nit ein grosse beschwärd, so sy der gstalt gebrucht wurdind,
wiewol sy vor got nüt des minder ungrecht sind, wie vor gseit ist.
Aber das einer ab eim guot oder acker oder wingarten zins geben muoß,

--517--

den ir juristen ein früchtkouff oder bruch nennend, got geb, im
werdind frücht oder nit, das ist doch gar ze vil. Und nimpt mich
wunder, daß, die das concilium ze Costentz oder Basel besessen
habend, joch nach menschlicher grechtigheit so unbesinnet sind
xin, das sy so ein unbillich ding habend nachgelassen, das ungleubigen
fürsten warlich ze vil wäre under irem volck nachzelassen. Warumb
hand sy nit uff das wort Christi gsehen [Luc. 6. 35]: Ir söllend lyhen
unnd nüts darvon hoffen? Wie hand die falschen pfaffen nun gdören
darvon reden und handlen, die da billich söltend die fürsten darvon
geschreckt haben, ob die sölichs für sich selbs hettind fürgewendt?
Aber das sy sich der zehenden nit vernuegt hand, sunder inen selbs
ouch erloubt zins ze haben, das zeigt mir eigenlich an, das sy sölchen
nachteiligen zins uffgebracht habind. Luog, wo sind ietz die verlognen
bladrer: Ja, die concilia werdind imm helgen geist versamlet! Gibt
der heilig geist wider gott an? Noch, so die gemeinen verhellung
den zinskouff halt und bestät mit brieffen und siglen der obergheit, so
sol ein ieder zins geben von dem houptguot, das er wol bedacht an
sin eigenthuom darumb genommen hat, oder aber er betruobte den
menschlichen fryden. Und das red ich allein von denen zinsen, die
nach dem ynsatz der menschlichen grechtigheit (die aber hie gar
nach anderst möchte genempt werden; denn die den zinskouff habend
angesehen, hand das wort gottes nit angesehen noch das gsatz der

--518--

natur) erkoufft sind von 20. eins. Er sündete ouch wider got; der
heißt eim ieden geben, das man im schuldig sye.
Aber die obergheit solt ernstlich insehen in den mißbruch der
zinsen. Und wäre min radt - und radten hie als ein mensch, wie
Paulus ouch den Corinthiern thet 1. Cor. 7. [1. Cor. 7. 12] -; denn
so ich das wort gottes leren sol, so sprich ich: Ir söllend lyhen und
nüts darvon hoffen [cf. Luc. 6. 35]. Aber hie, so ich ie sich, das wir an
die volkummenheit der götlichen grechtigheit nit schmecken wellend,
so radt ich, das alle, die zins habend, die summ des guotes, daruff sy es
habent, liessend schetzen, und nemend demnach järlich nach der anzal
des gelihnen geltes ein teil der früchten. Sust sorg ich seer übel,
das sich vil menschen mit dem zinßnemmen noch me beschwärind, weder
menschlicher blödikeit möchte nachggeben werden, namlich, das sy
ouch in wol bedachter boßheit schälck vor gott gescholten werdind.
Hierumb - ietz red ich das wort gottes - so syge nieman ze sorgveltig,
wie er welle sin leben fürbringen. Gott spyßt die rappen
[cf. Ps. 147. 9] und ander vogel, die nit zemmenlegend oder huffend;
er bekleidt die bluemlin der heid. Wie vil sind wir me wärt in den
ougen des herren [Luc. 12. 24-27]? Eya, so wirt er ouch uns und
unsere kind spysen. Dise grossen mißbrüch kummend alle uß ungloubnus
und unerkantnus gottes. Der welle alle menschen erlüchten, das
sy inn erkennind unnd ob allen dingen lieb habind, so werdend dise
mangel oder nachteil one kummer hinvallen. Amen.
Aber die zins, die nit nach der oberkeit bestimmung erkoufft
werdend, die sol man nit geben anderst denn nach anzal der summ.
Verstand 's also: Man findt gytwürm, die von fünffzechnen als vil

