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Huldrych Zwingli Briefe - 342

Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte

342

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Absender: Zwingli

Empfänger: Toggenburg

Ort: Zürich
Datierung: 18 VII 1524

Vorlage: Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 8 (Leipzig: Heinsius, 1914) (Corpus Reformatorum 95), 206-212




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Gnad und frid von gott, dem vatter unnd sinem eingebornen sun,
unserem lieben herren Iesu Christo, sampt dem heligen, ermanenden
und tröstenden geist, einem gott, herren und schöpfer und enthalter aller
dingen sye üch zevor.
Fürsichtigen, ersamen, wysen herren und getrüwe, lieben landlüt.
Ich sag gott lob und danck, der mich in die arbeit sines euangelii ge=
steckt hatt, das er üch, für die ich allweg sorgveltig bin, uß den Egypti=
schen finsternussen der irrsäligen menschenleren in das wunderbar liecht
sines wortes gefuert hatt, darinn ir (als ich zuo got hoff) für und für er=
sehen werdend den wunderbaren radschlag der götlichen wyßheit, die den

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menschen, so er überein wyß sin wil, laßt nach sinen anschlegen und
erfindnussen wandlen, biß das er in ein sölch unwüssenheit kumpt, das er,
wie zuo Noes zyten geredt [Genes 6. 3], nütz denn ein fleisch wirt, by
dem gott nit blibt, und so er demnach widerumb erlüchtet wirt, das er
die warheit erkennt, sich verwundret, das er ie hatt so blind können sin,
das er die verfuerung des tüfels und fleischs nit hatt gesehen, die doch so
offenlich und unverschamt sich vor unseren ougen gespieglet hatt. Er
wirdt ouch hiemitt bericht, das sölche stockblindheit an den menschen on
besunder urteil gottes nit hette mögen vallen, sunder das gott sölche
finsternuß darumb laßt wachsen, das der mensch an siner eignen unwüssen=
heit und mißwandel die verfuerung des fleischs und harwidrumb das liecht
und gewüsse des götlichen wortes erlernete, als er selbs redt Deut. 28.
[Deuter. 28. 15. 28f.]: "Wo du aber die stimm dines herren gottes nit
hören wilt etc., so wirt dich gott mit töube und blindheit und wüten des
gmuets schlahen, das du zuo mittem tag tapen wirst, glych wie ein blind in
der finsternuß pfligt ze tapen oder griffen, und wirst dine weg nitt richtig
fueren". Er zeigt ouch an Levit. 26., das er sin volck nitt so gar ver=
schupft, das er ir nümmer me gedencken wöll, sunder das er sy so lang
laßt byfangen und verhergen, das sy demnach zuo erkantnus irer mißtat
und blindheit kumind und sich zuo got kerind und in erkennind, anrueffind,
und er sy erlöse. Dis hatt uns der allmechtig got alles zuogfuegt, damit
wir sin macht und gnad und dargegen ünser presten, blindheit und schuld
deß häller erkantind. Ist das nit ein große blindheit gsin, das wir uns
habend lassen breden, ein mensch sye unser irdischer got, und des himels
und der helle yngang stande in siner hand, und was er erkenne, das
glich wider das götlich wort sye, das söllind alle menschen halten? Ist
das nit ein grosse blindheit gsin, das der almechtig got, der uns geschaffen
hatt, sich uns so offt kundbar hatt gemacht, wie er unser vatter sye, und
zuoletst ouch sinen sun für uns geben hat, der ouch selbs darstat und uns
armen sünderen ruefft, sprechende [Matth. 11. 28]: "Kummend zuo mir alle,
die arbeitend und beladen sind, ich wil üch ruowig machen"? Und wir