--519--

erfordrend als von zwentzigen. Und findt darnebend obren, die bestätend
sölichen zinßkouff mit brieff und siglen. Hie thuond die obren
wider ir eigen grechtigheit und mißbruchend iren gwalt. Darumb sind
sy dem beschwärten, ob er sich glych verschriben hat, schuldig harfür
ze helffen, das im nit mee abgenommen werd, weder ir arme
grechtigheit bestimpt hat; denn untrüw und betrug sol den betriegenden
schlahen. Und so sy schon sölichs thuond, so sind sy dennocht
nit grecht, sunder sy schaltend allein den grösten wuost hyn und blybt
noch wuostes nun ze vil da. Also mag ein ieder, der mit unredlichem
zinßkouff beladen ist, sin beschwärd erklagen.
Sölche meinung leer ich in dem unsubren handel der zinsen;
und gebend aber mich mine ungünstigen us, ich lere, man sölle
nieman gheinen zins geben. Unnd schry zuo allen malen darzuo: welcher
zins hab uffgenommen, der sye ein dieb, so er einem nit wölte geben,
das er im versprochen hat, so verr der zinßkouff ordenlich nach
menschlich bestimpter mas bschehen ist. Ich muoß ouch offt wider
minen willen davon sagen, das ich denen, die alle laster beschirmend
und alles unrecht uffnen understond, den mund verschliesse. Und
reicht all min arbeit allein dahin, das die zinßkeuffer sich nit drü mal
wider gott versündind. Denn ie der, so acht uff die säligheit der
menschen haben sol, der sol allen schaden der seelen verhueten, oder
die umbkummenden werdend von im erfordret [cf. Hebr. 13. 17]; und
so er alle schaden nit verhueten mag, sol er dennocht von weren nit
lassen; villicht verhuetet er etwan die grösseren.
Von wuocher red ich also: Wo ein obergheit wuocher laßt
bruchen, so ist der uffnemmend schuldig den wuocher ze bezalen.

--520--

Es solt aber ghein obergheit so unredlich an iren underthonen sin,
das sy Juden oder andre wuocherer, die den rütschhart gar oder teilhafft
bruchend, duldete. Wo nun die obergheit den wuocher nit
duldet, ouch nit darumb richtet, da ist man inn ouch nit schuldig
ze geben. Ja, die obergheit sol die gebenden und nemmenden darumb
straffen, wo sy des innen wirdt, wiewol einer das houptguot im schuldig
ist wider ze geben, es erkenne denn ein obergheit ein anders. Disen
tant findet man by den menschlichen rechtschryberen - bin ich
anders recht ingedenck -, deren ich mich in dem wuost des wuochers
gebruchen muoß; denn got ist er so widerwertig, das er inn allenthalb
nit dulden wil. Noch so ist die obergkeit darumb fürgsetzt, das sy
in den dingen, zum nächsten inen möglich sye, by der götlichen grechtigkeit
hinfarind. Sy ist ouch schuldig alle söliche ungöttliche beschwärden
hinzenemmen, so verr es one grösseren schaden beschehen
mag. Ie kurtz in allen dingen sol der mensch umb zytlichs guots willen
die menschlichen fründschafft nit zerrütten, sunder was im darumb
anligt, das er uß ansehen des göttlichen wortes nit verlassen wil, das
sol er allein mit dem ordenlichen gwalt ze recht legen und nit
lyden, das die leer Christi gescholten werde, sy syge ein zerrüttung.
Es sol ouch ein obergheit by iren ougen uffsehen, das
sy alle mißbrüch, die so gar wider got sind, hinnemmind; oder aber
lange gedult, dero nutz nachgelassen wirdt, die wirdt zuoletst in ein
unsinnigkeit verkeret. Wie mag ein erbre obergheit das muotwillen
der genanten geistlichen lyden? Wie mag sy sehen, das ir arm

--521--

volck von wuochreren und gyselfresseren verzert werd? Darumb erlüchtet
got das liecht sines worts aber ein fart, das man die wuest
einmal ußwüsche und sübre.
Zum zehenden spricht Paulus [Röm. 13. 7]: Wemm ir stür schuldig
sind, dem geben 's; wem ir zöll, fuor oder gleit schuldig sind, dem
geben 's; wem ir forcht unnd eer schuldig sind, dem geben 's. Dise
wort sind klar; sy beruerend ouch alle menschen. Ich bin ouch nit
sorgveltig umb der geistlichen fryheit wegen, man halte sy zoll- und
stürfry oder nit, doch on andrer mentschen nachteil, das doch hart
sin mag. Thuege ein iede obergkeit nach irem beduncken. Aber
gern wil ich anzeigt haben, das sy uß gheim götlichen rechten oder
gbott fry sygind.
Summa: Das götlich wort sol über alle menschen herschen, inen
fürgeschriben, vorgeseit und trülich eroffnet und uffgethon werden;
denn wir sind demselbigen schuldig nachzekummen. Unnd hilfft
unserer onmacht die einig gnad gottes durch unseren herren Jesum
Christum etc. Denn ie me wir unser schuld und onmacht erfindend,
ye me findent wir die schöne und allmechtigkeit gottes; und findend
ie me und me die liebe und zuoversicht siner gnaden, weliches uns me
fromm macht unnd gotsförchtig denn ghein andrer weg. So aber darnebend
etlich erfunden werdend, die uß gotlose unnd unglouben
dem wort gottes nit losend, nit nach dem läbend, so hat uns got
ouch zum nidresten gebott geben, nit das wir, darinn lebende, fromm
sygind, sunder das denocht die menschlich bywonung möge erhalten
und beschirmpt werden und wächter gesetzt, die ernstlich uffsehind,

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das joch der letst zipffel der armen menschlichen grechtigheit nit
ouch hingerissen werde. Dise wächter sind die ordenlich obergheit,
die aber ghein andre ist weder die mit dem schwert, das ist: die wir
die weltlichen obergheit nennend, dero ampt ist, alle ding nach dem
götlichen willen, und so uns das nit möglich ist, nach dem götlichen
gebott fueren. Darumb sy alles, so weder in götlichem wort noch gebott,
joch uff die menschlichen grechtigheit geben erfunden wirdt,
abthuon unnd für falsch, unfertig und unrecht, joch nach menschlicher
gerechtigkeit, haben sol.
Und wil dis meinung noch einist nach der kürtze begryffen, und
die götlichen und menschlichen grechtigkeit under einandren verordnen.
1. Gott ist das höchste volkummnest guot;
2. wil sich allen creaturen offenen und inen nutzlich sin unvergolten;
3. ist nit eigennützig noch anfechtig.
Also erfordret er ouch, das wir sygind; denn er spricht: Ir söllend
volkummen sin, wie üwer himelscher vatter volkummen ist Mat. 5.
[Matth. 5. 48]. Wellend wir nun in sin angsicht kummen, so muessend wir
1. volkummen, das ist: luter, rein, schön, on allen prästen sin,
2. und uns nit unser eigen schetzen, sunder wüssen, das wir
gottes sind; und so wir gottes, so sind wir ouch des nächsten.
3. Sind gar nit eigennützig, sind ouch nit angefochten weder mit
gyt noch begird der höhe oder wollusts.
Wir söllend ouch vor allen dingen das rych gottes suochen und sin
grechtigheit [cf. Matth. 6. 33], das ist: daß wir grecht werdind, der
gstalt er grecht ist. Das ist uns aber unmöglich; darumb versichret
er uns siner gnad mit sinem sun, den er für uns in 'n tod ggeben hat.
Das ist das euangelium.
So wir nun der mas der fromgheit, die got von uns erforderet,
nit zuo mögend kummen, und dennocht gheissen werdend volkommen

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sin, so volgt, daß man das, so got heißt, on underlaß uns offnen sol,
damit wir mit unerforchtnem flyß all weg in allem guoten wachsind,
und daby nit hochfertig werdind uß unserer tugend; dann wir die
maß noch nie erfült habend, die got heischet. Uff das hat got noch
nidrere gsatzt geben, in denen wir mit einandren früntlich leben
möchtind, glych wie Christus ouch den Juden seit Mat. 19.
[Matth. 19. 8], das Moyses von der Juden unghande wegen inen die
ee ze trennen nachgelassen hette, wiewol es zum ersten nit also xin
wäre. Bsich dasselb ort wol! Und blybend nüt des minder
schuldig nach der götlichen grechtigheit ze leben; vermögend es doch
nit; denn wir sind
1. von natur böß und ein finsternus Genn. 8. [1. Mos. 8. 21].
2. Wir wellend nit andrer menschen sin, sunder das alle ding
unser sygind;
3. dann wir sind eigennützig von dem ersten fal Adams har und
begirig fleischlicher dingen.
Das nun die gebrästen nit so groß werdind, daß wir gar erwildind
und böser werdind dann die unvernünfftigen thier, so hat
uns got zwey ding geben, die uns wysen und meistren söllend: sin
wort und die obergheit, die unser anfechtung mit der straff meistret.
1. Im wort gottes erlernt man, wie fromm wir schuldig sind ze
sin; und findend das heyl der gnaden darinn. Über das ist nieman
meister; denn es ist über alle menschen. Denn gheiner ist so grecht
noch unschuldig, der in sünden geboren ist, der dem wort möge zuokummen;
ouch ist keyner, der nit mangle der gnaden, die darinn
versichret ist.
2. Das nit uß unserer eigennützige gwalt erwachse, so hat
man die obergheit, die den frävenen zeme, das er nit uß eigner anfechtung
einem andren das sine nemme.
3. Das wir ouch nit unverschampt werdind, den hunden glych,
sol uns dieselb obergheit züchtigen; denn sy hat gsatzt darzuo.