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sind hingangen und hand unß an die creatur kert und von got gehalten,
das er so ruch und grusam sye, das wir nit gdörind zuo im kummen, und
habend im wol vatter geruefft, wir hand im aber nit us dem geist Christi
vatter geruefft, das ist: wir hand inn aber nie darfür gehalten und uns nit
aller gnad zuo imm versehen; denn wir hand die heimlicheit siner gnad nit
in demm erkent, das er sinen sun hat für uns ggeben, und hand ouch das
säligwerden nit der gnad gottes zuogeschriben, wiewol uns sin eingeborner
sun Christus Iesus, warer got und mensch, durch krafft sines lydens,
das er für uns getragen hatt, erlößt hat, sunder wir habend us unseren
eignen wercken, die so befleckt, vorteilig, eigennützig und närrisch sind,
unser grechtigheit und demnach säligheit ermessen und sind also blind
richter in unserer eignen sach gewesen, glych als so einer uß sinem eignen
urteil sich selb für einen guoten senger oder wysen menschen schätzt. Ist
das nit ein groffe blindheit, das die götlich warheit Iesus Christus dise
bedy wort nebend einandren redt [Joh. 15. 14, Matth. 15. 9]: "Ir sind
mine fründ, so ir tuon werdend die ding, die ich üch gebüt", und: "Sy erend
mich vergeben, so sy lerend leren und gebott der menschen", das wir
demnach alles, das gott geheissen hatt, underlassen und das uns der mensch
fürgeben hatt, angenomen habend? Gott heißt uns einandren als lieb
haben, als ieder sich selbs lieb halt, und zuo sölcher vereinbarung hatt er
uns das sacrament sines lychnams und bluotes geben, das wir darinn alle
mit einander vereinbaret wurdind, welches uns vor den houptlastren zum
aller wenigosten verhuot hette. So ist die falsch rot der geistlichen kommen
und hat das sacrament der vereinbarung in ein opfer kert, das aber sy sich
fürgabend ze opfren für uns; also sind wir so blind gsin, das wir inen
gloubt hand, nun das wir by unseren begirden unnd anfechtungen blibind
und darzwüschend schläfflingen durch münch unnd pfaffen meßhalten sälig
wurdind. Und wiewol er spricht, es sye vergeben, noch so hand wir
by der verwänten geistlichen kutten, gsang, gmürmel, ja füllen, huoren,
gyt wellen sälyg werden, aber die götlichen gebott mit einem finger nit
angeruert. Gott schiltet den gyt der pfaffen im alten testament, das dem
fleisch mit vil dingen näher was denn das nüw. Und wir hand den muot=
willen der geistlichen unverschamt vor uns gesehen und nütz des minder
inen zuogedienet zuo irem muotwillen, und das nit allein, sunder ouch den
gyt, den sy uns mit der ler geleidet habend, inen gestattet und das den
armen vor zyten ggeben ist und by uns täglich solt ggeben werden, sy

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lassen ynnemen, byß das unser lyb, arbeit und guot den mereren teil ir
eigen worden ist und wir arm mit den armen gemacht. Gott verbütet
die bilder imm ersten gebott Exo. xx. [Exod. 20. 4], und wir machend sy
ouch mit nachteil der armen; dann wir an die soltend gelegt haben, das
wir an die götzenzier gehenckt hand, und sprechend uß unser ler und
duncken, die bylder lerend uns glych als wol als gschrifft, so doch gott
redt Ioh. 14. [Joh. 14. 21]: "Welcher mine gebott hatt und dieselben
haltet, der ist, der mich lieb hatt". Da wir sehend, das man gottes wort
nit an den wenden, sunder in den hertzen stät haben und tragen sol,
wellend wir für liebhaber gottes geachtet werden; denn got wirt nit ab
den wenden erlernet, sonder von im selbs, Io. 6. [Joh. 6. 44]: "Niemant
kumpt zuo mir, der vatter hab in denn gezogen", und: "Sy werdend all
von gott gelert" [Joh. 6. 45]. Und deren glichen blindheiten ist die welt
voll. Ia, dise blindheiten und all andre mögend wir alle erkennen, das
sy ware blindheiten sind, und ouch daby bekennen, das wir so torecht nie
wärind gewesen, wo uns gott nit gewaltigklich mit der blindheit geschlagen
hette, das wir sölchen unverschamten lügen und tantmären ggloubt het=
tind. Das ist aber alles geschehen, das wir dester baß got und uns lerne=
tind erkennen: Gott, das er der ist, der do schlecht und widrumb gsund
macht, und in sinem gwalt und wolgevallen alle ding stand; uns, das
wir sehind, wie all unser vermögen und wyßheit nütz ist, nüt sol, nüt
vermag, sonder das, da wir wenend am aller stercksten und wysesten sin,
er uns krenckt, verzegt und blendt. Denn er einig wil, das man sinem
wort allein lose und das läben allein nach demm richte, als ouch ein ieder
hußhalter in sinem gsind wil gehebt haben, das es nach sinem wort und
willen geschickt werd. Und so er zuo unseren zyten das liecht sines wortes
sölcher gstalt offnet, das wir die verfuerlichen finstren lüg darinn erkennen
mögend, so wil das böß werck sich nit lassen in 'n tag harfür ziehen, sunder
schryt es, und so es wider die warheit nütz vermag, so kert es sich zuo
sinen alten künsten, das ist: heimlich hindergan und umbbringen unverhört,