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1. Das wir nit gotslestrig sunder sinem wort gehörig sygind.
2. Das wir eins andren guot nit antaschind weder mit frävenem
roub noch diebstal.
3. Das wir nit uß zorn iemand tödind oder eim andren sin eewyb
schmähind, nit überfüllind etc. und derglychen.
1. So du aber ie gott lestrest und schmächst, straffet dich die
oberhand.
2. Derglychen henckt sy dich, so du stilst oder roubst.
3. Tödest du, so wirst ouch getödt. Derglychen, so du uß andren
anfechtungen etwas mißthuost, wirdstu gestraffet.
1. Sust sol sich die obergheit uff das wort gottes gar nit
setzen; denn sy strafft nun die ußwendigen mißthaten, macht aber
innwendig nit gerecht, nit unrecht; denn das thuot got allein in den
hertzen der menschen.
2. Darus volgt, daß sy nun die bärlichen, offnen mißtaten
verhueten söllend mit gebott und straff.
3. Was recht ist oder unverbotten oder erloubet von got, söllend
sy nit anbinden;
4. denn sy mögen nit sünd machen, das nit sünd ist.
5. Was aber gotsforcht und christenliche frommgheit antrifft,
söllend sy uffnen,
6. söllend aber nit für guot haben, das die menschen erdichtend,
sunder allein das got hat fürgeben.
7. Straffen sy, die nit wider got gethon hand, so werdend ouch
sy von got gestrafft.
8. Straffend sy die nit, die wider got tuond, werdend sy aber
gestrafft.
9. Sich, also wil got in allen sinen worten und gebotten, das
man allein uff inn sehe.
10. Hierumb sol ghein obergheit, als es umb dise zyt stat,
ieman straffen umb der zünselwercken willen, dero abgangs sich vil

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menschen klagend; ouch nieman, der sich den bapst nit wil lassen
vom gotswort tringen; ouch ghein stuck, das allein die conscientz
des inneren mentschen antriffet; dann des urteil stat allein in der hand
gottes. Byspil: Es befindend münch und nonnen in den klösteren,
das die örden, secten und rotten wider got sind, unnd wie sy verfuert
sind, säligheit in den klöstren ze suochen; und begerend demnach alle
glychßnery hinzelegen und ein unglychßnet christenlich leben ze
fueren mit gemeinen christenen bruederen. Welche obergheit wil sich
des undernemmen ze weeren? Nun ist doch gheine über die conscientzen
der menschen herr. Ob aber in sölchem offenlich gemißhandlet
wurd wider den gwalt, der inen bevolht ist, da mögend und söllend
sy iren gwalt bruchen; söllend ouch alles, das wider das götlich wort
ist, abstellen. Damit wirdt inen ruow geborn und ein frydsam regiment.
Denn, so man am gotswort täglich die mißbrüch erlernet und man
die mit zytlichem radt nit abstelt, ist ze besorgen, das die ungenad
der beschwärten ze letst so groß erwachse, das die ze entsitzen sye.
Dann kurtz: Das wort gottes mag man nit fahen noch anbinden.
So wir uns aber alle gemein des worts gottes zum aller ernstlichesten
flyssen werdend, so lassind demnach got walten; er wirdt alle sachen
recht schicken. Dem sye lob und eere in die ewigkeit. Amen!