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mit valschen zügen, mitt lügen, und wie es mag. Da hat üwer ersam
wyßheit wol und christenlich gehandlet, das sy nit uff eins ieden vertragen
die verkündiger des götlichen wortes wil one recht lassen fahen,
kestigen, tödten; denn in welcher welt ist das recht, das man ieman
unverhörter sach sölcher gstallt sölle verhergen und, so bald er sinen mund
ufftuot, schryen: schwyg, du bist ein ketzer oder ein buob; nimm inn hin,
nimm inn hin unnd krützig inn [Marc. 15. 13f.]? Ir habend üch ouch
damit vil ruowen gestattet; denn ob es glych vonn dem gemeinen man
ein zyt geduldet wirt, das man inen ire lerer durch undertrag der
gwaltigen prelaten fahet, vertrybt, kestiget, wirt es doch die lenge nit
bstand haben, sunder vil unruowen bringen. Des werdend ir embrosten,
so ir die, so einandren ketzer oder anders scheltend, gegen einandren ver=
hören und den mißtäter demnach straffen werdend. Denn der künfftigen
uffruoren sich ich ghein grössere ursach, weder das man so frävenlich uß
etlicher unsinnigen psaffen verretschen glich über die verkündiger des göt=
lichen wortes vallen und metzgen wil und nit sicht, das uns dieselben so
lange iar in so herrt, schwer krieg gefuert hand, sunder laßt sich die erst
noch wyter verhetzen. Und diß schrib ich nit, das mir umb diß zytlich
leben der lerenden sye; gott wirt inen iren tod wol zuofuegen, wenn es zyt
ist; sunder das üwre hend von sölchem mißhandel unvermaßget blibind.
Der knecht ist nit über den meisterr [Matth. 10. 24]. HattChristus
falsche kuntschafft, hingeben der schryenden pfaffen getragen, so werdend
ouch sine iünger wol gelert tragen; wee aber denen, durch die sölch übel
begangen wirt! Dann wie sich Hierusalem verschuldiget hatt an dem
bluot Christi und ist iämerlich zerstört, also ist ghein gwalt so starck nit,
er wirt die straff gottes umb alle unbill ze tragen zwungen. Hierumb so
handhabend das heilig gotteswort, das es mit trüwen und one zuosatz
gepredget werd, zuo eim. Zum andern so handhabend es mit dem er=

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füllen; denn der nam gottes wirt übel gelestret, da man sich für Christen
ußgibt und aber nit christenlich lebt, und da man allein darumb uff das
wort Christi sicht, ob uns etwas nutzes und vorteils daher entspringen
möcht; denn sölchs wäre nütz anders, denn ouch die glissenden geistlichen
gethon: habend sich selbs geistlich erzeigt, damit sy die begirden des fleischs
überkomen und enthalten möchtind; sunder rede ieder gegen gott und dem
nechsten die warheit, sye üwer red ia ia, nein nein [Matth. 5. 37]; denn
so werden ir gott dienen im geist und der warheit [Joh. 4. 23]. Der=
lassend gotzlestrung, füllen, spylen, huory, eebruch, umb sold kriegen;
helffend den armen, beschirmend den rechtlosen und vertruckten etc.
Unnd andre christliche stuck thuond oder lassend nach inhalt des götlichen
wortes und setzend demnach all üwren schirm und trost zuo dem almäch=
tigen, ungeacht, wie ir gescholten werdind. Es sol noch mag ghein herr
üch gebieten, das ir den rechten glouben, das ist: all üwer vertrüwen,
nit söllind zuo dem almechtigen got setzen. Und wer üch sölchs gebieten
understuend, söllend ir dem antwurten: man muoß gott me ghorsam sin
weder den menschen [Ap.-G. 5. 29]. Ich hette üch offt zuogeschriben, wo
mich nit zwo ursachen davon gewendt hettind. Fine: das mine ungünster
mich glych ußgeben wurdind, ich suochte menschlichen trost by üch, des ich
noch wol geraten mag, gott sye lob: zuo eim, das die frommen von
Zürich mir wider recht nütz lassen widerfaren, darnach das ich gotteskrafft
gern wil lassen walten und dennocht die margariten bärlin nit für die
süw schütten [Matth. 7. 6], sunder, wo mir die thür wirt uffgethon [1. Cor.
16. 9, 2. Cor. 2. 12], daselbst nitt fyren. Die ander ursach ist, das ich al=
weg willen hab gehabt, selbs by üch als in minem vatterland das euan=
gelium Christi ze leren; bin doch für und für verhindret worden von
dem uffsatz, der mir zuogesueret wirt: nit das ich min so übel oder üwer=
halb sorg, das ir mich nit beschirmind, sunder das nieman ursach zuo
rumoren ggeben wurd, dero sich (als ich besorg) vil begeben werdend, wo
der gwalt me die hohen fleischlich geistlichen hören und volgen wirt, weder
rechte verantwurt dero, die im gotzwort arbeitend. Sind wacker und un=
erschrocken [Jos. 1. 6]! Gott, der üch erwellt hatt, das ir in sinem liecht
wandlind, der mere sich in üch und gebe, das ir in allem guoten zuonemind,
damit der nam gottes durch üch erhöcht und geheiliget werd, und ir nach
disem jamer ewige lustbargkeit by imm besitzind. Amen.

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Lassend üch das frevel lügen und wunderbarlich sagen, so uff mich
beschicht, nit irren; der gwalt der finsternuoß tuot imm nit anderst. Aber
uff mich sol sich, ob gott wil, andest nütz erfinden, denn das ich in allem
leren allein dem götlichen wort sye angehangt. Ein ketzer hatt mich ein
ieder bocher bald gescholten, aber darzuo machen vermag ouch der tüfel
mit inen nit.
Gott sye mit üch! Und in allem, darinn ich üch gedienen kan,
schaffend und gebietend als mit üwrem eignen landtman (dann ich mich
üwer gheinen weg verzich) und eignem bruoder in unserem lieben herren
Jesu Christo.
Geben zuo Zürich, mentags nach Margarete M.D.xxiiij.